04.062 Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Managed Care) vom 15. September 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. September 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-1366

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Übersicht Mit der Einführung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG SR 832.10) per 1. Januar 1996 wurden die gesetzlichen Grundlagen für die besonderen Versicherungsformen geschaffen. Gestützt auf diese Bestimmungen entstanden innert kurzer Zeit verschiedene besondere Versicherungsformen. Zu den häufigsten gehören die sogenannten Health Maintenance Organizations (HMO) und die Hausarztmodelle, seltener sind Versicherungsmodelle mit Ärztelisten. Nach der anfänglichen Dynamik stagniert heute der Versichertenbestand bei den besonderen Versicherungsmodellen. Dies zeigte unter anderem die Wirkungsanalyse zum KVG (Bundesamt für Sozialversicherung, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Wirkungsanalyse KVG: Synthesebericht Bern 2001, S. 124).

Diverse Studien haben inzwischen gezeigt, dass eine medizinische Versorgung, die von der Diagnose bis zur letzten Therapie von einer Hand gesteuert wird, aus qualitativen und wirtschaftlichen Gründen gefördert werden sollte. Mit der gescheiterten 2. KVG-Revision hätten im Sinne der Förderung solcher Managed Care-Modelle die Versicherer verpflichtet werden sollen, allein oder zusammen mit anderen Versicherern eine oder mehrere besondere Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer anzubieten. Das Parlament hatte ergänzend vorgeschlagen, dass die Versicherer Modelle anzubieten haben, in denen die Leistungserbringer die mit den Versicherern vereinbarte Budgetverantwortung zu übernehmen haben.

Damit war faktisch ein Zwang zum Angebot eines integrierten Versorgungsnetzes verbunden, das als Alternative zur Vertragsfreiheit angesehen wurde. Dieser Zusammenhang ist aus Sicht des Bundesrates aufzugeben. Vielmehr sollen die Netzwerke klar als Form von besonderen Versicherungsformen definiert und unabhängig von der Frage der Vertragsfreiheit gesetzlich verankert werden.

Der Bundesrat will daher die Rahmenbedingungen für solche Modelle verbessern.

Er erachtet die Vertragsfreiheit verbunden mit stärkeren Anreizen als das geeignete Mittel, um diese Modelle zu fördern. Die unter den beteiligten Parteien getroffenen Vereinbarungen sollen soweit möglich nicht gestützt auf gesetzliche Verpflichtungen, sondern gestützt auf den freien Wettbewerb getroffen werden. Um die Systematik übersichtlicher zu gestalten, werden die bereits
bestehenden und die neuen Bestimmungen zum Thema «Besondere Versicherungsformen» in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst. Neu wird der Begriff der integrierten Versorgungsnetze im Gesetz definiert. In diesen integrierten Netzwerken haben die Leistungserbringer die mit den Versicherern vereinbarte Budgetverantwortung zu übernehmen.

Im Rahmen dieser Revision schlägt der Bundesrat ausserdem Massnahmen im Medikamentenbereich vor. Die Spezialitätenliste wird ergänzt durch wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten. Zur Eindämmung der Medikamentenkosten wird der Leistungserbringer verpflichtet, sowohl bei der Verordnung eines bestimmten Arzneimittels wie auch bei der Abgabe eines Arzneimittels mittels Wirkstoffverschreibung ein preisgünstiges Arzneimittel abzugeben. Zudem wird die Regelung bezüglich der Weitergabe von Vergünstigungen, die namentlich auch im Zusammenhang mit Medikamenten stehen, ergänzt.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die Grundlagen für die versuchsweise Einführung von besonderen Versicherungsformen hat der Bundesrat 1989 noch unter dem alten Krankenversicherungsgesetz (Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911; KUVG) mit einer Änderung der in Zwischenzeit aufgehobenen Verordnung V vom 2. Februar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Anerkennung von Krankenkassen und Rückversicherungsverbänden sowie ihre finanzielle Sicherheit geschaffen (AS 1990 21). Dort wurde in den Artikeln 23 ff. festgesetzt, dass die Versicherer zusätzlich zur ordentlichen Versicherung Versicherungen betreiben dürfen, bei denen die Behandlung der Versicherten ausschliesslich ausgewählten Leistungserbringern anvertraut wird (Versicherung mit eingeschränkter Arztwahl) oder bei denen eine Prämienermässigung dann gewährt wird, wenn die Versicherten während eines ganzen Kalenderjahres keine Leistungen in Anspruch nehmen (Bonusversicherung). Entsprechende Angebote waren zu genehmigen und mit Auflagen über eine begleitende wissenschaftliche Untersuchung verbunden. In einer breit abgestützten Untersuchung, die in umfangreichen Berichten mündete, wurde das Verhalten der Versicherten und Leistungserbringern sowie die Kostenwirkung dieser Modelle untersucht (vgl. dazu Baur Rita, Hunger Wolfgang, Kämpf Klaus, Stock Klaus ­ Prognos AG, Evaluation neuer Formen der Krankenversicherung, Synthesebericht, Bern 1998).

In seiner Botschaft vom 6. November 1991 zur Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93, insbesondere 102 f.) schlug der Bundesrat mit Blick auf den erhofften kostendämmenden Einfluss eine definitive Verankerung der besonderen Versicherungsformen im neuem Recht vor. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) wurden damit die gesetzlichen Grundlagen für die besonderen Versicherungsformen geschaffen. Nach Artikel 41 Absatz 4 KVG können die Versicherten im Einvernehmen mit dem Versicherer ihr Recht auf die freie Wahl des Leistungserbringers beschränken. Der Versicherer wählt die Leistungserbringer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung aus. Der Versicherer muss in diesem Fall nur die Kosten für Leistungen übernehmen, die von diesen Leistungserbringern ausgeführt oder veranlasst werden.

Der Versicherer kann den Versicherten, die sich für ein
solches Modell entscheiden, eine im Vergleich zur ordentlichen Versicherung verminderte Prämie anbieten (Art. 62 Abs. 1 KVG). Ausserdem kann der Bundesrat die Kostenbeteiligung aufheben, wenn sie sich als unzweckmässig erweist (Art. 64 Abs. 6 Bst. c KVG).

Gestützt auf diese Bestimmungen entstanden innert kurzer Zeit verschiedene besondere Versicherungsformen. Am häufigsten bieten die Versicherer sogenannte Health Maintenance Organizations (HMO) und Hausarztmodelle an. Seltener sind Versicherungsmodelle mit Ärztelisten, in denen die teuersten Ärzte ausgeschlossen werden. Bei den HMO's handelt es sich um Gruppenpraxen mit angestellten Ärzten und Ärztinnen. Diese beziehen in der Regel einen fixen Lohn, die medizinischen Leitenden erhalten zudem einen Erfolgsbonus. In den Hausarztmodellen wählt die versicherte Person einen Hausarzt, eine Hausärztin aus einer vom Versicherer zusam5601

mengestellten Liste. Bei beiden Modellen ist ausser im Notfall immer die gewählte HMO, respektive der gewählte Hausarzt aufzusuchen, welche auch als Gatekeeper fungieren. Bei Versicherungsmodellen mit einer Ärzteliste (Preferred-ProviderOrganization/PPO) wählen die Versicherten die Leistungserbringer von einer Anbieterliste aus, welche jährlich vom Krankenversicherer angepasst wird. Für diese Liste werden nur Ärzte und Ärztinnen berücksichtigt, deren Kosten in der Höhe der Durchschnittskosten der jeweiligen Fachgruppe des Kantons liegen. Bei diesem Modell findet kein Gatekeeping statt, und die Leistungserbringer übernehmen keine Budgetverantwortung, sondern werden pro Einzelleistung vergütet.

Nach der anfänglichen Dynamik, die einerseits auf den Prämienschub des KVG und andererseits auf die vermehrten Angebote der Versicherer zurückzuführen ist, stagniert heute der Versichertenbestand bei den besonderen Versicherungsmodellen. In den Jahren 1999 und 2000 wurden deutlich weniger neue Verträge für Hausarztmodelle abgeschlossen, und einige HMO's wurden wieder geschlossen. Daneben bieten mehrere Versicherer nur noch sogenannte Light-Modelle an, die lediglich wenige Managed Care-Elemente enthalten.

Die Wirkungsanalyse zum KVG (Bundesamt für Sozialversicherung, Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Wirkungsanalyse KVG: Synthesebericht Bern 2001, S. 124) hat denn auch gezeigt, dass die besonderen Versicherungsformen in der Schweiz wenig Anklang finden. Die Bereitschaft der Versicherten, die Wahl der Leistungserbringer einzuschränken, sei gering. Aber auch die Versicherer hätten den vom KVG eingeräumten Freiraum zur Schaffung von Managed Care-Modellen nur wenig genutzt.

Zur Förderung der Managed Care-Modelle sei daher eine Verstärkung der Anreize unabdingbar.

1.2

Revisionsbestrebungen

1.2.1

Parlamentarische Vorstösse

Motion Sommaruga Simonetta «Flächendeckendes Hausarztmodell» Mit der am 6. Oktober 2000 eingereichten Motion «Flächendeckendes Hausarztmodell» (00.3566) will die Initiantin das Hausarztmodell bzw. verwandte Modelle wie HMO oder Ärztenetze obligatorisch und flächendeckend in der Grundversicherung einführen. Damit soll unter anderem eine bessere Koordination unter den Leistungserbringern erreicht werden. Insbesondere sollen unnötige Kosten vermieden werden, wie beispielsweise durch Mehrfachabklärungen. Im vorgeschlagenen Modell würden die Leistungserbringer Budgetverantwortung übernehmen und für Hochrisikofälle würde ein Fonds eingerichtet werden. Der Bundesrat beantragte am 11. Dezember 2000, die Motion abzulehnen. Der Vorstoss wurde am 9. Mai 2001 vom Nationalrat angenommen und am 4. Oktober 2001 in Form eines Postulates beider Räte überwiesen.

