Bericht des Bundesrates über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik der Schweiz 2004 (in Erfüllung des Postulates 02.3541 Haering vom 2. Oktober 2002) vom 8. September 2004

2004-0365

5153

Abkürzungsverzeichnis ABC-Waffen

Atomare, biologische und chemische Waffen

ABM-Vertrag

Vertrag über die Beschränkung von Systemen zur Abwehr ballistischer Raketen (Anti-Ballistic Missile Treaty)

AG

Australiengruppe (Australia Group)

BWÜ

Biologiewaffenübereinkommen (Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction, BTWC)

CCW

Übereinkommen über konventionelle Waffen (Convention on Prohibitions or Restrictions On The Use of Certain Conventional Weapons Which May Be Deemed To Be Excessively Injurious Or To Have Indiscriminate Effects)

CD

Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament)

CTBT

Vertrag über ein vollständiges Verbot der Kernversuche (Comprehensive Nuclear Test-Ban Treaty)

CTBTO

Überprüfungsorganisation zum CTBT

CWÜ

Chemiewaffenübereinkommen (Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical Weapons and on Their Destruction, CWC)

EAPC

Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat (Euro-Atlantic Partnership Council)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

ERW

Explosive Kriegsmunitionsrückstände (Explosive Remnants of War)

ESVP

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

EU

Europäische Union

EVD

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement

FMCT

Vertrag über das Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Waffenzwecke und für andere Kernsprengkörper (Fissile Material Cut-off Treaty)

G7/8

Gruppe der sieben/acht führenden Industrieländer

GASP

Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU

GICHD

Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung (Geneva International Centre for Humanitarian Demining)

5154

IAEO

Internationale Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency)

IMSMA

Informationsmanagement-System für humanitäre Entminung (Information Management System for Mine Action)

KSE

Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa

MASG

Mine Action Support Group

MTCR

Raketentechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime)

NATO

Nordatlantisches Bündnis (North Atlantic Treaty Organisation)

NPT

Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons)

NSG

Gruppe der Nuklearlieferländer (Nuclear Suppliers Group)

OPCW

Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons)

OSZE (früher KSZE) Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa PfP

Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace)

RAP

Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik

RMA

Revolution in Military Affairs

SALW

Kleinwaffen und leichte Waffen (Small Arms and Light Weapons)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

UNMAS

Minenaktionsdienst der Vereinten Nationen (United Nations Mine Action Service)

UNMOVIC

Überwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen (United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission)

UNSCOM

UNO-Sonderkommission für die Vernichtung der Massenvernichtungswaffen im Irak (UN Special Commission on Iraq)

VBS

Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

VSBM

Vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen

WA

Vereinbarung von Wassenaar (Wassenaar Arrangement on Export Controls for Conventional Arms and Dual-Use Goods and Technologies)

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization) 5155

Bericht 1

Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik am Anfang des 21. Jahrhunderts

1.1

Internationale Rüstungskontrolle im Banne des 11. September 2001

Seit der Erarbeitung des Berichts 2000 über die schweizerische Rüstungskontrollund Abrüstungspolitik1 (RAP) haben deren internationale sicherheitspolitische Rahmenbedingungen zwei wesentliche Änderungen erfahren. Zum einen spielen die USA als einzig verbliebene Supermacht eine so dominierende Rolle, dass sich zumindest im strategischen Bereich kaum mehr von einem multipolaren Kräftefeld sprechen lässt. Zum anderen ist die potentielle Gefährdung durch mit Massenvernichtungswaffen ausgerüstete terroristische Gruppierungen zu einem wichtigen Faktor der internationalen Beziehungen und der RAP geworden.

Beide Entwicklungen sind miteinander verknüpft. Der Anschlag vom 11. September 2001 veranlasste die westlichen Staaten, ihre Szenarien einer Bedrohung der nationalen Sicherheit neu zu überdenken. Namentlich in den USA richtete sich das Hauptaugenmerk auf einen möglichen Erwerb von Massenvernichtungswaffen durch extremistische Kreise, insbesondere falls diese durch den USA feindlich gesinnte Regierungen unterstützt würden. Die Vereinigten Staaten halten sich angesichts der als existentiell empfundenen Bedrohung alle Optionen für deren Bekämpfung, einschliesslich des Ersteinsatzes von Kernwaffen, offen.

Die militärische Intervention der USA und ihrer Verbündeten im Irak, welche die UNO vor eine schwere Belastungsprobe stellte, wurde von Washington nicht zuletzt mit dem Verdacht auf verborgene Massenvernichtungswaffen begründet. Ein solcher Verdacht hat sich jedoch bis heute nicht bestätigt. Welchen Einfluss die durch die USA eingeführte Option der «präemptiven Selbstverteidigung» ihrerseits hinsichtlich einer weltweiten Ab- oder Aufrüstung haben wird, ist schwer vorherzusagen.

Einerseits könnten Staaten, die Druckversuche der USA befürchten, dazu tendieren, zur Abschreckung möglichst rasch Massenvernichtungswaffen zu erwerben. Andererseits dürfte die Bereitschaft Libyens, auf sein Massenvernichtungswaffenprogramm zu verzichten, sowie jene Irans zu mehr Transparenz über sein Nuklearprogramm, nicht zuletzt auf die Pressionen der Vereinigten Staaten zurückzuführen sein.

Die diversen Rüstungskontrollverträge stehen aus Sicht der US-Regierung vor einer neuen Herausforderung, da sie nicht-staatliche Akteure, wie beispielsweise Terroristen, nicht einbezögen und gleichzeitig Gefahr liefen, den Handlungsspielraum
bei der Abwehr terroristischer Angriffe einzuschränken. In einigen Fällen bezweifelten die Vereinigten Staaten zudem die Wirksamkeit dieser Verträge gegenüber Staaten, welche diese zwar ratifiziert hätten, sie aber bewusst zu unterwandern suchten. In der Rüstungskontrolle räumen die USA daher informellen Absprachen mit befreundeten Staaten ein zumindest ebenso grosses Gewicht ein wie universellen, völkerrechtlich bindenden Verträgen. Der Fokus der amerikanischen Politik liegt auf der 1

BBl 2000 5477

5156

Nonproliferation, d.h. der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Demgegenüber bestehen vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer auf der Priorität der effektiven Abrüstung, in erster Linie der Kernwaffen. Diese Länder fürchten zudem, dass der Kampf gegen die Proliferation ihnen den Zugang zur neuesten zivilen Technologie erschwert. Der frühere Ost-West-Gegensatz hat sich so auch in der RAP tendenziell in einen Nord-Süd-Gegensatz verwandelt.

Der Konsens über einen weiteren Ausbau oder eine Vertiefung der multilateralen Rüstungskontroll- und Abrüstungsmechanismen ist unter diesen Umständen noch schwieriger geworden. Symptomatisch für diese Situation bleibt die Blockierung der Genfer Abrüstungskonferenz, des einzigen ständigen multilateralen Verhandlungsforums für Rüstungskontroll- und Abrüstungsfragen. Um so wichtiger werden Bestrebungen, die Bewährungsprobe des Multilateralismus in der RAP zu meistern, um deren Bedeutung als Politik der friedlichen Beilegung von Differenzen zu stärken. Dabei verfolgen die USA, deren Unterstützung für einen Fortschritt der entsprechenden Vertragswerke, Organisationen und Regime meistens unabdingbar ist, eine selektive Strategie. So sind auf der einen Seite die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) von der US-Administration finanziell und politisch gefördert worden. Auf der anderen Seite kann der Vertrag über ein vollständiges Verbot von Kernversuchen (CTBT) u.a. durch das Ausbleiben der amerikanischen Ratifikation nicht in Kraft treten, und das Biologiewaffenübereinkommen (BWÜ) bleibt wegen des US-Vetos gegen ein Verifikationsprotokoll in seiner praktischen Umsetzung beschränkt.

Im Rahmen des globalen Kampfes gegen die Proliferation von Massenvernichtungswaffen entstanden wichtige internationale Initiativen. So lancierte die G8 im Juni 2002 eine «Globale Partnerschaft». Diese sieht vor, bis zu 20 Milliarden Dollar für die vorläufige Sicherung und Beseitigung chemischer Waffen, von NuklearU-Booten und spaltbarem Material in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion aufzuwenden. Des Weiteren wurde im Mai 2003 die «Proliferation Security Initiative» ins Leben gerufen, der diverse westliche Staaten angehören. Erklärtes Ziel dieser Unternehmung ist es, den illegalen Transport
von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen noch besser zu unterbinden.

Geographisch haben sich die Gebiete, wo aufgrund schwerer Spannungen und vorhandener Massenvernichtungswaffen deren Einsatz im Konfliktfall droht, seit dem RAP-Bericht 2000 kaum verändert. Betreffend Kernwaffen besteht besonders in Süd- und Ostasien weiterhin die Gefahr eines Rüstungswettlaufs. Die Gefahr einer Weiterverbreitung gerade von Kernwaffen dürfte sich durch die Entstehung eines Schwarzmarkts erhöht haben, wobei vor allem die Aktivitäten gewisser Kreise Pakistans und Nordkoreas internationale Besorgnis erregen. Angesichts dieser Situation äusserte der Generaldirektor der IAEO im Januar 2004 die Befürchtung, rund 60 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki sei das Risiko eines Nukleareinsatzes grösser denn je.

5157

1.2

Technologische Aspekte der modernen Streitkräfteentwicklung

Eine effektive RAP muss bemüht sein, in ihren Instrumenten die technische Entwicklung von Waffensystemen und Streitkräften zu berücksichtigen. Die 1990er Jahre waren geprägt von einer Kumulation technologischer Innovationen, die sich im Nachgang zum Golfkrieg von 1990/91 in der von den USA dominierten «Revolution in Military Affairs» (RMA) manifestierten. Die angestrebte Effektivitäts- und Effizienzsteigerung konventioneller Kampfmittel gründete in ihrem Kern auf den Errungenschaften der einsetzenden Informations- und Kommunikationsrevolution.

