04.033 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Prämienverbilligung) und zum Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung vom 26. Mai 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung und den Entwurf über den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Mai 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2004-1050

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Übersicht Mit dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) erfolgte eine Systemänderung bei der Subventionierung der Krankenversicherungsprämien. Das System der generellen Senkung der Prämien für alle Versicherten wurde durch die individuellen Prämienverbilligungen an Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ersetzt. Es ging darum, mit der Prämienverbilligung ein soziales Korrektiv zur Kopfprämie einzuführen, welche die Finanzkraft der Versicherten nicht berücksichtigt.

Der Gesetzgeber beauftragte die Kantone damit, die individuelle Prämienverbilligung umzusetzen. Die Studien zum Vollzug der Prämienverbilligung in den Kantonen zeigen die Unterschiedlichkeit der gewählten Lösungen auf, weisen auf die schwierige Vergleichbarkeit hin und kommen zum Schluss, dass die Wirksamkeit gewisser Prämienverbilligungssysteme aus bundesrechtlicher Sicht ungenügend ist.

Es scheint daher zwingend, das System zu überdenken und im KVG eine für die Kantone verpflichtende Mindestnorm festzusetzen, damit bundesweit eine gewisse Vereinheitlichung zustande kommt und die Solidarität zwischen den verschiedenen Einkommensstufen besser gewährleistet ist.

Im Rahmen der 2. KVG-Revision war diese Problematik bereits Diskussionsgegenstand. Die Eidgenössischen Räte sprachen sich für ein Modell aus, das den Empfängerkreis der Prämienverbilligung genauer definiert und ein Sozialziel festlegt, indem unterschiedlich gestaffelte Prämienverbilligungen für Familien und andere Leistungsempfänger eingeführt werden. Auch wenn bei den Umsetzungsmodalitäten noch Klärungsbedarf bestand, fand das neue Modell in der parlamentarischen Beratung weitgehende Zustimmung. Der Nationalrat lehnte den Revisionsentwurf im Rahmen der Schlussabstimmung in der Wintersession 2003 jedoch ab.

Der Bundesrat schlägt dem Parlament nun den vorliegenden KVG-Änderungsentwurf vor, der ­ mit Blick auf den damaligen Konsens in Bezug auf das Sozialziel ­ die wichtigsten Punkte der 2. KVG-Revision wieder aufnimmt. Da das vorgeschlagene Sozialziel eine Erhöhung der für die Prämienverbilligung eingeräumten öffentlichen Kredite enthält, schlägt der Bundesrat gleichzeitig einen Entwurf des Bundesbeschlusses über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung vor, der den geltenden Beschluss ersetzen soll.

Im Rahmen
dieser Revision schlägt der Bundesrat ausserdem eine formellgesetzliche Grundlage im KVG vor, welche die Nichtbezahlung ausstehender Prämien und Kostenbeteiligungen und deren Folgen regelt. Aufgrund der Entwicklung dieser Problematik in den vergangenen Jahren erscheint eine rasche Lösung unumgänglich. Auch hier wurde auf die bereits im Rahmen der 2. KVG-Revision vorgeschlagene und in diesem Rahmen unbestrittene Lösung zurückgegriffen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeiner Teil 1.1 Prämienverbilligung durch Beiträge der öffentlichen Hand 1.1.1 Entstehungsgeschichte 1.1.2 Revisionsbestrebungen 1.1.2.1 Parlamentarische Vorstösse 1.1.2.2 Erste KVG-Revision 1.1.2.3 Änderungen mit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Freizügigkeit 1.1.2.4 Zweite KVG-Revision 1.1.3 Politische Zielsetzungen 1.1.4 Sozialpolitische Wirkung der Prämienverbilligung 1.1.5 Allgemeine Umsetzungsprobleme 1.2 Weiterer Revisionspunkt: Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen 1.3 Vernehmlassungsverfahren zum Vorschlag des Bundesrates zu einer Teilrevision des KVG

4331 4331 4331 4332 4332 4332

2 Grundzüge der Vorlage

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3 Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen

4340

4 Zusammenwirken des Vorschlages mit anderen in Diskussion stehenden Gesetzesänderungen

4346

5 Auswirkungen 5.1 Finanzielle Auswirkungen 5.1.1 Auswirkungen auf den Bund 5.1.2 Auswirkungen auf die Kantone 5.2 Volkswirtschaftliche Auswirkungen

4346 4346 4348 4349 4350

6 Verhältnis zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen

4350

7 Legislaturplanung

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8 Verhältnis zum europäischen Recht 8.1 Vorschriften der europäischen Gemeinschaft 8.2 Die Instrumente des Europarates 8.3 Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

4351 4351 4351 4352

9 Rechtliche Grundlagen 9.1 Verfassungsmässigkeit 9.1.1 Bundesbeschluss 9.1.2 Revision 9.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

4353 4353 4353 4353 4353

4333 4333 4334 4335 4336 4338 4338

4329

Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Prämienverbilligung) (Entwurf)

4355

Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung (Entwurf)

4359

4330

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Prämienverbilligung durch Beiträge der öffentlichen Hand

1.1.1

Entstehungsgeschichte

Gemäss dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) erfolgt die Finanzierung der Krankenversicherung durch individuelle Kopfprämien, eine Kostenbeteiligung der Versicherten und Beiträge der öffentlichen Hand. Die Beiträge der öffentlichen Hand sind für die individuelle Prämienverbilligung für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmt, um damit die Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichen Einkommen zu garantieren. Die Prämienverbilligung ist, umsomehr als sie durch Steuereinnahmen finanziert wird, das soziale Korrektiv zur Kopfprämie, welche die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht berücksichtigt.

Der Entwurf in der Botschaft des Bundesrats über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 (BBl 1992 I 93) überliess den Kantonen die Durchführung der Prämienverbilligung im Rahmen von einheitlichen Anwendungsbestimmungen. Dies hätte insbesondere Vergleiche über die Gleichwertigkeit kantonaler Regelungen erlaubt. Sobald die gesamten Prämien einer versicherten Person und deren Familienmitglieder, für die sie unterhaltspflichtig ist, einen durch den Kanton festgelegten Prozentsatz ihres Einkommens übersteigen, sollte gemäss jenem Entwurf der Staat den Mehrbetrag übernehmen. Die Kantone sollten dabei vom steuerbaren Einkommen der direkten Bundessteuer ausgehen. Um zu vermeiden, dass Personen mit hohem Vermögen, aber geringem steuerbaren Einkommen in den Genuss von Prämienverbilligungen gelangen, hätten die Kantone neben dem steuerbaren Einkommen auch das steuerbare Vermögen berücksichtigen müssen. Mangels einer entsprechenden Veranlagung nach Bundesrecht hätten sich die Kantone hier auf die kantonale Steuerveranlagung stützen müssen.

In der parlamentarischen Beratung des neuen Krankenversicherungsgesetzes zeigte sich schnell, dass eine föderalistischere Ausgestaltung der Prämienverbilligung befürwortet wurde. Der Entwurf wurde daher wie folgt geändert: ­

Nach Artikel 66 Absatz 1 KVG gewährt der Bund den Kantonen jährlich Beiträge zur Verbilligung der Prämien der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Artikel 66 Absatz 2 KVG sieht eine Festsetzung der Bundesbeiträge unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Finanzlage des Bundes durch einfachen Bundesbeschluss für jeweils vier Jahre vor. Nach Artikel 66 Absatz 3 KVG setzt der Bundesrat die Anteile der einzelnen Kantone nach deren Wohnbevölkerung, Finanzkraft und kantonaler Durchschnittsprämie fest, wobei das letzte Verteilkriterium im Jahr 2001 aufgegeben wurde.

­

Die Kantone haben die Kompetenz und die Verantwortung einerseits für die Festlegung der Anspruchsmodalitäten für die Prämienverbilligung (Festlegung des Bezügerkreises, des Betrags, des Verfahrens und der Zahlungsmo4331

dalitäten) gemäss Artikel 65 Absatz 1 und 2 KVG, andererseits für die Aufstockung der Bundesbeiträge aus eigenen Mitteln gemäss Artikel 66 Absatz 4 und 5 KVG. Der Bundesrat bestimmt den Mindestbeitrag der Kantone nach deren Finanzkraft (Art. 66 Abs. 4 erster Satz KVG). Dabei beträgt der Gesamtbeitrag der Kantone mindestens die Hälfte der gesamten Bundesbeiträge (Art. 66 Abs. 4 zweiter Satz KVG). Unter der Bedingung, dass die Prämienverbilligung für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen trotzdem sichergestellt ist, darf ein Kanton den zu übernehmenden Beitrag um maximal 50 Prozent kürzen. Der Beitrag des Bundes an diesen Kanton wird im gleichen Verhältnis gekürzt (Art. 66 Abs. 5 KVG).

1.1.2

Revisionsbestrebungen

1.1.2.1

Parlamentarische Vorstösse

Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates «Evaluation der Bundesbeiträge an die Krankenversicherung» Im Postulat vom 19. Mai 2003 (03.3237) wird der Bundesrat ersucht, die Kriterien für die Zuteilung und Evaluation der Bundesbeiträge an die Krankenversicherung zu überprüfen und im Rahmen der 3. KVG-Revision Vorschläge zu unterbreiten. Der Bundesrat soll sich dabei auf die Situation in den Kantonen bezüglich Prämienverbilligung sowie auf Angaben stützen, die streng mit der sozialen und finanziellen Entwicklung der Krankenversicherung in Zusammenhang stehen. Der Bundesrat erklärte sich am 16. Juni 2003 bereit, das Postulat entgegenzunehmen; am 18. Juni 2003 wurde es vom Nationalrat überwiesen (AB 2003 N 1139).

