Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 14. Juli 2004 und im Zirkularverfahren vom 6. August 2004, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3, 9, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung; in Sachen Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey betreffend Gesuch vom 17. Dezember 2001 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens verfügt:

1. Bewilligungsnehmer Dem Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 11 VOBG erteilt.

Der Verantwortliche für die Bewilligungsforschung ist der Präsident des Chefärztekollegiums 2003, Dr. Philippe Eckert.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey sowie den Doktoranden und Doktorandinnen gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des öffentlichen Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Patientendaten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Dateninhaber dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Spitäler, medizinischer Institute oder freipraktizierender Ärzte angewiesen sein oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Daten des Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

2. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in die Patientendossiers des Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey Einsicht zu nehmen und die für betriebsinterne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

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3. Bedingungen Es dürfen nur dann personenbezogene Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Wenn die Einwilligung der betroffenen Patientinnen und Patienten zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

4. Aufklärung der Betroffenen und Vetorecht Die Patientinnen und Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Wird die Datenweitergabe untersagt, dürfen die Patientendaten nicht für Forschungszwecke verwendet werden.

Die für den Datenschutz in der medizinischen Forschung zuständige Person, ist für den Datenschutz und für die Berücksichtigung eines allfälligen Widerspruchs des Patienten/der Patientin verantwortlich.

Die Expertenkommission verzichtet auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung der betroffenen Patienten, wenn die Daten vor dem 31. Dezember 1995 erhoben worden sind. Für Datenerhebungen nach dem 1. Januar 1996 kann sie auf den Nachweis der erfolgten Aufklärung nicht verzichten. Der Bewilligungsnehmer muss die betroffenen Patientinnen und Patienten über ihr Recht aufklären, die Verwendung ihrer Daten zu Forschungszwecken zu untersagen. Dem Bewilligungsnehmer ist es freigestellt, in welcher Form dies geschieht.

Das Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey weist die hospitalisierten Patientinnen und Patienten darauf hin, dass ohne Widerspruch ihrerseits die während ihres Spitalaufenthalts gesammelten Daten zu Forschungszwecken verwendet werden können. Forscher, die Daten von Patientinnen und Patienten verwenden wollen, die zwischen Januar 1996 und dem Zeitpunkt der Publikation des Informationstextes (2004) hospitalisiert waren, müssen im Studienprotokoll den Nachweis erbringen, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten über ihr Vetorecht informiert worden sind. Die Ethikkommission der Société Médicale du Valais hat diesen Punkt speziell zu überprüfen.

Es sei darauf hingewiesen, dass sofern die vorangehend beschriebenen Anforderungen an die Aufklärung der Patientinnen und Patienten nicht erfüllt sind, neben einem Strafverfolgungsrisiko auch jenes einer Forschungslücke
besteht, da in diesem Falle die erhobenen Daten ­ selbst wenn die übrigen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind ­ nicht verwendet werden dürfen.

5. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten a.

Das Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey ist befugt, Patientendossiers in Papierform wie auch in elektronischer Form zu führen. Es hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben von den bereits anonymisierten Daten klar getrennt werden.

b.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hôpital Régional Sion-HérensConthey sowie Doktorandinnen und Doktoranden haben mit Bewilligung des verantwortlichen Forschungsleiters oder des für den Datenschutz Verantwortlichen Zugang zu den Daten. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungs5749

projektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Bewilligung des für den Datenschutz verantwortlichen Chefarztes einzuholen.

6. Dauer der Datenaufbewahrung Eine Befristung der Aufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der Daten des Forschungsprojektes hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

7. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Datensammlungen des Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

8. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der betroffenen Personen möglich ist.

9. Auflagen a.

Für jedes Forschungsprojekt muss eine «non obstat»-Erklärung der Ethikkommission der Société Médicale du Valais eingeholt werden. Diese überprüft neben der ethischen auch die datenschutzrechtliche Konformität des jeweiligen Forschungsprojektes. Insbesondere hat sie sich davon zu überzeugen, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymen Daten durchgeführt werden kann, dass die Einwilligung der betroffenen Personen nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand eingeholt werden kann, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegen, dass die Berechtigten über ihr Vetorecht aufgeklärt worden sind und dass die Daten zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert werden. Durch Visum der «non obstat»-Eklärung bestätigt der für den Datenschutz in der medizinischen Forschung verantwortliche Chefarzt, welcher gegenüber der Expertenkommission die Verantwortung trägt, dass das Forschungsprojekt den ethischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht. Wird die «non obstat»-Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die Klinikbewilligung durchgeführt werden. Das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt diesfalls aber vorbehalten.

b.

Die Krankengeschichten müssen einen Vermerk über die allfällig erfolgte Verweigerung der Einwilligung zur Verwendung der Daten zu Forschungszwecken enthalten.

c.

Das Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey hat die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte sowie die Dissertationen zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Die Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; ­ die geschätzte Anzahl der vom Forschungsprojekt betroffenen Personen, die Auswahlkriterien sowie den Forschungszweck; ­ den Namen des verantwortlichen Projektleiters oder der verantwortlichen Projektleiterin;

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­ ­ d.

die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten erhalten; für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss Buchstabe a.

Das Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey hat ein Zugriffsreglement zu erstellen. Dieses ist dem Sekretariat zu Handen des Kommissionspräsidenten zur Genehmigung zuzustellen. Aus dem Zugriffsreglement muss hervorgehen, in welcher Funktion die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Forschungszwecken Zugriff auf elektronische, nicht anonymisierte Personendaten sowie auf Krankengeschichten haben. Personen, die über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf nicht anonymisierte Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen anderen Spitälern, externen Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Zugriffsberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Doktorandinnen und Doktoranden, sind auf die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht hinzuweisen.

10. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft erteilt. Vor Ablauf der Bewilligungsdauer ist ein neues, ergänzendes Gesuch zu stellen, wenn ein Wechsel der für den Datenschutz in der Forschung zuständigen Person erfolgt, eine Änderung des Datenbearbeitungssystems oder eine Änderung des Zugriffsreglementes erfolgt. Im übrigen ist der Bewilligungsnehmer verpflichtet, jede Änderung in der Organisations- oder Verwaltungsstruktur des Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey zu melden.

11. Frist zur Auflagenerfüllung Dem Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 9 Buchstaben b­d eine Frist von 6 Monaten seit Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

12. Strafbarkeit Wer ein Berufsgeheimnis unbefugterweise offenbart, das er durch seine Tätigkeit für die Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens erfahren hat, wird nach Artikel 321 und 321bis StGB mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.

13. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

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14. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Hôpital Régional de Sion-Hérens-Conthey und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031 324 94 02) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

26. Oktober 2004

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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