99.078 Bericht und Botschaft über die von der Internationalen Arbeitskonferenz anlässlich ihrer 85., 86. und 87. Tagung 1997, 1998 und 1999 genehmigten Instrumente und zum Übereinkommen (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976 vom 20. September 1999

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, dem Artikel 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) entsprechend, unterbreiten wir Ihnen einen Bericht und eine Botschaft über die an der 85., 86. und 87. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) genehmigten Instrumente sowie zum Übereinkommen (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976, begleitet von einem Entwurf zur Änderung von Artikel 82 des Militärgesetzes und einem Entwurf für einen Bundesbeschluss zur Genehmigung von zwei dieser Instrumente. Wir bitten Sie um Kenntnisnahme bzw. Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. September 1999

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Die Bundespräsidentin: Ruth Dreifuss Der Bundeskanzler: François Couchepin

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1999-6149

Übersicht Der vorliegende Text besteht aus sechs Teilen. Nach der Einleitung wird im zweiten Teil das während der 85. Tagung der IAK angenommene Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler, 1997, und die dazu gehörende Empfehlung Nr. 188 analysiert. Im dritten Teil geht es um die Änderung der Verfassung der IAO zur Ermächtigung der IAK, gegenstandslos gewordene Übereinkommen aufzuheben. Der Bundesrat informiert im vierten Teil über die bedeutende IAO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 1998, und im fünften Teil über die Empfehlung (Nr. 189) über die allgemeinen Voraussetzungen für die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen in Klein- und Mittelbetrieben (KMU). Im sechsten Teil wird die Ratifizierung des Übereinkommens (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, von der IAK an ihrer 87. Tagung 1999 angenommen, vorgeschlagen. Schliesslich wird im sechsten Teil die Ratifizierung des Übereinkommens (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen beantragt.

Das Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler setzt diesen einen relativ flexiblen Rahmen für ihre Tätigkeit, wobei die Rechte und Pflichten der Beteiligten genau definiert werden. Dabei sollen der Schutz der Arbeitnehmerinteressen gesichert und günstige Rahmenbedingungen für private und öffentliche Arbeitsvermittler geschaffen werden. Damit reagiert die IAO auf die zunehmende Dynamik und den Strukturwandel des Arbeitsmarktes der vergangenen Jahrzehnte, der die Bedeutung privater Arbeitsvermittler verdeutlichte. Die Schweiz kann sich der Stossrichtung und den Prinzipien des neuen Übereinkommens anschliessen, gehört unser Land doch zu einer Gruppe von Ländern, welche private Arbeitsvermittler seit langem zulässt. Einige Bestimmungen des Übereinkommens entsprechen jedoch nicht unserem innerstaatlichen Recht: so der bezahlte Mutterschaftsurlaub und der Elternurlaub, das Verbot, Arbeitnehmern weder unmittelbar noch mittelbar Gebühren oder sonstige Kosten ganz oder teilweise in Rechnung zu stellen und das Festlegen eines Mindestlohnes. Dabei werden teilweise Grundsätze unserer Wirtschaftsverfassung tangiert, welche nicht zur Revision anstehen. Im Kontrollbereich würden ausserdem Mehraufgaben anfallen, welche finanz- und ordnungspolitisch
weder sinnvoll noch möglich erscheinen. Der Bundesrat verzichtet deshalb darauf, das Übereinkommen zur Ratifizierung vorzuschlagen.

Die Abänderung der Verfassung der IAO zur Ermächtigung der IAK, gegenstandslos gewordene Übereinkommen aufzuheben, ist im Rahmen eines langfristigen Überdenkens der normsetzenden Politik der Organisation zu sehen. Die IAO hat nicht weniger als 182 Übereinkommen verabschiedet, von denen einige dieselben Themen betreffen und deren Ratifizierung teilweise die Kündigung früherer Übereinkommen mit sich bringt. Nach dem Weltsozialgipfel von Kopenhagen (1995) hat die IAO einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Förderung der so genannten grundlegenden Normen und das Erarbeiten eines Verfahrens zur Streichung nicht mehr aktueller, vor allem technischer Normen, gelegt. Die Änderung der Verfassung wird die IAK ermächtigen, Übereinkommen, welche ihren Sinn verloren haben, mit

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einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Delegierten aufzuheben. Die Schweiz hat sich seit langem für eine grössere Kohärenz des Normensystems der IAO eingesetzt.

Der Bundesrat schlägt dem Parlament deshalb vor, die Abänderung der Verfassung der IAO anzunehmen.

Die zentrale Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihren Folgemechanismus wurde an der 86. IAK ohne Gegenstimme verabschiedet. Obwohl diese Erklärung, die keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten nach sich zieht, nicht zu den gemäss Artikel 19 Absätze 5 und 6 der IAO-Verfassung dem Parlament vorzulegenden Instrumenten gehört, erachtet der Bundesrat eine generelle Information des Parlaments über die Erklärung für angebracht, da es sich dabei um eine Antwort der IAO auf die soziale Dimension der Globalisierung handelt. In diesem Bereich hat die IAO vom Weltsozialgipfel von Kopenhagen einen expliziten und von der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO (1996) einen impliziten Auftrag erhalten. Mit der Erklärung verpflichten sich alle 174 Mitgliedsstaaten der IAO zur Einhaltung der fundamentalen Arbeitnehmerrechte, namentlich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, des Verbots von Zwangs- und Kinderarbeit sowie des Diskriminierungsverbots, unabhängig davon, ob sie die betreffenden Übereinkommen der IAO ratifiziert haben oder nicht.

Die nicht zu ratifizierende Empfehlung (Nr. 189) über die allgemeinen Voraussetzungen für die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen in KMU ist ein Leitfaden für Mitgliedstaaten für die Förderung von KMU. Die IAO giesst damit ihre bereits seit Jahren im technischen Gebiet verfolgte Politik der Förderung von KMU als wichtigem Motor zur Arbeitsplatzschaffung in eine Norm. Für die Schweiz rennt die Empfehlung offene Türen ein, ist doch die Bedeutung der KMU für unsere Wirtschaft anerkannt.

Das Übereinkommen (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit richtet sich gegen Sklaven- und Zwangsarbeit von Kindern, Kinderprostitution, den Gebrauch von Kindern für illegale Handlungen wie den Drogenhandel, gefährliche Arbeiten und die zwangsweise Rekrutierung von Kindern für den militärischen Einsatz. Das Schutzalter des Übereinkommens liegt bei 18 Jahren. Der Bundesrat schlägt das zu den fundamentalen Übereinkommen der IAO zu
zählende Übereinkommen zur Ratifikation vor. Um dieses Ziel zu erreichen, muss allerdings Artikel 82 des Militärgesetzes (MG; SR 510.10) angepasst werden: Zukünftig soll wie in Friedenszeiten auch im Landesverteidigungsdienst die Stellungspflicht erst in jenem Jahr beginnen, in welchem das 19. Altersjahr vollendet wird; auf eine Herabsetzung des Alters um einen Jahrgang im Kriegsfall soll verzichtet werden. Der Ausnahmebestimmung von Artikel 82 MG kam in den vergangenen Jahrzehnten keine Bedeutung zu, was angesichts der geopolitischen Lage auch in Zukunft nicht anders sein dürfte.

Ein Vernehmlassungsverfahren erübrigte sich, da das Bundesrecht ein solches für die Änderung des MG nicht ausdrücklich vorsieht und weder bei der Änderung des MG noch bei der Annahme des Übereinkommens ein Entscheid von erheblicher politischer, wirtschaftlicher, finanzieller oder kultureller Tragweite gefällt wird oder

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dieser Entscheid in erheblichem Masse ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden muss (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über das Vernehmlassungsverfahren; SR 172.062).

Schliesslich entspricht die Änderung des MG auch der Ratifikationspraxis für IAOÜbereinkommen: Für die Ratifikation eines fundamentalen Übereinkommens sind kleinere Gesetzesanpassungen möglich, und bei der Ratifikation von Übereinkommen Nr. 138 (Mindestalter) wurde diese Praxis bereits angewendet. Mit der Anpassung des MG und der damit ermöglichten Ratifikation des Übereinkommens Nr. 182 drückt die Schweiz ihre Solidarität für den internationalen Kampf gegen Kinderarbeit aus und setzt ihre internationalen Bemühungen für eine Erhöhung des Schutzalters für Kinder in bewaffneten Konflikten konsequent um.

Das Übereinkommen Nr. 144 hat der Bundesrat bereits in seinem Bericht über die 61. und 62. Tagung der IAK untersucht (BBl 1977 III 641 ff.). Damals konnte unser Land das Instrument nicht ratifizieren ­ seither haben sich jedoch die praktischen, juristischen und politischen Umstände verändert: Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 144 fügt sich in die weltweiten Bemühungen zur Verstärkung der Sozialpartnerschaft ein. Auf internationaler Ebene wurde anlässlich des Weltsozialgipfels von Kopenhagen die Ratifikation dieses als besonders wichtig eingestuften Übereinkommens von der Staatengemeinschaft gefordert, und auf der praktischen Ebene haben die Auswirkungen der Asienkrise die Bedeutung der Sozialpartnerschaft zur Lösung sozioökonomischer Krisen gezeigt. Auch ist der Bundesrat der Ansicht, dass eine Ratifikation des Übereinkommens die Behandlung der normativen Fragen im Bereich der IAO effizienter gestalten wird. Das Übereinkommen verlangt nämlich dreigliedrige Beratungen für die IAO betreffende Fragen, und der Bundesrat beabsichtigt, dadurch den Aufwand von Parlament und Verwaltung für die oft sehr technischen und praktisch kaum bedeutsamen Instrumente zu optimieren. Die Beschränkung auf Bereiche der IAO sichert aber auch, dass eine Ratifikation keine Auswirkungen hat auf das in der Schweiz bewährte, grundsätzlich zweigliedrige System der Sozialpartnerschaft. Im Sinne der internationalen Solidarität und in Anbetracht der langjährigen Tradition der Sozialpartnerschaft schlägt der Bundesrat dem Parlament die Ratifizierung des Übereinkommens vor.

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Bericht und Botschaft 1

Einleitung

Entsprechend Artikel 19 Absätze 5 und 6 der Verfassung der IAO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihren Parlamenten die Übereinkommen und internationalen Arbeitsempfehlungen, die an den Tagungen der IAK angenommen werden, der zuständigen Instanz vorzulegen.

Botschaft und Bericht analysieren die anlässlich der 85., 86. und 87. Tagung der IAK angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen: ­

das Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler, 1997, und die dazu gehörende Empfehlung Nr. 188;

­

die Abänderung der Verfassung der IAO zur Ermächtigung der IAK, gegenstandslos gewordene Übereinkommen aufzuheben;

­

die bedeutende IAO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 1998;

­

die Empfehlung (Nr. 189) über die allgemeinen Voraussetzungen für die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen in Klein- und Mittelbetrieben (KMU), 1998;

­

das Übereinkommen (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, und die dazu gehörige Empfehlung Nr. 190.

Schliesslich wird das Übereinkommen (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen zur Ratifikation vorgeschlagen: Bereits 1977 haben wir dieses Übereinkommen in unserem Bericht über die 61. und 62. Tagung der IAK untersucht (BBl 1977 III 641 ff.), doch im Unterschied zu heute konnte unser Land das Instrument damals nicht ratifizieren.

2

Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler (Anhang 1)

2.1

Allgemeiner Teil

2.1.1

Einleitung

An seiner 262. Tagung (März­April 1995) beschloss der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes (IAA), die Frage der Revision des Übereinkommens (Nr. 96) über die Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung (Neufassung), 1949, auf die Traktandenliste der 85. Sitzung der IAK zu setzen. Auf seiner folgenden Tagung beschloss er, die Konferenz solle die Frage nach dem durch Artikel 38 der Geschäftsordnung der IAO vorgesehenen Verfahren der einmaligen Diskussion behandeln.

