04.071 Botschaft zum Bundesgesetz über die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Transplantaten vom 10. November 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Transplantaten mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. November 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Der Bundesbeschluss vom 22. März 1996 über die Kontrolle von Transplantaten ist bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes, längstens aber bis zum 31. Dezember 2005 befristet.

Der Bundesbeschluss regelte in seiner ursprünglichen Fassung ­ neben den Transplantaten ­ auch den Umgang mit Blut und Blutprodukten und sollte bis zum Inkrafttreten eines Heilmittelgesetzes gelten. Da das Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 2000, das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, unter anderem auch den Umgang mit Blut und Blutprodukten regelt, wurde der Geltungsbereich des Bundesbeschlusses auf die Kontrolle von Transplantaten eingeschränkt. Ausserdem wurde der zeitliche Geltungsbereich des Bundesbeschlusses geändert; dieser soll bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes gelten, längstens aber bis zum 31. Dezember 2005.

Die Beratung des am 12. September 2001 vom Bundesrat verabschiedeten Entwurfs zum Transplantationsgesetz wurde vom Parlament im Juli 2003 an die Hand genommen. Das Gesetz wurde am 8. Oktober 2004 von beiden Räten verabschiedet.

Da es nicht möglich sein wird, das erforderliche Verordnungsrecht bis Ende 2005 zu erarbeiten, die notwendigen Konsultationen durchzuführen und den Vollzug vorzubereiten, kann das neue Gesetz erst nach dem 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt werden. Aus diesem Grund muss die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Transplantaten ohne inhaltliche Änderung bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes, maximal aber um fünf Jahre (d.h. bis Ende 2010) verlängert werden. Nach der neuen Bundesverfassung ist dafür ein Bundesgesetz zu erlassen. Ohne Verlängerung des Bundesbeschlusses fehlen dem Bund die nötigen Aufsichts- und Bewilligungskompetenzen in Bezug auf die Sicherheit und den Schutz von spendenden und empfangenden Personen bei Transplantationen, und es würde vom 1. Januar 2006 bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes eine für alle Betroffenen gefährliche Regelungslücke bestehen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Mangels ausdrücklicher Grundlage in der Bundesverfassung (BV, SR 101) war der Bundesgesetzgeber bis vor kurzem nicht befugt, die Entnahme und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen umfassend zu regeln. Es waren demzufolge hauptsächlich die Kantone, die ­ gestützt auf ihre generelle Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Gesundheitswesens ­ in diesem Bereich legiferiert haben.

Neben diesen kantonalen Regelungen hat seit dem Ende der 1960er-Jahre auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften im Bereich der Transplantationsmedizin standesrechtliche Richtlinien erlassen.

Auf Bundesebene sind verschiedene Bestimmungen auch für den Bereich der Transplantationsmedizin relevant, so z.B. das Grundrecht der persönlichen Freiheit nach Artikel 10 der Bundesverfassung. Die gleiche Schutzfunktion wird im Rahmen des Privatrechts durch die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) betreffend den Schutz der Persönlichkeit (Art. 27 und 28) gewährleistet. In bestimmten Missbrauchsfällen können auch Normen des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) Anwendung finden, z.B. die Artikel 122­125 (Körperverletzung) und 181 (Nötigung). Schliesslich ist auch auf das Krankenversicherungsrecht hinzuweisen, das die Voraussetzungen und die Tragweite der Kostentragungspflicht für die medizinischen Leistungen bei Transplantationen regelt.

1995 verlangten die eidgenössischen Räte mit zwei Motionen eine einheitliche Regelung des Umgangs mit Transplantaten in der Schweiz. Die Motion Onken verlangte ein Verbot des Organhandels, die Motion Huber eine umfassende bundesrechtliche Regelung der Transplantationsmedizin1.

Weil dafür die bestehenden verfassungsmässigen Kompetenzen nicht ausreichten, musste zunächst eine Verfassungsgrundlage geschaffen werden. Bereits vor Inkrafttreten der Verfassungsbestimmung wollte der Gesetzgeber aber zumindest einzelne Aspekte der Transplantationsmedizin auf Bundesebene einheitlich regeln und hat mit dem Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten eine entsprechende Übergangsregelung erlassen.

1

Motion Onken vom 7. Dez. 1993 (93.3573; S 22.9.94, N 23.3.95) betr. Verbot des kommerziellen Handels mit Transplantaten und speziellem Schutz für Minderjährige und entmündigte Personen; Motion Huber vom 28. Febr. 1994 (94.3052; S 22.9.94, N 23.3.95) betr. Erarbeitung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen für die Bewältigung der vielfältigen rechtlichen und organisatorischen Probleme der Transplantationsmedizin.