1.1.2.2

Erste KVG-Revision

Im Rahmen der 1. KVG-Revision (Botschaft des Bundesrats vom 21. September 1998; BBl 1998 793) wurde auf die Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs «bescheidene wirtschaftlichen Verhältnisse» und die Eingrenzung des Kreises der Berechtigten verzichtet. Artikel 65 Absatz 1 KVG wurde jedoch mit einem zweiten Satz ergänzt, welcher dem Bundesrat im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 122 I 343) die Kompetenz zur Ausweitung des Bezügerkreises, im speziellen auf Saisonniers, gibt.

Verschiedene Anpassungen wurden zudem in Artikel 65 KVG vorgenommen, um zu garantieren, dass die kantonalen Verfahren höheren Anforderungen genügen. Zur Abfederung von Härtefällen bei Verbilligungssystemen, die sich auf die Steuererklärung abstützen, verpflichtet das KVG die Kantone, bei der Anspruchsabklärung die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 3 erster Satz KVG). Die Kantone müssen zudem eine rasche Auszahlung der Prämienverbilligung garantieren, damit die anspruchsberechtigten Personen ihre Prämienzahlungen nicht vorschussweise erbringen müssen (Art. 65 Abs. 3 zweiter Satz KVG). Schliesslich sind sie angehalten, die Versicherten regelmässig über das Recht auf Prämienverbilligung zu informieren (Art. 65 Abs. 4 KVG).

4332

Die 1. KVG-Revision hat dem Bundesrat zudem die Kompetenz zugesprochen, Vorschriften zur Datenerhebung bei den Kantonen zu erlassen, um die Wirksamkeit der Prämienverbilligung prüfen zu können (Art. 65 Abs. 6 KVG).

Schliesslich wurde dem Bundesrat die Kompetenz übertragen, den Kantonen den Übertrag der Differenzbeträge zwischen den Beiträgen des Bundes und der Kantone und den ausbezahlten Beiträgen auf das nächstfolgende Jahr zu gestatten (Art. 66 Abs. 6 KVG).

1.1.2.3

Änderungen mit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Freizügigkeit

Auf Grund des Abkommens über die Freizügigkeit muss die Schweiz Prämienverbilligungen an Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen auch dann gewähren, wenn diese in der Schweiz versichert sind, aber in einem EG-Staat wohnen. Zu diesem Zweck wurden die neuen Artikel 65a und 66a im KVG eingeführt (Botschaft des Bundesrats vom 31. Mai 2000; BBl 2000 4083). Der erste Artikel sieht die Prämienverbilligung durch die Kantone für Versicherte mit Wohnsitz im Ausland vor, welche einen aktuellen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton haben (Art. 65a KVG). Der zweite sieht vor, dass der Bund Prämienverbilligungen für Versicherte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft ohne andere Anknüpfungspunkte an die Schweiz gewährt, da die Kantone es abgelehnt hatten, die Prämienverbilligung für diese Personen durchzuführen und zu finanzieren (Art. 66a KVG).

1.1.2.4

Zweite KVG-Revision

Im Entwurf zur 2. KVG-Revision (Botschaft des Bundesrats vom 18. September 2000; BBl 2001 741) hat der Bundesrat keine Änderung bezüglich der Prämienverbilligung vorgeschlagen. In der Wintersession 2001, im Rahmen der ersten Lesung der zweiten Revision, verabschiedete jedoch der Ständerat eine Neudefinition der Anspruchsberechtigung in der Prämienverbilligung. Er stützte sich auf den ursprünglichen Entwurf des KVG von 1991 und entschied, dass die Prämienverbilligung neu so zu bemessen sei, dass die Prämien der versicherten Personen zusammen mit den Prämien von Familienangehörigen, für die sie unterhaltspflichtig sind, 8 Prozent des um einen Vermögensfaktor bereinigten Einkommens nicht übersteigen. Dieses Sozialziel war als eine Art Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Gesundheit muss bezahlbar bleiben» der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (Botschaft des Bundesrats vom 31. Mai 2000; BBl 2000 4267) konzipiert. Das Erreichen dieses Zieles von einem maximalen Eigenanteil von 8 Prozent in allen Kantonen hätte die einmalige Bereitstellung von zusätzlichen 300 Millionen Franken an Bundesmitteln und in der Folge eine jährlich Erhöhung der Bundesbeiträge um 3 Prozent bedingt.

Wegen des erheblichen finanziellen Mehrbedarfs und der ungenügend differenzierten Anspruchsgrenze für die Prämienverbilligung stiess das vom Ständerat beschlossene Modell auf Widerstand. In der Folge haben das Bundesamt für Sozialversicherung, die Eidgenössische Finanzverwaltung, die Eidgenössische Steuerverwaltung und die Konferenzen der kantonalen Finanz- und Sanitätsdirektoren in einer Arbeits4333

gruppe im Auftrag des Bundesrats aus der Klausur vom 22. Mai 2002 verschiedene Modelle erarbeitet, wobei es galt, Modelle mit «Giesskannencharakter» auszuschliessen. Der Bundesrat schlug daraufhin in seiner Sitzung vom 21. August 2002 ein Modell mit einem differenzierten Sozialziel vor, welches eine Ausrichtung von Prämienverbilligungen durch die Kantone an Versicherte, insbesondere an Familien, vorsah, die durch die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung stark belastet sind. Die Kantone hätten für diese beiden Personengruppen vier Einkommenskategorien festlegen und Prämienverbilligungen gewähren müssen, so dass der abgestufte Eigenanteil der Familien maximal zwischen 2 und 10 Prozent des Einkommens und derjenige der übrigen Versicherten maximal zwischen 4 und 12 Prozent betragen hätte. Der Bund hätte dazu zusätzliche 100 Millionen Franken an Bundesmitteln bereitgestellt. Die Finanzierung dieser Erhöhung der Bundesbeiträge wurde im Rahmen der parlamentarischen Debatte zum Steuerpaket diskutiert (AB 2002 S 601; AB 2002 N 1859): Aufgrund der beunruhigenden Situation der Bundesfinanzen und des daher beschränkten Handlungsspielraums für eine parallele Annahme von mehreren grosszügigen familienpolitischen Massnahmen hat das Parlment entschieden, die Erhöhung des Kinderabzugs und damit die Einnahmensenkung der direkten Bundessteuer einzuschränken. Die damit beibehaltenen Steuereinnahmen sollten für die Prämienverbilligung verwendet werden.

Dieses mit einer differenzierten und abgestuften Prämienverbilligung ausgestattete Sozialziel wurde im Grundsatz durch die eidgenössischen Räte gutgeheissen. Bezüglich der Anwendungsmodalitäten gab es jedoch relevante Unstimmigkeiten. Die Diskussion betraf dabei vorwiegend die Höhe der jährlichen Beiträge des Bundes, die Festsetzung von Höchsteinkommen mit Prämienverbilligungsanspruch und die Einführung einer generellen Verbilligung der Prämien für das zweite Kind um 50 Prozent und der vollständigen Prämienverbilligung für das dritte und die folgenden Kinder. In der Wintersession 2003 hat der Nationalrat zum zweiten Mal das ganze Projekt abgelehnt und damit die 2. KVG-Revision zum Scheitern gebracht.

Vor diesem Hintergrund schlägt der Bundesrat die vorliegende KVG-Revision vor.

1.1.3

Politische Zielsetzungen

Mit der Einführung der individuellen Prämienverbilligung im KVG beabsichtigte der Gesetzgeber, den Gedanken der bedarfsgerechten Prämiensubventionierung in der Krankenversicherung in die Tat umzusetzen, und nicht nur die sozial Bedürftigen zu unterstützen. Er wollte damit - im System mit einer Einheitsprämie pro Versicherer ohne Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten - der sozialen Notwendigkeit der Solidarität zwischen Personen mit unterschiedlichen Einkommen Rechnung tragen. Dem Vorschlag des Bundesrats, dass die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eine gewisse prozentuale Belastung der steuerbaren Haushaltseinkommen nicht überschreiten sollen, hat der Gesetzgeber ein flexibleres System vorgezogen. Er hat die Beiträge der öffentlichen Hand der individuellen Prämienverbilligung der Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zugesprochen und die Festlegung des zu erreichenden Sozialziels und die Ausgestaltung der Prämienverbilligung an die Kantone delegiert.

Mit dieser flexiblen Lösung sollte den Kantonen die Möglichkeit gegeben werden, eine den kantonalen Gegebenheiten entsprechende bedarfsgerechte Prämiensubventionierung vorzunehmen. Zudem sollte auch vermieden werden, dass die maximal

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vorgesehenen Bundes- und Kantonsbeiträge unter allen Umständen ausgeschöpft werden müssen.

1.1.4

Sozialpolitische Wirkung der Prämienverbilligung

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der kantonalen Systeme ist es schwierig zu beurteilen, ob die Prämienverbilligung die vom Gesetzgeber angestrebten sozialpolitischen Ziele erreicht hat. Ausgehend vom in der Botschaft des Bundesrats zur Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 genannten Kriterium, dass die Prämienbelastung eines Haushalts nicht mehr als einen bestimmten Prozentsatz des steuerbaren Einkommens betragen sollte (BBl 1992 I 93), wurden drei sich ergänzende Studien durchgeführt. In diesen Studien wurde für vier standardisierte Fallbeispiele (Rentner, Einelternfamilien, Mittelstandfamilien und Grossfamilien) und alle Kantone abgeklärt, welcher Anteil des verfügbaren Einkommens nach Abzug der Prämienverbilligungen auf die verbleibende Krankenversicherungsprämie entfällt. Die Studien ergaben als gesamtschweizerisch vergleichbare Ergebnisse zur sozialpolitischen Wirksamkeit der Prämienverbilligung: Das System der Prämienverbilligung ist in sich ein wirksames Instrument und das adäquate soziale Korrektiv zur Einheitsprämie. Andererseits wurden aber auch die Unterschiede zwischen der Wirkung der Prämienverbilligung in den Kantonen und auf die betrachteten Modell-Haushaltstypen aufgezeigt: ­

Aus der ersten Studie (Balthasar, Beiträge zur sozialen Sicherheit; «Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen», Forschungsbericht Nr. 21/98, BSV, Bern 1998) ging hervor, dass in zahlreichen Kantonen das soziale Ziel nicht erreicht wird. Obschon die Prämienverbilligung die untersten Einkommenskategorien massgeblich entlastet, ist sie für die unteren Einkommen des Mittelstands, insbesondere der Familien, oft nicht ausreichend.