Diese Diskussion fand anlässlich der 85. Tagung der IAK im Juni 1997 statt und endete am 19. Juni 1997 mit der Annahme des Übereinkommens (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler sowie der begleitenden Empfehlung (Nr. 188). Das Überein-

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kommen ersetzt das oben erwähnte Übereinkommen (Nr. 96) über Büros für entgeltliche Arbeitsvermittlung (Neufassung) von 1949.

Die Annahme eines neuen Übereinkommens über private Arbeitsvermittlungen ist das Resultat eines langen Prozesses, welcher das gewandelte Verständnis betreffend die staatlichen Aufgaben in der Wirtschaft aufzeigt. Ursprünglich setzte sich die IAO zu Gunsten des staatlichen Monopols der öffentlichen Arbeitsvermittlungsdienste ein, bevor das Übereinkommen Nr. 96 diesen Ansatz lockerte, aber auf einer strengen staatlichen Kontrolle beharrte.

Das neue Übereinkommen (Nr. 181) setzt den privaten Arbeitsvermittlern einen relativ flexiblen Rahmen für ihre Tätigkeit, wobei die Rechte und Pflichten der Beteiligten genau definiert werden. Dabei wird ein doppeltes Ziel verfolgt: Erstens ist der Schutz der Arbeitnehmerinteressen zu gewährleisten, zweitens sind sowohl für private als auch öffentliche Arbeitsvermittler förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Damit reagiert die IAO auf die zunehmende Dynamik und den Strukturwandel des Arbeitsmarktes der vergangenen Jahrzehnte. Die Komplementarität privater und öffentlicher Arbeitsvermittler, das Bestehen einer Gruppe liberaler Länder, welche private Arbeitsvermittler erlaubten und das Übereinkommen Nr. 96 nicht ratifiziert hatten, und schliesslich die Kündigung dieses Übereinkommens durch Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland und Schweden zeigten die Notwendigkeit einer Neuformulierung der Bestimmungen.

Die Schweiz kann sich der Stossrichtung und den Prinzipien des neuen Übereinkommens anschliessen (vgl. Art. 1 AVG). Unser Land gehört zur liberalen Gruppe von Staaten, welche private Arbeitsvermittler zulassen. Während diesbezügliche Regelungen auf kantonaler Ebene ins 19. Jahrhundert zurückreichen, wurde der Gesetzgeber auf Bundesebene 1951 aktiv (aAVG; AS 1951 1211), und mit dem Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih von 1989 erhielten öffentliche und private Arbeitsvermittler umfassende Bestimmungen, insbesondere auch im Bereich des immer wichtiger werdenden Personalverleihs.

2.2

Besonderer Teil

2.2.1

Erläuterung der Bestimmungen und allgemeine Haltung der Schweiz zu diesem Übereinkommen

Das Übereinkommen Nr. 181 enthält 24 Artikel, wovon nur die ersten 14 Artikel materiell-rechtlicher Natur sind. Um festzustellen, ob die Schweiz die Anforderungen des Übereinkommens erfüllt, müssen dessen Vorschriften mit den Gesetzesnormen und der Praxis der Schweiz verglichen werden: namentlich mit den Bestimmungen des Obligationenrechts (OR; SR 220), des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG; SR 822.11), des Arbeitsvermittlungsgesetzes vom 6. Oktober 1989 (AVG; SR 823.11) und dessen Verordnung vom 16. Januar 1991 (AVV; SR 823.111), der Gebührenverordnung zum Arbeitsvermittlungsgesetz vom 16. Januar 1991 (SR 823.113), des Datenschutzgesetzes vom 19. Juni 1992 (DSG; SR 235.1) und dessen Verordnung vom 14. Juni 1993 (VDSG; SR 235.11), der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21), des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20), des Gleichstellungsgesetzes vom 335

24. März 1995 (GlG; SR 151), des AHV-Gesetzes vom 20. Dezember 1946 (AHVG; SR 831.10), des IV-Gesetzes vom 19. Juni 1959 (IVG; 831.20), des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; 831.40), des Unfallversicherungsgesetzes vom 20. März 1981 (UVG; 832.20), des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; 832.10), des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG; 836.1), der 26 kantonalen Erlasse zu den Familienzulagen, der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; 832.30) sowie des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 (AVIG; 837.0).

Artikel 1 definiert in Absatz 1 den Begriff «private Arbeitsvermittler» als jede von den Behörden unabhängige natürliche oder juristische Person, die eine oder mehrere Dienstleistungen auf dem Arbeitsmarkt erbringt. Diese Dienstleistungen umfassen erstens das Zusammenführen von Stellensuchenden und Arbeitgebern, ohne dass der private Arbeitsvermittler zu einer Partei des Arbeitsverhältnisses wird (Bst. a).

Zweitens wird der Personalverleih erfasst, d. h. als Arbeitsvermittler gelten jene Unternehmen, welche Arbeitnehmer mit dem Ziel beschäftigen, diese einer juristischen oder natürlichen Drittperson zu überlassen (Einsatzbetrieb), welche die Aufgaben des Arbeitnehmers festlegt und überwacht (Bst. b). Gemäss Artikel 1 AVG bezweckt das Gesetz die Regelung der privaten Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs sowie die Einrichtung einer öffentlichen Arbeitsvermittlung. Erfasst werden somit alle Institutionen, welche mit der Arbeitsvermittlung und dem Personalverleih im weitesten Sinne zu tun haben, wobei im Unterschied zum Übereinkommen eine ­ für die Annahme von Absatz 1 nicht relevante ­ Unterscheidung zwischen privatem Arbeitsvermittler und Personalverleih gemacht wird.

Buchstabe c hingegen dehnt den Geltungsbereich des Übereinkommens auf Dienstleistungen aus, die zwar in Zusammenhang mit der Arbeitsplatzsuche stehen, aber nicht direkt das Zusammenführen von Stellensuchenden mit Stellenangeboten bewirken. Als Beispiel wird die Bereitstellung von Informationen erwähnt. Für das AVG ist das wirtschaftliche Ziel des Vermittlungsvertrags, d. h. ein Vertragsabschluss zwischen
Stellensuchendem und Arbeitgeber entscheidend. Dienstleistungen, welche nicht einen solchen Vertragsabschluss zum Ziel haben, werden vom Begriff des «privaten Arbeitsvermittlers» gemäss AVG nicht erfasst. Da aber gemäss Übereinkommen Art und Umfang solcher Dienstleistungen von der zuständigen Stelle und nach Anhörung der massgeblichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu bestimmen ist, was im AVG bereits abschliessend festgelegt wurde, kann Buchstabe c angenommen werden.

Artikel 1 Absatz 2 definiert den Begriff «Arbeitnehmer», welcher auch den Arbeitsuchenden umfasst. Das AVG verwendet den Begriff Stellensuchende, der sowohl Arbeitslose als auch Arbeitnehmer, welche eine Stelle suchen, umfasst. Die Definition des AVG stimmt somit mit jener des Übereinkommens überein.

Gemäss Artikel 1 Absatz 3 wird unter der Verarbeitung personenbezogener Daten der Arbeitnehmer die Erhebung, Speicherung, Verknüpfung, Weitergabe oder andere Verwendung von Informationen bestimmter oder bestimmbarer Arbeitnehmer verstanden. Diese Definition stimmt mit jener von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a und e DSG überein.

Zusammenfassend kann Artikel 1 angenommen werden.

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Artikel 2 regelt den Geltungsbereich des Übereinkommens und wiederholt in Absatz 3 den hier nicht weiter zu kommentierenden Zweck des Übereinkommens, nämlich das Gestatten und Regeln der Tätigkeiten privater Arbeitsvermittler, was mit dem Zweck des AVG übereinstimmt.

Gemäss Absatz 1 gilt das Übereinkommen für alle privaten Arbeitsvermittler. Dem entspricht das AVG, das ­ wie bereits oben erwähnt ­ gemäss seinem Zweckartikel (Art. 1) auf alle privaten Arbeitsvermittler und den Personalverleih anwendbar ist.

Absatz 2 legt fest, dass das Übereinkommen für alle Wirtschaftszweige und alle Gruppen von Arbeitnehmern gilt. Zwei Ausnahmen werden vorgesehen: Erstens ist das Anwerben und Vermitteln von Seeleuten generell vom Geltungsbereich ausgeschlossen. Zweitens sieht Absatz 4 Buchstabe b vor, dass unter genau festgelegten Umständen Arbeitnehmer in bestimmten Wirtschaftszweigen oder Teilen davon vom Geltungsbereich des Übereinkommens oder von einigen seiner Bestimmungen ausgenommen werden können, falls die betreffenden Arbeitnehmer auf andere Weise angemessen geschützt werden. Das AVG gilt für alle Wirtschaftszweige und alle Arbeitnehmer, womit Absatz 2 und Absatz 4 Buchstabe b angenommen werden können.

Absatz 4 Buchstabe a eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, unter genau festgelegten Umständen, gewisse Tätigkeiten der privaten Arbeitsvermittler für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern oder Wirtschaftszweige zu verbieten. Zeitliche oder sachliche Beschränkungen der Vermittlungstätigkeit für gewisse Arbeitnehmergruppen oder Branchen existieren in der Schweiz im Bereich der Arbeitsvermittlung nicht. Hingegen ist der bewilligungspflichtige Personalverleih vom Ausland in die Schweiz nicht erlaubt (Art. 12 Abs. 2 AVG i.V. Art. 30 AVV). Bewilligungspflichtig (Art. 28 AVV) ist der Personalverleih in den Formen der Temporärarbeit (Beschränkung von Zweck und Dauer des Arbeitsvertrages auf einen einzelnen Einsatz beim Einsatzbetrieb; Art. 27 Abs. 2 AVV) und der Leiharbeit (Arbeitsvertrag zur Überlassung an einen Einsatzbetrieb und vom einzelnen Einsatz unbestimmte Dauer; Art. 27 Abs. 3 AVV), falls der Verleih gewerbsmässig und regelmässig, d. h. mehr als zehnmal jährlich, erfolgt (Art. 12 AVG i. V. Art. 29 AVV).

Grund für diese Einschränkung ist, dass die Schweizer Behörden die Einhaltung unserer
Arbeitsnormen durch ausländische Arbeitsvermittler nicht kontrollieren können. Bei der Festlegung dieser gesetzlichen Bestimmungen wurden die massgeblichen Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer angehört, womit die formelle Bestimmung von Artikel 2 Absatz 4 erfüllt ist. Im Falle einer Ratifikation wird die Schweiz in ihren Berichten gemäss Artikel 22 der IAO-Verfassung der IAO das Verbot des bewilligungspflichtigen Personalverleihs aus dem Ausland samt Begründung angeben. Absatz 4 Buchstabe a kann ebenso angenommen werden wie der ganze Artikel 2.

Artikel 3 verlangt die Regelung der rechtlichen Stellung der privaten Arbeitsvermittler gemäss innerstaatlicher Gesetzgebung und Praxis und nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Abs. 1). Das AVG regelt die rechtliche Stellung der privaten Arbeitsvermittler. Das Erarbeiten arbeitsrechtlicher Erlasse wie z. B. des AVG erfolgt u. a. in der dreigliedrigen Eidgenössischen Arbeitskommission und durchläuft ein Vernehmlassungsverfahren, in welchem die massgeblichen Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer konsultiert werden. Absatz 1 wird von der Schweiz erfüllt.

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Gemäss Absatz 2 ist die Tätigkeit der privaten Arbeitsvermittler entweder durch ein Bewilligungs- bzw. Zulassungssystem oder eine andere entsprechende innerstaatliche Gesetzgebung oder Praxis festzulegen. Das AVG legt sowohl für die Arbeitsvermittlung (Art. 2 AVG) als auch den Personalverleih (Art. 12 AVG) ein Bewilligungssystem fest: Einer Bewilligung bedürfen Vermittler, die regelmässig und gegen Entgelt Arbeit im Inland vermitteln, Personen für künstlerische oder ähnliche Darbietungen vermitteln und regelmässig Personen ins oder aus dem Ausland vermitteln. Beim Personalverleih gelten gewerbsmässige Vermittler als bewilligungspflichtig, d. h. solche, die regelmässig oder mehr als zehnmal jährlich (Art. 29 Abs.