5602

1.2.2

Zweite KVG-Revision

Der Bundesrat hat in seiner Botschaft vom 18. September 2000 zur 2. KVGRevision (BBl 2001 741, insbesondere 784) vorgeschlagen, die Versicherer zu verpflichten, in ihrem ganzen Tätigkeitsgebiet mindestens eine besondere Versicherungsform anzubieten. Grund dafür war, das Angebot an besonderen Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers zu erhöhen und den Versicherten die Möglichkeit zu bieten, sich kostenbewusst zu verhalten und sich für eine Einschränkung in der Wahl des Leistungserbringers zu entscheiden. Der Bundesrat führte dabei aus, dass diese Einschränkung jedoch vor allem davon abhange, ob die Leistungserbringer vermehrt zu entsprechenden Vereinbarungen mit den Krankenversicherern bereit seien. Die Änderung weiterer Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Förderung der Managed Care-Modelle wurde nicht vorgeschlagen.

In der parlamentarischen Beratung wurde diese Absicht zwar begrüsst, aber auch mit Blick auf die teilweise Aufhebung des Kontrahierungszwangs eine verstärkte Förderung der Managed Care-Modelle gefordert. In der Folge wurde die Einführung eines Modells unter dem Begriff «integriertes Versorgungsnetz» vorgesehen. Diese integrierten Versorgungsnetze fallen unter den Begriff «Managed Care», weil sie eine einheitliche und umfassende Versorgung darstellen und die ganze Behandlungskette umfassen. Das Gatekeeping hat dabei einen grossen Stellenwert. Die versicherte Person wendet sich immer zuerst an den gewählten Hausarzt des Netzes, welcher sie bei Bedarf an andere Glieder der Versorgerkette überweist. In integrierten Versorgungsnetzen übernehmen die Leistungserbringer die finanzielle Verantwortung der betreuten Versicherten (Budgetverantwortung) im vertraglich vereinbarten Umfang.

Diese besondere Versicherungsform basiert damit auf einer weitgehend vertraglich geregelten Zusammenarbeit zwischen einer Gruppe von Leistungserbringern und einem Versicherer. Die Krankenversicherer wären verpflichtet worden, solche Versicherungsformen mit Budgetverantwortung und einer begrenzten Anzahl von Leistungserbringern anzubieten. Der Bundesrat hätte Ausnahmen erlauben können, beispielsweise für ländliche Regionen.

Nachdem der Ständerat an seiner Sitzung vom 16. Dezember 2003 den Anträgen der Einigungskonferenz zur 2. KVG-Revision zustimmte, wurde diese dennoch vom Nationalrat an dessen Sitzung vom 17. Dezember 2003 abgelehnt. Dies bedeutete das Scheitern der Vorlage ­ drei Jahre nach Beginn der Beratungen im Parlament.

1.3

Reformvorschläge in Expertengutachten

An einer Sondersitzung vom 22. Mai 2002 zur sozialen Krankenversicherung zog der Bundesrat den Schluss, dass mit dem KVG insgesamt gute Ergebnisse erzielt wurden, jedoch die kostendämpfenden Massnahmen verstärkt und die Krankenversicherung schrittweise entsprechend reformiert werden müssten. Der Bundesrat beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) unter anderem damit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Verbreitung der Managed Care-Modelle mit geeigneten Anreizsystemen gefördert werden kann. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, wie die Rahmenbedingungen verändert werden müssen, damit solche Modelle für Versicherer, Leistungserbringer und Versicherte attraktiver werden. Diese Arbeiten sollten die Grundlage für eine dritte Teilrevision des KVG bilden.

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In der Folge hat das EDI eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. iur. Markus Moser beauftragt, entsprechende Szenarien auszuarbeiten. An der Arbeitsgruppe beteiligt waren der Verband der schweizerischen Krankenversicherer santésuisse, die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (heute: Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und ­direktoren), die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), die Medix Management AG, der Verband der Spitäler Schweiz (H+), der Qualitätszirkel Ärzte-Apotheker Freiburg und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Unter Berücksichtigung der im Auftrag formulierten Kriterien hat der konsultierte Experte zusammenfassend erklärt, welche Reformschritte im Vordergrund stehen. Dabei wird von folgenden Grundsätzen ausgegangen: ­

Es soll nicht mehr von Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer gesprochen, sondern der Begriff «integriertes Versorgungsmodell» verwendet werden. Diese sprachliche Umformulierung soll vermehrt die besondere Art der medizinischen Versorgung in den Vordergrund stellen.

­

Wirksame Anreize sind zu setzen und den Akteuren ist viel Freiraum für die konkrete Ausgestaltung zu belassen. In diesem Sinne werden weder Verpflichtungen für die Versicherten (Beitritt) noch für die Versicherer bzw.

Leistungserbringer (Angebot) vorgesehen.

Folgende Elemente werden für die Realisierung des Ziels der Förderung von Managed Care vorgesehen: ­

Vertrag zwischen Versicherern und einem Kreis von Leistungserbringern Die Koordination der gesamten Versorgung des Versicherten ist grundsätzlich durch den Zusammenschluss der Leistungserbringer zu gewährleisten.

Um den Anbietern und Nachfragern von Versorgungsmodellen möglichst viel Freiraum zu lassen, sollen die wichtigsten Punkte der Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Leistungserbringern vertraglich geregelt werden.

Diese Punkte umfassen insbesondere die wirtschaftliche Mitverantwortung der Leistungserbringer (in welchem Umfang übernimmt das Versorgungsnetz Budgetverantwortung) und Bestimmungen zur Vergütung und Qualität der erbrachten Leistungen.

Die am Versorgungsmodell beteiligten Versicherer und Leistungserbringer können vertraglich regeln, dass die Vergütung an die Leistungserbringer als Gruppe erfolgt (Aussenverhältnis). Die Leistungserbringer können anschliessend die Aufteilung dieser Vergütung untereinander regeln (Innenverhältnis). Für Leistungen, die nicht innerhalb des Versorgungsmodells erbracht werden können, dürfen die beteiligten Leistungserbringer Verträge mit anderen Leistungserbringern abschliessen und die Vergütung mit ihnen direkt vertraglich regeln. Beim gesetzlichen Leistungsumfang sind keine Abstriche möglich. Hingegen sollen Leistungen, die den Umfang der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übersteigen, in ein Versorgungsmodell aufgenommen werden können.

Wird im Tarifvertrag ein prospektives Budget vereinbart, so sollen sich Kantone an der Vereinbarung einer Capitation beteiligen können. Die Beiträge der Kantone an die stationäre Behandlung können durch eine Vereinbarung

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mit dem Kanton als prospektiver Beitrag in das Budget eingeschlossen werden.

­

Bestimmungen für die Versicherten Im Gegensatz zum geltenden Recht soll es den integrierten Versorgungsmodellen gestattet sein, Beitritt und Austritt frei mit den Versicherten zu vereinbaren. Der Experte lehnt eine vorgeschriebene Mindestdauer der Mitgliedschaft für Versicherte in integrierten Versorgungsmodellen ab, möchte diese Möglichkeit jedoch nicht ausschliessen. So soll eine allfällige Mindestdauer bzw. eine Belohnung für Kundentreue vertraglich zwischen Versicherer und Versicherten geregelt werden.

­

Finanzielle Anreize Die vom Experten vorgeschlagenen Reformschritte orientieren sich in vielen Belangen an den Anreizmöglichkeiten. Was die finanziellen Anreize für die Versicherten betrifft, werden unter anderem folgende Regelungen für die integrierten Versorgungsnetze vorgeschlagen: ­ Die Versicherer können den Versicherten Prämienreduktionen und Rückvergütungen am Jahresende gewähren.

­ Ein geringerer Selbstbehalt soll insbesondere die Attraktivität von integrierten Versorgungsmodellen für Leute mit hohen Behandlungskosten steigern.

­ Die Versicherer sollen in der Einteilung der Prämienregionen für integrierte Versorgungsmodelle weitgehend frei sein (z.B. einheitliche Prämie über Regions- und Kantonsgrenzen hinweg).

­ Der finanzielle Anreiz für Personen mit Anspruch auf Prämienverbilligung wird erhalten, indem die Prämienverbilligung auch für Versicherte in einem integrierten Versorgungsmodell nach wie vor an den Prämien des Grundmodells bemessen wird.

Verstösst eine versicherte Person gegen die im Versorgungsmodell geltenden Bestimmungen, favorisiert der Expertenbericht den Verlust von finanziellen Vergünstigungen als Sanktionsmassnahme. Da die Versicherten nach wie vor das Recht auf sämtliche Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung haben, wäre eine Verweigerung der Leistungen unverhältnismässig.

­

Rahmenbedingungen Der Experte ortete verschiedene Rahmenbedingungen, welche einen fördernden bzw. hemmenden Einfluss auf die Entwicklung von besonderen Versorgungsmodellen haben, aber ausserhalb des Reformpaketes «Managed Care» liegen: ­ Die Lockerung oder Aufhebung des Kontrahierungszwangs würde möglicherweise vermehrt Leistungserbringer motivieren, sich zu besonderen Versorgungsmodellen zusammenzuschliessen.