­

Die zweite Studie (Balthasar, Beiträge zur sozialen Sicherheit; «Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen: Monitoring 2000», Forschungsbericht Nr. 2/01, BSV, Bern 2001) zeigt auf, dass die sozialpolitischen Ziele durch die Kantone teilweise erreicht worden sind, aber zwischen den Kantonen grosse Unterschiede bestehen. Im Vergleich zur Studie von 1998 hat sich die Belastung der Rentnerinnen und Rentner vergrössert und diejenige der Mittelstandsfamilien im Gesamten eher verkleinert, ohne dass die Situation für sie ­ wie auch für die Einelternfamilien ­ befriedigend wäre.

­

Die dritte Studie (Balthasar, Beiträge zur sozialen Sicherheit; «Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen: Monitoring 2002», Forschungsbericht Nr. 20/03, BSV, Bern 2003) bekräftigt die Resultate der vorangegangenen Studien: Es bestehen weiterhin grosse kantonale Unterschiede bezüglich der Umsetzung der Prämienverbilligungspolitik und das soziale Ziel ist immer noch nicht erreicht, selbst wenn die Kantone im Allgemeinen um eine Verbesserung der Situation bemüht sind. Die Studie zeigt weiter auf, dass sich die Situation der Rentnerinnen und Rentner weiter verschlechtert. Die anderen Haushaltstypen sahen sich ebenfalls, wenn auch in geringerem Masse, mit einer Erhöhung der verbleibenden Prämienlast konfrontiert.

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1.1.5

Allgemeine Umsetzungsprobleme

Auszahlungsquote der Bundesbeiträge Artikel 65 KVG schreibt vor, dass die Prämienverbilligungen so festzulegen sind, dass die jährlichen Beiträge des Bundes und der Kantone grundsätzlich voll ausbezahlt werden. Nach Artikel 66 KVG werden die jährlichen Beiträge des Bundes an die Kantone unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenversicherung und der Finanzlage des Bundes durch einfachen Bundesbeschluss für jeweils vier Jahre festgesetzt. Die einzelnen Kantone haben diesen Bundesbeitrag in Abhängigkeit ihrer Finanzkraft und ihrer Wohnbevölkerung aufzustocken. Der Gesamtbeitrag, den die Kantone zu leisten haben, muss jedoch mindestens der Hälfte des gesamten Bundesbeitrages entsprechen.

Jeder Kanton hat die Möglichkeit, den von ihm zu übernehmenden Beitrag um maximal 50 Prozent zu kürzen, sofern die Prämienverbilligung für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen trotzdem sichergestellt ist. Dabei wird der Bundesbeitrag um denselben Prozentsatz gekürzt wie der Kantonsbeitrag.

Gemäss den derzeit vorliegenden Abrechnungen für die Prämienverbilligungsbeiträge betrug die durchschnittliche Auszahlungsquote der Bundesbeiträge im Jahr 2001 80 Prozent und im Jahr 2002 rund 84 Prozent. Die Auszahlungsquote liegt damit leicht unter den von Kantonsseite beantragten Beträgen.

Umsetzung der Prämienverbilligung durch die Kantone Für den Vollzug der Prämienverbilligung sind die Kantone zuständig. Es ist Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten, die Höhe der staatlichen Verbilligung, das Verfahren und die Auszahlungsmodalitäten festzulegen. Ein Vergleich der kantonalen Systeme zeigt die Unterschiedlichkeit zwischen den gewählten Lösungen auf und bestätigt die Probleme der Vergleichbarkeit (Balthasar/Bieri/Furrer, Beiträge zur sozialen Sicherheit; «Evaluation des Vollzugs der Prämienverbilligung», Forschungsbericht Nr. 5/01, BSV, Bern 2001).

Die Festlegung des Berechtigtenkreises erfolgt in den Kantonen auf einer ausserordentlich heterogenen Basis. Dabei variieren sowohl die Berechnungsgrundlage, nach der die Berechtigung für den Anspruch auf Prämienverbilligung ermittelt wird (steuerbares Einkommen nach dem kantonalen Steuerrecht, Bruttoeinkommen, Nettoeinkommen, verfügbares Einkommen) als auch die Art der Festsetzung (fixe Einkommensgrenze oder
Prozentsatz des Einkommens). Komplizierend kommt hinzu, dass einzelne Kantone bei der Berechnung der Anspruchsberechtigung ein Haushaltsgrössenkriterium kennen, andere dagegen nicht, und dass das jeweils geltende Einkommen durch sehr unterschiedliche Abzugsmöglichkeiten differenziert wird. Schliesslich wird das Vermögen auf unterschiedliche Weise zur Berechnung des Einkommens herangezogen (Vermögensdefinition, Prozentsatz der Anrechnung, Freibetrag).

Die Höhe der vom Staat übernommenen Prämie steht in engem Zusammenhang mit der Festlegung des Bezügerkreises. Wählt der Kanton einen engen Kreis von Begünstigten, der nur die unterste soziale Schicht umfasst, können pro Bezüger höhere Prämienverbilligungsbeträge gewährt werden. Möchte der Kanton allerdings eine breitere Bezügergruppe berücksichtigen, die auch die Mittelschicht einschliesst, fällt der Betrag der individuellen Prämienverbilligung entsprechend tiefer aus. Je 4336

nach Kanton variiert die Berechnungsgrundlage des Prämienverbilligungsbetrages.

Die Hälfte der Kantone sieht vor, dass die Krankenversicherungsprämien einen bestimmten prozentualen Anteil des Einkommens der Versicherten nicht übersteigen dürfen und dass der darüber hinausgehende Betrag durch den Staat finanziert wird.

Die andere Hälfte der Kantone legt Einkommensgrenzen, zumeist in Abhängigkeit der Haushaltsgrösse, fest und gewährt Prämienverbilligungen, die entweder in absoluten Beträgen oder in einem Prozentsatz der Prämie festgelegt werden. Da häufig unterschiedliche massgebende Einkommen als Berechnungsgrundlage herangezogen werden, fällt der Vergleich sogar zwischen Kantonen mit gleichen Systemen schwer. Schliesslich muss berücksichtigt werden, dass einige Kantone die Prämienverbilligungen auf der durch den Versicherten effektiv bezahlten Prämie berechnen, während anderen die kantonale Durchschnittsprämie als Referenzprämie dient.

Das Verfahren, nach dem einer versicherten Person Prämienverbilligung gewährt wird, ist ebenfalls je nach Kanton sehr unterschiedlich. Um den Anspruch auf Prämienverbilligung zu prüfen haben die Kantone verschiedene Systeme gewählt: Systematische Erhebungssysteme, welche den Anspruch auf Prämienverbilligung automatisch auf der Basis von Steuerdaten eruieren; Systeme, die nur Versicherte berücksichtigen, die vorgängig einen spontanen Antrag auf Prämienverbilligung gestellt haben; Systeme, welche die Information der potenziell Bezugsberechtigten mit der Zustellung des Antragsformulars verbinden, sowie Systeme, welche die systematische Erhebung mit der Einreichung eines Antrags koppeln. Es wurde festgestellt, dass Systeme, die auf der Einreichung eines Antrags beruhen, stärker verbreitet sind als jene, die den Anspruch auf Prämienverbilligung automatisch ermitteln. Es zeigt sich aber auch, dass die Regel, wonach den potenziell bezugsberechtigten Personen ein Antragsformular zugestellt wird, überwiegt, während die Erfordernis eines spontanen Antrags eher unüblich ist. Bezüglich der Ausübung des Rechts auf Prämienverbilligung kann mit einem System, das die Zahlung von Prämienverbilligungen automatisch veranlasst, grundsätzlich ein besseres Ergebnis erreicht werden, da der Kreis der anspruchsberechtigten Personen am ehesten mit dem Bezügerkreis übereinstimmt. Es können
jedoch wesentliche Fehler in der Information der Bezüger aufgrund von veralteten oder lückenhaften Steuerdaten entstehen. Ebenso ist denkbar, dass Personen, die seit kurzem Anspruch auf Prämienverbilligung hätten (z.B. wegen Arbeitslosigkeit), auf der Basis ihrer Steuererklärung nicht als bezugsberechtigt eingestuft werden, während anderen Prämienverbilligungen gewährt werden, obwohl sie auf Grund ihrer derzeitigen finanziellen Lage davon ausgeschlossen werden müssten (z.B. ehemalige Studenten, die unterdessen ins Berufsleben eingestiegen sind). Die Wirksamkeit eines Antragssystems hängt schliesslich wesentlich von der kantonalen Informations- und Rahmenpolitik ab.

Was die Zahlungsmodalitäten der Prämienverbilligungsbeträge betrifft, können zwei Tendenzen beobachtet werden. Die Mehrzahl der Kantone richtet die Subventionen direkt an die Versicherer aus, womit die durch den Versicherten geschuldete Prämie ganz oder teilweise ersetzt wird. Einige wenige Kantone bezahlen den Prämienverbilligungsbetrag den Versicherten, die diesen in Form der üblichen Prämie dem Versicherer bezahlen.