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1.2

Inhalt der geltenden Regelung

Auf Bundesebene ist mit dem Bundesbeschluss vom 22. März 19962 über die Kontrolle von Transplantaten (SR 818.111) erstmals in Teilbereichen der Transplantationsmedizin (Handelsverbot und Infektionsschutz) eine Regelung in Kraft getreten.

Der Bundesrat hat in seiner Botschaft seinerzeit festgehalten, dass eine umfassende Regelung des Umgangs mit Organen, wie sie die Motionen Onken und Huber verlangen, im Rahmen dieses Bundesbeschlusses nicht möglich ist, dass aber der Schutz der Empfängerin oder des Empfängers vor einer Ansteckung mit Krankheitserregern sofort sichergestellt werden soll (Botschaft vom 1. März 1995 zu einem Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten, BBl 1995 II 985). In der parlamentarischen Beratung haben die eidgenössischen Räte diese Regelung erweitert und auch den Handel mit Transplantaten erfasst. Der Bundesbeschluss statuiert für menschliche Transplantate in Artikel 17 die Unentgeltlichkeit: Es ist verboten, menschliche Transplantate gegen Entgelt in der Schweiz oder von der Schweiz aus im Ausland in Verkehr zu bringen oder gegen Entgelt erworbene menschliche Transplantate zu transplantieren3. Das Verbot wird mit einer Strafbestimmung abgesichert (vgl. Art. 32 Abs. 1 Bst. c des Bundesbeschlusses).

Der Bundesbeschluss statuierte für Xenotransplantationen4 in Artikel 18 eine Meldepflicht und in Artikel 19 eine Testpflicht. Im Juni 1998 hat der Bundesrat dem Parlament vorgeschlagen, auf Grund bestehender Unsicherheiten namentlich im Bereich des Infektionsschutzes den Bundesbeschluss rasch zu ändern und die bestehende Regelung der Xenotransplantation zu verschärfen (Botschaft vom 3. Juni 1998 betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten, BBl 1998 3645). Das Parlament hat sich in der Folge für die Verankerung einer generellen Bewilligungspflicht für Xenotransplantationen entschieden, wobei zwischen klinischen Versuchen und Standardbehandlungen unterschieden wird und je andere Bewilligungsvoraussetzungen gelten. Diese Änderung des Bundesbeschlusses ist zusammen mit der Anpassung des Verordnungsrechts am 1. Juli 2001 in Kraft getreten.

Seit dem 1. Januar 2002 wird der Umgang mit Blut und Blutprodukten im neuen Heilmittelgesetz (SR 812.21) geregelt, und der Bundesbeschluss gilt
dementsprechend nur noch für die Kontrolle von Transplantaten. Er stellt aber nach wie vor lediglich eine Übergangsregelung dar, die nun nicht mehr bis zum Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes, sondern bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes gelten soll, längstens aber bis zum 31. Dezember 2005 (Art. 37 Abs. 3 des Bundesbeschlusses).

2 3 4

Ursprünglicher Titel: Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten (AS 1996 2296).

Nach Art. 119a Abs. 3 BV hat die Spende von menschlichen Organen, Geweben und Zellen unentgeltlich zu erfolgen, und der Handel mit menschlichen Organen ist verboten.

Unter dem Begriff Xenotransplantation versteht man die Übertragung von Organen, Geweben oder Zellen über Artgrenzen hinweg, beispielsweise vom Schwein auf den Menschen.

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1.3

Aktueller Stand der Gesetzgebungsarbeiten am Transplantationsgesetz

Volk und Stände haben am 7. Februar 1999 die Verfassungsbestimmung über die Transplantationsmedizin mit grosser Mehrheit angenommen. Der neue Artikel 119a überträgt dem Bund eine umfassende Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich.

Am 12. September 2001 verabschiedete der Bundesrat den Entwurf zu einem Transplantationsgesetz. Der Entwurf regelt sämtliche zentralen Fragen im Transplantationsbereich, insbesondere die Unentgeltlichkeit der Spende und das Handelsverbot, das Verfahren der Entnahme bei verstorbenen wie bei lebenden Personen, die Anforderungen an die Einwilligung zur Spende, das Todeskriterium, die Zuteilung der Organe, bestimmte Anforderungen an Transplantationszentren, den Spenderund Empfängerschutz sowie die Übertragung von tierischen Organen, Geweben und Zellen.

Nach der Durchführung eines Hearings im Februar 2003 konnte die parlamentarische Beratung in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates im Juli 2003 beginnen. Der Nationalrat hat die Vorlage am 17. Dezember 2003 zuhanden des Ständerates verabschiedet, der in der Sommersession 2004 darüber beraten hat. Die Räte konnten das Differenzbereinigungsverfahren in der anschliessenden Herbstsession abschliessen, und das Gesetz wurde in der Schlussabstimmung am 8. Oktober 2004 gutgeheissen.