­ Die heutige Spitalfinanzierung vermindert das Potenzial der integrierten Versorgung, da sich die Kosteneinsparungen im stationären Bereich nur in Bezug auf die Tarife der Krankenversicherung auswirken, nicht jedoch auf die gesamten stationären Kosten.

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­

Ein weiteres systemimmanentes Hindernis für die Innovation im Bereich Managed Care besteht in der Tatsache, dass der Risikoausgleich nur die Faktoren Alter und Geschlecht, nicht jedoch die Krankheitslast des Versichertenkollektivs berücksichtigt. Managed CareModelle entfalten ihr kostensenkendes Potential insbesondere bei Versicherten mit hohen Krankheitskosten (komplexe und/oder chronisch Kranke, Mehrfachdiagnosen). Kein Versicherer wird aber ein für dieses Versichertenkollektiv besonders attraktives Versorgungsangebot entwickeln und anbieten wollen.

Des weiteren wurde festgestellt, dass insbesondere im Bereich der Grundlagenarbeiten, der Evaluation und der Forschung Bedarf nach einem versicherer- und modellübergreifenden Rahmen besteht.

1.4

Politische Zielsetzungen

Die in den Jahren 1996 bis 2000 durchgeführte Wirkungsanalyse zum KVG zeigt, dass das geltende KVG auf der Leistungs- und Systemebene die gesetzgeberischen Ziele erreicht hat (kompletter Leistungskatalog, obligatorische Versicherung mit Kassenvielfalt und Einheitsprämie), in der Wirkung der kostendämpfenden Instrumente aber noch offensichtliche Defizite aufweist. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur 2. KVG-Revision deshalb das Schwergewicht auf die Optimierung des Systems gelegt: Die im KVG verankerten Grundsätze sollten konsequenter umgesetzt, nicht aber durch einen Systemwechsel in Frage gestellt werden. Diese Strategie ist weitgehend unbestritten.

Wie erwähnt kommt den Managed Care-Modellen in der Schweiz nur eine beschränkte gesundheitspolitische Bedeutung zu. Mit dem zunehmenden Kostendruck und weiteren Prämiensteigerungen kann aber davon ausgegangen werden, dass sie in Zukunft vermehrt im Zentrum des Interesses stehen werden. Die Förderung von besonderen Versicherungsformen ist daher unerlässlich, um die Ziele einer verstärkten Kostendämpfung und einer Effizienzsteigerung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Qualität der Versorgung zu erreichen. Für eine qualitativ hochstehende und wirtschaftliche medizinische Versorgung sind deshalb jene Versicherungsformen besonders geeignet, bei denen erstens die Patienten während des gesamten Diagnose- und Behandlungsprozesses begleitet und betreut und zweitens die Versicherer und Leistungserbringer in die finanzielle Verantwortung der gesamten Behandlung miteinbezogen werden. In diesem Sinne knüpft der Bundesrat an die im Rahmen der 2. KVG-Revision diskutierten Vorschläge an und ergänzt sie mit Elementen aus den Vorarbeiten für eine 3. KVG-Revision.

1.5

Vernehmlassungsverfahren zum Vorschlag des Bundesrates über eine Teilrevision des KVG

Der Entwurf des Bundesrates zur Teilrevision des KVG im Bereich Managed Care wurde den Kantonen, politischen Parteien und interessierten Kreisen im Mai 2004 zur Vernehmlassung unterbreitet.

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Die Vorlage wurde von den Vernehmlassenden mehrheitlich positiv aufgenommen.

Sie stimmten mit dem Bundesrat überein, was die Förderung von Managed Care als Mittel für mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen im Gesundheitswesen betrifft und erachteten es grundsätzlich für richtig, die gesetzlichen Grundlagen zur Entwicklung der integrierten Versorgungsnetze zu schaffen. Dass der Bundesrat anstelle einer Verpflichtung, wie sie in der 2. KVG-Revision vorgesehen war, die freiwillige Einführung vorsieht, war für die Mehrheit der Teilnehmenden nachvollziehbar. Positiv wurde beurteilt, dass den besonderen Versicherungsformen gesetzgeberisch grössere Bedeutung gegenüber früher beigemessen werden soll.

Einige Vernehmlassende waren dennoch gegenüber der vorgeschlagenen Regelung zu den Managed Care-Modellen eher skeptisch und bezweifelten, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen ausreichen, um einen eindämmenden Effekt auf die Kostenentwicklung zu erreichen. Für sie ist weiterhin zu befürchten, dass vor allem gesunde junge Leute solche Modelle wählen und letztlich eine Entsolidarisierung resultiert. Es bestehe die Gefahr, dass die Leistungserbringer und insbesondere Netzwerke, welche vornehmlich die Patientengruppe von chronischkranken und polymorbiden Patienten qualitativ hochstehend betreuen sollten, aufgrund der Risikoselektion durch die Versicherer gemieden werden. Dies laufe einer Förderung von Managed Care als Versorgungsmodell diametral entgegen. Aus diesem Grund forderten sie weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen zur Förderung von Managed Care-Modellen.

Zu den meistgenannten Verbesserungsvorschlägen gehören die Erhöhung der Wirksamkeit des Risikoausgleiches, eine Möglichkeit für die Kantone sich an den Versorgungsmodellen mit Budgetverantwortung zu beteiligen und die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, die es ermöglicht, dass Massnahmen der integrierten Versorgungsnetze zur Gesundheitsförderung und Prävention nicht aus dem Budget finanziert werden, sondern aus Mitteln nach Artikel 20 KVG.

Einige Vernehmlassende erachten die Auflagen an die integrierten Versorgungsnetze als zu restriktiv und befürchten, dass entweder keine solchen Netze entstehen oder dass die Versicherten diese Versicherungsform nicht wählen. Andere fordern eine stärkere Reglementierung indem z.B. die Vorlage
in jene zur Vertragsfreiheit integriert und der Umfang der Finanzierungsverantwortung klar umschrieben werden müsse.

Die Vorschläge des Bundesrates zur Eindämmung der Medikamentenkosten werden von einer grossen Anzahl der Teilnehmenden begrüsst. Mehrere Vernehmlassende verlangen jedoch zusätzlich noch weitergehende Massnahmen. Einige Vernehmlassende verlangen eine Ergänzung von Artikel 56 Absatz 3bis, da dieser Vorschlag für integrierte Versorgungsnetze mit Budgetverantwortung kontraproduktiv sei und ihnen den Anreiz nehme, bessere Konditionen im Einkauf zu erzielen. Wenn ein Leistungserbringer bereit sei, Budgetverantwortung zu übernehmen, müsse ihm auch die Möglichkeit gewährt werden, Vorteile zu erzielen.

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2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Stossrichtung

Die Managed Care-Modelle sollen weiterhin eine Alternative zur Grundform der obligatorischen Krankenpflegeversicherung darstellen. Ein Beitritt zu einem Managed Care-Modell soll den Versicherten nicht vorgeschrieben werden; zum guten Funktionieren der Modelle ist es unerlässlich, dass diese von den Versicherten freiwillig gewählt werden. Die versicherte Person soll die Steuerung der Behandlung als willkommene Dienstleistung wahrnehmen und nicht als Einschränkung von heute bestehenden Wahlfreiheiten. Auf eine Verpflichtung der Leistungserbringer zur Zusammenarbeit in Versorgungsnetzen wird ebenfalls verzichtet. Denn die Qualität von Managed Care-Modellen hängt weitgehend vom Erfahrungsaustausch der beteiligten Leistungserbringer in sogenannten Qualitätszirkeln ab. Mit einer Verpflichtung sämtlicher Leistungserbringer zur Zusammenarbeit würde dieser aber die notwendige Vertrauensgrundlage entzogen werden.

In der 2. KVG-Revision beantragte der Bundesrat, dass alle Versicherer flächendeckend mindestens eine besondere Versicherungsform mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer anzubieten haben. Das Parlament erweiterte diese Verpflichtung dann dahingehend, dass die Versicherer Modelle anzubieten haben, in denen die Leistungserbringer die mit den Versicherern vereinbarte Budgetverantwortung zu übernehmen haben. Damit war faktisch ein Zwang zum Angebot eines integrierten Versorgungsnetzes verbunden, das als Alternative zur Vertragsfreiheit angesehen wurde. Die Diskussion hat indessen gezeigt, dass die einseitige Verpflichtung der Versicherer bei unveränderten Rahmenbedingungen kaum zum angestrebten Ergebnis führen dürfte: Zum einen sind die Versicherer bei Verhandlungen mit den Leistungserbringern erheblich benachteiligt, weil sie im Gegensatz zur ihren Verhandlungspartnern bis anhin gezwungen sind, einen Vertrag mit Budgetverantwortung abzuschliessen. Zum anderen bietet sie keine Garantie, dass tatsächlich auch flächendeckende Managed Care-Modelle angeboten würden, die diese Bezeichnung qualitativ verdienen würden. Aus diesen Gründen ist der Bundesrat in diesem Punkt von seiner Strategie abgekommen und will nun die Versicherer nicht mehr verpflichten, Managed Care-Modelle mit Budgetverantwortung anzubieten. Vielmehr sollen die Netzwerke mit Budgetverantwortung klar als Form von besonderen
Versicherungsformen definiert und unabhängig von der Frage der Vertragsfreiheit gesetzlich verankert werden. Ziel der Managed Care-Modelle ist es, durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten eine hohe Behandlungsqualität zu erlangen und die dafür vorhandenen Ressourcen so effektiv wie möglich zu nutzen. Die hohe Behandlungsqualität soll durch verstärktes Zusammenarbeiten der Leistungserbringer und spezielle Vereinbarungen zur Qualitätssicherung erreicht werden. Es dürfen nicht nur finanzielle Anreize berücksichtigt werden, sondern es muss auch das Vertrauen in diese Versicherungsmodelle und insbesondere in ihre Qualität gefördert werden. Die Versicherten müssen darüber informiert werden, dass gerade bei solchen Modellen Grundsätze wie eine umfassende medizinische Versorgung, die Übernahme der Folgebehandlungen und die Qualität der Leistungen gewährleistet sind. Dank der erhofften hohen Behandlungsqualität werden solche Modelle nicht nur für die Versicherten, sondern auch für die Leistungserbringer attraktiv. Ein weiterer Anreiz für Versicherte bildet die Möglichkeit, auf der Basis der effektiv erzielten Einsparungen nicht nur Prämienermässigungen, sondern auch Rückvergütungen zu erhalten.