2 AVV) und mit Gewinnabsicht (Art. 12 AVG) Arbeitnehmer vermitteln. Die weder gewerbsmässig noch regelmässig tätigen Arbeitsvermittler und Personalverleiher unterstehen auch ohne Bewilligungspflicht den materiell-rechtlichen Bestimmungen des AVG, womit der Arbeitnehmerschutz gesichert wird. Artikel 3 kann angenommen werden.

Artikel 4 verlangt, dass durch Massnahmen sichergestellt wird, dass den von privaten Arbeitsvermittlern angeworbenen Arbeitnehmern nicht das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen vorenthalten werden. Die Gewerkschaftsfreiheit leitet sich aus der Vereinigungsfreiheit ab, die in der BV verankert ist (Art. 23 nBV) und sich in verschiedenen, von der Schweiz ratifizierten internationalen Verträgen bestätigt findet (UNO-Menschenrechtspakt I, Europäische Menschenrechtskonvention und IAO-Übereinkommen Nr. 87). Schliesslich sind Sie unserem Antrag vom 21. September 1998 gefolgt und haben das Übereinkommen (Nr. 98) über die Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen angenommen (BBl 1999 513). Diesen internationalen Normen entspricht Artikel 336 Absatz 2 Buchstabe a OR, der eine Entlassung wegen rechtmässiger Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit oder der Mitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als missbräuchlich erklärt. Diese Bestimmung ist auf alle Arbeitnehmer anwendbar. Somit sind Arbeitsvermittler und Personalverleiher als grundsätzliche Arbeitgeber ebenfalls verpflichtet, den vermittelten Arbeitnehmern diese Grundrechte zu gewährleisten. Artikel 4 kann angenommen werden.

Artikel 5 Absatz 1
verpflichtet die Vertragsstaaten, das Prinzip der Chancengleichheit und Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung auch bei privaten Arbeitsvermittlern zu fördern. Die Definition der Diskriminierung entspricht generell jener des Übereinkommens Nr. 111 und umfasst Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Glaubensbekenntnis, politische Meinung, nationale Abstammung, soziale Herkunft oder andere Formen der Diskriminierung. Die Schweiz hat das Übereinkommen Nr.

111 ratifiziert (vgl. Botschaft BBl 1960 I 1), und der Gleichbehandlungsgrundsatz findet sich in Artikel 8 nBV verankert. Die privaten Arbeitsvermittler sind somit gehalten, das Diskriminierungsverbot zu respektieren; Absatz 1 kann angenommen werden.

Absatz 2 schränkt den Grundsatz der Gleichbehandlung ein, indem private Arbeitsvermittler besondere Dienstleistungen erbringen und Programme durchführen dürfen, um den am meisten benachteiligten Arbeitnehmern bei der Suche nach einer Arbeit zu helfen. Unsere innerstaatlichen Bestimmungen verhindern eine solche fördernde Tätigkeit nicht, auch wenn sie der Gesetzgeber im AVG nicht ausdrücklich vorgesehen hat. Absatz 2 kann angenommen werden.

Artikel 6 regelt den Schutz von Arbeitnehmerdaten, welche sich im Besitz privater Arbeitsvermittler befinden. Die Verarbeitung dieser Daten hat deren Schutz zu gewährleisten, die Privatsphäre der Arbeitnehmer entsprechend innerstaatlicher Ge338

setzgebung und Praxis zu respektieren (Bst. a) und sich auf Angelegenheiten, die mit den Qualifikationen, der Berufserfahrung des Arbeitnehmers und weiteren, unmittelbar relevanten Informationen zusammenhängen, zu beschränken (Bst. b). Die Schweiz erfüllt diese Anforderungen: Erstens schränken die Artikel 7 Absatz 3 und 18 Absatz 3 AVG die Verarbeitung von Daten auf das Notwendige ein und verpflichten zur Geheimhaltung der Daten. Artikel 19 AVV zieht im Weiteren die Grenze zwischen grundsätzlich bewilligungspflichtiger Verarbeitung und Weitergabe von Daten einerseits und jenen Fällen andererseits, in welchen die Weitergabe keine Bewilligung erfordert. Die Bewilligung muss schriftlich erfolgen und kann jederzeit widerrufen werden (Art. 19 Abs. 4). Zweitens ist das DSG gemäss dessen Artikel 2 auch im Bereich des Übereinkommens anwendbar. Artikel 4 Absatz 2 DSG unterstellt die Verarbeitung von Daten dem Prinzip der Verhältnismässigkeit, und Absatz 3 schränkt die Verarbeitung generell auf den Zweck der Arbeitsvermittlung ein. Besonders schützenswerte Daten wie die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, Sozialhilfemassnahmen und Angaben zur Gesundheit (Art. 3 Abs. 1 Bst. c DSG) dürfen ausserdem nicht ohne Rechtfertigungsgrund weitergegeben werden (Art. 12 Abs. 2 DSG), und eine entsprechende Datensammlung muss angemeldet werden.

Schliesslich verpflichtet Artikel 7 DSG zum Schutz der Daten durch angemessene technische und organisatorische Mittel. Zusammenfassend kann der Schutz von AVG und DSG als dem Übereinkommen entsprechend erachtet werden. Artikel 6 kann somit angenommen werden.

Artikel 7 untersagt den privaten Arbeitsvermittlern, unmittelbar oder mittelbar Gebühren oder sonstige Kosten ganz oder teilweise in Rechnung zu stellen (Abs. 1).

Für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern und nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer kann die zuständige Stelle im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer und für genau bestimmte Dienstleistungen Ausnahmen vom Prinzip der Unentgeltlichkeit vorsehen (Abs. 2). Artikel 9 AVG entspricht diesen Bestimmungen nicht: Der Arbeitsvermittler darf nämlich eine Einschreibegebühr und eine Vermittlungsprovision verlangen sowie sich besonders vereinbarte Dienstleistungen entschädigen lassen (Art. 9 Abs. 1 AVG). Die einmalige und erfolgsunabhängige
Einschreibegebühr soll die Kosten für die Erfassung der Person als Stellensuchenden abdecken. Die Vermittlungsprovision, fällig nach erfolgreichem Vertragsabschluss, ist m. a. W. ein erfolgsabhängiges Entgelt für den ordentlichen und zweckmässigen Aufwand einer seriösen Vermittlung. Die Höhe von Provision und Einschreibegebühr werden vom Bundesrat in der Gebührenverordnung festgelegt, was einen Missbrauch verhindert.

Die Einschreibegebühr ist vom Gesetzgeber vorgesehen worden, um allfälligem Missbrauch von Stellensuchenden zu begegnen, welche sich bei einem privaten Arbeitsvermittler einschreiben, ohne effektiv an einer Stellensuche interessiert zu sein.

Ausserdem sichert die Erfolgsabhängigkeit der Provision eine qualitativ hochstehende Arbeit der Arbeitsvermittler und schliesslich wird in der Praxis die Provision oft zumindest teilweise vom Arbeitgeber übernommen. Dieses System hat sich bewährt. Eine Anpassung des AVG ist nicht vorgesehen und drängt sich nicht auf. Artikel 7 kann somit nicht angenommen werden.

Artikel 8 verlangt einen ausreichenden Schutz von Wanderarbeitnehmern, um Missbräuche gegen diese durch private Arbeitsvermittler zu verhindern. Dabei sind Zwangsmassnahmen, einschliesslich des Verbots von fehlbaren Arbeitsvermittlern, vorzusehen (Abs. 1). Absatz 2 fordert die zwischenstaatliche Zusammenarbeit für die Auslandsvermittlung. Gemäss Artikel 21 AVG darf der Verleiher in der Schweiz nur 339

Arbeitnehmer einstellen, die zur Erwerbstätigkeit und zum Stellen- und Berufswechsel berechtigt sind. Die Berechtigung zum Stellen- und Berufswechsel wird in der BVO geregelt: Er ist Niedergelassenen generell, Jahresaufenthaltern nach einem Jahr erlaubt, während er Saisonniers grundsätzlich untersagt ist. Somit ist die Anstellung von Ausländern untersagt, die erstmals und allein zum Stellenantritt bei einem Arbeitsvermittler einreisen wollen. Im Weiteren erhalten Arbeitgeber, welche Ausländer über Artikel 13 Buchstabe d und Artikel 20 BVO anstellen wollen, nur eine Bewilligung, wenn Artikel 9 Absatz 1 BVO erfüllt ist, d. h., eine Bewilligung wird nur erteilt, wenn dem Ausländer die gleichen orts- und berufsüblichen Lohnund Arbeitsbedingungen gewährt werden wie den entsprechenden Schweizer Arbeitnehmern. Um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu unterstützen, benötigen private Arbeitsvermittler, welche regelmässig Auslandsvermittlung betreiben, eine Bewilligung des seco-DA. Das erleichtert auch die in Absatz 2 dieses Artikels des Übereinkommens angesprochene zwischenstaatliche Zusammenarbeit.

Schliesslich zu den geforderten Strafbestimmungen: Werden Ausländer entgegen den ausländerrechtlichen Vorschriften vermittelt, so kann der Vermittler mit Busse bis zu 100 000 Franken belegt werden (Art. 39 AVG). Ist die private Arbeitsvermittlung bewilligungspflichtig, so sieht Artikel 5 den Entzug der Bewilligung insbesondere in Fällen des Verstosses gegen die ausländerrechtlichen Bestimmungen vor (Art. 5 Abs. 1 Bst. b und 16 Abs. 1 Bst. b AVG). Ausserdem sind die Strafbestimmungen des AVG anwendbar (Art. 23). Unsere innerstaatlichen Vorschriften erfüllen die Anforderungen des Übereinkommens; dessen Artikel 8 kann angenommen werden.

Artikel 9 verpflichtet die Vertragsstaaten, Massnahmen zu treffen, um den Einsatz oder das Vermitteln von Kindern durch private Arbeitsvermittler zu verhindern. Die Artikel 29­31 ArG sehen spezielle Schutzbestimmungen für Minderjährige vor, und Artikel 30 ArG verbietet grundsätzlich die Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren. Sie haben unserem Antrag vom 21. September 1998 zugestimmt und damit einerseits eine Änderung des ArG beschlossen, welche die Landwirtschaft, Gärtnereibetriebe, Fischereibetriebe und die privaten Haushaltungen bezüglich der Mindestaltersbestimmungen
dem ArG unterstellt, und andererseits das Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter angenommen. Für eine vertiefte Analyse der Mindestaltersbestimmungen verweisen wir auf BBl 1999 513. Mit der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 138 kann davon ausgegangen werden, dass wir Artikel 9 erfüllen und annehmen können.

Artikel 10 verpflichtet die Mitgliedstaaten, angemessene Einrichtungen und Verfahren zur Untersuchung von Beschwerden, angeblichen Missbräuchen und betrügerischen Praktiken von privaten Arbeitsvermittlern vorzusehen. Die Artikel 5 und 16 AVG sehen vor, dass die Bewilligungsbehörde vom Arbeitsvermittler das Wiederherstellen des bewilligungsgemässen Zustandes verlangt oder gar eine Bewilligung entziehen kann. Im Übereinkommen wird die Beteiligung von Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erwähnt; sie ist nicht zwingend und in der Schweiz auch nicht gebräuchlich. Artikel 10 kann angenommen werden.