1.4

Würdigung der Ausgangslage und des Stands des Gesetzgebungsverfahrens

Bis zur Verabschiedung des Transplantationsgesetzes am 8. Oktober 2004 blieb in einzelnen wichtigen Punkten unklar, wie die gesetzlichen Bestimmungen lauten würden. Vor der Schlussabstimmung konnten deshalb die Arbeiten am umfassenden Verordnungsrecht nur in beschränktem Umfang vorangetrieben werden. Da das Ausführungsrecht erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Transplantationsmedizin und die Arbeiten der involvierten Institutionen haben wird, ist im Jahr 2005 auch eine Vernehmlassung von drei Monaten vorgesehen. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass der Vollzug des Gesetzes eine hinreichende Vorbereitungszeit benötigt (Leistungsvereinbarungen mit verwaltungsexternen Institutionen, Implementierung einer neuen Organzuteilungsmethode usw.). Es wird daher nicht möglich sein, die Transplantationsgesetzgebung wie ursprünglich geplant auf den 1. Januar 2006 in Kraft zu setzen. Somit ist in zeitlicher Hinsicht mit einer Regelungslücke zu rechnen, wenn die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses nicht verlängert wird.

Hinzu kommt, dass ein Referendum gegen das Transplantationsgesetz zwar nicht wahrscheinlich ist, aber auch nicht ausgeschlossen werden kann.

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1.5

Verzicht auf Vernehmlassung

Der Inhalt des Bundesbeschlusses wird durch die Verlängerung seiner Geltungsdauer nicht verändert. Aus diesem Grund wurde auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet.

2

Besonderer Teil

Die Verlängerung des Bundesbeschlusses über die Kontrolle von Transplantaten bezweckt, in den auf Bundesebene geregelten Aspekten der Transplantationsmedizin den Vollzug bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu sichern, was insbesondere zum Schutz von spendenden und empfangenden Personen im Sinne der Gewährleistung der Sicherheit der Transplantate unabdingbar ist. Der Bundesbeschluss stipuliert Sorgfaltspflichten, unterwirft bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit Transplantaten der Melde- oder Bewilligungspflicht und gibt dem Bundesamt für Gesundheit die Möglichkeit, Inspektionen durchzuführen. Ohne Verlängerung des Beschlusses würde in all diesen Bereichen zwischen dem 1. Januar 2006 und dem Datum des Inkrafttretens des Transplantationsgesetzes in Gesetzgebung und Vollzug eine nicht zu verantwortende Lücke bestehen.

Der Inhalt des Bundesbeschlusses soll unverändert übernommen werden. Ziel der Verlängerung ist es, auf möglichst einfache Weise die geltende Regelung, die sich im engen Rahmen ihres Anwendungsbereichs bewährt hat, weiterzuführen. Auch die bestehende Verordnung über die Kontrolle von Transplantaten vom 26. Juni 19965 bleibt in diesem Fall unverändert in Kraft.

3

Finanzielle, personelle und volkswirtschaftliche Auswirkungen

Weder für den Bund noch für Kantone und Gemeinden sind zusätzliche finanzielle oder personelle Auswirkungen zu erwarten. Der Bund wird seine Kontrollaufgabe mit den vorhandenen Mitteln im bisherigen Rahmen weiterführen. Die Fortführung der im Bundesbeschluss aufgeführten Pflichten zieht für die Betroffenen keinen neuen Aufwand nach sich, weshalb auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht keine Auswirkungen ersichtlich sind.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 2004­2007 nicht angekündigt. Grund dafür ist die Tatsache, dass allgemein mit einem früheren Beginn der parlamentarischen Beratung des Transplantationsgesetzes und mit dessen Inkraftsetzung spätestens auf den 1. Januar 2006 gerechnet worden war.

5

SR 818.111.3

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Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Da die Bundesverfassung durch den neuen Artikel 119a (Transplantationsmedizin) ergänzt worden ist, könnte sich die Vorlage auf diese Bestimmung abstützen. Weil sich inhaltlich am Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten aber nichts ändert, genügt wie bislang die Abstützung auf die Artikel 95 und 118 Absatz 2 Buchstaben a und b BV, denen die Artikel 31bis Absatz 2 und 69 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 entsprechen.

5.2

Erlassform

Die neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 kennt die Form des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses nicht mehr. Für die Verlängerung des vorliegenden Bundesbeschlusses muss somit eine andere Erlassform gewählt werden. Da der Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten rechtsetzend ist und seinerzeit dem Referendum unterstellt wurde, ist für seine Änderung die Erlassform des Bundesgesetzes zu wählen (vgl. Art. 163 Abs. 1 BV).

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