Eine Netzwerk-orientierte Kriegführung hat zu verkleinerten, flexibleren, mobileren und zu einer rascheren Operationsführung befähigten Streitkräften geführt. Die Informationsüberlegenheit ist dabei zur zentralen Prämisse moderner Kriegführung geworden. Mit dem Einsatz von Abstandslenkwaffen und Präzisionsmunition wird das Gefecht auf Distanz sowie mit effektorientierter Genauigkeit und Gleichzeitigkeit geführt.

Die Idee einer derart hoch technologisierten Kriegführung, welche parallel Effekte maximieren und kolaterale Schäden minimieren soll, ist Ausdruck sowohl der Technologieüberlegenheit als auch der abnehmenden Verlust- und Schadenakzeptanz westlicher Gesellschaften. Vor diesem Hintergrund hat in den letzten Jahren die Entwicklung umstrittener Munitionsarten Anlass zu Diskussion ergeben; es handelt sich dabei um Munition, deren Wirkung trotz grosser Fortschritte in der Präzision als verheerend, unverhältnismässig oder vor allem nach dem Ende eines Konfliktes für das zivile Umfeld nachhaltig schädigend beurteilt wird ­ wie zum Beispiel der Einsatz von thermobarischer Munition oder die relativ hohe Blindgängerzahl bei Streubomben («Cluster Bombs»). Hier eröffnet sich ein wichtiges Aktionsfeld für die internationale RAP.

Die neuen Technologien ermöglichen andererseits die Entwicklungen so genannter nichtletaler Waffen (z.B. Graphitbomben oder Infraschall-Generatoren). Diese sind primär für Situationen unterhalb der Kriegsschwelle oder Einsätze im zivilen Umfeld gedacht und sollen es ermöglichen, Menschen, Fahrzeuge und Einrichtungen ohne schwere körperliche oder irreversible Schäden zu neutralisieren.

Obschon eine Reihe nichtletaler Waffensysteme in den nächsten zwei Jahrzehnten einsatzreif werden wird und damit das Ausmass unbeabsichtigter Schäden in
militärischen Aktionen weiter reduzieren dürfte, ist nicht mit einer entsprechenden Revolutionierung ­ der Möglichkeit einer vollständig verlust- und schadenfreien Kriegführung ­ zu rechnen.

Die Überlegenheit westlicher Rüstungstechnologie im Bereich konventioneller Systeme hat dazu geführt, dass potenzielle Gegner sich kaum mehr auf ein symmetrisches Kräftemessen mit westlichen Streitkräften einlassen. Stattdessen greifen sie vermehrt auf asymmetrische ­ unter anderem terroristische ­ Methoden zurück. Die zunehmende Interdependenz ziviler und militärischer Forschungs- und Entwicklungsprogramme und die Globalisierung der Märkte erschweren die Kontrolle über Transfers von Schlüsseltechnologien und von sowohl zivil wie auch militärisch verwendbaren sogenannten «Dual-Use»-Gütern, wodurch eine wachsende Anzahl staatlicher als auch nicht-staatlicher Akteure Zugang zu Technologien mit hohem Vernichtungspotenzial (ABC-Waffen) sowie radiologischen Waffen erhalten dürfte.

Die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat damit nicht nur den Hand-

5158

lungsspielraum der entwickelten Industriemächte erweitert, sondern auch deren Verwundbarkeit vergrössert.

1.3

Konflikte am Anfang des 21. Jahrhunderts

Wie an der technischen Entwicklung der Waffen, so muss sich eine relevante RAP auch an den aktuellen Konfliktformen orientieren, mit welchen sie konfrontiert ist und deren Auswirkungen sie mildern soll. Die traditionelle Vorstellung von Kriegen als Aufeinandertreffen zweier staatlicher Armeen deckt sich heute immer weniger mit der Wirklichkeit. Zwar existiert auch am Anfang des 21. Jahrhunderts ein ganzes Spektrum von militärischen Konflikten: von suprastaatlichen Modellen (militärische Aktionen von Koalitionsmächten mit oder ohne völkerrechtliche Legitimation, humanitäre Interventionen) über zwischenstaatliche Kriege bis hin zu innerstaatlichen Auseinandersetzungen. Den vorherrschenden Typ des bewaffneten Konflikts stellt heute jedoch der innerstaatliche oder regional begrenzte Krieg niedriger Intensität dar.

In innerstaatlichen Konflikten sind leichte und schwere konventionelle Waffen die bevorzugten Kampfmittel. Vielfach greifen Kämpfer dabei auf Arsenale zurück, die im Kalten Krieg angehäuft und nicht beseitigt wurden. Vor allem die unkontrollierte Proliferation von Kleinwaffen und leichten Waffen trägt zur Intensivierung und Verlängerung der gewalttätigen Auseinandersetzungen bei. Dabei wird die Zivilbevölkerung häufig zur eigentlichen Zielscheibe von Gewalthandlungen.

Die RAP steht bei den innerstaatlichen Konflikten vor einer besonderen Herausforderung, da die wenigsten der multilateral konzipierten Rüstungskontroll- und Abrüstungsabkommen auf sie anwendbar sind. Eine Umsetzung von Abkommen ist unter den Umständen innerstaatlicher Konflikte ohnehin schwierig, da eine allgemeine Erosion des Rechtes und der Rechtsstaatlichkeit Ausgangspunkt und Resultat vieler dieser Konflikte bilden. «Gescheiterte Staaten» sind mehrfach zu einem Zufluchtsort für Mitglieder terroristischer Organisationen und zu Drehscheiben des internationalen Waffenhandels sowie anderer Formen der organisierten Kriminalität geworden. Sie entwickeln sich so zu einer ernsthaften Bedrohung für die regionale und internationale Sicherheit.

1.4

Verfestigung kooperativer Sicherheitsstrukturen in Europa

Im Gegensatz zu den Schwierigkeiten, die der Multilateralismus auf internationaler Ebene durchmacht, hat sich die deutliche Tendenz zu einem kooperativen Ansatz in der Sicherheitspolitik in Europa noch verstärkt. Die Aufgaben und Strukturen der euro-atlantischen Sicherheitsgremien wurden stark ausgebaut, um den neuen Realitäten und Herausforderungen gerecht zu werden. So haben diese Gremien diplomatische Instrumente zur Friedenssicherung, zur Krisenbewältigung und zur Friedensförderung entwickelt. Sie konzentrieren sich besonders auf Fragen der Rüstungskontrolle; dabei fördern sie die Entwicklung von Normen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich und entwickeln praktische Initiativen. Es ist bezeichnend, dass sich die Tätigkeit einiger dieser Institutionen nicht mehr auf das Gebiet der Länder beschränkt, die an diesen Institutionen beteiligt sind. Dies erklärt sich 5159

teilweise durch die neuen Herausforderungen, insbesondere asymmetrische Bedrohungen, denen sich die Region Europa stellen muss.

Die Nordatlantik-Organisation (NATO) ist ein Eckpfeiler dieser europäischen und euro-atlantischen Sicherheitsstruktur, der mit der Ausdehnung der NATO auf sieben neue Mitglieder im Jahr 2004 zusätzlich gestärkt wird. Nachdem sie zur Verstärkung der Sicherheit und Stabilität gegen Osten beigetragen und mit ihren multinationalen Militärkapazitäten die Stabilisierung des Balkans unterstützt hat, beteiligt die NATO sich heute voll an der Bekämpfung des Terrorismus. Das Bündnis führt beispielsweise das Kommando bei der UNO-Mission in Afghanistan (ISAF). Es übernimmt auch eine wesentliche Rolle bei den Anstrengungen zur Bekämpfung der Proliferation von Nuklearwaffen und hat zum Beispiel einen umfassenden Dialog mit Russland über eine ganze Reihe von Fragen ­ von der Bekämpfung der Proliferation, der Rüstungs- und Abrüstungskontrolle bis zu vertrauensbildenden Massnahmen und der nuklearen Sicherheit ­ in Gang gesetzt.

Die NATO hat zudem Strukturen entwickelt für die Zusammenarbeit mit den Ländern Zentralasiens und mit europäischen Ländern, die nicht Mitglieder des Bündnisses sind. Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat (EAPC) ist ein beratendes Gremium, in dessen Rahmen ein Dialog über konkrete Massnahmen in Bereichen wie Rüstungskontrolle, Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen und Krisenmanagement stattfindet. Die Ergebnisse der Beratungen im Rahmen des EAPC werden in der Partnerschaft für den Frieden (PfP) konkretisiert. Mit diesem Mechanismus wird die Zusammenarbeit in die Praxis umgesetzt; dazu gehören unter anderem (neben der Vorbereitung von gemeinsamen friedenssichernden Missionen und humanitären Operationen) die Durchführung von Kursen und Seminaren und der Wissensaustausch. Die praktische Zusammenarbeit umfasst unter anderem Fragen der Rüstungskontrolle und der demokratischen Kontrolle der Streitkräfte sowie den Schutz kritischer Infrastrukturen. Ein besonderer Fonds war anfänglich, im Jahr 2000, im Rahmen der PfP vorgesehen, um Staaten bei der Zerstörung ihrer Antipersonenminenbestände zu unterstützen und damit zur Umsetzung des Übereinkommens über das Verbot von Anti-Personenminen beizutragen. Dieser Fonds unterstützt heute auch Projekte zur Zerstörung von leichten
Waffen und von Munition sowohl in den Ländern Osteuropas wie im Kaukasus.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist vor allem tätig in der präventiven Diplomatie, der Krisenbewältigung, den vertrauensund sicherheitsbildenden Massnahmen (VSBM), beim Wiederaufbau nach Konflikten und bei der Stärkung demokratischer Institutionen. Sie leistet auch einen besonderen Beitrag zur Sicherheitsförderung durch die Ausarbeitung von Konventionen und die Erarbeitung von Normen im Bereich der konventionellen Rüstungskontrolle.