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1.2

Weiterer Revisionspunkt: Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen

Aufgrund fehlender formeller Rechtsgrundlagen oder Kompetenzdelegationen sind nach dem Inkrafttreten des KVG zahlreiche Vollzugsprobleme mit Versicherten, welche ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Versicherern nicht erfüllen, und den entsprechenden Folgen dieser Nichterfüllung aufgetreten. Das Probem hätte im Rahmen der zweiten KVG-Revision gelöst werden sollen (Botschaft des Bundesrats vom 18. September 2000; BBl 2001 741). Auf Grund deren Scheitern nutzt der Bundesrat die gegenwärtigen Revisionsbestrebungen, um die Frage der Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen neu aufzugreifen.

1.3

Vernehmlassungsverfahren zum Vorschlag des Bundesrates zu einer Teilrevision des KVG

Der Entwurf des Bundesrates zur Teilrevision des KVG im Bereich der Prämienverbilligung und der Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen wurde den Kantonen, politischen Parteien und interessierten Kreisen im März 2004 zur Vernehmlassung unterbreitet.

Bezüglich der Prämienverbilligung sind die Ergebnisse gemischt. Mehr als das Grundprinzip der Einführung eines gesamtschweizerischen Sozialziels, welches einzig durch die Kantone abgelehnt wird, die darin eine Einschränkung Ihrer Autonomie sehen, wird das Finanzierungsmodell in Frage gestellt. Eine bedeutende Anzahl der Teilnehmenden sind sich darin einig, dass die durch die Eidgenossenschaft zur Verfügung gestellten Mittel ungenügend sind, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Kantone und mehrere politische Parteien verlangen zumindest eine jährliche Anpassung der Bundesbeiträge an die Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Verschiedene Teilnehmende bedauern zudem, dass der Entwurf keine spezifische Prämienverbilligung für die Kinder enthält.

Kantone und Leistungserbringer formulierten zum Entwurf zur Nichtbezahlung der Prämien und der Kostenbeteiligungen ihre Befürchtungen, Opfer einer Kostenumwälzung zu Gunsten der Versicherer zu werden. Diese Bemerkungen basieren auf einem Missverständnis, welches der Bundesrat im Kommentar zu den einzelnen Artikeln dieser Botschaft klärt.

2

Grundzüge der Vorlage

Prämienverbilligung: Änderung von Art. 65 In seiner heutigen Ausgestaltung sieht das KVG als einziges soziales Ziel die individuelle Prämienverbilligung für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor. Dabei legen die Kantone den Begriff «bescheidene wirtschaftliche Verhältnisse» sehr unterschiedlich aus. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Vergleich der nach kantonalem Recht festgelegten Einkommens- und Vermögensgrenzen schwierig ist, muss eine beträchtliche Anzahl der kantonalen Prämienverbilligungssysteme in Bezug auf das Bundesrecht als ungenügend bezeichnet werden.

So wird Artikel 65 KVG unterschiedlich interpretiert und die wirtschaftlichen Verhältnisse, die den Anspruch auf Prämienverbilligung bestimmen, werden sehr ver4338

schieden definiert. Es ist folglich unentbehrlich, ein System einzurichten, das dem Ziel des Gesetzgebers entspricht. Dabei soll mittels zwingendem Bundesrecht nicht nur ein Minimum an Sozialstaat gewährleistet werden, sondern auch der zentralen Bedeutung der Prämienverbilligung als soziales Korrektiv im heutigen Einheitsprämiensystem Rechnung getragen werden. Diese Gründe haben den Bundesrat veranlasst, die vorliegende Gesetzesänderung vorzuschlagen, welche die wesentlichen Elemente, die im Rahmen der gescheiterten 2. KVG-Revision ausgearbeitet wurden, wieder aufnimmt.

Die vorgeschlagene Änderung des KVG charakterisiert sich durch eine präzisere Definition des Bezügerkreises und durch die Einführung eines Sozialziels, das unterschiedlich gestaffelte Prämienverbilligungen für Familien und für kinderlose Haushalte umfasst. Es ist Aufgabe jedes Kantons, vier Einkommenskategorien festzulegen und Prämienverbilligungen zu gewähren, so dass der gestaffelte Eigenanteil für Familien maximal 2 bis 10 Prozent und für kinderlose Haushalte maximal 4 bis 12 Prozent ihres Einkommens beträgt. Die Kantone können zusätzlich Höchsteinkommen festlegen, die den Anspruch auf Prämienverbilligung nach oben begrenzen. Die zwei entscheidenden Kriterien für den Anspruch auf Prämienverbilligung sind einerseits die durch den Bundesrat festgelegten kantonalen Referenzprämien und andererseits das Reineinkommen gemäss Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. Dabei wird das Reineinkommen um einen Faktor korrigiert, der das nach kantonalem Recht steuerbare Vermögen berücksichtigt. Um die Umsetzung des neuen Sozialziels zu ermöglichen, soll der Bundesbeitrag gesamthaft um 200 Millionen Franken erhöht werden.

Aus Gründen der Klarheit und der Systematik des revidierten Gesetzes drängt sich zudem eine neue Gliederung der bestehenden Bestimmungen auf.

Die Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen: neuer Art. 64a Die Vollstreckung der finanziellen Verpflichtungen der Versicherten gegenüber dem Versicherer (Prämien gemäss Art. 61 ff. KVG und Kostenbeteiligung nach Art. 64 KVG) sowie die Folgen der Nichterfüllung sind im geltenden Recht weder formellgesetzlich geregelt noch beauftragt das Gesetz den Bundesrat, hierzu und zum Wechsel des Versicherers nähere Bestimmungen zu erlassen.

Im Rahmen dieser Revision soll eine
formell-gesetzliche Grundlage für die Prämienzahlungspflicht und die Verzugsfolgen geschaffen werden, denn die Erfüllung der Prämienzahlungs- und der Kostenbeteiligungspflicht durch die Versicherten ist für die Finanzierung der Krankenpflegeversicherung sowie den Gesetzesvollzug unentbehrlich. Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage ist auch deshalb angebracht, weil aufgrund der konstanten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) Artikel 9 Absatz 3 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung ersatzlos gestrichen werden musste, so dass ein Wechsel des Versicherers ungeachtet von ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen zulässig ist (BGE 125 V 266 ff).

4339

3

Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen

Art. 1 Abs. 2 Bst. c Die Verweise auf die Prämienverbilligungsbestimmungen werden entsprechend der Neunummerierung der Artikel 65 ff. angepasst.

Art. 18 Abs. 2quater Infolge der Neunummerierung der Prämienverbilligungsbestimmungen wird der Verweis auf Artikel 65a durch den Verweis auf Artikel 65d ersetzt.

Art. 64a (neu) Die Erfahrungen der Krankenversicherer zeigen, dass die Prämien- und andere Zahlungsausstände seit Inkrafttreten des KVG stark zugenommen haben und dass die Regelung von Artikel 90 Absatz 4 KVV, welche eine Sistierungsmöglichkeit erst nach der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens und nach dem Vorliegen eines Verlustscheines gegen den säumigen Versicherten ansetzt, in kausalem Zusammenhang zu den zunehmenden Zahlungsausständen steht. Die Zahlen der Versicherer untermauern, dass die Zahlungsausstände von Jahr zu Jahr in einem problematischen Ausmass zugenommen und sich auf hohem Niveau stabilisiert haben. In Anbetracht dieser Entwicklung und aufgrund der konstanten Rechtsprechung des EVG zu Artikel 9 Absatz 3 KVV in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung (ersatzlos gestrichen per 1. Januar 2003; AS 2002 3908), wonach ein Wechsel des Versicherers mangels einer formell-gesetzlichen Grundlage ungeachtet von ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen zulässig ist, ist es sinnvoll, im Gesetz eine formell-gesetzliche Grundlage für die Prämienzahlungspflicht zu schaffen und die Folgen des Verzugs zu verschärfen.

In Ergänzung zu Artikel 61 KVG sieht Artikel 64a Absatz 1 ein schriftliches Mahnverfahren vor, welches die Versicherer gegen säumige Versicherte einleiten müssen, bevor sie ihre Leistungen an diese Versicherten aufschieben.

Gemäss Absatz 2 erster Satz genügt als Voraussetzung für die Leistungssistierung, dass das Mahnverfahren keine Zahlung zur Folge hat und im Betreibungsverfahren bereits ein Fortsetzungsbegehren gestellt worden ist. Es handelt sich hier um eine Neuerung, da heute gemäss Artikel 90 Absatz 4 erster Satz KVV für eine Sistierung der Kostenübernahme für die Leistungen ein Verlustschein vorliegen muss. Die neue Bestimmung gewährleistet die Durchführung des Vollstreckungsverfahrens und damit das Inkasso fälliger Prämien oder Kostenbeteiligungen durch den Versicherer.

Es soll damit Druck auf die zahlungsfähigen, aber schlechten Zahler ausgeübt werden. An
der Schuldner- und Gläubigerstellung ändert sich nichts: Der Versicherer bleibt Schuldner der während der Sistierung der Zahlungen erbrachten Leistungen.

Er wird sie allerdings erst bezahlen, wenn die ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen sowie die Verzugszinsen und Betreibungskosten vollständig bezahlt wurden, sei es durch die versicherte Person selber oder, im Falle eines Verlustscheins, durch die von den Kantonen vorgesehene zuständige Behörde. Es ergibt sich daraus keine Kostenumlagerung zwischen Versicherern, öffentlicher Hand und Leistungserbringern.