Artikel 11 verlangt von einem Mitgliedstaat, dass er die erforderlichen Massnahmen ergreift, um einen angemessenen Schutz jener Arbeitnehmer zu sichern, die von den in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b genannten privaten Arbeitsvermittlern beschäftigt werden. Dieser Schutz bezieht sich auf die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Bst. a und b), Mindestlöhne (Bst. c), Arbeitszeit und sonstige Arbeitsbedingungen (Bst. d), gesetzliche Leistungen der sozialen Sicherheit 340

(Bst. e), den Zugang zur Ausbildung (Bst. f), Arbeitsschutz und Entschädigung bei Berufskrankheit oder Arbeitsunfällen (Bst. g und h), die Entschädigung bei Zahlungsunfähigkeit und den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer (Bst. i) sowie Mutterschutz, Mutterschaftsleistungen, Elternschutz und Elternleistungen (Bst. j).

Unsere innerstaatlichen Bestimmungen unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen vermittelten Arbeitnehmern und anderen Arbeitnehmern. Es bestehen somit keine speziellen Bestimmungen zum Schutz der durch private Arbeitsvermittler angestellten Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens.

Das ist nicht notwendig, da der Arbeitsvertrag zwischen privatem Arbeitsvermittler und Arbeitnehmer abgeschlossen wird und nicht zwischen Arbeitnehmer und Einsatzbetrieb. Der private Arbeitsvermittler hat somit sowohl die aus dem OR und den Spezialgesetzen folgenden Verpflichtungen bezüglich der Arbeitsbedingungen zu erfüllen als auch die allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge einzuhalten (Art. 20 AVG). Um jedoch dem speziellen Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer von Arbeitsvermittlern im Bereich des Personalverleihs gerecht zu werden, verlangt Artikel 19 AVG grundsätzlich einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der die Art der Arbeit, Arbeitsort und Arbeitsbeginn, Dauer und Kündigungsfrist, Arbeitszeiten, Leistungen für Überstunden, Krankheit, Mutterschaft, Unfall, Militärdienst und Ferien regelt (Abs. 1 und 2). Bei Nichterfüllung der formellen oder inhaltlichen Erfordernisse gelten die orts- oder berufsüblichen Bedingungen oder die gesetzlichen Vorschriften (Abs. 3).

Unser innerstaatliches Recht garantiert fast alle der in Artikel 11 aufgelisteten Schutzbestimmungen, wobei deren Einhaltung dem Arbeitgeber übertragen ist. Zur Vereinigungsfreiheit verweisen wir auf unsere Bemerkungen unter Artikel 4, die hier sinngemäss anwendbar sind. Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen werden im ArG normiert. Einzig im Bereich der Kündigungsfrist besteht für Arbeitnehmer in Verleihbetrieben eine im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern weniger vorteilhafte Spezialbestimmung im Sinne kürzerer Kündigungsfristen während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Die gesetzlichen Leistungen der Sozialversicherungen (Bst. e) werden im AHVG, im IVG und im BVG (obligatorische
Berufsvorsorge), im KVG, im UVG, im FLG, in 26 kantonalen Erlassen im Bereich der Familienzulagen sowie im AVIG geregelt. Die Gesamtheit dieser Erlasse stellt sicher, dass in den von ihnen geregelten Bereichen die Arbeitnehmer unabhängig vom sie anstellenden Arbeitgeber einen angemessenen sozialen Schutz geniessen. Der Zugang zur Ausbildung (Bst. f) ist gesetzlich nicht geregelt, doch untersteht er dem Diskriminierungsverbot. Die Arbeitssicherheit (Bst. g) wird in der Schweiz durch gewisse Bestimmungen des UVG sowie die VUV geregelt. Diese Bestimmungen sind für alle Arbeitgeber gültig, die in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen. Die Leistungen bei Berufsunfällen oder Berufskrankheiten (Bst. h) finden sich im UVG.

Der gesetzliche Schutz bei Mutterschaft (Bst. j) ist bezüglich Sachleistungen auf das KVG beschränkt. Ausserdem kennt die Schweiz keinen Elternurlaub, weshalb unser Land Buchstabe j nicht erfüllt.

Den Anforderungen des Übereinkommens ebenfalls nicht entsprechen kann unser Rechtssystem bei den Mindestlöhnen. In der Schweiz ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit gerade im Bereich der Lohnfestsetzung ein Kernelement unserer liberalen Wirtschaftsverfassung (Art. 322 OR). Dieser Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen: erstens das Diskriminierungsverbot gemäss Artikel 8 nBV, ausgeführt im GlG; zweitens Mindestlohnvorschriften in Gesamtarbeitsverträgen (GAV), wobei diese ohne Allgemeinverbindlicherklärung nur für jene Mitglieder der Verbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Anwendung finden, welche Vertragspartei des GAV 341

sind, und schliesslich Normalarbeitsverträge nach den Artikeln 359 und 360 OR, denen jedoch kein verbindlicher Charakter zukommt. Auch wenn die privaten Arbeitsvermittler in der Praxis hauptsächlich in Wirtschaftssektoren tätig sind, welche allgemein verbindlich erklärten GAV unterstehen, erfüllt unser innerstaatliches Recht Artikel 11 nicht. Er kann folglich nicht angenommen werden.

Artikel 12 verlangt vom Mitgliedstaat, die Abgrenzung zwischen den Verpflichtungen des privaten Arbeitsvermittlers und des Einsatzbetriebes gegenüber dem Arbeitnehmer in allen in Artikel 11 aufgezählten Bereichen mit Ausnahme der Vereinigungsfreiheit festzulegen und zuzuweisen. Wir haben in unseren Ausführungen zu Artikel 11 bereits dargelegt, dass der Arbeitsvermittler der hauptsächliche Arbeitgeber ist und er somit die Einhaltung aller in Artikel 12 aufgezählten Arbeitsbedingungen zu garantieren hat. Im Bereich der Arbeitssicherheit kann auf den neuen Artikel 6 VUV verwiesen werden, gemäss welchem der Arbeitgeber dafür sorgt, dass alle in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der dort tätigen Arbeitnehmer eines anderen Betriebes, über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren informiert und über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. Gleichzeitig kennt die Schweiz weder Bestimmungen bezüglich der Mindestlöhne noch einen eigentlichen bezahlten Mutterschaftsurlaub oder den Elternurlaub.

In diesen Bereichen kann somit auch keine Abgrenzung zwischen Arbeitsvermittler und Einsatzbetrieb vorgenommen werden, weshalb Artikel 12 nicht erfüllt wird und von der Schweiz nicht angenommen werden kann.

Artikel 13 verlangt, dass nach Anhörung der massgeblichen Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlern zu fördern ist (Abs. 1). Die dazu zu formulierenden Bedingungen sollen jedoch am Grundsatz, dass die öffentlichen Behörden die abschliessende Zuständigkeit für die Festlegung der Arbeitsmarktpolitik und die Verwendung oder die Kontrolle der Verwendung der zur Umsetzung dieser Politik bestimmten öffentlichen Mittel behalten, nichts ändern (Abs. 2). Die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Arbeitsvermittlern wird im Sinne des Übereinkommens
von der Eidgenössischen Kommission für Arbeitsmarktfragen gefördert. In dieser Kommission sind die privaten Arbeitsvermittler über die Arbeitgeber vertreten, und Fragen im Bereich der Arbeitsvermittlung werden in dieser Kommission auch regelmässig behandelt. Die Zuständigkeit für die Verwendung öffentlicher Mittel bleibt staatlichen Stellen, insbesondere dem seco-DA und den kantonalen Arbeitsämtern, vorbehalten.

Die Absätze 1 und 2 können angenommen werden.

Absatz 3 verpflichtet die privaten Arbeitsvermittler, in bestimmten Zeitabständen bestimmte Informationen an die zuständige Stelle zu liefern, welche diese Informationen unter Wahrung der Vertraulichkeit regelmässig der Öffentlichkeit zugänglich macht (Abs. 4). Artikel 36 Absatz 2 AVG verpflichtet die kantonalen Arbeitsämter zur Beobachtung der Arbeitsmarktsituation. Damit sie dieser Aufgabe nachkommen können, hat ihnen der Gesetzgeber in den Artikeln 7 Absatz 2 und 18 Absatz 2 AVG das Recht erteilt, von bewilligungspflichtigen Arbeitsvermittlern anonymisierte statistische Angaben über deren Tätigkeiten zu verlangen. Gemäss den Artikeln 18 und 46 AVV ist dem seco-DA jährlich die nach Geschlecht und Herkunft aufgegliederte Anzahl der vermittelten Personen zu liefern. Ausserdem kann das seco-DA im Rahmen von Teilerhebungen zusätzlich persönliche und arbeitsmarktbezogene Merkmale der Stellensuchenden einfordern. Das seco-DA veröffentlicht die zusammen-

342

gefassten und ausgewerteten Daten. Somit kann der ganze Artikel 13 angenommen werden.

Artikel 14 fordert die Mitgliedstaaten auf, die Bestimmungen des Übereinkommens durch die Gesetzgebung oder andere innerstaatliche Gepflogenheiten entsprechende Mittel, wie gerichtliche Entscheidungen, Schiedsgerichtssprüche oder GAV, durchzuführen (Abs. 1). Diese Durchführung ist durch die Arbeitsaufsicht oder eine andere zuständige Behörde sicherzustellen (Abs. 2). Die Bestimmungen bezüglich des Inhalts des Arbeitsvertrages von vermittelten Personen fallen in den Geltungsbereich verschiedener innerstaatlicher Gesetze und Verordnungen, welche alle ihre Verfahren zur Durchsetzung haben. In der Analyse der einzelnen Artikel des Übereinkommens sind wir ausführlich auf diese Normen eingegangen, und wir erlauben uns hier, Sie auf diese Stellen zu verweisen; die Verfahrensvorschriften von AVG, OR, ArG, DSG und der Gesetze der Sozialen Sicherheit genügen den generell gehaltenen Anforderungen des Übereinkommens. Absatz 1 kann angenommen werden.

Bezüglich des AVG verkörpern das seco-DA und die kantonalen Arbeitsämter das in Absatz 2 geforderte Aufsichtsorgan (Art. 31 und 32 AVG). Sie sind jedoch keine Überwachungsorgane im Sinne des Übereinkommens. Zwar sieht das AVG die Möglichkeit von Zwangsmassnahmen vor, welche von der Busse bis zum Bewilligungsentzug reichen, oben bereits besprochen worden sind und die Annahme von Absatz 1 ermöglichen. Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b (Gewähr für fachgerechte Vermittlung), die Artikel 5 bzw. 16 (Bewilligungsentzug) sowie die Artikel 6 bzw.

17 Absatz 1 (Auskunftspflicht) AVG erteilen in diesem Sinne eine gewisse Kontrollmöglichkeit. In der Praxis wird jedoch ­ entsprechend dem Gesetz ­ hauptsächlich auf Verstösse reagiert, und die privaten Arbeitsvermittler werden nicht kontrolliert. Für ein dem Übereinkommen entsprechendes Kontrollsystem fehlen im AVG die gesetzlichen Grundlagen. Ausserdem würde ein solches Kontrollsystem die administrativen Mittel des seco-DA übersteigen und massive Kosten verursachen.

Folglich kann Absatz 2 nicht angenommen werden; Gleiches gilt für Artikel 14.

Die Artikel 15­24 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen, welche keines besonderen Kommentars bedürfen.

2.2.2

Haltung zur Empfehlung Nr. 188 (Anhang 2)

Die Empfehlung Nr. 188 hat keinerlei zwingenden Charakter. Die Frage der Ratifizierung stellt sich hier also nicht, und wir beschränken uns deshalb auf die Zusammenfassung des Inhalts der Empfehlung, ohne zu beurteilen, ob sie mit dem geltenden Schweizer Recht vereinbar wäre oder nicht.