So wurde die Revision des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) am Gipfeltreffen der OSZE in Istanbul 1999 verabschiedet. Obwohl er ausserhalb der Strukturen der OSZE ausgehandelt wurde, ist der Vertrag über den offenen Himmel allen ihren Mitgliedern zugänglich. Die OSZE hat zudem im Jahr 2000 ein Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen und im Jahr 2003 ein Dokument über Lagerbestände konventioneller Munition ausgearbeitet. Die Förderung von Massnahmen zur Herstellung von militärischer Transparenz, die das Vertrauen zwischen den beteiligten Staaten verbessern sollen, bildet ebenfalls Teil ihrer Aufgaben. Schliesslich hat die OSZE die Aufgabe, die Umsetzung der regionalen Rüstungskontrollvereinbarungen zu unterstützen, die im Dayton-Abkommen abgeschlossen wurden, und andere Initiativen in diesem Bereich zu ergreifen.

5160

Die Europäische Union (EU) hat die Grundlagen für eine umfassende Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP) gelegt. Im Rahmen ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) hat die EU Instrumente für die zivile und militärische Krisenbewältigung entwickelt. So hat sie eigene Missionen organisiert, sei dies nun in Bosnien-Herzegowina, in Mazedonien oder in der Demokratischen Republik Kongo. Zudem spricht die EU in vielen Abrüstungsfragen mit einer Stimme und hat eine gemeinsame Haltung zu Themen wie Nonproliferation, Kriterien für den Waffenexport oder die Bekämpfung der Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen entwickelt.

Der Stabilitätspakt für Südosteuropa konkretisiert dieses dichte Netz von Organisationen der multilateralen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik. Er entstand aufgrund einer Initiative der EU und koordiniert ein breites Spektrum von Stabilisierungsmassnahmen für den Balkan. Er ist insbesondere sehr aktiv im Kampf gegen die Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen sowie in der Bekämpfung von Antipersonenminen.

2

Ziele und Instrumente der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik

2.1

Grundsätze schweizerischer Positionen

Die Schweiz hat ein vitales Interesse an einer Stabilisierung und Erweiterung der Zonen internationaler Kooperation, welche seit dem Ende des Kalten Krieges entstanden sind. Der Wandel des schweizerischen Sicherheitsbegriffs, wie ihn der Bundesrat im sicherheitspolitischen Bericht 2000 dargelegt hat, ist Ausdruck davon.

Zu den grundlegenden Mitteln der schweizerischen Sicherheitspolitik gehören heute unter anderem die aktive Konfliktprävention, die Friedensförderung, die Sicherheitspartnerschaft oder der postkonfliktuelle Wiederaufbau. In diesem Rahmen verfolgt die RAP das Ziel der nationalen und internationalen Sicherheit und Stabilität auf möglichst tiefem Rüstungsniveau, wobei die internationalen Entwicklungen und die daraus folgenden nationalen Sicherheitsinteressen den Massstab bilden. Was die Massenvernichtungswaffen betrifft, so setzt sich die Schweiz für deren Nonproliferation und vollständige Beseitigung ein.

Die Transparenz und Berechenbarkeit militärischer Aktivitäten, Strukturen und Potenziale sowie die weitere Verdichtung der Sicherheitskooperation stärken das gegenseitige Vertrauen unter den Staaten. Ein Grossteil der RAP beruht letztlich auf diesem Vertrauen, und die RAP wiederum fördert das Vertrauen. Gleichzeitig befürwortet die Schweiz die weitere Verrechtlichung der RAP: Völkerrechtlich bindende und universelle Abkommen haben Vorrang vor bloss politisch verbindlichen Absprachen und einseitigen Massnahmen. Allgemein strebt die Schweiz nichtdiskriminierende und verifizierbare Rüstungskontroll- und Abrüstungsregime an und ratifiziert die ihr offen stehenden multilateralen Vertragswerke. Ausserdem beteiligt sie sich an sämtlichen informellen multilateralen Mechanismen, die direkt der Nonproliferation von Massenvernichtungswaffen dienen.

Die Schweiz legt Wert auf ein umfassendes Verständnis von Nonproliferation, das sowohl Angebots- als auch Nachfrageaspekte berücksichtigt. Auf der Angebotsseite ist der Zugang zu Informationen, Materialien und Produkten zu regulieren, welche zum Bau der geächteten Waffe verwendet werden können. Ebenso muss aber auch 5161

die Nachfrage nach Massenvernichtungswaffen, die meist rationalem strategischem Kalkül und oft einem Sicherheitsbedürfnis entspringt, gedämpft werden. In diese Richtung zielen beispielsweise die Förderung regionaler Entspannung durch vertrauensbildende Massnahmen jeder Art sowie Verträge über Rüstungskontrolle und Abrüstung.

In den letzten Jahren hat die Schweiz ihr Engagement im Bereich der RAP noch verstärken können. Durch den Beitritt zur UNO, welche den Rahmen der meisten multilateralen Rüstungskontroll- und Abrüstungsbemühungen bildet, erweiterte sich der Handlungsspielraum der schweizerischen RAP. Die Schweiz leistet zudem seit 2003 mittels der Unterstützung der weltweiten Chemiewaffenabrüstung erstmals direkte Hilfe bei der Entsorgung von Massenvernichtungswaffen.

Die Schweiz setzt in ihrer RAP einen starken Akzent im Bereich der Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und konnte sich in den letzten Jahren als einer der international wichtigsten Akteure auf diesem Gebiet positionieren. Mit ihrem Engagement unterstreicht die Schweiz ihren Willen, Gefahren, welche die heute das Konfliktmuster dominierenden innerstaatlichen Konflikte für die menschliche Sicherheit darstellen, auch mit den Mitteln der RAP zu begegnen. Dank des «Rahmenkredits für Massnahmen zur zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsförderung» sind die Möglichkeiten einer effektiven schweizerischen Politik wesentlich verbessert worden.

Die schweizerische RAP umfasst heute ein breites Spektrum von Aktivitäten, die dem aussenpolitischen Ziel der Wahrung und Förderung von Sicherheit und Frieden im Sinne des Berichtes des Bundesrats über die Aussenpolitik von 20002 im weitesten Sinne dienen, aber auch darüber hinaus reichen. So fördert die Beseitigung von Personenminen und explosiven Kriegsmunitionsrückständen die Entspannung nach Konflikten. Sie dient letztlich aber auch dem Abbau sozialer Gegensätze, da die durch Minenexplosionen geschädigten Personen zusammen mit ihrer körperlichen Integrität oft auch ihre Existenzgrundlage verlieren. Ein weiteres Beispiel ist die Unterstützung bei der Vernichtung chemischer Waffen: Sie ist auch als Beitrag zum Schutze der natürlichen Lebensgrundlagen zu verstehen.

Im Folgenden sollen die verschiedenen Instrumente der gegenwärtigen schweizerischen RAP in ihrem jeweiligen internationalen Kontext dargestellt werden.

2.2

Massnahmen der Schweiz im Bereich der Massenvernichtungswaffen und Trägersysteme

2.2.1

Kernwaffen

Auch wenn auf internationaler Ebene die nukleare Abschreckung, wie sie während des Kalten Krieges vorherrschte, an Bedeutung verloren hat, spielen Kernwaffen auf regionaler Ebene weiterhin eine wichtige politische Rolle.

Die Zeit seit dem Jahr 2000 war sehr ereignisreich und verstärkte die politische Dimension der Kernwaffen. So trug der Rückzug Nordkoreas aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT) am 9. Januar 2003 zur Zunahme der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel bei. Zudem stellte die internationale 2

BBl 2000 2363

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Gemeinschaft fest, dass der Iran seit Jahren über ein geheimes Programm zur Anreicherung von spaltbarem Material verfügt, dass gewisse Kreise in Pakistan aktiv militärische Kerntechnologie an andere Staaten verkauft haben und dass insbesondere Libyen ebenfalls über ein Kernwaffenprogramm verfügte. Zwar machte die Kernwaffenabrüstung mit der Unterzeichnung des «Strategic Offensive Reductions Treaty» zwischen den Vereinigten Staaten und Russland am 24. Mai 2002 in Moskau einen Schritt vorwärts. Aber die amerikanische Besorgnis über die Staaten der «Achse des Bösen» bewog Washington dazu, im Januar 2002 eine zweite Version seiner «Nuclear Posture Review» (NPR) zu verabschieden. Neben dem Rückzug aus dem ABM-Vertrag über die Beschränkung von Systemen zur Abwehr ballistischer Raketen umfasst die NPR 2002 die Stationierung eines Raketenabwehrschilds durch Washington ab 2004­05, die Forschung über Kernwaffen mit kleinem Wirkungsradius («mini-nukes») und die Reaktivierung des Testgeländes in Nevada. Alle diese Beschlüsse widersprechen dem Geist des NPT, den Washington 1970 ratifizierte, und dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT), den die Vereinigten Staaten 1996 unterzeichnet, bis jetzt aber noch nicht ratifiziert haben.

Bei multilateralen Treffen verteidigte die Schweiz ihr Engagement für Abrüstung und Nonproliferation, anerkannte gleichzeitig aber auch das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie. Als Mitglied des Gouverneursrates der IAEO unterstützte sie die Resolution, mit der die Frage Nordkoreas vor den UNO-Sicherheitsrat gebracht wurde, sowie die Resolution, mit der der Iran aufgefordert wurde, alle für ein umfassendes Bild seines Kernwaffenprogramms erforderlichen Angaben zu liefern. Zudem unterzeichnete die Schweiz im Juni 2000 ein Zusatzprotokoll zu ihrer Kontrollvereinbarung mit der IAEO. Die Unterstützung der Schweiz für den CTBT nahm mit der Inbetriebnahme einer seismischen Messstation in Davos, die an das internationale Vertragsüberwachungssystem angeschlossen ist, konkrete Formen an.