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2.2

Weitere Revisionspunkte

Wichtige Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten (Orphan Drugs) Wichtige Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten werden in vielen Fällen in der Schweiz nicht registriert, weil eine Registrierung für die Pharma-Firmen wegen des zu kleinen schweizerischen Absatzmarktes finanziell nicht interessant ist.

Die Registrierung eines Arzneimittels bildet indessen die Voraussetzung dafür, dass es in der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimitteln mit Preisen (Spezialitätenliste; Art. 52 Abs. 1 Bst. b KVG) aufgeführt werden kann. Diese Liste gibt an, welche Arzneimittel von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet werden. Dadurch ergibt sich die paradoxe Situation, dass Patientinnen und Patienten mit seltenen Krankheiten, also eine Personengruppe, die besonders benachteiligt und deshalb entsprechend zu schützen ist, ihre Medikamente nicht durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung vergütet erhalten.

Nachdem erkannt wurde, dass die primäre Hemmschwelle für die Vergütung der sog. Orphan Drugs die Zulassung für den Schweizer Markt ist, wurde in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe f des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG; SR 812.21, in Kraft seit 1.1.2002) ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten, die sog.

Orphan Drugs, vorgesehen (Botschaft des Bundesrates vom 1. März 1999, BBl 1999 3453). Diese erleichterten Zulassungsbedingungen für Orphan Drugs sollen nun möglichst rasch auch Auswirkungen in der sozialen Krankenversicherung haben.

Deshalb schlägt der Bundesrat eine Ergänzung von Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b KVG in dem Sinne vor, dass die Spezialitätenliste auch wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten enthält.

Massnahmen im Bereich der Medikamente Im Bereich der Medikamente wurden in den letzten Jahren vor allem zwei Massnahmen zur Kosteneindämmung propagiert: die Verpflichtung, Wirkstoffe anstatt eines Medikamentes zu verschreiben, sowie der Abgabe des preisgünstigsten Medikamentes. Der Bundesrat hat sich indessen wiederholte Male für die Förderung der Generika, aber ebenso konsequent gegen die Zwangssubstitution ausgesprochen.

Gegen die Pflicht zur Wirkstoff-Verschreibung spricht, dass sie Folgen für die ärztliche Therapiefreiheit hat,
die Medikamentensicherheit gefährdet sowie die Therapietreue (Compliance) der Patienten resp. Patientinnen beeinträchtigt. Gestützt auf die ärztliche Therapiefreiheit entscheidet der Arzt oder die Ärztin aufgrund der Krankengeschichte des Patienten resp. der Patientin und der Diagnose, welche Behandlung und damit welches Medikament am besten geeignet ist. Dabei hat der Arzt oder die Ärztin mit dem Substitutionsrecht von Artikel 52a KVG bereits heute die Möglichkeit, die Wahl des Medikamentes dem Apotheker oder der Apothekerin zu überlassen, falls dem aus medizinischer Sicht nichts entgegensteht. Die Therapieverantwortung liegt damit immer noch beim Arzt, bei der Ärztin. Anders bei der obligatorischen Wirkstoff-Verschreibung, wo grundsätzlich der Apotheker oder die Apothekerin entscheidet und sich ausschliesslich auf die Wirkstoffbezeichnung gemäss der ärztlichen Anordnung bezieht, ohne die Krankengeschichte im Detail und weitere, für die Therapie wichtige Umstände zu kennen. Wird dem Patienten resp. der Patientin ein ungeeignetes oder nicht vertrautes Medikament abgegeben, so kann der Behandlungserfolg erheblich gefährdet sein oder gar ausbleiben. Wird aufgrund der obligatorischen Substitution die Medikation geändert, leidet die Thera5609

pietreue (Compliance), besonders bei älteren, mehrfach oder chronisch kranken Menschen, die auf Langzeittherapien angewiesen sind. Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff sind zudem oft nicht identisch zusammengesetzt, was ihre Wirkung beeinflussen bzw. Komplikationen hervorrufen kann. Auch die Galenik (Arzneimittelform) kann unterschiedlich sein. Bei einigen Krankheiten ist jedoch die genaue Einstellung der Dosierung der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie.

Die obligatorische Wirkstoff-Verschreibung bringt zudem kaum Einsparungen. Von total 7400 im Markt zugelassenen Medikamenten sind 2500 kassenpflichtig. Rund 60 % davon sind patentgeschützt, 3% sind bereits Generika, und rund 37 % oder ca.

900 Medikamente sind patentabgelaufen. Nur 10 % oder rund 250 patentabgelaufene Medikamente werden aber durch Generika tatsächlich konkurrenziert. Selbst bei (theoretisch) vollständigem Ersatz aller patentabgelaufenen Medikamente durch Generika bleibt das Einsparpotenzial klein. Dies auch aufgrund der Erkenntnis, dass laufend eine Substitution der alten, günstigen und noch State-of-the-art-Medikamente durch neue, bessere, meist aber deutlich teurere Medikamente erfolgt. Diese Art der Substitution wird auch mit der obligatorischen Wirkstoff-Verschreibung nicht verhindert.

Aus ökonomischen Gründen wäre eine Verpflichtung, das preisgünstigste Medikament zu verschreiben, problematisch. Im Bereich der jeweils preisgünstigsten Arzneimittel entsteht auf Seiten der Produzenten in jedem Segment eine kurzfristige Monopolsituation, denn nur der Produzent mit dem preisgünstigsten Arzneimittel kann sein Produkt zu Lasten der sozialen Krankenversicherung abgeben und kann sich so ein Monopol schaffen. Aus diesem kann er Profit schöpfen und seine Preise so lange erhöhen, bis es einem anderen Produzenten gelingt, die Marktbarrieren zu überwinden und ein gleichartiges Produkt günstiger anzubieten. Das Interesse der Produzenten, ein möglichst kostengünstiges Produkt abgeben zu können, bewirkt aber einen letzten Endes ruinösen Wettbewerb unter den Produzenten. Es ist fraglich, ob in einem Modell, welches auf möglich günstige Produktionskosten und kurzfristige Monopolgewinnabschöpfung ausgerichtet ist, längerfristig geplant wird.

Eher wahrscheinlich ist der Abbau der Innovation und die Beschränkung der Qualität auf das
notwendige Minimum.

Der Bundesrat beschränkt sich daher darauf, in dieser Vorlage die im Rahmen der 2. KVG-Revision vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich der Medikamente wieder aufzunehmen und ferner eine Ergänzung der Regelung bezüglich der Weitergabe von Vergünstigungen, die ebenfalls oft im Zusammenhang mit den Medikamenten stehen, vorzuschlagen. Die in der öffentlichen Diskussion immer wieder aufgeworfene Frage der Parallelimporte ist demgegenüber eine Frage des Patentrechts und des Inverkehrbringens eines Arzneimittels in der Schweiz und nicht des KVG. Artikel 14 Absatz 2 HMG sieht zudem unter bestimmten Voraussetzungen ein vereinfachtes Verfahren für das Inverkehrbringen eines in der Schweiz bereits zugelassenen und im Ausland ebenfalls erhältlichen Arzneimittels vor.

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3

Besonderer Teil: Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen

Art. 19 Abs. 1 und 2bis (neu) In der Vergangenheit trugen in erster Linie einige wenige Versicherer, unterstützt von Gruppen von Leistungserbringern die ganze «Innovationslast» im Bereich Managed Care. Dies soll im Grundsatz auch so bleiben. Auch wenn die Versicherer nicht verpflichtet werden sollen, ihren Versicherten Managed Care-Modelle anzubieten, besteht trotzdem folgende Gefahr: Befürchtungen, für kostspielige Versicherte zu attraktiv zu werden, könnten die wenigen, diesbezüglich bisher innovativen Versicherer dazu veranlassen, ihr Engagement zur Förderung der integrierten Versorgung zu überdenken. Entwicklungsvorhaben übersteigen zudem die personellen, fachlichen und finanziellen Möglichkeiten von kleinen oder mittelgrossen Ärztegruppierungen rasch (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, sind Ärztenetzwerke nicht in der Lage, solche Vorhaben vorzufinanzieren). Aus diesen Gründen, und weil sich auch Fragen stellen, die übergreifend angegangen werden müssen (z.B.

Evaluation, Forschung und Entwicklung, Weiter- und Fortbildung), beantragt der Bundesrat, den Zweck der Institution nach Artikel 19 KVG zu erweitern und neu auch die integrierte Versorgung zu fördern. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage vom 23. Juni 2004 zur Neuordnung der Pflegefinanzierung einen zusätzlichen neuen Akzent in der Gesundheitsförderung gesetzt hat, indem er der Prävention im Alter besondere Bedeutung zumessen will.