4340

Mit Absatz 2 zweiter Satz wird sichergestellt, dass die kantonalen Behörden frühzeitig über die Zahlungsausstände von säumigen Versicherten informiert werden. Diese Bestimmung dient zudem dem Schutz der versicherten Person.

Absatz 3 entspricht der Regelung in Artikel 90 Absatz 4 zweiter Satz KVV. Damit ist gewährleistet, dass ein Zahlungsverzug keine Lücken im Versicherungsschutz, sondern ausschliesslich eine Sistierung der Kostenübernahme für die Leistungen zur Folge hat.

Neu wird mit Absatz 4 sichergestellt, dass künftig säumige Versicherte den Versicherer nicht mehr wechseln können, bevor die ausstehenden Prämien oder Kostenbeteiligungen vollständig bezahlt sind. Diese Folge des Zahlungsverzugs rechtfertigt sich einerseits, weil seit den EVG-Entscheiden vom 29. Juni 1999 zum damaligen, inzwischen ersatzlos gestrichenen Artikel 9 Absatz 3 KVV (vgl. BGE 125 V 266 ff.)

ein Wechsel des Versicherers auch bei Zahlungsausständen möglich ist und anderseits, weil die nicht oder nur sehr verzögert einbringlichen Prämien bei der geltenden Rechtslage ein Ausmass erreicht haben, das nicht mehr ohne weiteres verkraftbar ist.

Mit Absatz 4 werden insbesondere auch Versicherte mit Leistungssperren gehindert, im gegebenen Zeitpunkt den Versicherer zu wechseln und damit im Gegensatz zu anderen säumigen Versicherten, die keinen Versichererwechsel vornehmen, Leistungen vergütet zu erhalten, bevor sie die Zahlungsausstände beglichen haben.

Zielsetzung der Regelung ist der Schutz der Versichertengemeinschaft vor Prämienerhöhungen, die durch nicht einbringliche Zahlungsausstände von Versicherten bedingt sind, welche einen Versichererwechsel vornehmen, ohne zuvor die Zahlungsausstände beglichen zu haben.

Art. 65 Abs. 1 Im Hinblick auf eine einheitliche staatliche Sozialpolitik und die Umsetzung der erklärten sozialpolitischen Zielsetzungen des Gesetzgebers erscheint es angebracht, die juristisch unklare Definition der Bezüger von Prämienverbilligungen als «Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» zu erläutern. Absatz 1 verankert die Pflicht der Kantone, Prämienverbilligungen zu gewähren, im Bundesrecht. Anspruchsberechtigt sind einerseits Versicherte, die durch die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung stark belastet sind und andererseits Familien, die für ihre Kinder einen
Sozialabzug gemäss dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) geltend machen können und die durch die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung stark belastet sind. Diese neue, in Absatz 1quater konkretisierte differenzierte Definition der bezugsberechtigten Personen ermöglicht es, eine staatliche Unterstützung anzubieten, die den Bedürfnissen der Versicherten und insbesondere jenen der Familien besser entspricht. Der ausdrückliche Hinweis auf die Bundessteuergesetzgebung garantiert ausserdem eine einheitliche Definition der Familie in allen Kantonen.

Art. 65 Abs. 2 Nach Artikel 213 Absatz 1 DBG kann als Sozialabzug vom Einkommen für jedes minderjährige oder in der beruflichen Ausbildung stehende Kind, für dessen Unterhalt der Steuerpflichtige sorgt, 4700 Franken abgezogen werden. Mit der Bestimmung, dass Kinder, für die ein Sozialabzug nach Artikel 213 Absatz 1 Buchstabe a DBG gewährt wird, keinen selbständigen Anspruch auf Prämienverbilligung haben, 4341

wird eine doppelte Berücksichtigung von minderjährigen oder in der beruflichen Ausbildung stehenden Kindern verhindert.

Art. 65 Abs. 3 In Absatz 1 wird der Anspruch auf Prämienverbilligung ausdrücklich auf Versicherte begrenzt, die in der Schweiz wohnhaft sind. Absatz 3 überträgt dem Bundesrat die Kompetenz, die Anspruchsberechtigung auf versicherte Personen auszudehnen, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, sich aber für längere Zeit in der Schweiz aufhalten. Dieser Absatz nimmt den zweiten Satz aus dem heute geltenden Artikel 65 Absatz 1 KVG wieder auf. Bei der ersten KVG-Revision wurde dieser auf Grund eines Entscheids des Bundesgerichts (BGE 122 I 343) bezüglich des Rechts der Saisonniers auf Prämienverbilligung eingeführt.

Art. 65 Abs. 4 Diese Bestimmung enspricht dem aktuellen Artikel 65 Absatz 2 KVG.

Art. 65a Abs. 1 (neu) Die Prämienverbilligung wird auf der Basis des durch den Haushalt erzielten Reineinkommens berechnet. Als Haushalt wird der gleiche Kreis von Personen zusammengefasst wie im Steuerrecht. Es können somit die Prämien jener Personen zusammengezählt werden, für die eine versicherte Person nach dem Steuerrecht des Bundes bei der Steuerveranlagung Abzüge wegen Unterhaltspflichten geltend machen kann. Die Ermittlung des für den Anspruch auf Prämienverbilligung herangezogenen Einkommens richtet sich nach den Regeln für die Ermittlung des reinen Einkommens gemäss Artikel 25 DBG. Im Unterschied zum steuerbaren Einkommen werden beim reinen Einkommen noch keine Sozialabzüge vorgenommen, es liegt folglich zwischen den gesamten steuerbaren Einkünften (Bruttoeinkommen) und dem steuerbaren Einkommen. Es wird berechnet, indem von den gesamten steuerbaren Einkünften die Aufwendungen und allgemeinen Abzüge nach den Artikeln 26­33 DBG abgezogen werden, bzw. indem zu den von den Kantonen gemeldeten steuerbaren Einkommen die Sozialabzüge aufgerechnet werden. Mit der Wahl des reinen Einkommens gemäss direkter Bundessteuer als Basis für den Anspruch auf Prämienverbilligung wird eine gewisse Einheitlichkeit in der Durchführung erreicht. Um zu verhindern, dass Personen mit geringem steuerbarem Einkommen aber hohem Vermögen Anspruch auf Prämienverbilligung erheben können, müssen die Kantone neben dem Einkommen auch das Vermögen berücksichtigen. Weil es dazu keine Veranlagung nach Bundesrecht
gibt, haben sich die Kantone hier auf die kantonale Steuerveranlagung zu stützen. Es bleibt anzufügen, dass die Steuerveranlagung nicht in allen Fällen zwingend die ökonomische Situation einer bestimmten Person wiedergibt. Mangels eines anderen Kriteriums, mit dem die administrativen Hürden bewältigt werden könnten, erscheint die Steuerveranlagung dennoch als geeignetste Basis zur Berechnung des Prämienverbilligungsanspruchs.

Art. 65a Abs. 2 (neu) Im revidierten Gesetz wird festgehalten, auf welche Veranlagung sich die Kantone zu stützen haben, wenn die letzte rechtskräftige Veranlagung mehr als drei Jahre zurückliegt. Es soll auf eine möglichst aktuelle Einschätzung der wirtschaftlichen 4342

Situation des Versicherten abgestellt werden können, selbst wenn die Veranlagung, beispielsweise wegen eines Beschwerdeverfahrens, noch nicht rechtskräftig ist.

Grundsätzlich sind die Steuerwerte der letzten rechtskräftigen Veranlagung zu entnehmen. Liegt die Veranlagung mehr als drei Jahre zurück, gilt die provisorische Einschätzung; fehlt diese für die direkte Bundessteuer, gilt die letzte rechtskräftige Veranlagung oder provisorische Einschätzung für die kantonale Einkommens- oder Erwerbssteuer. Bei Abweichung der letzten rechtskräftigen Veranlagung von einer aktuelleren provisorischen Einschätzung haben die Kantone die Möglichkeit, die Prämienverbilligung auf Basis der aktuellsten provisorischen Einschätzung zu berechnen.

Es soll den Kantonen möglich sein, zur Feststellung des Anspruchs der Versicherten ein Verfahren zu wählen, bei welchem sich die zuständigen kantonalen Behörden direkt auf Angaben der Steuerbehörden stützen können. Der Bundesrat kann die eidgenössischen und kantonalen Steuerbehörden verpflichten, den zuständigen kantonalen Behörden die Auskünfte zu geben, die sie zur Festsetzung der Prämienverbilligungen brauchen.

Art. 65a Abs. 3 (neu) Dieser Absatz entspricht dem ersten Satz des aktuellen Artikel 65 Absatz 3 KVG. Es ist zu betonen, dass er nicht im Widerspruch zu Absatz 1 und Absatz 2 steht, die besagen, dass die Steuerdaten als Berechnungsbasis dienen müssen. Die Bestimmung dient als Ergänzung der vorhergehenden Absätze und gibt den Kantonen die Möglichkeit, Prämienverbilligungen auf Grund der aktuellsten finanziellen Einschätzung der versicherten Person zu gewähren oder abzulehnen, wenn dies nicht aus der letzten zur Verfügung stehenden Steuerveranlagung hervorgeht.

Art. 65a Abs. 4 (neu) Die Regelung, dass die Prämien einen bestimmten Anteil des Einkommens nicht übersteigen dürfen, könnte dazu führen, dass der Anreiz der Versicherten, einen Versicherer mit günstiger Prämie zu wählen, dahinfällt. Aus diesem Grund ist als Bemessungsmassstab nicht die aktuell bezahlte Prämie, sondern eine Referenzprämie heranzuziehen. Die Referenzprämie soll dabei immer unter der für den Kanton (für die Region) massgebenden Durchschnittsprämie liegen, um den Anreiz zur Wahl eines günstigeren Versicherers zu stärken. Im Sinne einer gesamtschweizerischen Harmonisierung legt der Bundesrat
die für die Ermittlung des Anspruches auf Prämienverbilligung massgebenden Referenzprämien für die einzelnen Kantone fest.