An der Abrüstungskonferenz in Genf konnten sich die Mitgliedstaaten immer noch nicht auf ein Arbeitsprogramm einigen. Trotzdem wird die Schweiz das Gespräch im Hinblick auf den Abschluss eines FMCT-Vertrags weiterhin fördern (Vertrag über das Verbot der Produktion von Spaltmaterial
für Waffenzwecke und für andere Kernsprengkörper). Obwohl für Projekte der Kernwaffenabrüstung kein Kredit besteht, erklärte sich unser Land auf ein gemeinsames Gesuch der USA und Russlands bereit, einen Beitrag zur Durchführung eines multilateralen Treffens im Labor Spiez zu leisten, um die Koordination der internationalen Hilfe für die Stilllegung der letzten russischen Plutoniumkraftwerke zu erleichtern.

2.2.2

Chemische Waffen

Das Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen (CWÜ) hat für die Schweiz eine besondere sicherheitspolitische Bedeutung, weil damit erstmals eine ganze Klasse von Massenvernichtungswaffen vollständig, überprüfbar und nichtdiskriminierend verboten wird. Das CWÜ erfüllt dadurch in idealer Weise die Forderungen der Schweiz an internationale Abrüstungsmassnahmen im Bereich der Massenvernichtungswaffen.

Seit seinem Inkrafttreten 1997 hat das CWÜ beinahe Universalität erreicht: am 1. März 2004 hatten 161 Staaten das Abkommen ratifiziert. Mit dem Beitritt Libyens 2004 eröffnet sich die Chance, dass im Nahen Osten wichtige, bisher abseits stehen5163

de Staaten der Konvention beitreten. Eine chemiewaffenfreie Welt ist insofern zum realistischen Ziel geworden. Gleichzeitig machen sich jedoch Mängel bei der Umsetzung des Abkommens bemerkbar. So haben etwa diverse Staaten ihre nationale Gesetzgebung noch nicht den Erfordernissen der Konvention angepasst. Bedenklicher ist, dass aufgrund technischer und finanzieller Schwierigkeiten sich die Abrüstung der deklarierten Chemiewaffenarsenale verzögert. Es bestehen Zweifel, ob die Russische Föderation und möglicherweise auch die Vereinigten Staaten ihre Arsenale fristgerecht bis 2012 vernichten können.

Die internationale Gemeinschaft hat die Probleme, die sich bei der Chemiewaffenvernichtung insbesondere in der Russischen Föderation stellen, erkannt und bedeutende Mittel zu deren Behebung zur Verfügung gestellt. Das schweizerische Parlament verabschiedete in diesem Zusammenhang im März 2003 einen Rahmenkredit von 17 Millionen Franken3 über fünf Jahre zur Förderung der weltweiten Chemiewaffenabrüstung, wobei der Schwerpunkt der finanzierten Projekte in Russland liegen wird. Dieses Engagement stellt im Übrigen den Beitrag der Schweiz zur «Globalen Partnerschaft gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und diesbezüglichem Material» der G8 dar, der die Schweiz 2003 beigetreten ist.

Neben Russland unterstützt die Schweiz auch konkrete Projekte in Albanien, das einen kleinen Bestand chemischer Kampfstoffe deklariert hat.

Als Land mit einer chemischen Fachkompetenz von Weltrang hat sich die Schweiz seit langem für die Abrüstung chemischer Waffen stark gemacht ­ angefangen bei der Ausgestaltung des CWÜ und beim Aufbau der entsprechenden Organisation für das Verbot der chemischen Waffen (OPCW). So hat die Schweiz in Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie einen wichtigen Beitrag zur Inspektorenausbildung geleistet. Im ABC-Kompetenzzentrum der Schweizer Armee wurden zudem nationale Fachspezialisten in der Handhabung von Schutzmaterial ausgebildet. Zum ersten Mal wurden auch länderspezifische Kurse in Zentralasien und im Südkaukasus durchgeführt. Einen wichtigen Beitrag leistet das Labor Spiez, das ein anerkanntes Vertrauenslabor der OPCW ist. Für die OPCW hält die Schweiz des Weiteren Schutz- und Dekontaminationsmaterial für 10 000 Personen sowie Nachweisgeräte zur Verfügung für den Fall,
dass ein Vertragsstaat mit chemischen Waffen angegriffen werden sollte. Schliesslich war die Schweiz im Rahmen der UNO aktiv: so beherbergte sie 2003 einen Grundausbildungskurs der Abrüstungskommission UNMOVIC, in dem sich UNO-Inspektoren aus 28 Ländern auf ihren Einsatz im Irak vorbereiteten.

2.2.3

Biologische Waffen

Das Übereinkommen über biologische Waffen und Toxinwaffen (BWÜ) trat 1975 in Kraft. Es untersagt Erwerb, Entwicklung, Herstellung und Besitz von biologischen und Toxinwaffen sowie von Ausrüstungen oder Einsatzmitteln, die für die Verwendung solcher Waffen bestimmt sind. Es verfügt aber immer noch nicht über ein effizientes Verifikationsinstrument, ein wesentliches Element der modernen Abrüstungsübereinkommen.

3

Im Rahmen der Sparmassnahmen des Bundes wurde der Kredit am 25.2.2004 auf 15 Mio. CHF gekürzt.

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Angesichts der wissenschaftlichen Fortschritte in diesem Bereich (Biotechnologie, Gentechnik) und der erhöhten Bedrohung durch biologische Waffen (Terrorismus, wahrscheinliche Weiterführung der Biowaffenprogramme gewisser Staaten) untergräbt das Fehlen wirksamer Verifikationsmassnahmen das Übereinkommen. Um diese Lücke zu schliessen, beteiligen sich die Vertragsstaaten an vertrauensbildenden Massnahmen wie Informationsaustausch über (defensive) militärische Forschungsprogramme, Hochsicherheitslabors oder das ungewöhnliche Auftreten von Krankheiten. Solche Massnahmen sind aber immer noch freiwillig und haben nicht die erhoffte Wirkung. Deshalb nahmen die Vertragsstaaten Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen auf, das ein umfassendes Verifikationssystem vorsehen sollte. Wegen des Widerstands der Vereinigten Staaten erzielte die Konferenz zur Überprüfung des BWÜ von 2001 in diesem Punkt keinen Konsens und beschränkte sich darauf, einen Follow-up-Prozess einzurichten, mit dem die Umsetzung des Übereinkommens auf nationaler und internationaler Ebene verstärkt werden kann.

Die Schweiz beteiligt sich weiterhin an vertrauensbildenden Massnahmen und nahm aktiv an den Verhandlungen zur Stärkung des Übereinkommens teil; dabei unterstützte sie die Einführung eines wirksamen, ausgeglichenen und juristisch zwingenden Verifikationssystems. Unser Land beobachtet alle Anstrengungen zur Gewährleistung der biologischen Sicherheit aufmerksam und unterstützt die WHO im Bereich der Präventiv- und Gegenmassnahmen gegen die biologische Gefahr finanziell. Dabei stellte die Schweiz den Vertragsstaaten des BWÜ auf Wunsch Experten für die Kontrolle und Sicherheit pathogener Mikroorganismen zur Verfügung. Im Rahmen des EAPC ist die Schweiz in Zusammenarbeit mit den Niederlanden daran, eine ganze Palette von Instrumenten zur Bewältigung von Notsituationen bei biologischen Unfällen vorzubereiten.

2.2.4

Trägersysteme

Damit nukleare, biologische und chemische Waffen auch militärisch wirksam eingesetzt werden können, braucht es so genannte «Trägersysteme» wie beispielsweise ballistische Raketen, Marschflugkörper (Cruise Missiles) und unbemannte Flugkörper (Unmanned Air Vehicles). Zur Verhinderung der Verbreitung von solchen Trägersystemen wurde auf Initiative der G7-Staaten 1987 das «RaketentechnologieKontrollregime» (Missile Technology Control Regime, MTCR) geschaffen, welches durch gemeinsam vereinbarte Exportrichtlinien die Weitergabe von Waren und Technologien kontrolliert, die bei der Herstellung von Trägersystemen Verwendung finden. Diesem Regime gehören derzeit 33 Staaten, darunter die Schweiz, an.

Obschon es dem MTCR in den letzten Jahren gelungen ist, die Verbreitung von Trägersystemen weltweit etwas zu verlangsamen, hat es keinen Einfluss auf die verstärkte Zusammenarbeit von Nicht-Mitgliedstaaten bei der Entwicklung, Produktion und dem Transfer von Raketen und Raketentechnologie untereinander. Mittels des «Haager Verhaltenskodex» vom 25. November 2002 wurde daher versucht, eine grössere Zahl von Ländern in die Anstrengungen zur Nonproliferation von ballistischen Raketen einzubeziehen. Inzwischen haben 111 Staaten diesen Kodex gezeichnet. Er enthält Prinzipien, Verpflichtungen und vertrauensbildende Massnahmen wie beispielsweise die Ankündigung geplanter Raketenstarts sowie Regelungen zur erhöhten Transparenz von Raketenpolitik und -beständen.

5165

Schliesslich ergreift eine Reihe von Staaten auch aktive Massnahmen, um sich vor der Gefahr von Trägersystemen zu schützen. Im Laufe des Jahres 2004 werden die USA in Alaska und Kalifornien zwei militärische Raketenabwehranlagen in Betrieb nehmen. Obschon dieses Raketenabwehrsystem in erster Linie gegen zahlenmässig begrenzte Angriffe und technisch eher einfache ballistische Raketen eingesetzt werden soll, ist es noch ungewiss, welche konkreten Auswirkungen dieses System auf das bestehende System der nuklearen Abschreckung und die friedliche Nutzung des Weltraums haben wird.

Die Schweiz verfügt über nur begrenzte Mittel, sich autonom gegen die Bedrohung durch Trägersysteme zu schützen. Gegenwärtig konzentriert sie ihre Aktivitäten in diesem Bereich auf Exportkontrollen im Rahmen des MTCR. Die Schweiz unterstützt alle Bemühungen zur Schaffung völkerrechtlich bindender, nicht diskriminierender Normen zur Nonproliferation von ballistischen Raketen. Sie legt gleichzeitig grossen Wert darauf, dass das Recht zur friedlichen Nutzung des Weltraums und der dazu nötigen Technologien erhalten bleibt.