Art. 20 Abs. 1 Aufgrund der neuen Bestimmungen in Artikel 19 ergeben sich die Anpassungen des Artikel 20. Der jährliche Betrag, welcher bei jeder versicherten Person zur Finanzierung der Institution erhoben wird, wird trotz der neuen Aufgabe nicht erhöht. Es soll vielmehr eine Umlagerung innerhalb der Institution stattfinden. Damit ist indessen verbunden, dass für die Gesundheitsförderung weniger Mittel zur Verfügung stehen, als dies aktuell der Fall ist. In welcher Grössenordnung sich diese Mittelverlagerung bewegt, ist abhängig von den initiierten Projekten.

Art. 41a Abs. 1 und 2 (neu) Die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung entsprechen dem aktuellen Artikel 41 Absatz 4 KVG. Einzig der Hinweis auf die integrierten Versorgungsnetze stellt eine Ergänzung dar.

Art. 41a Abs. 3 (neu) Der Absatz 3 dieser Bestimmung entspricht dem aktuellen Artikel 62 Absatz
2 KVG. Der Bundesrat ist zum Erlass der Vollzugsbestimmungen in diesem Gesetz bereits gestützt auf Artikel 96 KVG befugt, so dass sich eine weitere Kompetenzdelegation an dieser Stelle erübrigt.

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Art. 41b (neu)

Dauer des Versicherungsverhältnisses

Die versicherte Person, die ihre freie Wahl der Leistungserbringer einschränkt, übernimmt grössere Eigenverantwortung. Aus diesem Grunde kann der Versicherer der versicherten Person reduzierte Prämien anbieten oder nach Artikel 64 Absatz 6 Buchstabe c KVG i.V. mit Artikel 99 Absatz 2 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) von der Erhebung der Kostenbeteiligung ganz oder teilweise absehen. Um zu verhindern, dass diese versicherte Person im Krankheitsfall diese grössere Eigenverantwortung wieder abgibt, indem sie in die ordentliche Versicherung wechselt, muss der Versicherer auch die Möglichkeit haben, die Versicherten mit deren Einverständnis längerfristig an die Wahl einer besonderen Versicherungsform zu binden. Dasselbe gilt insbesondere auch für die Versicherungsform mit wählbaren Franchisen gemäss Artikel 41a Absatz 3 Buchstabe a. Der Versicherer kann eine Dauer des Versicherungsverhältnisses bis maximal drei Jahre vorsehen. Ein Wechsel des Versicherers vor Ablauf der vereinbarten Dauer des Versicherungsverhältnisses ist nur möglich, wenn sich die Versicherungsbedingungen wesentlich ändern. Erhöht der Versicherer z.B. die Kostenbeteiligung, so fällt dies unter eine wesentliche Änderung der Versicherungsbedingungen.

Keine wesentlichen Änderungen stellen jedoch die Erhöhung der Prämie und die Verminderung des Prämienrabatts oder der Rückvergütung dar. Wenn der Versicherer, mit der Genehmigung des Bundesamtes für Gesundheit, die Prämien erhöht respektive die Rabatte senkt, so kann die versicherte Person den Versicherer trotz der finanziellen Mehrbelastung nicht wechseln. Die maximale Dauer des Versicherungsverhältnisses ist auf 3 Jahre beschränkt, deshalb liegt keine übermässige vertragliche Bindung der versicherten Person vor. Der Versicherer legt die Modalitäten des Austrittes fest und kann dabei zusätzliche Austrittsmöglichkeiten der versicherten Person vor Ablauf der Dauer des Versicherungsverhältnisses vorsehen. Nach Ablauf der Maximaldauer von drei Jahren gelten wiederum die allgemeinen Bestimmungen von Artikel 7 KVG betreffend Versichererwechsel. Die versicherte Person ist frei, sich wiederum an einen Versicherer für eine Maximaldauer von drei Jahren zu binden.

Art. 41c Abs. 1 (neu) Auch wenn sowohl Wahl der Versicherten wie Teilnahme von Versicherern
und Leistungserbringern freiwillig ist, soll die Regelung der integrierten Versorgungsnetze ins Gesetz aufgenommen werden. Diese sind demnach als besondere Versicherungsform zu betrachten, welche auf einem Vertrag zwischen einem oder mehreren Versicherern einerseits und einer Gruppe von Leistungserbringern andererseits beruht.

Dabei ist der Wille aller Partner zur freiwilligen Beteiligung am Versorgungsnetz unerlässlich. Diese Freiwilligkeit soll bekräftigt werden durch konkrete vertragliche Verpflichtungen. Gemeinsame Regeln, welche die Art der Zusammenarbeit festhalten, sollen die Grundlage der Verpflichtungen bilden. Diese Regeln sollten insbesondere beinhalten: den Einbezug jedes Partners des Netzes aufgrund seiner Kompetenzen, die Definition und Annahme übereinstimmender Regeln gegenüber den Versicherten bezüglich Kostenübernahme, die Definition von Verfahrensregeln oder Behandlungsprotokollen, die Zusammenführung der Patienteninformationen, die Einsetzung eines Koordinationsorgans sowie eines mit der Funktionsweise des Netzes im Alltag eng verbundenen administrativen Bereiches, interne Qualitätsmassnahmen und eventuell die Zustimmung zu periodischen externen Evaluationen, 5612

systematische Fortbildung, um eine optimale Qualität des ganzen Netzes im Hinblick auf die Erfüllung der Ziele und Verbesserung der Verfahren zu erreichen.

Dabei handelt es sich um die Festlegung eines Minimums an Werten, auf deren Grundlage jeder seinen Beitrag an das Versorgungsnetz leistet. Nur durch die gegenseitige Annäherung dieser Bedingungen kann sich eine kohärente und lebensfähige Zusammenarbeit heranbilden.

Art. 41c Abs. 2 (neu) Die Modelle der integrierten Versorgung sehen ein einheitliches und umfassendes Versorgungssystem für die gesamte Behandlungskette vor. Daher muss sich die Koordination auf sämtliche Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beziehen. Die integrierten Versorgungsnetze müssen in diesem Sinne auch alle Leistungen anbieten, welche zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbracht werden können, sei es im ambulanten oder im stationären Bereich, das heisst die in den Artikeln 25 bis 31 KVG genannten Leistungen. Abstriche vom gesetzlichen Leistungsumfang sind nicht zulässig, hingegen sollen zusätzliche Leistungen erlaubt sein. Hierbei handelt es sich unter anderem um Leistungen die der Steuerung der Behandlung dienen (z.B. Leistungen im Zusammenhang mit dem Fallmanagement, wenn diese keine Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind oder wenn sie nicht von Leistungserbringern im Sinne des KVG erbracht werden), aber auch um Leistungen, welche die Steuerung der Behandlung unterstützen, wie z.B. Gesundheitsberatung. Diese zusätzlichen Leistungen sind vom Versicherer und von den Leistungserbringern in ihrem Vertrag im Voraus zu vereinbaren und können für die Versicherten zusätzliche Anreize zum Beitritt in ein integriertes Versorgungsnetz bieten. Sie müssen jedoch Bestandteil einer zweckmässigen und umfassenden Behandlung bilden. Dadurch wird verhindert, dass die Netze durch eine Selektion der angebotenen Leistungen Risikoselektion betreiben.

Es ist denkbar, dass im Versorgungsnetz alle Leistungen gemäss KVG erbracht werden, aber auch, dass gewisse Leistungen ausgelagert und somit vom Versorgungsnetz «eingekauft» werden. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere an die Spitalleistungen zu denken. Die beteiligten Leistungserbringer können ohne Mitwirkung des Versicherers eine externe Leistung «einkaufen» und auch deren
Vergütung mit dem externen Leistungserbringer vereinbaren. Eine Exlusivitätsklausel ist dabei nicht ausgeschlossen, denn beim integrierten Versorgungsnetz entsteht bei Leistungen, die nicht selber erbracht werden können, das Bedürfnis, sie vorzugsweise bestimmten Leistungserbringern zu übertragen. Diese Verträge können ebenfalls Bestimmungen über die Zusammenarbeit, die Qualitätssicherung und den Austausch von Behandlungsdaten enthalten.

Art. 41c Abs. 3 (neu) Heute werden die meisten Leistungserbringer im ambulanten Bereich mittels Einzelleistungsvergütung entschädigt. Ihr Einkommen hängt somit vom Volumen der erbrachten Leistungen ab. Damit besteht der Anreiz, mehr Leistungen als notwendig zu erbringen. Der Vorschlag sieht daher vor, dass die in einem Versorgungsnetz tätigen Leistungserbringer für die medizinische Versorgung der von ihnen betreuten Versicherten die vertraglich vereinbarte finanzielle Verantwortung übernehmen (Budgetverantwortung). In integrierten Versorgungsnetzen werden die Leistungen grundsätzlich mittels «Capitation» entschädigt, ohne aber andere Vergütungsformen 5613

wie einen Zeittarif oder sogar den Einzelleistungstarif für besondere Leistungen auszuschliessen. Letzteres ist vor allem für Leistungen sinnvoll, bei denen vernünftigerweise nicht sämtliche Kosten dem Netz auferlegt werden (z.B. im Bereich der Transplantation). Müssten die integrierten Versorgungsnetze demgegenüber das gesamte wirtschaftliche Risiko tragen, so würde es sich um Versicherer handeln.