Die Empfehlung empfiehlt den Mitgliedstaaten eine enge Zusammenarbeit mit den Verbänden der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezüglich der Umsetzung des Übereinkommens. Ausserdem fordert sie die Mitgliedstaaten dazu auf, Massnahmen vorzusehen, um dem Sinn des Übereinkommens nicht entsprechende Aktivitäten privater Arbeitsvermittler ­ namentlich die ungenaue und unvollständige Information über Anstellungsbedingungen, falsche Anzeigen und Fälle von Diskriminierung ­ zu unterbinden. Schliesslich fordert die Empfehlung eine verstärkte Zusammenarbeit von privaten und öffentlichen Arbeitsvermittlern bezüglich der nationalen Arbeitsmarktpolitik und im Bereich des Informationsaustausches.

343

2.3

Schlussfolgerung

Wir teilen die Stossrichtung und das Ziel des Übereinkommens und begrüssen insbesondere die Aufhebung des Verbots privater Arbeitsvermittler, welche massgeblich zu einem gut funktionierenden Arbeitsmarkt beitragen können. Einige Bestimmungen entsprechen jedoch nicht unserem innerstaatlichen Recht: Insbesondere der bezahlte Mutterschaftsurlaub und der Elternurlaub, das Verbot, Arbeitnehmern weder unmittelbar noch mittelbar Gebühren oder sonstige Kosten ganz oder teilweise in Rechnung zu stellen, die Festlegung eines Mindestlohnes und die Bestimmungen zur Kontrolle von privaten Arbeitsvermittlern gehen über unsere Bestimmungen hinaus oder werden in unserem Rechtssystem überhaupt nicht anerkannt. Dabei werden teilweise Grundsätze unserer Wirtschaftsverfassung tangiert, welche nicht zur Revision anstehen. Ausserdem hätte eine Ratifikation des Übereinkommens eine Zunahme der Administrativaufgaben im Kontrollbereich zur Folge, welche finanzund ordnungspolitisch weder sinnvoll noch möglich erscheint. Wir verzichten deshalb darauf, Ihnen das Abkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler zur Ratifizierung vorzuschlagen.

3

Urkunde zur Abänderung der Verfassung der IAO zur Ermächtigung der Internationalen Arbeitskonferenz, gegenstandslos gewordene Übereinkommen aufzuheben, 1997 (Anhang 3)

3.1

Allgemeiner Teil

Der Verwaltungsrat des IAA hat im November 1996 beschlossen, diesen Punkt auf die Traktandenliste der IAK zu setzen. Der Zweck dieser Abänderung, d. h. die Ermächtigung der IAK zur Aufhebung von internationalen Arbeitsübereinkommen, die anerkanntermassen gegenstandslos geworden sind, ist im Rahmen eines langfristigen Überdenkens der normsetzenden Politik der Organisation zu sehen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die IAO nicht weniger als 182 Übereinkommen verabschiedet hat, dass einige von ihnen dieselben Themen betreffen und dass die Ratifizierung gewisser Übereinkommen die Kündigung früherer Übereinkommen mit sich bringt. Somit hat die normsetzende Tätigkeit der IAO zu gewissen Überschneidungen und Doppelspurigkeiten von Übereinkommen geführt. Aus diesem Grund hat die IAO nach dem Weltsozialgipfel von Kopenhagen (1995) und auch im Geiste der Ministerkonferenz der WTO in Singapur (1996) einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Förderung der so genannten grundlegenden Normen und auf Verfahren zur Streichung nicht mehr aktueller Normen ­ vor allem im technischen Bereich ­ gelegt.

Auf der Suche nach Verfahren zur Streichung von gegenstandslos gewordenen Normen hat der Verwaltungsrat einen dreigliedrigen Konsens erreicht, gemäss welchem der IAK ein Abänderungsantrag zu Artikel 19 der Verfassung der IAO unterbreitet wurde. Mit dieser Änderung verfügt die IAK über ein angemessenes Werkzeug, um die Kohärenz und die Aktualität aller Arbeitsnormen sicherzustellen. Die Abänderung der Verfassung der IAO wurde von der IAK am 19. Juni 1997 mit 381 gegen 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen.

344

Die Schweiz hat sich seit langem für eine grössere Kohärenz des Normensystems der IAO eingesetzt; die Schweizer Regierungsdelegation hat daher an der IAK für den Abänderungsantrag gestimmt.

3.2

Besonderer Teil

3.2.1

Erläuterung der Bestimmungen und Haltung der Schweiz zu dieser Abänderung

Die Abänderungsurkunde zur Verfassung der IAO hat drei Artikel, von denen nur Artikel 1 eine materiell-rechtliche Bestimmung ist.

Artikel 1 der Abänderungsurkunde sieht vor, dass Artikel 19 der Verfassung der IAO durch Hinzufügen eines neuen Absatzes 9 nach dem derzeitigen Absatz 8 abgeändert wird. Artikel 19 der Verfassung befasst sich allgemein mit der Annahme von Übereinkommen und Empfehlungen durch die IAK und mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, diese Urkunden den zuständigen Stellen vorzulegen, um festzulegen, inwieweit ihnen entsprochen werden soll, insbesondere in Form einer Ratifizierung der Übereinkommen auf nationaler Ebene (Abs. 5). Der neue Absatz 9 von Artikel 19 ermächtigt die IAK, mit zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten jedes zuvor von der IAK angenommene Übereinkommen aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass es gegenstandslos geworden ist oder keinen nützlichen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Organisation mehr leistet.

Der Text von Absatz 9 führt zwei restriktive Kriterien ein, anhand deren festgestellt wird, welche Übereinkommen möglicherweise aufzuheben sind: Sie müssen gegenstandslos geworden sein oder keinen nützlichen Beitrag mehr zum Erreichen der Ziele der IAO leisten. Die Anwendung dieser Kriterien macht deutlich, dass all die Übereinkommen, die möglicherweise aufzuheben sind, alte Übereinkommen sind, die bereits revidiert wurden ­ einige sogar mehrmals.

Im November 1996 hat der Verwaltungsrat des IAA die Liste der drei Übereinkommen festgelegt, die zunächst einmal von dieser Massnahme betroffen sein könnten: die Übereinkommen (Nr. 28) über den Unfallschutz der Hafenarbeiter, 1929; (Nr. 60) über das Mindestalter (nicht gewerbliche Arbeiten), 1937 und (Nr. 67) über die Arbeitszeit und die Ruhezeiten (Strassentransport), 1939. Diese drei Übereinkommen sind nur von sehr wenigen Mitgliedern ratifiziert worden. Da sie veraltet sind und nicht mehr der heutigen Realität der Arbeitswelt entsprechen, wurden diese Übereinkommen fast systematisch durch die Ratifizierung späterer Urkunden gekündigt, die eine Revision dieser Übereinkommen beinhalteten. Sie sind von der Schweiz nicht ratifiziert worden.

Die Analysen, die derzeit im Verwaltungsrat des IAA im Gang sind, deuten darauf hin, dass die zukünftig betroffenen Übereinkommen sich auf Bereiche beziehen,
welche die Schweiz nicht direkt betreffen: Plantagen, Mutterländer und Kolonien.

Die Modalitäten zur Anwendung der Abänderung bieten im Hinblick auf das Verfahren formale Sicherheiten, die Gegenstand von Änderungen der Geschäftsordnung der IAK und des Verwaltungsrats sind. Als Erstes soll sich der Rat mit der Frage der Aufhebung eines Übereinkommens befassen. Er debattiert darüber auf der Grundlage eines vom IAA erarbeiteten Berichts, der alle einschlägigen Informationen zum Thema enthält. Nach Abschluss der Debatte muss der Verwaltungsrat durch Konsens beschliessen, die Frage auf die Traktandenliste der IAK zu setzen. Kann in zwei 345

aufeinander folgenden Tagungen des Rates kein Konsens erzielt werden, so muss die Entscheidung mit einer Vierfünftelmehrheit gültig verabschiedet werden können.

Diese qualifizierte Mehrheit wird als notwendig erachtet, um zu verhindern, dass ein Entscheid gegen den Widerstand einer der drei Gruppen gefällt werden kann. Als Zweites schickt das IAA, wenn die Frage auf die Traktandenliste der IAK gesetzt worden ist, 18 Monate vor der Tagung der IAK einen Fragebogen an die Regierungen aller Mitgliedstaaten der Organisation, damit sie die Möglichkeit haben, nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ihre Haltung darzulegen. Auf der Grundlage dieser Antworten verfasst das IAA dann einen Bericht mit einem endgültigen Vorschlag, der den Regierungen vier Monate vor Beginn der Tagung der IAK übermittelt wird. Schliesslich kann die IAK die Frage untersuchen und durch Konsens oder, wenn ein solcher nicht zu Stande kommt, mit Zweidrittelmehrheit beschliessen, den Aufhebungsvorschlag einer Schlussabstimmung zu unterwerfen. Diese findet durch Namensaufruf statt, und der Aufhebungsvorschlag muss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten angenommen werden.

Die Artikel 2 und 3 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen, die keines eingehenden Kommentars bedürfen. Gemäss Artikel 3 tritt die Abänderungsurkunde nach den Bestimmungen von Artikel 36 der Verfassung der IAO in Kraft: Verfassungsänderungen treten in Kraft, sobald zwei Drittel der Mitglieder der Organisation sie ratifiziert oder angenommen haben, wobei diese zwei Drittel fünf der zehn Mitglieder einschliessen, denen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt. Die Änderungen der Geschäftsordnungen der IAK und des Verwaltungsrats treten am selben Datum in Kraft.

Bisher ist die Abänderungsurkunde von 43 Staaten ratifiziert oder angenommen worden. Sie ist noch nicht in Kraft getreten.

3.3

Schlussfolgerung

Mit diesem Zusatz wird die IAO über ein adäquates Instrument verfügen, um sich mit allen notwendigen Sicherheiten um grössere Kohärenz und Aktualität der Gesamtheit der Arbeitsnormen zu bemühen. Die Anwendung des Zusatzes ist an ausserordentlich strenge verfahrensmässige Sicherheiten geknüpft bezüglich der Fristen, der Berichte und der Anhörungen der Sozialpartner sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.

Wie wir bereits betont haben, ist von der Anwendung dieses Zusatzes keine direkte Auswirkung auf die Schweiz zu erwarten. Die von einer allfälligen Aufhebung zuerst betroffenen Urkunden sind von der Schweiz nicht ratifiziert worden. Die Übereinkommen, deren Aufhebung in fernerer Zukunft vorgeschlagen werden könnte, betreffen die Schweiz nicht.

3.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung der Urkunde zur Abänderung der Verfassung der IAO bringt keine besonderen finanziellen Belastungen für den Bund mit sich und hat auch keine personellen Auswirkungen.

346

3.5

Legislaturplanung

Die Ratifizierung von Urkunden der IAO ist allgemein in der Legislaturplanung 1995­1999 vorgesehen (BBl 1996 II 289, Anhang A2).

3.6

Rechtliche Grundlagen

Der Bundesbeschluss zur Gutheissung der Abänderungsurkunde stützt sich auf Artikel 8 BV (Art. 54 nBV1), wonach der Bund für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen zuständig ist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 85 Ziffer 5 BV (Art. 166 Abs. 2 nBV) dafür zuständig, die Abänderungsurkunde gutzuheissen. Sobald die Abänderungsurkunde in Kraft getreten ist, ist sie Teil der Verfassung der IAO, für die eine Kündigungsfrist von zwei Jahren gilt. Die Abänderungsurkunde sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Sie führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c BV (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 nBV) herbei. Der Bundesbeschluss zur Gutheissung der Abänderung untersteht somit nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge.