2.2.5

Radiologische Waffen

Die bisher noch nie eingesetzten radiologischen Waffen («dirty bombs»), bei denen hochradioaktives Material durch eine konventionelle Explosion zerstreut wird, haben einen zweifelhaften militärischen Wert: Ihre Wirkung ist räumlich begrenzt und die Dekontamination des verseuchten Gebietes steht in keinem Verhältnis zu einem eventuellen militärischen Nutzen. In den letzten Jahren häuften sich jedoch Befürchtungen, dass radiologische Waffen wegen ihres psychologischen Schadens für terroristische Gruppen interessant sein könnten, zumal sich die Herstellung solcher Waffen verhältnismässig einfach gestaltet.

Die für radiologische Waffen benötigten hochradioaktiven Materialien finden eine breite Anwendung im medizinischen, industriellen sowie wissenschaftlichen Sektor und sind verhältnismässig leicht zugänglich. Die IAEO hat daher seit den Neunzigerjahren Vorkehrungen gegen den illegalen Handel und zum besseren Schutz der entsprechenden Materialien getroffen. Nachdem an der Genfer Abrüstungskonferenz erste Verhandlungen über ein Verbot radiologischer Waffen 1993 abgebrochen worden waren, berücksichtigt die Konferenz inzwischen auf deutsche Initiative das Thema immerhin wieder bei ihren Beratungen über ein Arbeitsprogramm. Die Schweiz unterstützt diese Bestrebungen.

2.3

Exportkontrollen

Exportkontrollen sind ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Verpflichtungen, die sich aus dem Nonproliferationsaspekt der multilateralen Rüstungskontrollverträge (NPT, CWÜ und BWÜ) ergeben. Ausserdem dienen Exportkontrollen der Umsetzung von politischen Zielen, die ihren Ursprung in rechtlich nicht verbindlichen internationalen Absprachen und Verhaltensregeln sowie autonomen nationalen Bestimmungen haben (siehe unten). Exportkontrollen gibt es sowohl für Rüstungsgüter wie auch für Dual-Use-Güter, also solche mit einem doppelten ­ zivilen und militärischen ­ Verwendungszweck, die zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und anderen Rüstungsgütern verwendet werden können.

5166

Exportkontrollen sind nur dann sinnvoll und wirksam, wenn sie von allen wichtigen Lieferländern möglichst koordiniert angewandt werden. Zu diesem Zweck wurden vier Exportkontrollregimes gegründet, in denen sich diverse Lieferländer zusammengeschlossen haben. Es sind dies die Gruppe der Nuklearlieferstaaten (NSG), die Australiengruppe (AG) für biologische und chemische Güter, das Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR) und die Vereinbarung von Wassenaar (WA), welche Richtlinien für den Transfer von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern (Materialien, Elektronik, Computer etc.) vereinbart haben. Allen diesen Regimes ist gemeinsam, dass es sich dabei um lose, völkerrechtlich nicht verbindliche Zusammenschlüsse handelt, welche Listen von zu kontrollierenden Gütern und gemeinsame Standards für die Ausfuhrkontrollen festlegen. Die konkrete Umsetzung der Exportkontrollnormen bleibt jedoch Sache jedes einzelnen Mitgliedsstaates. In der Schweiz sind die Exportkontrollen von Dual-Use- und besonderen militärischen Gütern im Güterkontrollgesetz4 geregelt, diejenige von Kriegsmaterial im Kriegsmaterialgesetz5. Mit der Durchführung ist das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement betraut.

Die Bundesbehörden genehmigen die Ausfuhr von Kriegsmaterial, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik nicht widerspricht. Dabei ist eine an die Bedürfnisse der schweizerischen Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrecht zu erhalten. Die Bewilligungskriterien sind in der Kriegsmaterialverordnung spezifiziert.6 Zudem kommt in jenen Fällen, wo sich der Empfänger in einem bewaffneten Konflikt mit einem anderen Staat (ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates) befindet, das Neutralitätsrecht zur Geltung. Die Schweiz verfolgt im Vergleich zu anderen westlichen Staaten eine restriktive Kriegsmaterialexportpolitik. Die Kriegmaterialausfuhren umfassten 2003 0,28 % (379 Mio. CHF) der gesamten Warenausfuhr der Schweizer Wirtschaft.

Die Schweiz ist eines der bedeutendsten Lieferländer von Dual-Use-Gütern. Im Jahr 2003 belief sich der Wert der vom seco ausgestellten Ausfuhrbewilligungen für Dual-Use-Güter und so genannte besondere militärische Güter auf über 500 Millionen Franken7. Hauptbetroffen sind die Maschinen-
und die Chemieindustrie, vor allem Werkzeugmaschinen, die sowohl im Nuklear-, Raketen- als auch im konventionellen Waffenbereich eingesetzt werden können. Die Schweiz hat ein grosses Interesse am Bestehen effizienter nationaler Exportkontrollen, denn nur so ist sichergestellt, dass sie weiterhin Absatzmärkte in aller Welt beliefern kann und 4 5 6

7

Bundesgesetz vom 13.12.1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter, SR 946.202.

Bundesgesetz vom 13.12.1996 über das Kriegsmaterial, SR 514.51.

Verordnung über das Kriegsmaterial vom 25.2.1998, SR 514.511: a. die Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität; b. die Situation im Innern des Bestimmungslandes, namentlich sind zu berücksichtigen die Respektierung der Menschenrechte und der Verzicht auf Kindersoldaten; c. die Bestrebungen der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit; d. das Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Völkerrechts; e. die Haltung der Länder, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollregimes beteiligen.

Die effektiven Ausfuhren betragen ein Mehrfaches dieser Summe, weil die Ausfuhren mittels Generalausfuhrbewilligungen davon nicht erfasst werden. Vgl. Ziffer 8.1.1. des Berichts des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2003.

5167

ihrerseits ungehinderten Zugang zu Spitzentechnologien erhält. In den internationalen Exportkontrollregimes setzt sich die Schweiz insbesondere für eine bessere Harmonisierung und vermehrte Transparenz ein, um eine einseitige Benachteiligung der Schweizer Industrie zu verhindern.

In den letzten Jahren hat sich allerdings gezeigt, dass die Wirksamkeit von Exportkontrollen als Instrument der Rüstungskontrollpolitik begrenzt ist: ­

Exportkontrollen sind angebotsseitige Massnahmen, welche die Beschaffung von wichtigen Komponenten für die Waffenproduktion durch Proliferatoren erschweren und verteuern, jedoch nie vollständig zu verhindern vermögen.

Da sich Exportkontrollen nicht gegen einzelne Länder, sondern ausschliesslich gegen kritische Endabnehmer (spezifische Firmen, Militärbetriebe etc.)

richten, lässt sich nie hundertprozentig ausschliessen, dass solche Endabnehmer über andere Kanäle Zugang zu kontrollierter Technologie erhalten.

­

Die Wirksamkeit von Exportkontrollen nimmt tendenziell ab, weil die betroffenen Länder zunehmend selbst über das technologische Know-how verfügen und dieses auch untereinander austauschen («Süd-Süd-Proliferation»). Die jüngst bekannt gewordenen Nuklearprogramme Nordkoreas, des Irans und Libyens, die Rolle Pakistans bei der Weiterverbreitung von nuklearem Know-how und das Bestehen eines verdeckten internationalen Marktes für Nukleartechnologie zeigen, dass die westlichen Industrieländer bei Schlüsseltechnologien im Massenvernichtungswaffenbereich über kein Monopol mehr verfügen.

­

Die auf Listen von zu kontrollierenden Gütern basierenden Exportkontrollen hinken dem jeweils aktuellen Stand der technologischen Realitäten naturgemäss hinterher. Die sogenannte «Catch-all»-Klausel, mittels deren auch die Ausfuhr von nicht auf den Kontrolllisten stehenden Gütern untersagt werden kann, gewinnt deshalb an Bedeutung. Sie wird jedoch international sehr unterschiedlich umgesetzt.

­

In der Folge der Attentate vom 11. September 2001 wurden in allen Exportkontrollregimes Bestimmungen aufgenommen, die verhindern sollen, dass terroristische Gruppen Zugang zu kontrollierten Gütern erhalten. Es ist aus Schweizer Sicht allerdings zweifelhaft, ob Exportkontrollen dafür das richtige Instrument darstellen. Terrorismusbekämpfung ist primär eine Aufgabe der Polizeibehörden und der Nachrichtendienste.

Weil die Beschaffung von Ausrüstung und Technologie für Massenvernichtungswaffenprogramme meist im Geheimen vor sich geht, sind die Exportkontrollbehörden auf nachrichtendienstliche Informationen angewiesen. Ein Kleinstaat wie die Schweiz muss sich wegen seiner begrenzten Mittel oft auf Informationen von Nachrichtendiensten anderer Staaten verlassen. Solche Informationen sind oftmals ungenau, unvollständig und kaum überprüfbar, was den Vollzug der Exportkontrollen stark erschwert.

5168

2.4

Konventionelle Waffen

2.4.1

Schwere konventionelle Waffen

Zu den schweren konventionellen Waffen (Hauptwaffensysteme und Grossgeräte) gehören Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge und Schützenpanzer, grosskalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Angriffshelikopter sowie im Falle des UNO-Waffenregisters auch Kriegsschiffe, Raketen und deren Startsysteme. Zentrale Instrumente der Rüstungskontrolle, die sich mit diesen Waffensystemen und den damit verbundenen Aspekten der Doktrin, Struktur, des Einsatzes und Transfers widmen, sind vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM), Rüstungsbegrenzung und Abrüstung.