Der Bundesrat legt für jeden Kanton Referenzprämien für die durch das Bundesamt für Gesundheit gemäss Artikel 61 Absatz 2 Satz 3 KVG festgelegten Prämienregionen für Erwachsene, junge Erwachsene und Kinder fest. Zur Berücksichtigung der kantonalen Gegebenheiten hört er die Kantone vor der Festlegung an.

Art. 65a Abs. 5 (neu) Absatz 5 konkretisiert Artikel 65 Absatz 1 mit der Einführung eines Sozialziels, das unterschiedlich gestaffelte Prämienverbilligungen für Familien und für die anderen Anspruchsberechtigten vorsieht. In einem ersten Schritt ist es an den Kantonen, je mindestens vier Einkommenskategorien für Familien und die anderen Prämienverbilligungsbegünstigten festzulegen und danach für beide Gruppen prozentuale 4343

maximale Eigenanteile zu bestimmen. Laut Gesetzesentwurf müssen diese maximalen Eigenanteile für Familien zwischen 2 und 10 Prozent des massgebenden Einkommens und für die anderen Anspruchsberechtigten zwischen 4 und 12 Prozent des massgebenden Einkommens liegen. Dieses Verfahren erlaubt jedem Kanton, seine finanzielle Belastung selbst zu bestimmen, obwohl die kantonale Referenzprämie, die den Anspruch auf Prämienverbilligung bestimmt, gemäss Absatz 4 durch den Bundesrat festgelegt wird.

Die vorliegende Ausgestaltung des Sozialziels ermöglicht die direkte Begünstigung von Familien mit unterhaltspflichtigen Kindern, ohne dass zu diesem Zweck eine Prämienbefreiung für Kinder vorzusehen ist. Die Prämienbelastung der Familien wird nämlich bereits durch den zum Einkommen proportionalen Eigenanteil vermindert. Die Höchstbeteiligung in Abhängigkeit der Einkommenskategorie wird in personenreichen Familien schneller erreicht, da die Prämienbelastung höher ist.

Wenn eine Familie mit einem Kind aufgrund ihres erzielten Einkommens Anspruch auf Prämienverbilligung geltend machen kann, verursacht jedes zusätzliche Kind automatisch eine Erhöhung der Prämienverbilligung im Umfang der durchschnittlichen Kinderprämie; somit ist jedes weitere Kind vollständig von der Prämie befreit.

Der Einschluss einer Prämienbefreiung der Kinder in den Gesetzesentwurf würde folglich eine Überlagerung von zwei Entlastungssystemen darstellen.

Art. 65a Abs. 6 (neu) Die wahrscheinliche Abweichung zwischen der Prämienentwicklung und der Lohnentwicklung führt zu einer stetigen Ausweitung der Anzahl von Prämienverbilligungsbezügern und damit zu einem erhöhten Finanzbedarf der Kantone. Der Gesetzesvorschlag gibt den Kantonen jedoch die Möglichkeit, Höchsteinkommen festzulegen, ab denen sie keine Prämienverbilligungen mehr gewähren. Diese können zum Beispiel nach Bezügerkategorie und in Abhängigkeit der Anzahl Kinder pro Familie festgesetzt werden.

Art. 65b (neu) Diese Bestimmung entspricht dem aktuellen Artikel 65 Absatz 3 zweiter Satz KVG.

Art. 65c (neu) Der Inhalt der Absätze 4, 5 und 6 des aktuellen Artikel 65 KVG wurden in dieser Bestimmung zusammengefasst.

Art. 65d (neu) Aufgrund der neuen Nummerierung der Bestimmungen zur individuellen Prämienverbilligung wird aus dem aktuellen Artikel 65a KVG der Artikel 65d.

Art. 66 Abs. 1 und 3 Infolge der Neunummerierung der Artikel 65 ff. sind die entsprechenden Verweise anzupassen.

4344

Art. 84 Bst. d Infolge der Neunummerierung der Prämienverbilligungsbestimmungen braucht es nicht nur einen Verweis auf Artikel 65, sondern auch auf Artikel 65a.

Übergangsbestimmung Die Kantone verfügen über eine Frist von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung, um das in den Artikeln 65 und 65a vorgesehene System umzusetzen.

Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung Gemäss Artikel 66 Absatz 2 KVG werden die jährlichen Bundesbeiträge an die Kantone unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Finanzlage des Bundes durch einfachen Bundesbeschluss für jeweils vier Jahre festgelegt.

Der auf Artikel 66 Absatz 2 KVG basierende Bundesbeschluss vom 17. September 2003 (BBl 2003 6873) legt die Bundesbeiträge an die Prämienverbilligung fest und bestimmt die Mindestbeiträge der Kantone für die Jahre 2004 bis 2007. Die Bundesbeiträge wurden festgesetzt, indem der für das Jahr 2003 eingestellte Betrag jährlich um 1,5 Prozent erhöht wurde. Dieses Vorgehen entspricht dem seit 1999 angewendeten Anpassungsmechanismus.

Da zur Umsetzung des Sozialziels in dieser Vorlage eine Aufstockung der zur Verfügung stehenden Mittel vorgesehen ist, bedingt dies die Verabschiedung eines neuen einfachen Bundesbeschlusses, der eine gesamthafte Erhöhung der Bundesbeiträge um 200 Millionen Franken vorsieht. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Umsetzungsfrist erfolgt die Erhöhung gestaffelt und beträgt für die ersten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Änderung je 50 Millionen Franken und für das dritte Jahr 100 Millionen Franken. Daraus folgt die Aufhebung des einfachen Bundesbeschlusses vom 17. September 2003, der die Bundesbeiträge für die Jahre 2004 bis 2007 festlegt. Dieser muss durch einen neuen einfachen Bundesbeschluss ersetzt werden, der die Erhöhung der Bundesbeiträge um gesamthaft 200 Millionen Franken vorsieht.

Mit dem auf den 1. Januar 2005 vorgesehenen Inkrafttreten der KVG-Revision sollen daher die Bundesbeiträge für die Periode 2005 bis 2008 in einem neuen einfachen Bundesbeschluss festgelegt werden. Entgegen der Vernehmlassungsvorlage wird mit Blick auf die Finanzlage des Bundes der Bundesbeitrag zum einen gestaffelt erhöht und zum anderen die jährliche Anpassung der Bundesbeiträge um 1,5 Prozent beibehalten. Zur
Gewährleistung der Kontinuität im Prämienverbilligungsprozess dienen die ursprünglich für 2005 vorgesehenen Bundesbeiträge (2384 Millionen Franken) als Ausgangswert. Dieser Betrag soll für das erste Jahr um 50 Millionen Franken, für das zweite Jahr um weitere 50 Millionen Franken und für das dritte Jahr um zusätzliche 100 Millionen Franken erhöht werden. Daraus ergeben sich für die Jahre 2005 bis 2008 folgende maximalen Bundes- und Kantonsbeiträge (in Millionen Franken):

4345

Jahr

Bund

Kantone

Bund und Kantone

2005 2006 2007 2008

2 434 2 521 2 658 2 698

1 217 1 260,5 1 329 1 349

3 651 3 781,5 3 987 4 047

Total

10 311

5 155,5

15 466,5

4

Zusammenwirken des Vorschlages mit anderen in Diskussion stehenden Gesetzesänderungen

Die laufende Debatte zur dual-fixen Finanzierung der stationären Spitalleistungen könnte das vom Bundesrat vorgeschlagene Prämienverbilligungssystem mit Sozialziel insofern beeinflussen, als sich die von der dual-fixen Finanzierung verursachten Mehrkosten zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Endeffekt auf die Prämien niederschlagen. Die Folge davon wäre ein Anstieg des Subventionierungsbedarfs für die Prämienverbilligung. Die Grössenordnung wird davon abhängen, wie das neue Prämienverbilligungssystem der Kantone ausgestaltet ist.

Die anderen zur Zeit laufenden KVG-Reformen (Risikoausgleich, Versichertenkarte, Rechnungslegung der Versicherer, Vertragsfreiheit, Kostenbeteiligung und Managed Care) dürften das hier vorgeschlagene Prämienverbilligungsmodell nicht tangieren.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle Auswirkungen

Subventionsbedarf Der Wechsel zum abgestuften Sozialziel mit einer maximalen Prämienbelastung pro Haushalt beinhaltet keine Änderungen im Verteilmodell des KVG zwischen Bund und Kantonen. Nach Artikel 66 KVG muss der Gesamtbeitrag, den die Kantone zu leisten haben, mindestens der Hälfte des gesamten Bundesbeitrages entsprechen. Der Gestaltungsspielraum der Kantone bezüglich Kürzung und Übertrag (vgl. dazu 5.1.2 Auswirkungen auf die Kantone) und das bewährte Instrument der Festlegung der Bundesbeiträge durch einfachen Bundesbeschluss für vier Jahre bleiben bestehen.