4

Erklärung über grundlegende Rechte und Prinzipien bei der Arbeit, 1998 (Anhang 4)

4.1

Einleitung

Anlässlich des Weltsozialgipfels von Kopenhagen wurde der IAO ein Mandat erteilt, sich der sozialen Dimension der Globalisierung anzunehmen. Das Mandat bestand einerseits in der Suche nach Wegen zur Vollbeschäftigung und andererseits in der Förderung der fundamentalen Arbeitsnormen. Diese Rechte waren bis anhin vor allem in sieben so genannten fundamentalen Übereinkommen der IAO verankert, namentlich jenen zum Schutz vor Zwangsarbeit (Nr. 29 und 105), jenen gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz (Nr. 100 und 111), jenem gegen die Kinderarbeit (Nr. 138) und den zwei Übereinkommen betreffend das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Nr. 87 und 98).

Dieses Mandat entsprach den Aufgaben der IAO seit ihrer Gründung 1919, namentlich der Förderung von sozialer Gerechtigkeit, Frieden und international anerkannten Menschenrechten. Es widerspiegelt aber auch die gewandelten Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre. Die Globalisierung ruft nach einer universellen Anwendung der grundlegenden Rechte. Der IAO ­ zusammen mit anderen Organisationen wie der Weltbank ­ muss es gelingen, die soziale Dimension der Globalisierung zu fördern, d. h. zu sichern, dass die Arbeitnehmer "einen gerechten Anteil der Früchte des Fortschritts" (Erklärung von Philadelphia [1944]; Verfassung der IAO) erhalten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Bevölkerung im In- und Ausland der gerade für ein kleines Land wie die Schweiz notwendigen Globalisierung ihre

1

Neue Bundesverfassung vom 18. April 1999

347

politische Unterstützung entzieht und gefährliche Forderungen nach Protektionismus oder forcierter Angleichung der sozialen Kosten Auftrieb erhalten.

Ihrem Mandat zur Förderung der Grundrechte kam die IAO zuerst mit einer Kampagne des Generaldirektors nach, in welcher dieser die Mitgliedstaaten aufforderte, alle sieben Kernübereinkommen der IAO zu ratifizieren und dem Amt jährlich über die Ratifikationshindernisse zu berichten. Diese Kampagne zeigte zwar einigen Erfolg ­ so ratifizierte die Schweiz im August 1999 die Übereinkommen Nr. 98 und 138 ­, doch zeigte sich, dass eine weltweite Ratifikation aller sieben Übereinkommen zu lange dauern würde.

Nicht zuletzt um dem impliziten Mandat der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) von Singapur (1996) zu genügen, setzte der Verwaltungsrat der IAO an seiner 270. Tagung (November 1997) die Prüfung einer Erklärung über die grundlegenden Arbeitnehmerrechte auf die Tagesordnung der 86. Tagung der IAK.

Eine solche Erklärung ist eine "formelle und feierliche Urkunde, die bei seltenen Anlässen gerechtfertigt ist, wenn Grundsätze von grosser Bedeutung und dauerhaftem Wert aufgestellt werden" (UNO-Generalsekretariat, UN-Doc. E/CN.4/L.610 [1962]). In der heute zur Verfassung der IAO gehörenden Erklärung von Philadelphia (1944), welche die Aufgaben der IAO nach den Schrecken der Grossen Depression und des Zweiten Weltkriegs neu definierte, hat die 1998 angenommene Erklärung eine bedeutende Vorläuferin.

Im Sommer 1998 wurde die Erklärung nach zähen Verhandlungen ohne Gegenstimme, aber mit einigen Enthaltungen von Entwicklungsländern angenommen.

4.2

Inhalt der Erklärung

Mit der Annahme der Erklärung verpflichten sich alle Mitgliedstaaten, folgende Grundsätze betreffend die in den sieben fundamentalen Übereinkommen verankerten grundsätzlichen Rechte in gutem Glauben und gemäss der IAO-Verfassung einzuhalten und zu fördern (Art. 2): a.

die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen;

b.

die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit;

c.

die effektive Abschaffung der Kinderarbeit;

d.

die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

Diese Rechte und Prinzipien sind allein auf Grund der Mitgliedschaft in der IAO einzuhalten, auch wenn Mitgliedstaaten die betreffenden Übereinkommen nicht ratifiziert haben. Die Erklärung legt weder neue Rechte fest noch definiert sie deren grundlegenden Charakter. Die Bedeutung dieser Rechte ergibt sich nämlich aus ihrem Inhalt und aus der Tatsache, dass sie bereits innerhalb und ausserhalb der IAO als grundlegend anerkannt worden sind.

Der Zweck der Erklärung, die weltweite Anwendung der von allen Mitgliedstaaten anerkannten Arbeitnehmerrechte, soll gemäss Artikel 3 durch zusätzliche und besser fokussierte Unterstützung und Beratung gefördert werden, welche zusätzlich auch die Ratifikation der sieben grundlegenden Übereinkommen erleichtern wird. Dabei wird die IAO verpflichtet, alle ihre verfassungsmässigen, operativen und budgetären Mittel einzusetzen, einschliesslich der Mobilisierung externer Mittel. Beabsichtigt 348

ist, dass Letzteres einerseits durch eine bessere Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen, vor allem mit der Weltbank, erreicht wird. Andererseits soll die Erklärung der IAO ­ gerade auch im Lichte der Lehren der Asienkrise ­ zu einer Erhöhung der ausserbudgetären Beiträge nationaler Entwicklungsorganisationen führen.

Ein Grossteil der Verhandlungen war der Frage einer möglichen Verbindung von Arbeitsnormen und Handel gewidmet. Die Erklärung spiegelt in Artikel 5 die Ministererklärung der WTO von Singapur: Arbeitsnormen sollen nicht für Protektionismus verwendet, die Deklaration nicht für diesen Zweck missbraucht und der relative Kostenvorteil der Entwicklungsländer durch die Erklärung nicht in Frage gestellt werden.

4.3

Der Folgemechanismus

Für die Schweiz war während der Verhandlungen ein effizienter Folgemechanismus zentral für den Erfolg der Erklärung, während für viele Entwicklungsländer der rein promotionelle Charakter des Folgemechanismus das wichtigste Ziel war. Der aus zwei Stufen bestehende neue Mechanismus könnte beide Ziele verbinden: Auf einer ersten Stufe haben Länder dem IAA Berichte über Fortschritte, Probleme und getroffene Massnahmen für jene fundamentalen Prinzipien und Rechte vorzulegen, deren Übereinkommen sie nicht ratifiziert haben. Dieses Verfahren beruht auf Artikel 19 Absatz 5 Buchstabe e der Verfassung der IAO und wird bereits für alle anderen nicht ratifizierten Übereinkommen verwendet. Die Antworten auf die Fragebogen werden von einer Gruppe von sieben Experten, welche noch zu bestimmen sind, analysiert und dem Verwaltungsrat in seiner Sitzung vom März vorgelegt.

Die Schweiz wird nicht unter die Berichtspflicht fallen, da Sie die Übereinkommen Nr. 98 und 139 gemäss unserem Antrag angenommen haben (BBl 1999 513) und die Ratifikationsurkunden im August 1999 hinterlegt wurden.

Auf der zweiten Stufe verfasst der Generaldirektor des IAA jedes Jahr einen Bericht an die IAK, der sowohl die Situation in den einzelnen Ländern als auch generelle Entwicklungen aufzeigt. Dieser Bericht wird jedes Jahr alternierend einer der vier Kategorien von fundamentalen Rechten gewidmet sein. Im Jahre 2000 wird sich der erste Bericht mit der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen befassen.

Der Bericht verwendet erstens die vom Verwaltungsrat besprochenen Berichte der ersten Stufe des Folgemechanismus, zweitens die nach Artikel 22 der IAOVerfassung erstellten Berichte der Staaten, welche die fundamentalen Übereinkommen ratifiziert haben, sowie drittens weitere offizielle Informationen, die nach den festgelegten Prinzipien gesammelt und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wurden (z. B. UNO-Sachverständigenausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Die Sozialpartner haben bei den Berichten nach den Artikeln 19 und 22 das Recht, diese zu kommentieren.

Der Bericht des Generaldirektors wird der im Juni stattfindenden IAK an einer Sondersitzung vorgelegt, an welcher die Delegationen auf hohem Niveau vertreten sind und das Medieninteresse gross ist. Das Resultat der Diskussion wird vom IAA analysiert und dient als Grundlage zur Erarbeitung eines Aktionsplans zuhanden des

349

folgenden Verwaltungsrates vom November, der die Prioritäten für die Unterstützung mittels technischer Kooperation und juristischer Beratung festlegen soll.

4.4

Bedeutung der Erklärung

Die Erklärung verbrieft die fundamentalen Prinzipien und Rechte bei der Arbeit.

Damit klärt sie Umfang und Gehalt dieser Rechte, die anlässlich des Weltsozialgipfels vor vier Jahren noch nicht klar umrissen waren. Von grösserer Bedeutung ist der dynamische Effekt der Erklärung und des Folgemechanismus: Falls die Erklärung, wie vom UNO-Generalsekretär anlässlich des Weltwirtschaftsforums von Davos (1999) gefordert, neben der UNO-Menschenrechtsdeklaration als Grundlage für die Arbeit von internationalen Organisationen und Privatwirtschaft akzeptiert wird, wurde tatsächlich ein bedeutendes Dokument geschaffen. Ein grosses Potenzial liegt auch im Folgemechanismus, der über die beschränkten Mittel der IAO hinaus die Entwicklungszusammenarbeit im sozioökonomischen Bereich besser fokussieren könnte.

5

Empfehlung (Nr. 189) über die allgemeinen Voraussetzungen für die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen in Klein- und Mittelbetrieben, 1998 (Anhang 5)

Die Empfehlung Nr. 189 ist nicht bindend, und die Frage der Ratifizierung stellt sich somit nicht.

Die Empfehlung wurde an der 85. Tagung der IAK, 1997, erstmals und an der 86. Tagung der IAK, 1998, abschliessend diskutiert. Im Rahmen der heute akzeptierten Bedeutung der KMU für die Schaffung von Arbeitsplätzen erfüllt die IAO ihr Mandat, welches u. a. die Förderung der Vollbeschäftigung beinhaltet.

Die Empfehlung wiederholt die zu fördernden grundsatzpolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, welche die Grundlage für erfolgreiche KMU sind (Teil II).

Beispielsweise werden erwähnt: die Bedeutung einer geeigneten Steuer-, Geld- und Beschäftigungspolitik, der Abbau von Hindernissen wie dem unzureichenden Zugang zu Krediten, geringen technischen Fähigkeiten und Führungsqualifikationen, Schwierigkeiten beim Zugang zu neuen Technologien, mangelnde Unternehmenskultur und ungenügende Weiterbildung (Teil III), unzureichender Marktzugang und übermässige Zulassungs- und sonstige Verwaltungsvorschriften. Bei der Ausformulierung der Strategien sollen die Sozialpartner ­ welche ebenfalls aus eigenen Mitteln die KMU zu unterstützen haben (Teil V) ­ beigezogen werden; dem Staat wird die Prüfung des Aufbaus einer wirksamen Dienstleistungsinfrastruktur zur Unterstützung von KMU in problematischen Bereichen empfohlen (Teil IV).

Der Bundesrat ist sich der Bedeutung der KMU für die Schweizer Wirtschaft bewusst. In den vergangenen Jahren wurden auf Grund verschiedener Studien aktive Massnahmen zur Förderung der KMU und zur Verbesserung von deren Rahmenbedingungen unternommen, so z. B. das «KMU-Guichet» des seco.

350

6

Übereinkommen (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999 (Anhang 6)

6.1

Allgemeiner Teil

6.1.1

Einleitung

Der Kampf gegen die Kinderarbeit datiert auf internationaler Ebene zurück in die Anfänge der IAO: Bereits 1919 legte das Übereinkommen (Nr. 5) ein Mindestalter für den Zugang zur Beschäftigung zur industriellen Arbeit fest. 1973 wurden die verschiedenen sektoriellen Übereinkommen ins Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung gegossen. Dieses Übereinkommen, das bisher von 77 Ländern ratifiziert wurde, ist die grundlegende internationale Urkunde im Bereich der Kinderarbeit. Dieses Übereinkommen, das Mindestalter für die einzelnen Beschäftigungen festsetzt, zielt letztlich auf die vollständige Abschaffung der Kinderarbeit weltweit ab.