Das Risiko ist bekanntlich der eigentliche Kern der Versicherung, ihre ökonomische Begründung und ihr rechtliches Merkmal. Zudem bestünde die Gefahr, dass die finanzielle Beteiligung der Leistungserbringer an einer durch sie selbst zu erzielenden Kostenreduktion zur Minimierung der medizinischen Leistung führen könnte.

Die Capitation, vom Lateinischen per capita («pro Kopf») entspricht einer im Voraus fixierten Pauschale, welche vom Krankenversicherer dem Leistungserbringer oder einer Gruppe von in einem Versorgungsnetz verbundenen Leistungserbringern periodisch (üblich ist jährlich) pro angeschlossene versicherte Person und für die Gesamtheit der Leistungen ausgerichtet wird. Dieser Betrag wird unabhängig davon ausgerichtet, ob die versicherte Person Leistungen in Anspruch nimmt oder nicht.

Die Anwendung dieser Vergütungsform hat die Eindämmung des Anstiegs der Gesundheitskosten zum Ziel. Sie erlaubt den Versicherern, die Intensität der Behandlung ihrer Versicherten und vor allem die daraus hervorgehenden Kosten besser zu kontrollieren. Im Ausmass, in dem der Leistungserbringer einen Teil des finanziellen Risikos trägt, besteht für ihn zudem der Anreiz, möglichst effektiv zu arbeiten und insbesondere unnötige und/oder kostspielige Massnahmen zu vermeiden. Die Entschädigung durch Capitation bringt auch eine grundsätzliche Veränderung des Verhältnisses zwischen Leistungserbringer und Patienten bzw. Patientinnen mit sich. Heute konsultiert der Patient, die Patientin den Arzt, die Ärztin im Allgemeinen, wenn er oder sie schon krank ist. In dieser Situation ist die Ärzteschaft in eine reaktive Rolle gedrängt. Mit dem vorgesehenen Entschädigungssystem erhält der in einem Versorgungsnetz aktive Leistungserbringer eine proaktive Rolle; er hat ein materielles Interesse, seinen Patienten, seine Patientin in einem guten Gesundheitszustand zu erhalten und somit die Prävention gegenüber der Heilung zu bevorzugen.
Die Budgetverantwortung muss sich auf sämtliche Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beziehen. Die Modelle integrierter Versorgung sehen ein einheitliches und umfassendes Versorgungssystem für die gesamte Behandlungskette vor. Das Ziel ist, alle Akteure dieser Kette für die medizinische Versorgung finanziell verantwortlich zu machen. Bei einem Spitalaufenthalt richtet sich ferner der Beitrag des Wohnkantons nach den allgemeinen Regelungen der Artikel 41 und 49 KVG.

Art. 52 Abs. 1 Bst. b und Abs. 4 (neu) Unter Ziffer 2.2 wurde bereits die Notwendigkeit einer Ergänzung von Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b KVG erläutert, wonach die Spezialitätenliste ebenfalls wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten zu enthalten hat. Die Umsetzung der entsprechenden Bestimmung soll durch die Schaffung eines eigenen Kapitels in der Spezialitätenliste sowie durch den Verzicht auf Gebühren erfolgen.

Wie unter Ziffer 2.2 erwähnt, sollen zudem die in der 2. KVG-Revision eingeflossenen Bestimmungen zu den Medikamenten wieder aufgenommen werden. Dabei ist einerseits im Gesetz explizit zu verankern, dass ein Arzneimittel nur dann als Pflichtleistung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufzunehmen ist, 5614

wenn dessen Wirksamkeit bezüglich der diagnostischen und therapeutischen Zielsetzung nachgewiesen ist. Damit wird der Grundsatz von Artikel 32 KVG für die Arzneimittel konkretisiert.

Art. 52a Abs. 2 und 3 (neu) Explizit aufzuführen ist zudem die Verpflichtung der Leistungserbringer, sowohl bei der Verordnung eines bestimmten Arzneimittels wie auch bei der Abgabe eines Arzneimittels mittels Wirkstoffverschreibung ein preisgünstiges Arzneimittel abzugeben. Hervorzuheben ist, dass in jedem Fall ein für die Patienten und Patientinnen geeignetes Produkt abzugeben ist. Dies, weil wie schon ausgeführt, Produkte unterschiedliche Wirkungen hervorrufen können und der Behandlungserfolg somit massgeblich von der Eignung abhängt. Daher soll auch nicht das preisgünstigste Arzneimittel, sondern ein im Verhältnis zu anderen Produkten mit derselben Wirkung preisgünstigeres, geeignetes Arzneimittel verordnet bzw. abgegeben werden. Auch in diesem Punkt werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit nach Artikel 32 und 56 KVG konkretisiert.

Art. 56 Abs. 3bis (neu) Eine Vergünstigung im Sinne von Artikel 56 Absatz 3bis liegt in der Regel dann vor, wenn Umsätze oder sonstige geldwerte Vorteile anfallen, denen keine Leistungen nach diesem Gesetz gegenüberstehen. Insbesondere beim Einkauf von Arzneimitteln werden den Leistungserbringern Vergünstigungen gewährt, die nicht ohne weiteres individualisiert und an den Schuldner der Vergütung (Versicherer oder versicherte Person) weiter gegeben werden können. Es handelt sich dabei beispielsweise um kostenlose Arzneimittel (Warenboni), finanzielle Beteiligungen des Leistungserbringers am erzielten Jahresumsatz in Abhängigkeit des Bestellvolumens (Jahresboni) oder die Finanzierung anderer Zuwendungen an den Leistungserbringer (z.B.

Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und Kongressen). Soweit diese Vergünstigungen indessen im stationären Bereich der Spitäler anfallen, reduzieren sich die Betriebskosten entsprechend und sollten bereits in die Tarifierung einfliessen.

Auch integrierte Versorgungsnetze nach Artikel 41c sind von der Pflicht der Weitergabe solcher Vergünstigungen ausgenommen. Die dank Pauschalverträgen erzielten Vergünstigungen reduzieren ebenfalls die Betriebskosten der integrierten Netzwerke und fliessen somit in den Umfang der vereinbarten Budgetverantwortung
mit ein. Ist ein Leistungserbringer bereit, Budgetverantwortung zu übernehmen, muss ihm auch die Möglichkeit gewährt werden, Vorteile wie zum Beispiel bessere Konditionen im Einkauf zu erzielen und diese über die allgemeinen Betriebskosten an die Versicherten weiterzugeben.

Eine Weitergabe der Vergünstigung ist indessen in anderen Fällen nicht oder nur mit erheblichem Aufwand (bspw. nachträgliche Individualisierung von Jahresboni) möglich. Daher ist vorzusehen, dass die gewährten Vergünstigungen zumindest der gesamten Versichertengemeinschaft zugute kommen, indem sie der gemeinsamen Einrichtung nach Artikel 18 KVG überwiesen werden und so zur Deckung von bei der Durchführung der Krankenversicherung anfallenden Kosten dienen. Die Verwaltung dieser Gelder wird der gemeinsamen Einrichtung übertragen. Der Bundesrat bestimmt über die Verwendung dieser Gelder.

5615

Art. 57 Abs. 9 (neu) Die Vertrauensärzte und -ärztinnen beraten die Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen der Vergütung und der Tarifanwendung. Sie überprüfen insbesondere die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers. Bei besonders teuren Medikamenten oder Leistungen ist der Versicherer nur bei vorgängiger Kostengutsprache und mit ausdrücklicher Bewilligung des Vertrauensarztes zur Kostenübernahme verpflichtet. Die Leistungserbringer in den integrierten Versorgungsnetzen sind bereits mit der Koordination des Behandlungsprozesses beauftragt.

Sie erfüllen somit die Aufgaben, die im Grundmodell der obligatorischen Krankenpflegeversicherung den Vertrauensärzten und Vertrauensärztinnen übertragen wurden. Aus diesem Grunde können die Versicherer die Aufgaben der Vertrauensärzte und Vertrauensärztinnen an die Leistungserbringer des integrierten Versorgungsnetzes übertragen.

Art. 62 Abs. 1 Bei der besonderen Versicherungsform der eingeschränkten Wahl des Leistungserbringers und insbesondere bei integrierten Versorgungsnetzen müssen die Versicherer die Möglichkeit haben, eine Prämienermässigung nicht bereits im Voraus, sondern erst im Nachhinein und abhängig von den erzielten Ersparnissen zu gewähren.

Die erreichte Kostenreduktion gilt dann als Basis für die Erfolgsbeteiligung aller am System beteiligter Parteien. Die versicherte Person profitiert somit nicht von einem vorgängigen Prämienrabatt, sondern wird am Kostenspareffekt des Systems mit einer entsprechenden Rückvergütung beteiligt, was für sie einen zusätzlichen Anreiz, sich kostenbewusst zu verhalten, bietet. Das Ausmass dieser Rückvergütungen kann sich nach den erzielten Einsparungen, der Dauer des Versicherungsverhältnisses und der Höhe der Kostenbeteiligung richten.

Diese Versicherungsformen sind keine Risikogemeinschaften innerhalb eines Versicherers. Bei der Festsetzung der Prämienrabatte hat der Versicherer dafür zu sorgen, dass die Versicherten dieser Versicherungsform im versicherungstechnisch erforderlichen Mass an die Reserven und den Risikoausgleich beitragen. Kostenunterschiede aufgrund eines günstigeren Risikobestandes geben keinen Anspruch auf Prämienermässigung. Der Bundesrat legt nach Absatz 3 die versicherungsmässigen Erfordernisse fest.