Die Einführung eines Sozialzieles in der Prämienverbilligung führt zu einem erhöhten Subventionsbedarf. Dieser wurde anhand eines Modells für die letzten vollständig abgerechneten Jahre 2001 und 2002 geschätzt. Das Modell ging dabei von fünf gleichmässig verteilten Einkommenskategorien mit gleichmässig verteilten Maximalbelastungen pro Haushalt aus. Die berücksichtigten kantonalen Einkommensdaten der direkten Bundessteuer wurden mit den Lohn-Indizes auf die betreffenden Jahre hochgerechnet. Die zu Grunde liegende Prämienhöhe entspricht den kantonalen Durchschnittsprämien der jeweiligen Jahre; der in Artikel 65a Absatz 4 vorgesehenen tieferen Referenzprämie wurde im Modell nicht Rechnung getragen. Der Subventionsbedarf würde durch die Berücksichtigung der tieferen Referenzprämie anstelle der Durchschnittsprämie sinken. Laut Schätzungen werden mit jedem Pro4346

zent, um das die Referenzprämie unter der Durchschnittsprämie festgesetzt wird, rund 2 Prozent der gesamten Kosten eingespart. Auf die Festlegung von Höchsteinkommen in den Kantonen gemäss Artikel 65a Absatz 6 wurde in den Berechnungen verzichtet.

Der potenzielle Subventionsbedarf für Bund und Kantone für die beiden Jahre beläuft sich nach Modell auf 2864 Millionen Franken und 3343 Millionen Franken.

Dieser Subventionsbedarf kann durch zwei kantonale Instrumente massgeblich beeinflusst werden. Zum einen haben die Kantone die Möglichkeit, Höchsteinkommen festzulegen, ab denen sie keine Prämienverbilligungen mehr gewähren.

Dadurch kann der durch die Mengenausweitung bedingten Kostendynamik Einhalt geboten werden. In Abhängigkeit der kantonalen Ausgestaltung ist ein beträchtliches Potenzial für Kostenreduktionen vorhanden. Zum anderen zeigen zusätzliche Berechnungen, dass mit variierender Einteilung der Einkommenskategorien und deren prozentualen Belastung in den Kantonen dieser Subventionsbedarf noch um maximal 12 Prozent gesenkt werden könnte.

Der Subventionsbedarf für die Prämienverbilligung durch Bund und Kantone für die Jahre 2003 bis 2012 wurde aus den Modellwerten extrapoliert. Die Extrapolation erfolgte unter der Annahme einer jährlichen Kostensteigerung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung um durchschnittlich 4,5 Prozent, welche sich aus einer tendenziell steigenden Nominallohnentwicklung und einem abnehmenden Kostenwachstum durch Mengenausweitung zusammensetzt. Die durchschnittliche Nominallohnentwicklung von 2003 bis 2012 beträgt dabei 2,3 Prozent.

Subventionsbedarf gemäss Modell (2001/2002) und Extrapolation1: Jahr

Total Subventionsbedarf2

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

2864 3343 3616 3938 4252 4567 4923 5291 5662 6041 6468 6911

1 2 3

Zunahme des Subventionsbedarfs

16,72 % 8,17 % 8,90 % 7,97 % 7,41 % 7,80 % 7,48 % 7,01 % 6,69 % 7,07 % 6,85 %

Bundesbeiträge gemäss einfachem Bundesbeschluss

Bedarf an Kantonsbeiträgen3

2434 2521 2658 2698

1818 2046 2265 2593

In Millionen Franken.

Ohne Berücksichtigung der kantonalen Festsetzung von Höchsteinkommen und der Referenzprämie.

Durch die kantonalen Instrumente der Festsetzung des Höchsteinkommens und der Einteilung der Einkommenskategorien massgeblich beeinflussbar.

4347

Unter diesen Annahmen steigt im Zeitraum 2005 bis 2012 der gesamte Subventionsbedarf jährlich um durchschnittlich 7,2 Prozent oder um total rund 2,7 Milliarden Franken.

Dieses Wachstum ist vor allem auf die unterschiedliche Entwicklung der Kosten zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gegenüber den Haushaltseinkommen zurückzuführen. Durch die festgesetzten maximalen Haushaltsbelastungen steigt die oberste Einkommensgrenze mit Anspruch auf Prämienverbilligung mit jeder Prämienerhöhung und bewirkt aufgrund des niedrigeren Einkommenswachstums eine Ausweitung der anspruchsberechtigten Haushalte.

Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungen Nach Artikel 3b Absatz 3 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) wird bei der Berechnung des Anspruches auf Ergänzungsleistungen die kantonale Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung als Ausgabe angerechnet. Gemäss Artikel 54a der Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV; SR 831.301) können die Kantone diese Beträge in die Abrechnung über die Prämienverbilligung einsetzen.

Die kantonale Ausgestaltung des differenzierten Sozialziels könnte sich in zweierlei Hinsicht auf die Abgrenzung zwischen Prämienverbilligung und Ergänzungsleistungen auswirken. Einerseits würden die Ergänzungsleistungen bei Personen, welche bisher Anspruch auf eine volle Prämienverbilligung hatten oder deren Prämienverbilligung höher war als mit der neuen kantonalen Ausgestaltung, eine von der kantonalen Regelung des prozentualen Eigenanteils abhängige finanzielle Mehrbelastung erfahren. Zusätzlich würde die Differenz zwischen der durch das ELG berücksichtigten Durchschnittsprämie und der durch die Prämienverbilligung ausgerichteten Referenzprämie zu einer Mehrbelastung der Ergänzungsleistungen führen.

Die Einführung eines Sozialziels zielt nicht auf eine Einschränkung der kantonalen Möglichkeiten bezüglich der Ausrichtung von Prämienverbilligungen für Ergänzungsleistungsbezüger. Die Ausgestaltung der relevanten kantonalen Ausführungsgesetze kann weiterhin so geschehen, dass für Ergänzungsleistungsbezüger die Prämien im bisherigen Umfang durch die Prämienverbilligung
übernommen werden.

Werden die bestehenden kantonalen Regelungen in diesem Bereich weitergeführt, sind keine finanziellen Verschiebungen zwischen der Prämienverbilligung und den Ergänzungsleistungen zu erwarten.

5.1.1

Auswirkungen auf den Bund

Die maximalen Bundesbeiträge werden durch einen neuen einfachen Bundesbeschluss für die Jahre 2005 bis 2008 festgelegt (vgl. Ziff. 3 Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen, Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung). Die Bundesbeiträge gemäss einfachem Bundesbeschluss wurden in den letzten Jahren nie vollständig ausbezahlt. Die Auszahlungsquote hat aber kontinuierlich zugenommen (vgl. dazu 1.1.4 Allgemeine Umsetzungsprobleme, Auszahlungsquote der Bundesbeiträge).

4348

Wenn man von einer gleichbleibenden durchschnittlichen Auszahlungsquote durch die Kantone von 84 Prozent ausgeht (Stand 2002), verringern sich die Bundesbeiträge entsprechend.

Auszuzahlende Bundesbeiträge (bei einer Auszahlungsquote von 84 Prozent)4: Jahr

2004 2005 2006 2007 2008

5.1.2

Aktueller Bundesbeschluss 2004­2007

Teilrevision Prämienverbilligung, Bundesbeschluss 2005­2008

Max.

Bundesbeiträge

Jährliche Erhöhung in %

Max.

Bundesbeiträge

Jährliche Erhöhung in % (+ 200)5

Bundesbeiträge bei Auszahlungsquote von 84 %

+ 1,5 % + 1,5 % + 1,5 %

2434 2521 2658 2698

(+ 50) + 1,5 % (+50) + 1,5 % (+100) + 1,5 %

2045 2118 2233 2266

2349 2384 2420 2456

Auswirkungen auf die Kantone

Das Gesetz bietet den Kantonen Spielraum bei der Umsetzung des abgestuften Sozialzieles. So können die Kantone ihre finanzielle Belastung massgeblich mit der Festlegung von Höchsteinkommen gemäss Artikel 65a Absatz 6, mit der Einteilung der Einkommenskategorien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben von Artikel 65a Absatz 5 und dem Entscheid, ob weiterhin vollständige Prämienbefreiungen gewährt werden, beeinflussen. Der bereits bestehende Gestaltungsspielraum gemäss Artikel 66 Absatz 5 KVG (Kürzung des zu übernehmenden Beitrags um maximal 50 Prozent) und Artikel 66 Absatz 6 KVG (Übertrag des nicht ausbezahlten Bundesund Kantonsbeitrags auf das Folgejahr) bleibt bestehen.

Der durch das Modell geschätzte Subventionsbedarf steigt jährlich um durchschnittlich 7,2 Prozent. Diese Zunahme ist vor allem auf die ungleiche Entwicklung der Löhne und der Gesundheitskosten zurückzuführen (vgl. dazu 4.1 Finanzielle Auswirkungen). Die den Kantonen zur Verfügung stehenden Instrumente zur Beeinflussung ihrer finanziellen Belastung ermöglichen, die durch eine jährliche Ausweitung des Bezügerkreises bedingte Kostendynamik zu bremsen und den Subventionsbedarf entsprechend zu senken. Aufgrund des fixen maximalen Bundesbeitrags bleibt es somit den Kantonen überlassen, im Rahmen der Umsetzung des abgestuften Sozialziels, die Festsetzung der anspruchsberechtigten Höchsteinkommen und die Einteilung der Einkommenskategorien so vorzunehmen, dass die vorhandenen Bundesbeiträge ausgeschöpft werden und mit entsprechender Aufstockung durch kantonale Beiträge der kantonale Subventionsbedarf gedeckt werden kann.

4 5

In Millionen Franken.

Gestaffelte Aufstockung von gesamthaft 200 Millionen Franken in den ersten 3 Jahren nach Inkrafttreten der Änderung.

4349

5.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Festsetzung der Bundesbeiträge an die Prämienverbilligung mittels eines auf vier Jahre befristeten Bundesbeschlusses erfolgt in Ausführung von Artikel 66 KVG und seit Inkrafttreten des Gesetzes. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird somit ein seit 1996 angewandter Mechanismus weitergeführt. Von der gestaffelten Erhöhung des Bundesbeitrags um gesamthaft 200 Millionen Franken und der jährlichen Erhöhung der maximalen Bundesbeiträge um 1,5 Prozent sind keine massiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten. Grundsätzlich führt die zusätzliche Belastung der öffentlichen Hand zwar zu einem negativen Wachstumseffekt.