Es hat sich aber gezeigt, dass das Erreichen dieses Ziels Zeit braucht. Nach Schätzungen der IAO arbeiten heute weltweit rund 250 Millionen Kinder unter 14 Jahren; etwa 50 bis 60 Millionen von ihnen verrichten Arbeiten, die im Verhältnis zum Alter und zur Verletzlichkeit der Kinder als gefährlich gelten können.

In den letzten Jahren hat sich die internationale Gemeinschaft vermehrt der Frage der Kinderarbeit zugewendet; tatsächlich geht dieses Phänomen trotz mehrerer Kampagnen und Massnahmen noch immer nicht zurück. Es haben zahlreiche internationale Konferenzen stattgefunden, und nach den am Weltsozialgipfel von Kopenhagen (März 1995) gemachten Zusagen folgten eine Reihe von Massnahmen.

Da es nicht möglich ist, sämtliche Formen der Kinderarbeit unverzüglich zu beseitigen, besteht heute ein internationaler Konsens darüber, dass den unerträglichsten Formen der Kinderarbeit, das heisst vor allem Zwangsarbeit und gefährlicher Arbeit, Ausbeutung von sehr jungen Kindern sowie sexueller Ausbeutung von Kindern, sofort ein Ende gesetzt werden muss. An seiner 265. Tagung hat der Verwaltungsrat des IAA die Frage der Kinderarbeit im Hinblick auf die Verabschiedung von neuen internationalen Arbeitsnormen auf die Tagesordnung der 86. Tagung (1998) der IAK gesetzt; dies vor allem mit dem Ziel, Massnahmen zu fördern, um die unerträgliche Ausbeutung von Kindern, die unter gefährlichen Bedingungen arbeiten, sofort zu beenden.

Dieses Thema wurde nach dem üblichen Verfahren der zweimaligen Beratung behandelt. Die erste Beratung an der 86. Tagung der IAK 1998 führte zur Ausarbeitung eines Übereinkommens- und eines Empfehlungsentwurfs. Nach der
zweiten Beratung an der 87. Tagung der IAK hat die Konferenz am 17. Juni 1999 das Übereinkommen (Nr. 182) über das Verbot und unverzügliche Massnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sowie die dazu gehörige Empfehlung (Nr. 190) verabschiedet.

Die Schweiz hat sich sehr aktiv an den Arbeiten für die Verabschiedung dieser internationalen Urkunden beteiligt, und wie zahlreiche weitere Länder, etwa die Vereinigten Staaten durch ihren Präsidenten an der 87. Tagung der IAK, hat sie ihre Absicht erklärt, Ihnen die Frage der Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 182 so schnell wie möglich zu unterbreiten.

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6.1.2

Haltung der Bundesbehörden

Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 182 stimmt voll und ganz mit der Politik der Schweiz der letzten Jahre zum Schutz der Rechte des Kindes, insbesondere des arbeitenden Kindes, überein. Nach seiner Ratifizierung ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (SR 0.107) für unser Land am 26. März 1997 in Kraft getreten. Gemäss Artikel 32 dieses Übereinkommens erkennen die Vertragsstaaten das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu Arbeiten herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnten.

In diesem Jahr haben Sie der Ratifikation des Übereinkommens (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung durch die Schweiz zugestimmt (Botschaft vom 21. Sept. 1998; BBl 1999 513 ff.). Dieses Übereinkommen, das darauf abzielt, die Kinderarbeit vollständig abzuschaffen, verpflichtet die beigetretenen Staaten, ein Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung festzusetzen, das nicht unter dem Alter, in dem die Schulpflicht endet, und auf keinen Fall unter 15 Jahren liegen darf (Art. 2). Diese Urkunde verlangt bereits ein Mindestalter von 18 Jahren für Arbeiten, die wegen ihrer Art oder der Verhältnisse, unter denen sie verrichtet werden, für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit der Jugendlichen voraussichtlich gefährlich sind (Art. 3).

Auch wenn sich in der nBV nunmehr kein ausdrückliches Verbot der Kinderarbeit findet (Ablehnung des Vorschlags zu Art. 101), stellt dies keinesfalls in Frage, dass Kindern auf diesem Gebiet ein besonderer Schutz zukommt. Das Hauptargument für die Ablehnung dieses Vorschlags bestand darin, dass das Verbot der Kinderarbeit in der Schweiz selbstverständlich sei; zudem mache die Tatsache, dass die Schweiz allen internationalen Urkunden im Bereich des Kinderschutzes beigetreten sei, die Erwähnung in der BV überflüssig. Mit Artikel 11 Absatz 1 verfügt die nBV schliesslich über eine Bestimmung, welche den Anspruch der Kinder und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit ausdrücklich verankert.

An der 86. Tagung der IAK (1998) hat die internationale Gemeinschaft ihr Engagement für die Bekämpfung der
Kinderarbeit durch die Verabschiedung der Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit bekräftigt. Nach dieser Erklärung sind alle Mitgliedstaaten der IAO allein schon durch ihre Mitgliedschaft bei dieser Organisation verpflichtet, nach Treu und Glauben gewisse grundlegende Rechte zu fördern und einzuhalten, darunter insbesondere die effektive Abschaffung der Kinderarbeit.

Gemäss langjähriger Ratifkationspraxis werden Übereinkommen der IAO nur ratifiziert, wenn deren Bestimmungen mit der geltenden Gesetzgebung vereinbar sind (BBl 1969 I 721). Für grundlegende Übereinkommen haben Sie kürzlich mit der Genehmigung der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 138 einer Anpassung dieser Praxis zugestimmt.2 Solche Übereinkommen sind ein integraler Bestandteil der sozialen Dimension der Globalisierung, und alle Staaten sollten sie als Akt der internationalen Solidarität ratifizieren. Wie im Falle der seit langem anerkannten Lückenfüllung durch IAO-Übereinkommen können neu bei grundlegenden Über-

2

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Botschaft vom 21. Sept. 1998, Ziff. 612; genehmigt am 18. März 1999

einkommen kleine Gesetzesanpassungen vorgenommen werden, wenn Übereinkommen und Gesetzgebung im Grossen und Ganzen in Einklang stehen.

Unser innerstaatliches Recht stimmt mit einer Ausnahme mit den Bestimmungen des Übereinkommens überein: Mit dem Übereinkommen nicht vereinbar ist Artikel 82 des Militärgesetzes (MG), wonach der Bundesrat im Landesverteidigungsdienst das Alter für die Stellungspflicht bis auf das 18. Altersjahr herabsetzen kann: Jugendliche können also vor ihrem 18. Geburtstag zum Landesverteidigungsdienst aufgeboten werden. Dieser Bestimmung kam in den vergangenen Jahrzehnten keine Bedeutung zu, und angesichts der geopolitischen Lage dürfte dies in absehbarer Zukunft nicht anders sein.

Wir schlagen Ihnen deshalb vor, Artikel 82 MG anzupassen, damit die Stellungspflicht einheitlich am Anfang des Jahres beginnt, in dem der Militärdienstpflichtige das 19. Altersjahr vollendet. Die Schweiz verzichtet damit ­ wie alle anderen das Übereinkommen ratifizierenden Staaten auch ­ auf den Einsatz eines Jahrganges im Falle des Landesverteidigungsdienstes. Weiterhin möglich bleiben aber die freiwillige Meldung zum Militärdienst sowie die ebenfalls freiwillige militärische Ausbildung im Rahmen der vordienstlichen Ausbildung.

Ein Vernehmlassungsverfahren erübrigte sich: Das Bundesrecht sieht ein solches für die Änderung des MG nicht ausdrücklich vor, und weder bei der Änderung des MG noch bei der Annahme des Übereinkommens der IAO wird ein Entscheid von erheblicher politischer, wirtschaftlicher, finanzieller oder kultureller Tragweite gefällt oder muss dieser Entscheid in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung vom 17. Juni 1991 über das Vernehmlassungsverfahren; SR 172.062).

Mit dem Vorschlag zur Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 182 beteiligt sich die Schweiz weiterhin an der internationalen Dynamik konkreter Massnahmen zur Bekämpfung der Kinderarbeit.

6.2

Besonderer Teil

6.2.1

Erläuterung der Bestimmungen und allgemeine Haltung der Schweiz zu diesem Übereinkommen

Ziel des Übereinkommens Nr. 182 ist es, dass jedes ratifizierende Mitglied vordringlich unverzügliche und wirksame Massnahmen ergreift, um das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sicherzustellen. Diesem Ziel können wir uns selbstverständlich voll und ganz anschliessen.

Das Übereinkommen Nr. 182 umfasst 16 Artikel, von denen die ersten acht materiell-rechtliche Bestimmungen sind. Damit festgestellt werden kann, ob die Schweiz die Anforderungen dieses Übereinkommens erfüllt, müssen diese ersten acht Artikel im Hinblick auf die Bestimmungen des positiven Rechts sowie folgender Gesetze überprüft werden: Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20); Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210); Obligationenrecht (OR; SR 220); Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0); Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG; SR 312.5); Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (MG; SR 510.10); Verordnung vom 24. August 1994 über die Dauer der Militärdienstpflicht (VDM; SR 510.105); Verordnung vom 17. August 1994 über die Aushebung der 353

Stellungspflichtigen (VAS; SR 511.11); Verordnung vom 24. August 1994 über das Bestehen der Ausbildungsdienste (VBA; SR 512.22); Bundesgesetz über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge (SSG; SR 747.30) und seine Ausführungsverordnung (Seeschiffahrtsverordnung; SR 747.301); Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121); Arbeitsgesetz (ArG; SR 822.11) und seine Ausführungsverordnungen, vor allem Verordnung 1 (ArGV 1; SR 822.111); Bundesgesetz vom 8. Oktober 1971 über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (Arbeitszeitgesetz, AZG; SR 822.21); Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Heimarbeit (HaG; SR 822.31); Heimarbeitsverordnung vom 20. Dezember 1982 (HArGV; SR 822.311); Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21).

Nach Artikel 1 hat jeder Mitgliedstaat, der das Übereinkommen ratifiziert, unverzügliche und wirksame Massnahmen zur vordringlichen Sicherstellung des Verbots und der Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit anzunehmen.

Diese Bestimmung nennt das Ziel des Übereinkommens, das darin besteht, Massnahmen zum Verbot und zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, die in Artikel 3 des Übereinkommens aufgezählt werden, sofortige Priorität einzuräumen. Angesichts des positiven Rechts der Schweiz können wir davon ausgehen, dass dieses Ziel bereits erreicht ist.

Artikel 1 kann somit angenommen werden.

Nach Artikel 2 gilt der Ausdruck «Kind» für alle Personen unter 18 Jahren. Diese Altersgrenze stammt aus Artikel 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes. Der Schutz, den diese Urkunden gewähren, endet am 18. Geburtstag des Kindes. Im Bereich des ArG fallen jugendliche Arbeitnehmer bis zum vollendeten 19. Altersjahr und Lehrlinge bis zum vollendeten 20. Altersjahr unter die besonderen Schutzbestimmungen (Art. 29 ArG). Artikel 2 wird im Rahmen der Erläuterungen zu Artikel 3 genauer geprüft.

Artikel 3 legt fest, welche Tätigkeiten als schlimmste Formen der Kinderarbeit gelten und somit unter das Übereinkommen fallen. In der Schweiz kommen im Allgemeinen keine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vor. In gewissen Bereichen wie der Kinderprostitution und verwandten Aktivitäten (Nacktfotos für Zeitschriften, Erotik-Linien, Cabarets usw.) oder der Mithilfe zu kriminellen Handlungen
(Drogenhandel) sind jedoch auch heute Missbräuche möglich.