Art. 62 Abs. 2 Dieser Absatz ist aufzuheben, da der Inhalt
infolge der Neuordnung der Artikel in Artikel 41a Absatz 3 verschoben wurde.

Art. 62 Abs. 2bis und 3 Infolge der Neuordnung der Artikel sind die Verweise anzupassen bzw. der Zusammenhang zum neuen Artikel 41a herzustellen. Zudem wird präzisiert, dass der Bundesrat nicht nur die Prämienermässigungen, sondern neu auch die Rückvergütungen nach Absatz 1 regeln kann.

5616

Art. 64 Abs. 6 Bst. c Aufgrund der neuen Bestimmungen in Artikel 41a ist der Verweis in Artikel 64 anzupassen. Hier sei noch einmal erwähnt, dass der Bundesrat die Kostenbeteiligung für besondere Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers aufheben kann. Von dieser Kompetenz machte der Bundesrat in Artikel 99 Absatz 2 KVV Gebrauch und erlaubte den Versicherern auf die Erhebung des Selbstbehaltes und der Franchise ganz oder teilweise zu verzichten.

4

Zusammenwirken des Vorschlages mit anderen in Diskussion stehenden Gesetzesänderungen

Die anderen im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung diskutierten Gesetzesänderungen enthalten Bereiche, die diese Vorlage beeinflussen werden. So dürfte eine Einführung der Vertragsfreiheit die Attraktivität der Modelle für Leistungserbringer steigern, weil die Leistungserbringer dann keinen automatischen Anspruch auf Zugang zum System der sozialen Krankenversicherung mehr haben.

Zudem ist zu vermuten, dass die Versicherer wohl eher mit einer Gruppe von Leistungserbringern über mögliche Vertragsabschlüsse verhandeln, als mit einzelnen Leistungserbringern.

Die Erhöhung der Kostenbeteiligung in der ordentlichen Form der obligatorischen Krankenversicherung und die bereits heute bestehende Möglichkeit, diese in besonderen Versicherungsformen zu senken, verstärkt den Anreiz, solchen Modellen beizutreten. Insbesondere chronisch Kranke können so in den Genuss eines tieferen Selbstbehaltes kommen und zudem von der koordinierten und damit qualitativ besseren Behandlung profitieren. Der Beitritt von Versicherten, welche hohe Kosten verursachen, zu solchen Modellen ist daher zu begrüssen, da sich gerade bei ihnen durch die Koordination der Behandlungskette die Kostenersparnisse am stärksten auswirken. Mit der Weiterführung des Risikoausgleichs wird sichergestellt, dass die Rahmenbedingungen für das Angebot von besonderen Versicherungsformen nicht verschlechtert werden: Der Zweck des Risikoausgleichs besteht zum einen darin, Risikoselektionsstrategien der Versicherer wirkungslos zu machen. Zum anderen soll der Risikoausgleich die Unterschiede in den bestehenden Risikokollektiven der Versicherer angemessen kompensieren. Damit die Versicherer auch Modelle für chronisch Kranke und nicht lediglich Prämiensparmodelle für gute Risiken anbieten, ist die Weiterführung des Risikoausgleichs unabdingbar.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle Auswirkungen

5.1.1

Auswirkungen auf den Bund

Da dem Bund keine neuartigen Aufgaben übertragen werden, dürfte der personelle Mehraufwand im Rahmen der bereits mit der Botschaft vom 21. September 1998 beantragten Kapazitäten (BBl 1999 793) aufgefangen werden.

5617

Lediglich theoretisch besteht die Möglichkeit von indirekten Auswirkungen auf die Bundesfinanzen. Solche wären dann möglich, wenn die Prämien in Folge der Gesetzesrevision massiv sinken würden und die Kantone, welche die Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen weniger stark entlasten müssten, die vom Bund bereitgestellten Prämienverbilligungsgelder in geringerem Mass abrufen würden.

5.1.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Für die Kantone wirkt sich die Vorlage aus, wenn die Verbreitung der Managed Care-Modelle das Kostenwachstum bremst und in der Folge der Bedarf an Geldern für die Prämienverbilligung weniger stark ansteigt, als dies ohne Verbreitung der Managed Care-Modelle der Fall wäre.

5.2

Auswirkungen auf die Krankenversicherung

Den Versicherern werden mit der vorgeschlagenen Gesetzesrevision keine grundsätzlich neuen Aufgaben übertragen. Die Auswirkungen dürften sich in einem Rahmen bewegen, wie sie üblicherweise bei Anpassungen im Leistungserbringer- bzw.

Tarifbereich ausgelöst werden.

Bereits in seiner Botschaft zur ersten Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes hat der Bundesrat festgehalten, dass er die Versicherung mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer, aber auch die Bonusversicherung und die Versicherung mit wählbarer Jahresfranchise als Instrumente betrachtet, die zu einer Verringerung der Krankenversicherungskosten beitragen (BBl 1999 797). Der Bundesrat sieht in der Förderung von besonderen Versicherungsformen wie Hausarztmodellen, HMO's oder integrierten Versorgungsmodellen ein Instrument der Kosteneindämmung.

Erste Erfahrungen mit den Hausarztmodellen weisen auf ein Kosteneinsparungspotenzial von ca. 10­20 Prozent hin (G. Mathis, F. Herren: Hausarzt-Netzwerke in der Schweiz: erste breitflächige Auswirkungen, Managed Care 1/1998, Neuhausen, S. 8 ff.).

HMO's mit Capitation beruhen bereits heute auf dem Grundsatz der Budgetverantwortung. Durch einen Vergleich ihrer Kosten mit denen konventioneller Versicherungsformen lassen sich die finanziellen Auswirkungen der Verbreitung solcher Modelle abschätzen. Hauptschwierigkeit eines auf schweizerischen Daten beruhenden Kostenvergleichs ist der kleine Anteil der HMO-Versicherten mit Capitation.

Der Anteil der Versicherten mit Capitation beträgt gesamtschweizerisch knapp 2 Prozent; er umfasst überdurchschnittlich viele junge und wahrscheinlich gesunde Erwachsene.

Indizien und die bisherigen Erfahrungen lassen darauf schliessen, dass die erzielten Kosteneinsparungen bei HMO-Modellen wesentlich grösser sind als bei Hausarztmodellen. Zum selben Schluss kommt auch Hansjörg Lehmann in seiner Dissertation, gemäss der die Kosteneinsparungen nach Abzug der Risikoselektionseffekte bei HMO-Modellen 40 Prozent und bei Hausarztmodellen 10 Prozent betragen (H. Lehmann: Managed Care, Kosten senken mit alternativen Krankenversicherungsformen?, Zürich/Chur 2003, S. 145). Der Vergleich der durchschnittlichen pro Kopf-Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung des Jahres 2002 5618

in Abhängigkeit des Alters der Versicherten für verschiedene Versicherungsformen und die Gegenüberstellung der Kosten der HMO's mit Capitation verglichen mit den Kosten von Hausarztmodellen ohne Capitation und den Kosten normal Versicherter, zeigen, dass HMO's mit Capitation deutlich kostengünstiger als Hausarztmodelle arbeiten (vgl. Anhang). Die Unterschiede wachsen mit zunehmendem Alter der Patienten und zunehmenden Gesundheitskosten. Die Kosten der HMO's sind gesamtschweizerisch für junge Versicherte etwa gleich gross wie die Kosten von Versicherten mit hohen Franchisen. Mit zunehmendem Alter der Versicherten steigen die Kosten der HMO's wesentlich geringer an. Es ist daher anzunehmen, dass sich mit Managed Care besonders bei teuren Fällen Kosten einsparen lassen.

Es ist jedoch ungewiss, ob im Fall einer flächendeckenden Einführung solcher Modelle die oben genannten Kostenanteile eingespart werden können. Erstens handelt es sich bei der Schätzung des Kosteneinsparpotenzials um das Ergebnis einer kurzen Versuchsperiode; die Aussagekraft dieses Ergebnisses ist nicht repräsentativ. Zweitens sind die besonderen Umstände zu berücksichtigen, welche dieses Ergebnis möglich machen: Einerseits handelt es sich bei den an Modellen beteiligten Ärzten und Ärztinnen um eine Selektion motivierter Grundversorger, welche auch an der ökonomischen Verantwortung beteiligt sind, und andererseits ist auf Seiten der Versicherten davon auszugehen, dass es sich eher um eine negative Risikoselektion handelt. Die Übertragung solcher Modelle auf das gesamte Versicherungssystem würde daher Verhaltensänderungen sowohl seitens der Ärzteschaft als auch seitens der Patientenschaft erforderlich machen, damit das Kosteneindämmungspotenzial realisiert werden kann. Der Umsetzungsaufwand für die Modelle ist zudem sowohl in rechtlicher wie in organisatorischer Hinsicht erheblich. Es kann daher nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die guten finanziellen Ergebnisse der Modelle mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers in Bezug auf die Kosteneffizienz und Behandlungsqualität in einem System mit weit verbreiteten Managed Care-Modellen in vollem Umfang aufrecht erhalten werden können: Es ist davon auszugehen, dass sich für die Ärzte und Ärztinnen ein qualitativ anderes Spektrum von Patienten und Patientinnen
ergibt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die bis anhin ausgewiesenen Kostenvorteile der Managed Care-Formen gegenüber der ordentlichen Krankenpflegeversicherung erheblich sind. Obwohl ein gewisser Anteil der Ersparnisse auf Risikoselektion zurückzuführen ist, bleiben insbesondere bei den HMO-Modellen beträchtliche Kostenvorteile bestehen, welche auf die Innovationskraft dieser Modelle und die geänderten ökonomischen Anreize zurückzuführen sind.