Mit den Wiener Dokumenten (1990/92/94/99) hat die OSZE einen einzigartigen Komplex von VSBM entwickelt. Ihr Anwendungsgebiet umfasst ganz Europa vom Atlantik bis zum Ural sowie die fünf zentralasiatischen Staaten. Die Bestimmungen dieses Regimes beinhalten unter anderem den jährlichen Austausch militärischer Informationen über die Streitkräfte, Daten von Hauptwaffensystemen, Verteidigungsplanung, militärische Kontakte, Notifikationen und Verifikation sowie Konsultationsmechanismen und ein OSZE-Kommunikationsnetzwerk. Mit der Teilnahme als vollberechtigtes Mitglied nutzt die Schweiz aktiv ihre Möglichkeiten, Transparenz und Offenheit militärischer Strukturen, Bestände und Planungen im Rüstungsbereich sowie die Voraussehbarkeit militärischer Aktivitäten zu fördern. Sie setzt sich für die volle und korrekte Umsetzung aller Vereinbarungen und Abkommen im gesamten OSZE-Raum ein. Vor diesem Hintergrund kann durch eine aktive Teilnahme der Schweiz bei der Implementierung der Vereinbarungen der hohe Bedeutungsgrad der VSBM für die Schweiz signalisiert werden. Entsprechend diesem Grundinteresse hat die Schweizer Armee in der Berichtsperiode (2000­2003) zwölf aktive Verifikationsmassnahmen im Ausland durchgeführt.

Aufgrund der veränderten strategischen Situation wurde 1999 der aus dem Jahr 1990 stammende Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) revidiert.

Primäres Ziel dieses Vertrags ist es, eine hohe Konzentration konventioneller Kräfte zu verhindern, indem Obergrenzen für konventionelle Waffen und Truppenbestände sowie konkrete Abrüstungsvorgaben festgeschrieben werden. Der «Angepasste KSEVertrag» von 1999 sieht (nach seiner Ratifizierung) die Beitrittsmöglichkeit aller OSZE-Teilnehmerstaaten im Anwendungsgebiet vor. Damit
soll dem tiefgreifenden geostrategischen Wandel (Auflösung des Warschauer Paktes, Zerfall der Sowjetunion und NATO-Erweiterung) Rechnung getragen und der ursprüngliche Blockansatz überwunden werden. Dabei dürfte sich die Ratifikation des Vertrags durch die westlichen Staaten ­ und somit sein Inkrafttreten ­ so lange verzögern, als diese Staaten nicht überzeugt sind, dass die Russische Föderation ihrer Verpflichtung zu einem Abzug der russischen Truppen aus Georgien und Moldawien nachgekommen ist. Die Schweiz betrachtet die zukünftige Inkraftsetzung des angepassten KSEVertrags sowie die glaubwürdige, korrekte und vollumfängliche Umsetzung seiner Bestimmungen als einen wesentlichen Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und wichtigen Garant konventioneller Stabilität.

Ein komplementäres Regime zu den VSBM und den Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsmassnahmen ist der Vertrag über den offenen Himmel (Open-SkiesVertrag), der Beobachtungsflüge mit zertifizierten Trägerflugzeugen und Sensoren (Kameras, Videokameras, Infrarotgeräte, Radar) zulässt. Das erheblich erweiterte Anwendungsgebiet von Vancouver bis Wladiwostok schliesst im Gegensatz zu den 5169

anderen VSBM-Regimes auch das gesamte Territorium der USA und Russlands ein.

Der Vertrag ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten und steht seither auch der Schweiz als OSZE-Teilnehmerstaat für eine allfällige Mitgliedschaft offen.

Das 1992 von der UNO-Generalversammlung geschaffene Register für konventionelle Waffen (UNO-Waffenregister) enthält öffentlich zugängliche Angaben über Bestände, Produktion, Ein- und Ausfuhren von sieben Kategorien konventioneller Hauptwaffensysteme. Die Schweiz hat die Errichtung des UNO-Waffenregisters unterstützt und liefert seit 1993 jährlich alle relevanten Informationen und engagiert sich für die Erweiterung und Universalisierung des Registers.

Schliesslich trägt die Schweiz zur internationalen Stabilität bei, indem sie sich an der Vereinbarung von Wassenaar beteiligt, mit der insbesondere die Transparenz und ein verantwortungsvolleres Verhalten beim Transfer konventioneller Waffen und entsprechender dual-use Güter gefördert werden sollen, um den Aufbau destabilisierender Waffenarsenale zu verhindern. Die Vereinbarung sieht einen Informationsaustausch in Form von Notifikationen zwischen den Teilnehmerstaaten über Transfers an Nicht-Teilnehmerstaaten vor.

2.4.2

Kleinwaffen und leichte Waffen

Die Thematik der Kleinwaffen und leichten Waffen (im folgenden kurz «Kleinwaffen») hat in den letzten Jahren stark an Dynamik gewonnen: auf regionaler und internationaler Ebene wird an einer Reihe von Abkommen gearbeitet. Viele Länder haben zudem begonnen, in ihre nationale Gesetzgebung Bestimmungen zur Eindämmung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen aufzunehmen. Die Schweiz hat die Bedeutung der Kleinwaffenproblematik früh erkannt. Eine internationale Vorreiterrolle spielt sie heute bei der Thematisierung negativer Auswirkungen der unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen auf die menschliche Sicherheit. Die Schweiz beschäftigt sich in ihrem Engagement gegen unerlaubte Kleinwaffen ausserdem mit Sicherheitsaspekten im engeren Sinne wie dem Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität.

Im Juli 2001 wurde ein UNO-Aktionsprogramm zur Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen verabschiedet. Das Programm stellt das erste Kleinwaffendokument mit globalem Anspruch dar. Obwohl es keine rechtlich bindenden Verpflichtungen für die Staaten enthält, bildet das Dokument doch eine wegweisende politische Grundlage für das Engagement der Staatengemeinschaft auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene.

Die Schweiz hat sich in der Vorbereitungsphase zur UNO-Kleinwaffenkonferenz von 2001 im Rahmen einer schweizerisch-französischen Initiative für ein rechtlich bindendes Abkommen zur Identifikation und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen eingesetzt. Es gelang ihr, Grundelemente dieser Initiative im UNO-Aktionsprogramm zu verankern. In der Folge hat die 58. Generalversammlung eine UNOArbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Instrumentes zur Rückverfolgung unerlaubter Kleinwaffen beauftragt. Die Arbeitsgruppe, die von einem Schweizer geleitet wird, soll die Verhandlungen im Juni 2005 abschliessen.

5170

Im Rahmen des UNO-Aktionsprogrammes hat die Schweiz andere Staaten und Regionen in ihrem Kampf gegen den unerlaubten Handel mit Kleinwaffen unterstützt, indem sie den Kleinwaffenfonds des UNO-Entwicklungsprogrammes sowie Massnahmen zur Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration von Kämpfern in Westafrika mitfinanziert sowie sich am Kleinwaffenaktionsplan des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und an wichtigen internationalen Konferenzen und Initiativen beteiligt hat. Mit namhaften finanziellen Beiträgen hat sie zum Aufbau des «Small Arms Survey», einem Kleinwaffen-Forschungszentrum in Genf, das heute internationale Anerkennung geniesst, beigetragen.

Auf regionaler Ebene sind in den letzten Jahren eine Reihe von Vereinbarungen entwickelt worden, die teilweise weitergehende Verpflichtungen und Empfehlungen enthalten, als das UNO-Aktionsprogramm. Von besonderer Bedeutung für die Schweiz ist das im November 2000 verabschiedete OSZE-Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen, das u.a. einmalige Informationsaustausche zu diversen Aspekten wie Markierung, Produktion, Handel, Zerstörung und Lagersicherheit, sowie einen jährlichen Informationsaustausch zu Exporten, Importen und Überschüssen von Kleinwaffen unter allen 55 Teilnehmerstaaten verlangt. Ende 2003 konnten acht «Best Practice Guides» (Leitfäden) zu zentralen Aspekten der Kleinwaffenkontrolle verabschiedet werden, die den Teilnehmerstaaten praxisorientierte Handlungsempfehlungen für den nationalen Vollzug zur Verfügung stellen. Die Schweiz hat in Zusammenarbeit mit Spanien und Grossbritannien einen solchen Praxisleitfaden zu nationalen Verfahren zur Verwaltung und Sicherung von Lagerbeständen verfasst. Sie setzt sich weiterhin für die volle und korrekte Umsetzung des Kleinwaffendokuments ein, um der Einhaltung vereinbarter Bestimmungen Nachachtung zu verschaffen und daran den Willen ihrer Sicherheitskooperationspartner zur Respektierung der gegenseitigen Verpflichtungen abschätzen zu können.

Die Schweiz nutzt zudem ihre Beteiligung am Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPC) und an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) der NATO, um die eingegangenen Verpflichtungen und die verabschiedeten Normen zu fördern und umzusetzen. Sie organisierte beispielsweise eine Reihe von Seminaren, um gewisse spezifische Probleme anzugehen und die Tätigkeit
der verschiedenen regionalen Organisationen besser zu koordinieren. Ausserdem organisierte sie Weiterbildungskurse über die Lagerung von Kleinwaffen und leichten Waffen.

2.4.3

Minen, Munition und Sprengstoffe

Die Schweiz hat sich in Anlehnung an ihr traditionell humanitäres Engagement seit längerem für ein umfassendes Verbot von Personenminen eingesetzt. Bereits 1990 hatte die Schweizer Armee sämtliche Personenminen von der Truppe zurückgezogen, und 1999 konnte sie die vollständige Vernichtung ihrer gesamten Bestände realisieren. Im März 1998 hat die Schweiz als einer der ersten Staaten das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung (OttawaKonvention) ratifiziert. Dieses Übereinkommen war insofern ein Durchbruch auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts, als es im Gegensatz zu bestehenden Instrumenten nicht nur Beschränkungen des Einsatzes, sondern ein umfassendes Verbot von konventionellen Einsatzmitteln vorsieht. In der Folge trat die Schweiz

5171

2000 und 2002 als Gastgeberland für die Staatenkonferenz der Ottawa-Konvention auf.