Weil die betreffenden Mittel jedoch, zwar mit einer gewissen Verzögerung, Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zugeleitet werden und damit deren Budget erhöhen, sollte deren zusätzliche Konsumneigung dem erwähnten negativen Wachstumseffekt entgegenwirken.

Die Annahme, dass mit der Neuregelung keine erheblichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen eintreten werden, wird dadurch gestützt, dass die Gegenüberstellung des erwarteten Subventionsbedarfs (Ziff. 5.1 Finanzielle Auswirkungen) mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (Ziff. 3 Ausführungen zum Bundesbeschluss) erwarten lässt, dass die zur Verfügung gestellten Mittel zur Deckung der Ansprüche ausreichen dürften. Somit ist nicht davon auszugehen, dass die Einführung der neuen Regelung auf gesamtschweizerischer Ebene grössere Umverteilungswirkungen haben wird. Auswirkungen der Neuregelung sind allerdings in gewissen Kantonen zu erwarten. Diese haben es jedoch in der Hand, das System an ihre eigenen Verhältnisse anzupassen.

6

Verhältnis zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen

Die Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 14. November 2001 (BBl 2002 2291) sieht die Prämienverbilligung für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen als Verbundaufgabe von Bund und Kantonen vor. Nach dem damaligen Modell sollten die Kantone die Bundesmittel so ergänzen, dass die vom Bund für jeden Kanton fixierte maximale Prämienbelastung der Versicherten nicht überstiegen wird. Im gesamtschweizerischen Schnitt sollte die Prämienbelastung 10 Prozent des steuerbaren Einkommens nicht überschreiten. Der Bund sollte dabei 25 Prozent der durchschnittlichen Gesundheitskosten für 30 Prozent der Bevölkerung übernehmen.

Dem Entscheid des Bundesrats, ein abgestuftes Sozialziel einzuführen, ist im Rahmen der Gesetzesanpassungen der zweiten NFA-Botschaft Rechnung zu tragen.

Insbesondere wird der Einfluss des neuen Handlungsspielraums von Bund und Kantonen und des Subventionsbedarfs aufgrund des abgestuften Sozialziels auf das Kostenaufteilungsmodell der ersten NFA-Botschaft zu berücksichtigen sein.

4350

7

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 angekündigt und als Richtliniengeschäft aufgeführt (BBl 2004 1176).

8

Verhältnis zum europäischen Recht

8.1

Vorschriften der europäischen Gemeinschaft

Artikel 2 des Vertrages der Europäischen Gemeinschaft (EG) überträgt der Gemeinschaft die Aufgabe, ein hohes Mass an sozialem Schutz zu fördern. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist in Artikel 39 des EG-Vertrages geregelt. Das Freizügigkeitsprinzip verlangt eine Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit, wie dies in Artikel 42 des EG-Vertrages festgelegt ist. Das Gemeinschaftsrecht bezweckt keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Mitgliedstaaten können die Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten sowie die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit weiterhin bestimmen. Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie durch die entsprechende Durchführungsverordnung Nr. 574/72 (kodifiziert durch die Verordnung des Rates Nr. 118/97; ABl Nr. L 28 vom 30.1.1997, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung des Rates Nr.

859/2003, ABl Nr. L 124 vom 20.5.2003, S. 1) geregelt. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union am 1. Juni 2002 ist die Schweiz Teil des multilateralen Koordinationssystems.

Die Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes (ABl Nr. L 245 vom 26.8.1992, S. 49) forderte die Mitgliedstaaten auf, für die rechtmässig in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Personen den Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung sowie zu den Krankheitsvorsorgemassnahmen zu ermöglichen.

8.2

Die Instrumente des Europarates

Was die wirtschaftlichen und sozialen Rechte anbelangt, stellt die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 die Entsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar. In Artikel 12 ist das Recht auf soziale Sicherheit verankert: Die Vertragsparteien verpflichten sich, ein System der sozialen Sicherheit einzuführen oder beizubehalten, dieses auf einem befriedigenden Stand zu halten, sich zu bemühen, das System fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen und Massnahmen zu ergreifen, welche die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit ihren eigenen Staatsangehörigen gewährleisten. Die Schweiz hat die Charta am 6. Mai 1976 unterzeichnet; eine Ratifizierung wurde jedoch 1987 vom Parlament abgelehnt, so dass dieses Übereinkommen für unser Land nicht bindend ist.

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Mit der Europäischen Sozialcharta (revidiert) vom 3. Mai 1996 wurde der materielle Inhalt der Charta von 1961 aktualisiert und angepasst. Es handelt sich dabei um ein von der Europäischen Sozialcharta gesondertes Abkommen, welches diese nicht aufhebt. Das Recht auf soziale Sicherheit ist ebenfalls in Artikel 12 enthalten. Die revidierte Sozialcharta ist am 1. Juli 1999 in Kraft getreten. Die Schweiz hat dieses Instrument nicht ratifiziert.

Die Schweiz hat die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 (AS 1978 1491) am 16. September 1977 ratifiziert. Unser Land hat jedoch Teil II über die ärztliche Betreuung nicht angenommen. Jeder Staat, der den aus Teil II der Ordnung hervorgehenden Verpflichtungen nachkommen will, ist verpflichtet, den geschützten Personen medizinische Versorgung bei Krankheit ohne Rücksicht auf ihre Ursache sowie bei Mutterschaft zu gewährleisten. Der Leistungsempfänger kann zur Beteiligung an den Kosten der bei Krankheit gewährten medizinischen Versorgung verpflichtet werden. Zudem kann die Dauer der erbrachten Leistungen für die einzelnen Fälle auf 26 Wochen beschränkt werden.

Die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit wird durch ein Protokoll, das höhere Normen festlegt, ergänzt. Die Schweiz hat das Protokoll zur Ordnung der sozialen Sicherheit nicht ratifiziert.

Die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit (revidiert) vom 6. November 1990 ist ebenfalls ein von der Europäischen Ordnung der sozialen Sicherheit zu unterscheidendendes Abkommen, sie ersetzt jene nicht. Durch die (revidierte) Ordnung werden die Normen der Europäischen Ordnung der sozialen Sicherheit erweitert, namentlich durch die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsgebietes, durch die Gewährung von neuen Leistungen sowie durch die Erhöhung des Betrags für Sachleistungen. Parallel wird eine grössere Flexibilität eingeführt, indem die Ratifizierungsbedingungen erleichtert und die Normen so formuliert wurden, dass den einzelstaatlichen Regelungen bestmöglich Rechnung getragen wird. Die (revidierte) Ordnung ist noch von keinem Staat ratifiziert worden und deshalb noch nicht in Kraft getreten.

Von den Instrumenten des Europarats sind zudem die folgenden Empfehlungen des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zu erwähnen: ­

Empfehlung Nr. R (80) 15 vom 14. November 1980 über eine bessere Verteilung der medizinischen Versorgung innerhalb und ausserhalb der Spitäler;

­

Empfehlung Nr. R (86) 5 vom 17. Februar 1986 über die allgemeine Verfügbarkeit der medizinischen Versorgung.

8.3

Vereinbarkeit der Vorlage mit dem europäischen Recht

Was die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit anbelangt, sieht die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit des Europarates vor, dass die Aufwendungen für die Leistungen sowie die Verwaltungskosten kollektiv durch Beiträge oder Steuern oder durch eine Kombination dieser beiden Formen finanziert werden.

Dabei ist zu vermeiden, dass Minderbemittelte über Gebühr belastet werden.

Gleichzeitig muss sowohl der wirtschaftlichen Lage des Vertragsstaats als auch der geschützten Personen Rechnung getragen werden (Art. 70 Par. 1). Überdies darf die Summe der von den geschützten Arbeitnehmern aufzubringenden Versicherungsbei4352

träge 50 Prozent der Summe der für den Schutz der Arbeitnehmer und ihrer Ehefrauen und Kinder bestimmten Mittel nicht übersteigen (Art. 70 Par. 2). Die revidierte Ordnung sieht eine analoge Bestimmung wie Artikel 70 Paragraph 1 der Europäischen Ordnung der sozialen Sicherheit (Art. 76 Par. 1) vor. Mit der präziseren Umschreibung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf Prämienverbilligung und der Einführung eines Sozialziels stärkt die Vorlage das Prämienverbilligungssystem als soziales Korrektiv zu den Kopfprämien und geht so in die vom europäischen Recht aufgezeigte Richtung.

9

Rechtliche Grundlagen

9.1

Verfassungsmässigkeit

9.1.1

Bundesbeschluss

Der Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung ist ein einfacher, nicht dem Referendum unterstehender Bundesbeschluss, dessen Rechtsgrundlage in Artikel 66 Absatz 2 KVG besteht.

9.1.2

Revision

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 117 der Bundesverfassung.

9.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung notwendigen Regelungskompetenzen (Erlass der Vollzugsbestimmungen) werden dem Bundesrat in Artikel 96 KVG delegiert. Im Rahmen dieser Vorlage ist der Bundesrat überdies befugt, in folgenden Bereichen Bestimmungen zu erlassen: Einzelheiten des Prämieninkassos, des Mahnverfahrens und der Folgen des Zahlungsverzugs (Art. 64a Abs. 5), Verpflichtung der Steuerbehörden, die notwendigen Auskünfte zu geben (Art. 65a Abs. 2) und Festsetzung der kantonalen Referenzprämien (Art. 65a Abs. 4).

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