5.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die heute vorliegenden Daten belegen das Kosteneinsparpotenzial der Managed Care-Modelle. Managed Care-Modelle beinhalten den Anreiz, dass sowohl die Leistungserbringer als auch die Versicherten veranlasst werden, medizinische Leistungen bewusst zu erbringen bzw. zu konsumieren, das heisst die Behandlungen zu koordinieren und von der Erbringung beziehungsweise Inanspruchnahme überflüssiger Leistungen abzusehen. Greift dieses Instrument, führt die Verbreitung von Managed Care-Modellen zu einem gesamtgesellschaftlichen Effizienzgewinn: Wegen des Verzichts auf überflüssige Leistungen und der vermehrten Nutzung von Synergien können, bei gleichem Ergebnis für den Gesundheitszustand, finanzielle Ressourcen für einen anderen Zweck verwendet werden.

5619

Die Verbreitung von Managed Care-Modellen lässt eine Veränderung des Arbeitsmarkts erwarten, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Einerseits werden an die ärztliche Tätigkeit neue Anforderungen gestellt werden in Bezug auf die Team- beziehungsweise die Zusammenarbeitsfähigkeit. Andererseits sollte die angestrebten Effizienzsteigerung dazu führen, dass für die Erreichung eines bestimmten Ergebnisses weniger Ärztinnen und Ärzte erforderlich sind. Mit der Aufhebung des Kontrahierungszwangs würden diese Entwicklungen gefördert.

In welchem Mass die mit den Managed Care-Modellen gesetzten Anreize zum Tragen kommen, hängt von der Ausbreitung der Modelle sowie deren Ausgestaltung ab. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Regelung der Budgetverantwortung.

6

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 angekündigt und als Richtliniengeschäft aufgeführt (BBl 2004 1176).

7

Verhältnis zum europäischen Recht

7.1

Vorschriften der europäischen Gemeinschaft

Artikel 2 des Vertrages der Europäischen Gemeinschaft (EG) überträgt der Gemeinschaft die Aufgabe, ein hohes Mass an sozialem Schutz zu fördern. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist in Artikel 39 des EG-Vertrages geregelt. Das Freizügigkeitsprinzip verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 42 des EG-Vertrages festgelegt ist. Das Gemeinschaftsrecht bezweckt keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Mitgliedstaaten können die Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten sowie die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit weiterhin bestimmen.

Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 (kodifiziert durch die Verordnung des Rates Nr. 118/97; ABl Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung des Rates Nr. 859/2003, ABl Nr. L 124 vom 20.5.2003, S. 1) geregelt. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union am 1. Juni 2002 ist die Schweiz Teil des multilateralen Koordinationssystems. Dieses System kann nur dann funktionieren, wenn alle Parteien dieselben Regeln anwenden.

Die Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes (ABl Nr. L 245 vom 26.8.1992, S. 49) forderte die Mitgliedstaaten auf, für die rechtmässig in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Personen den Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung sowie zu den Krankheitsvorsorgemassnahmen zu ermöglichen.

5620

7.2

Die Instrumente des Europarates

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, stellt die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 die Entsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In Artikel 12 ist das Recht auf Soziale Sicherheit verankert: Die Vertragsparteien verpflichten sich, ein System der Sozialen Sicherheit einzuführen oder beizubehalten, dieses auf einem befriedigenden Stand zu halten, sich zu bemühen, das System fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen und Massnahmen zu ergreifen, welche die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit ihren eigenen Staatsangehörigen gewährleisten. Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, so dass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Es handelt sich dabei um ein von der Europäischen Sozialcharta gesondertes Abkommen, welches diese nicht aufhebt. Das Recht auf Soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten. Die Schweiz hat dieses Instrument nicht ratifiziert.

Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 (AS 1978 1491) am 16. September 1977 ratifiziert. Unser Land hat jedoch Teil II über die ärztliche Betreuung nicht angenommen. Jeder Staat, der den aus Teil II der Ordnung hervorgehenden Verpflichtungen nachkommen will, ist verpflichtet, den geschützten Personen medizinische Versorgung bei Krankheit ohne Rücksicht auf ihre Ursache sowie bei Mutterschaft zu gewährleisten. Der Leistungsempfänger kann zur Beteiligung an den Kosten der bei Krankheit gewährten medizinischen Versorgung verpflichtet werden. Zudem kann die Dauer der erbrachten Leistungen für die einzelnen Fälle auf 26 Wochen beschränkt werden.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit wird durch ein Protokoll, das höhere Normen festlegt, ergänzt. Die Schweiz hat das Protokoll zur Ordnung der Sozialen Sicherheit nicht ratifiziert.

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 ist ebenfalls ein von der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit zu unterscheidendendes Abkommen, sie
ersetzt jene nicht. Durch die (revidierte) Ordnung werden die Normen der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit erweitert, namentlich durch die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsgebietes, durch die Gewährung von neuen Leistungen sowie durch die Erhöhung des Betrags für Sachleistungen. Parallel wird eine grössere Flexibilität eingeführt, indem die Ratifizierungsbedingungen erleichtert und die Normen so formuliert wurden, dass den einzelstaatlichen Regelungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Die (revidierte) Ordnung ist noch von keinem Staat ratifiziert worden und deshalb noch nicht in Kraft getreten.

Von den Instrumenten des Europarats sind zudem die folgenden Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zu erwähnen: ­

Empfehlung Nr. R (80) 15 vom 14. November 1980 über eine bessere Verteilung der medizinischen Versorgung innerhalb und ausserhalb der Spitäler;

­

Empfehlung Nr. R (86) 5 vom 17. Februar 1986 über die allgemeine Verfügbarkeit der medizinischen Versorgung.

5621

7.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Das europäische Recht (Recht der Europäischen Gemeinschaft und Recht des Europarats) setzt für die anderen in der vorliegenden Revision behandelten Bereiche keine Normen fest. Die Staaten können diese Aspekte nach eigenem Ermessen bestimmen.

8

Rechtliche Grundlagen

8.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 117 Bundesverfassung.

8.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung notwendigen Regelungskompetenzen (Erlass der Vollzugsbestimmungen) werden dem Bundesrat in Artikel 96 KVG delegiert. Im Rahmen dieser Vorlage ist der Bundesrat überdies befugt, in folgenden Bereichen Bestimmungen zu erlassen: Regelung der Prämienermässigungen und Rückvergütungen (Art. 62 Abs. 3).

5622

6 447 562 6 399 482 4 739 640 4 083 854 4 016 267 3 998 744 3 921 920 3 882 191 3 812 675

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Quelle: T 1.06

Datenstand: 20.10.03

Ordentl.

Jahresfranchise

Jahr

90,41 % 89,30 % 65,88 % 56,60 % 55,41 % 55,03 % 53,96 % 53,03 % 51,81 %

Anteil am Total

643 991 698 747 2 305 688 2 736 364 2 726 468 2 715 642 2 758 539 2 833 816 2 980 820

Wählbare Jahresfranchise

9,03 % 9,75 % 32,05 % 37,93 % 37,61 % 37,37 % 37,95 % 38,71 % 40,50 %

Anteil am Total

15 298 32 705 27 828 11 494 11 828 10 258 9 811 9 341 8 835

BONUSVersicherung

0,21% 0,46% 0,39% 0,16% 0,16% 0,14% 0,13% 0,13% 0,12%

Anteil am Total

24 802 35 383 121 598 383 093 494 040 541 890 577 841 595 939 557 035

Eingeschränkte Wahl (z.B. HMO)

T 1.05 Versichertenbestand per 31.12. nach Versicherungsform ab 1994

0,35 % 0,49 % 1,69 % 5,31 % 6,82 % 7,46 % 7,95 % 8,14 % 7,57 %

Anteil am Total

100,0 % 42,7 % 243,7 % 215,0 % 29,0 % 9,7 % 6,6 % 3,1 % ­6,5 %

Wachstum

7 131 653 7 166 317 7 194 754 7 214 805 7 248 603 7 266 534 7 268 111 7 321 287 7 359 365

Total

5623

1,1 % 0,5 % 0,4 % 0,3 % 0,5 % 0,2 % 0,0 % 0,7 % 0,5 %

Veränd.

gegenüber Vorjahr

Anhang

Versichertenbestand nach Versicherungsform 7'000'000

6'000'000

5'000'000

4'000'000

3'000'000

2'000'000

1'000'000

0 1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

ordentl. Franchise

w ählbare Franchise

Bonusversicherung

eingeschr. Wahl d. LE

Bruttokosten OKP pro Versicherten, Schweiz 2002 16'000 normale Versicherung, alle Franchisen 14'000

normale Versicherung, Franchisen > 1000 Fr.

MC Modelle ohne Capitation, alle Franchisen

Bruttokosten OKP [Fr.]

12'000

HMO mit Capitation, alle Franchisen

10'000 8'000 6'000 4'000 2'000 0 0-10 J.

11-20 J.

21-30 J.

31-40 J.

41-50 J.

51-60 J.

61-70 J.

71-80 J.

81-90 J. 91-100 J.

Altersstufen der Versicherten

Bruttokosten OKP pro Versicherten nach Altersstufen verschiedener Versicherungsformen für die ganze Schweiz im Jahr 2002. Der Anteil der Versicherten in HMO mit Capitation beträgt 1,9 %.

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