Die Schweiz engagiert sich sowohl politisch als auch operationell mit steigendem finanziellem Aufwand zugunsten eines weltweiten Verbots von Personenminen sowie für deren Räumung. Sie gehört zu den bedeutenden Geberstaaten und machte sich als schnell und zuverlässig agierender Partner einen Namen. Die Schweiz ist Mitglied der Mine Action Support Group (MASG), welche die 26 grössten Geberländer vereint. In den Jahren 2004/2005 übt sie den Vorsitz dieser Gruppe aus. Die MASG unterhält einen ständigen Dialog mit dem «United Nations Mine Action Service» (UNMAS), der für die Koordination aller mit Minen verbundenen UNOAktivitäten zuständig ist. Die schweizerischen Projekte werden eng mit Aktionen koordiniert, die im Rahmen der Friedensförderung, der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit des Bundes umgesetzt werden. Der geographische Fokus der Minenräumungsprojekte liegt dabei auf Südosteuropa, Afrika und Sri Lanka; im Libanon und in Kolumbien existieren Projekte zur Opferprävention.

Zudem unterstützt die Schweiz sowohl UNO-Programme wie Projekte von Nichtregierungsorganisationen mit Personal aus dem Expertenpool für humanitäre Minenräumung und Material.

Einer der wichtigsten Beiträge der Schweiz zum Ottawa-Prozess war 1998 die Gründung des Genfer Zentrums für humanitäre Minenräumung (GICHD) sowie die Entwicklung seines Informationsmanagement-Systems (IMSMA) durch die ETH Zürich. Mit Hilfe von IMSMA werden u.a. Ort und Lage von Minenfeldern registriert und Räumungsprogramme umgesetzt. Das GICHD nimmt seit 2001 die Funktion eines Sekretariats der Ottawa-Konvention wahr. Der Bund leistet einen substantiellen Beitrag an dessen Betriebskosten und pflegt einen engen Kontakt zu dieser international anerkannten, regierungsunabhängigen Stiftung.

Auch im Bereich der konventionellen Munition wurden in den letzten Jahren diverse Initiativen lanciert. Im Zusammenhang mit Sicherheitsrisiken von Beständen überschüssiger oder zur Vernichtung anstehender Munition konventioneller Waffen, einschliesslich Sprengstoffe und Zündmittel, hat das OSZE-Forum für Sicherheitskooperation Anfang November 2003 das OSZE-Dokument über Lagerbestände konventioneller Munition verabschiedet. Dieses Dokument bietet sinnvolle und zugeschnittene
Verfahren und Mechanismen in Wechselbeziehung mit bestehenden Abrüstungskooperationsregimes an. In diesem Rahmen haben die Ukraine und Weissrussland als erste Staaten ein Assistenzgesuch eingereicht und folglich den Expertenmechanismus der OSZE ausgelöst.

Ende November 2003 konnte anlässlich eines Treffens der Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen von 1980 (CCW) in Genf das neue Protokoll V über explosive Kriegsmunitionsrückstände (Explosive Remnants of War) verabschiedet werden. Dieses Protokoll enthält namentlich eine Räumungspflicht für Staaten, auf deren Territorium sich explosive Kriegsmunitionsrückstände befinden, sowie eine Pflicht des Verwenders dieser Munition zur Hilfe bei der Räumung. Es sieht ferner eine Aufzeichnungspflicht über die verwendete explosive Munition sowie einen Informationsaustausch zur Erleichterung der Räumung vor.

Dieses Protokoll kann in Zukunft einen bedeutenden Beitrag zum Schutze der Zivilbevölkerung nach Einstellung der Feindseligkeiten leisten. Des Weiteren wurde unter anderem auf Initiative der Schweiz ein Diskussionsmandat zu präventivtechnischen Massnahmen für bestimmte Typen explosiver Munition, einschliesslich Submunition, und betreffend Auslegungsfragen des humanitären Völkerrechts 5172

verabschiedet, mit welchem die Lücken des V. Protokolls insbesondere im präventiven technischen Teil geschlossen werden sollten.

An diesem CCW-Treffen wurde zudem ein Mandat betreffend andere Minen als Personenminen (Mines other than Anti-personnel Mines) verabschiedet. Darin wird die Gruppe von Regierungsexperten beauftragt, Empfehlungen zuhanden der nächsten Vertragsstaatenkonferenz im Hinblick auf eine detailliertere Regelung des Gebrauchs von Fahrzeugminen auszuarbeiten. Die Schweiz ist seit November 2003 Co-Sponsor des diesbezüglich vorliegenden Regelungsentwurfs.

3

Perspektiven der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik

Die Schweiz hat ihre Anstrengungen zur Stärkung des internationalen Rüstungskontroll- und Abrüstungsprozesses in einem seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts weiterhin schwierigen Umfeld fortgesetzt. Sie nutzte dabei die zusätzlichen Möglichkeiten der Einflussnahme und Darstellung ihrer Politik, die sich ihr mit dem UNO-Beitritt eröffneten. Unter der Koordination des EDA wurden die personellen, institutionellen und finanziellen Ressourcen in EDA, EJPD, VBS und EVD für eine breit gefasste RAP eingesetzt, die den Zielen der schweizerischen Aussenpolitik auf kohärente Weise gefolgt ist.

Es bestehen Anzeichen, wonach die gegenwärtige Blockierung in den internationalen Verhandlungsforen der RAP auch in den nächsten Jahren andauern dürfte.

Gründe für diese Stagnation sind eine gewisse Schwächung des Multilateralismus einerseits sowie die substanziellen Differenzen zwischen den wichtigsten Akteuren andererseits. Besonders hinsichtlich der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen scheint die Konsensfähigkeit der Staatengemeinschaft vorerst ausgeschöpft. Unklar ist zudem, welche Impulse von der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf die festgefahrenen Positionen der RAP ausgehen werden ­ dass eine solche Bedrohung auch für Europa in den nächsten Jahren bestehen bleiben dürfte, ist im Frühling 2004 durch die Terroranschläge von Madrid traurig belegt worden. Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass das Schwergewicht der internationalen Rüstungskontrolle im Bereich der Massenvernichtungswaffen und Trägersysteme weiterhin auf der Nonproliferation liegen wird.

Vor diesem Hintergrund wird sich die Schweiz bemühen, den relativ geringen Handlungsspielraum ihrer RAP optimal auszunutzen. Dabei stehen ihr in erster Linie vier Möglichkeiten offen: die Unterstützung einer noch besseren Umsetzung bestehender Abkommen, die Aushandlung von Zusatzprotokollen zur Schliessung der Lücken dieser Abkommen, Massnahmen zur Abrüstungshilfe und zur Verifikationszusammenarbeit sowie die Förderung von Initiativen auf regionaler Ebene.

Eine verbesserte Umsetzung der bestehenden Abkommen stärkt deren Glaubwürdigkeit und kann in Zukunft neue Impulse für eine weitere Verrechtlichung der RAP geben. Die Schweiz kontrolliert auf nationaler Ebene fortlaufend die Umsetzung der von ihr eingegangenen Verpflichtungen. Staaten,
welche nicht über das nötige Know-how zur Umsetzung verfügen, könnte die Schweiz über die Schaffung der erforderlichen Instrumente (Gesetzgebung, institutionelles Capacity-building) beraten, sofern die beteiligten Bundesstellen über die nötigen Ressourcen verfügen. Die

5173

Schweiz tritt zudem für die Universalität der Abkommen ein, damit diese weltweit eingehalten werden.

Für die Glaubwürdigkeit der Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge ist ebenfalls von Bedeutung, dass Lücken geschlossen und sie der fortschreitenden Veränderung der modernen Kriegführung so weit als möglich angepasst werden. Die Schweiz wird auch in Zukunft die Aushandlung von Zusatzprotokollen unterstützen, beispielsweise für die Ausarbeitung eines Instruments über negative Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten. Initiativen zur Regelung und Verrechtlichung jener Bereiche, mit denen sich die internationale RAP bisher eher wenig beschäftigt hat, steht die Schweiz grundsätzlich positiv gegenüber.

Die Schweiz leistet seit 2003 erstmals direkte Abrüstungshilfe zur Beseitigung von Massenvernichtungswaffen. Der im März 2003 von den eidgenössischen Räten bewilligte Kredit von 17 Millionen Franken für mindestens fünf Jahre betrifft die Förderung der Chemiewaffenvernichtung. Eine Hilfe zugunsten der Vernichtung von Kern- und biologischen Waffen, die ebenfalls eine Bedrohung für die Schweiz darstellen können, ist einstweilen nicht vorgesehen, könnte aber in den nächsten Jahren geprüft werden, sofern es der Stand der Bundesfinanzen erlaubt. Bei den konventionellen Waffen wird die Schweiz weiterhin zur Einsammlung und Vernichtung von Kleinwaffen und Personenminen beitragen.

Einen besonderen Stellenwert dürfte in den nächsten Jahren die Überprüfung der Einhaltung der bestehenden Rüstungskontroll- und Abrüstungsverpflichtungen gewinnen. Dabei ist, wie das Scheitern des Projekts eines Zusatzprotokolls zum BWÜ zeigt, wohl weniger an einen Aufbau umfassender Verifikationssysteme zu denken als an punktuelle Inspektionen aufgrund konkreter Verdachtsmomente, insbesondere infolge eines Mandats des UNO-Sicherheitsrats. Die Schweiz befürwortet prinzipiell die weltweite Verifikation der Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge und unternimmt auch konkrete Schritte zu deren Stärkung. So plant sie gemeinsam mit der OPCW die Übung einer Verdachtsinspektion, wie sie im CWÜ vorgesehen ist. Gleichzeitig legt die Schweiz jedoch Wert darauf, dass nur eine nichtdiskriminierende Überprüfung die Bildung von gegenseitigem Vertrauen fördern kann, die eines der wichtigsten Ziele der RAP darstellt.

Trotz Zunahme der
innerstaatlichen und regionalen Konflikte haben sich in den letzten Jahren regionale Ansätze für die RAP als fruchtbar erwiesen. Auch in Zukunft dürften selbst bei einer fortgesetzten Stagnation der RAP auf globaler Ebene regionale Fortschritte möglich sein. Die Schweiz wird für entsprechende Anstrengungen z.B. der OSZE weiterhin ihre Expertise zur Verfügung stellen.

Besondere Aufmerksamkeit soll dabei dem Mittelmeerdialog der OSZE wie auch der NATO zuteil werden, da diese Region für die Schweiz von prioritärem Interesse ist, wie bereits im Bericht über die Aussenpolitik 2000 festgehalten wurde.

Vor dem Hintergrund ihres humanitären Engagements wird die Schweiz in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt ihrer RAP auf die Bekämpfung der illegalen Verbreitung von Klein- und Leichtwaffen sowie von Personenminen legen. Zentrale Anliegen der Schweiz sind dabei u.a. die Universalisierung der Ottawa-Konvention, die Implementierung des UNO-Aktionsprogramms gegen den unerlaubten Handel mit Kleinwaffen und die Aushandlung eines internationalen Instruments zur Rückverfolgung von Kleinwaffen. Hinzu kommen die fortdauernden Anstrengungen zum korrekten Vollzug der entsprechenden CCW-Protokolle sowie zur Umsetzung der Kleinwaffen- und Munitionsdokumente der OSZE.

5174

Als Kleinstaat mit Interesse an der Einhaltung und Stärkung des Völkerrechts wird die Schweiz auch weiterhin in erster Linie für rechtlich bindende, multilaterale Rüstungskontroll- und Abrüstungsmassnahmen eintreten. Um diese Politik auch glaubwürdig vertreten zu können, wird der Bundesrat an seiner Politik festhalten, möglichst alle der Schweiz offen stehenden Vertragswerke zu ratifizieren oder ihnen beizutreten. Der Bundesrat verfolgt deshalb den Ratifizierungsprozess des angepassten KSE-Vertrags und prüft die Interessen, Folgen und Bedingungen für einen möglichen Beitritt, sobald die Voraussetzungen für diesen Schritt gegeben sind. Er erwägt des Weiteren, dem Vertrag «Open Skies» beizutreten und lässt gegenwärtig Interessen, Ziele sowie die personellen, finanziellen und organisatorischen Konsequenzen eines solchen möglichen Beitritts abklären. Er gedenkt noch in dieser Legislaturperiode mit einer entsprechenden Botschaft an das Parlament zu gelangen.

Die Schweiz wird weiterhin eine pragmatische RAP verfolgen. Pragmatisch bedeutet hierbei u.a., dass sie in den entsprechenden multilateralen Gremien Lösungen unterstützt, die nach Möglichkeit alle massgeblichen Akteure einbeziehen. Dies zum einen, weil zahlreiche Regelungen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung an Relevanz verlieren, wenn die Supermacht USA und die anderen Grossmächte sie nicht akzeptieren. Nur diese vermögen es zudem, durch Ausübung politischen Drucks, abseits stehende Staaten zur Ratifikation der entsprechenden Vertragswerke zu bewegen. Allgemein wird die Koordination der schweizerischen Rüstungskontrollund Abrüstungspolitik mit anderen Staaten und Staatengemeinschaften weiterhin von grösster Bedeutung sein, um die Wirksamkeit und Effizienz dieser Politik sicher zu stellen.

5175

Anhang 1

Übersicht über die schweizerische Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik (RAP) Hauptbereiche

Unterbereiche

Langfristige Ziele

Zwischenziele

Massenvernichtungswaffen

Kernwaffen

Vollständige, weltweite und überprüfbare Beseitigung

Umsetzung aller bisherigen Versprechen der Kernwaffenstaaten.

Weitere konkrete Abrüstungsschritte, die in jedem Stadium ein Höchstmass an Sicherheit und Stabilität gewährleisten.

Erhaltung und Stärkung des NPT.

Beginn von Verhandlungen über ein Verbot der Herstellung von Spaltmaterial für Waffenzwecke im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz.

Baldiges Inkrafttreten des CTBT und unverzüglicher Aufbau der CTBTO. Bis zum Inkrafttreten des CTBT Einhaltung der proklamierten Moratorien durch alle Kernwaffenstaaten.

Stärkung der IAEO-Kontrollen. Harmonisierung und Stärkung der Exportkontrollen im Rahmen von NSG und Zangger-Komitee.

Schaffung neuer kernwaffenfreier Zonen in Regionen, wo die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Chemische Universelles Waffen und verifizierbares Verbot

Beitritt aller Staaten zum CWÜ.

Vollständiger und wirksamer Vollzug des CWÜ durch eine unabhängige, kompetente und effiziente OPCW.

Fristgemässe Beseitigung der vorhandenen Bestände und Demontierung oder Konversion der Produktionsanlagen.

Effiziente Umsetzung der schweizerischen Abrüstungshilfe.

Biologische Universelles Waffen und verifizierbares Verbot

Beitritt aller Staaten zum BWÜ.

Verabschiedung geeigneter nationaler Gesetze über Biosicherheit durch alle BWÜVertragsstaaten.

Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Bewältigung biologischer Unfälle.

RaketenProliferation

Unterstützung von Bestrebungen zur Schaffung völkerrechtlich bindender und nichtdiskriminierender Normen, die das Ziel der Nonproliferation von Raketen zu militärischen Zwecken verfolgen.

Erhaltung des Rechts auf friedliche Nutzung der Raketentechnologie für die Raumfahrt.

Harmonisierung und Stärkung der Exportkontrollen im Rahmen des informellen Raketentechnologie-Kontrollregimes (MTCR).

5176

Nichtverbreitung von Raketen als militärische Trägersysteme

Hauptbereiche

Unterbereiche

Langfristige Ziele

Zwischenziele

Exportkontrollen generell

Dual-useGüter

Wirksame, wirtschaftsverträgliche und verifizierbare Exportkontrollen; Präferenz für rechtlich verbindliche, universelle Instrumente

Diskriminierungsfreier Marktzugang für Schweizer Unternehmen; Vermehrte Transparenz bezüglich genehmigter Transfers in kritische Länder; Verbesserte Koordination unter den Exportkontrollregimes; Konzentration der Exportkontrollen auf kritische, schwer zu beschaffende Güter.

Konventionelle Waffen

Allgemeines

Sicherheit und Stabilität auf möglichst tiefem Rüstungsniveau

Ausbau und weitere Verfeinerung der VSBM.

Entscheid zur Frage eines Beitritts zum angepassten KSE-Vertrag.

Entscheid zur Frage eines Beitritts zum Vertrag über den offenen Himmel (Open Skies).

Verbesserung der Transparenz von Waffentransfers im Rahmen der Wassenaar-Vereinbarung.

Kleinwaffen

Nonproliferation Missbrauchsbekämpfung

Mitwirkung bei allen internationalen Anstrengungen, die den langfristigen Zielen dienen; sowohl im Rahmen von UNO, OSZE und PfP wie auch im neuen Rahmen des Netzwerks «Menschliche Sicherheit».

Leitung der UNO-Arbeitsgruppe betreffend Rückverfolgung unerlaubter Kleinwaffen.

Minen + Munition

Durchsetzung des Verbots von Personenminen

Beitritt aller Staaten zur Ottawa-Konvention von 1997.

Vorsitz bei MASG 04/05.

Personelle und finanzielle Unterstützung der humanitären Minenräumung.

Ratifikation des Protokolls V über postkonfliktuelle Massnahmen für die Räumung von explosiven Kriegsmunitionsrückständen (CCW).

5177

Anhang 2

Botschaften an das Parlament im Bereich der RAP Unterstützung Chemiewaffenabrüstung Botschaft über die weltweite Chemiewaffenabrüstung (BBl 2002 6659) sowie Bundesgesetz über die Unterstützung der Nonproliferation und Abrüstung von Chemiewaffen (BBl 2003 2743) (SR 515.08).

Message concernant le soutien au désarmement chimique universel (FF 2002 6187), et Loi fédérale sur le soutien à l'élimination et à la non-prolifération des armes chimiques (FF 2003 2427) (RS 515.08).

Änderung des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung bestimmter konventioneller Waffen Botschaft betreffend die Änderung von Artikel 1 vom 21. Dezember 2001 des Übereinkommens vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (BBl 2003 3575) (SR 0.515.091).

Message concernant l'amendement du 21 décembre 2001 de l'art. 1 de la Convention du 10 octobre 1980 sur l'interdiction ou la limitation de l'emploi de certaines armes classiques qui peuvent être considérées comme produisant des effets traumatiques excessifs ou comme frappant sans discrimination (FF 2003 3153) (RS 0.515.091).

Botschaft zur Volksinitiative für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr Botschaft zur Volksinitiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» und zur Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 15. Februar 1995 (BBl 1995 II 1027) (SR 514.51).

Message concernant l'initiative populaire «pour l'interdiction d'exporter du matériel de guerre» et la revision de la loi fédérale sur le matériel de guerre du 15 février 1995 (FF 1995 II 988) (RS 514.51).

Güterkontrollgesetz Botschaft betreffend das Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG) (BBl 1995 1301) (SR 946.202).

Message concernant la Loi fédérale du 13 décembre 1996 sur le contrôle des biens utilisables à des fins civiles et militaires et des biens militaires spécifiques (Loi sur le contrôle des biens, LCB) (FF 1995 II 1251) (RS 946.202).

Revidiertes Protokoll II/Laserwaffenprotokoll Botschaft betreffend das revidierte Protokoll II und das Protokoll IV zum Übereinkommen von 1980 über konventionelle Waffen vom 14. Mai 1997 (BBl 1997 IV 1).

Message concernant le Protocole II révisé et le Protocole IV joints à la Convention de 1980 sur les armes conventionelles (FF 1997 IV 1).

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Minenverbotskonvention Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung (BBl 1998 675).

Message concernant la Convention sur l'interdiction de l'emploi, du stockage, de la production et du transfert des mines antipersonnel et sur leur destruction (FF 1998 636).

Vertrag über umfassendes Verbot der Kernversuche (CTBT) Botschaft zum Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (BBl 1999 653).

Message concernant le Traité d'interdiction complète des essais nucléaires (FF 1999 607).

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