Unter Buchstabe a wird die erste Kategorie dieser schlimmsten Formen beschrieben, das heisst alle Formen der Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, wie Kinderverkauf und Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft sowie Zwangsarbeit, einschliesslich Zwangsrekrutierung von Kindern für den Einsatz in bewaffneten Konflikten.

Zwangsarbeit ist seit der Gründung des Bundesstaates 1848 verboten. Missbräuche werden durch Straftatbestände des StGB erfasst, so insbesondere durch die Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit (Art. 180 ff.). Bezüglich des Menschenhandels im sexuellen Bereich vgl. Artikel 196 StGB. Findet die Zwangsarbeit ausserdem im Rahmen der Familie statt ­ z. B. beim zwangsweisen Einsatz für Werbung (Säuglinge, Kinder als Models) ­, kommt kumulativ eine Verletzung der elterlichen Fürsorge- und Erziehungspflicht gemäss ZGB hinzu (Art. 219 StGB).

Zwangsarbeit, Sklaverei und Kinderhandel sind insbesondere auch durch die folgenden, für die Schweiz in Kraft stehenden, internationalen Übereinkommen erfasst: 354

Internationales Übereinkommen vom 18. Mai 1904 zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes gegen das unter dem Namen «Mädchenhandel» bekannte verbrecherische Treiben (SR 0.311.31), das volljährigen Frauen und minderjährigen Mädchen einen wirksamen Schutz gegen den genannten Handel bieten soll; Internationales Übereinkommen vom 4. Mai 1910 zur Bekämpfung des Mädchenhandels (SR 0.311.32); Internationales Übereinkommen vom 30. September 1921 zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels (SR 0.311.33), das darauf abzielt, diejenigen zu verfolgen und zu bestrafen, die Handel mit Kindern beiderlei Geschlechts betreiben; Sklavereiabkommen vom 25. September 1926 (SR 0.311.37); Zusatzübereinkommen vom 7. September 1956 über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken (SR 0.311.371); IAO-Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930 (SR 0.822.713.9); IAO-Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957 (SR 0.822.720.5); Internationales Übereinkommen vom 4. Mai 1910 zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen (SR 0.311.41); Internationales Übereinkommen vom 12. September 1923 zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen (SR 0.311.42), das alle Massnahmen fördert, die dazu dienen, diejenigen zu entdecken, zu verfolgen und zu bestrafen, die unter dieses Übereinkommen fallen, und schliesslich das Europäische Übereinkommen vom 24. November 1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (SR 0.312.5), das die Entschädigung vor allem für diejenigen regelt, die schwere körperliche oder gesundheitliche Schäden erlitten haben, die direkt auf eine vorsätzliche Gewalttat zurückzuführen sind.

Artikel 3 Buchstabe a verbietet auch gewisse Formen der Rekrutierung zum Militärdienst. Eine zwangsweise oder obligatorische Rekrutierung von Kindern im Hinblick auf eine Verwendung in bewaffneten Konflikten steht in der Schweiz grundsätzlich nicht zur Diskussion. Zwar besteht nach Artikel 8 Absatz 2 MG für jeden männlichen Schweizer die Pflicht, an der Aushebung teilzunehmen, dies jedoch erst ab Anfang jenes Jahres, in dem er das 19. Altersjahr vollendet. In der Regel wird er gemäss Artikel 8 Absatz 3 MG und Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a VAS in diesem Jahr
denn auch aufgeboten. Die Pflicht, sich für die Aufnahme in die Militärkontrolle zu melden, beginnt nach Artikel 7 Absatz 2 MG für Schweizer Bürger ebenfalls erst ab Anfang jenes Jahres, in dem das 19. Altersjahr vollendet wird. Die Militärdienstpflicht beginnt gemäss Artikel 13 Absatz 1 MG sogar erst am Anfang des Jahres, in dem die Pflichtigen das 20. Altersjahr vollenden. Ebenso ist die Rekrutenschule gemäss Artikel 49 Absatz 1 MG in der Regel in dem Jahr zu bestehen, in dem das 20. Altersjahr vollendet wird. Es ergeben sich somit in Bezug auf das Übereinkommen grundsätzlich keine Probleme.

Mit dem Übereinkommen nicht vereinbar ist hingegen die Regelung von Artikel 82 MG, wonach der Bundesrat im Landesverteidigungsdienst das Alter für die Stellungspflicht bis auf das 18. Altersjahr herabsetzen kann. Je nach Geburtstag des Stellungspflichtigen und Versand des militärischen Aufgebots kann Letzteres vor dem Erreichen des 18. Geburtstages des Stellungspflichtigen, d. h. vor Erreichen der Schutzgrenze des Übereinkommens, eintreffen. Artikel 82 MG kam in den vergangenen Jahrzehnten keine Bedeutung zu, und angesichts der geopolitischen Lage dürfte dies, wie bereits erwähnt, in absehbarer Zukunft nicht anders sein. Ausserdem verfügt der General mit der Generalklausel von Artikel 91 MG im Kriegsfall weiterhin über die Möglichkeit, im Rahmen des Gesetzes andere Ressourcen zu mobilisieren.

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Wir schlagen Ihnen deshalb vor, Artikel 82 MG anzupassen. Der Artikel betrifft nicht nur die Herabsetzung des Alters für die Stellungspflicht, sondern auch die Verschiebung der Entlassung aus der Wehrpflicht. Neu soll Artikel 82 MG auf Letzteres beschränkt werden und folgenden Wortlaut erhalten: «Im Landesverteidigungsdienst kann der Bundesrat das Alter für die Entlassung aus der Militärdienstpflicht verschieben. Er trägt dabei den Bedürfnissen der Gesamtverteidigung Rechnung.» Damit verzichtet die Schweiz ­ wie alle anderen das Übereinkommen ratifizierenden Staaten auch ­ auf den Einsatz eines Jahrganges im Falle des Landesverteidigungsdienstes. Diese Anpassung des MG unterstreicht erneut die von der Schweiz unterstützten internationalen Bemühungen, die Altersgrenze für die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten von 15 (Art. 38 der Kinderrechtskonvention) auf 18 Jahre anzuheben.

Gemäss Artikel 8 Absatz 2 MG hat der Bundesrat ferner die Kompetenz, Ausnahmen betreffend die Altersgrenzen für die Aushebung vorzusehen. Gestützt darauf hat er mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c VAS die Möglichkeit geschaffen, dass sich Schweizer Bürger bereits im 17. oder 18. Altersjahr ausheben lassen können. In der Folge können diese nach Artikel 3 Absatz 3 VBA die Rekrutenschule, zu deren Absolvierung sie verpflichtet sind, bereits im 18. Altersjahr absolvieren. Die frühzeitige Aushebung ist jedoch explizit und das frühzeitige Absolvieren der Rekrutenschule implizit freiwillig. Beides fällt damit nicht unter Artikel 3 Buchstabe a der Konvention, der von einem Zwang oder einer Pflicht spricht. Ähnliches gilt für die weibliche Stellungspflichtige, die nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d VAS bereits im 18. Altersjahr zur Aushebung aufgeboten werden kann. Hier ist sogar, auf Grund von Artikel 3 Absatz 1 MG, die Anmeldung zum Militärdienst freiwillig. Ebenso ist eine allfällige Absolvierung der Rekrutenschule vor Vollendung des 18. Altersjahrs auf Grund von Artikel 3 Absatz 1 VBA freiwillig. Auch die Zuteilung und Zuweisung von Personen zur Armee nach Artikel 6 MG ergibt trotz der in Artikel 15 VDM festgelegten unteren Grenze des Anfangs des Jahres, in dem das 18. Altersjahr vollendet wird, keine Probleme, da nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a MG nur Freiwillige zugeteilt oder zugewiesen werden (es ist vorgesehen,
die VBA und die VDM per 1. Januar 2000 in einer neuen Ausbildungsdienstverordnung, ADV, aufgehen zu lassen; Art. 3 VBA soll dabei zu Art. 60 ADV, Art. 15 VDM zu Art. 11 ADV werden, jeweils mit identischem Wortlaut).

Ein Einbezug von Kindern (im Sinne der Konvention) zu militärischen Ausbildungszwecken erfolgt zudem vor allem im Rahmen der vordienstlichen Ausbildung, die in Artikel 64 MG geregelt wird. Die Teilnahme an solchen Ausbildungen ist aber gemäss Absatz 2 dieses Artikels freiwillig. Es besteht somit kein Konflikt mit der Konvention.

Gemäss Artikel 3 Buchstabe b gelten das Heranziehen, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornografie oder zu pornografischen Darbietungen ebenfalls als schlimmste Formen der Kinderarbeit.

Das Strafgesetzbuch bestraft diejenigen, die eine minderjährige Person der Prostitution zuführen (Art. 195 Abs. 1 StGB). Geschützt werden also Minderjährige, das heisst Personen, die das 18. Altersjahr noch nicht vollendet haben. Es ist nicht erforderlich, dass ein Abhängigkeitsverhältnis besteht und dass die Täterin oder der Täter der strafbaren Handlung dieses ausnutzt oder dadurch einen Vermögensvorteil erzielt. Minderjährige geniessen also einen allgemeinen Schutz, da ihre Fähigkeit zur Selbstbestimmung noch nicht voll entwickelt ist. Der Prostitution zuführen bedeutet, eine Person in dieses Gewerbe einzuführen und dazu zu bringen, es auszu356

üben. Es geht darum, eine andere Person (die dieses Gewerbe nicht ausübt) mit verschiedenen Mitteln, die vom einfachen Rat bis zu massivem Druck gehen können, dazu zu bringen, sich zu prostituieren. Die Ausdrücke Heranziehung und Vermittlung zur Prostitution im Sinne des Übereinkommens Nr. 182 werden durch den im innerstaatlichen Recht verwendeten Ausdruck der Prostitution zuführen abgedeckt.

Sie alle sind mit Zwang verbunden.

Das schweizerische Strafrecht setzt die sexuelle Mündigkeit auf 16 Jahre fest (Art. 187 StGB). Eine minderjährige Person, die das 18. Altersjahr noch nicht vollendet hat, aber älter als 16 Jahre ist, kann sich somit prostituieren, sofern dies aus freien Stücken geschieht; es handelt sich dann um einverständliche sexuelle Handlungen zwischen sexuell mündigen Personen. In diesem Fall kann man weder von Ausbeutung noch von Zwang sprechen. Insofern die sich prostituierende Person zwischen 16 und 18 Jahren zur Prostitution weder herangezogen noch vermittelt wird, fällt dieses Verhalten nicht unter das Übereinkommen Nr. 182 (so auch Bericht VI (2) zur 86. IAK, S. 63).

Der Ausdruck Anbieten zur Prostitution, der im Übereinkommen Nr. 182 verwendet wird, ist weniger absolut als die Heranziehung oder die Vermittlung. Der Begriff «Anbieten» beinhaltet aber trotzdem die Möglichkeit der Beeinflussung des zur Prostitution angebotenen Jugendlichen im Rahmen eines Autoritäts- und Abhängigkeitsverhältnisses, wie es bei der Ausübung der elterlichen Sorge oder in einem Arbeitsverhältnis vorliegt. Das Anbieten zur Prostitution ist in diesen Fällen ein krasser Verstoss gegen die auf das Kindeswohl gerichtete elterliche Sorge (Art. 301 ZGB) oder die Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (Art. 328 OR). Eine solche Verletzung kann zudem gemäss Artikel 188 Absatz 1 StGB mit Gefängnis bestraft werden.

Was die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten zur Herstellung von Pornografie oder zu pornografischen Darbietungen angeht, so bestraft das schweizerische Recht (Art. 197 Ziff. 3 StGB) denjenigen mit Gefängnis oder Busse, der Gegenstände oder Vorführungen, die insbesondere sexuelle Handlungen mit Kindern zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht. Nach der
vorherrschenden Lehre beschreibt der Begriff Kinder Personen unter 16 Jahren. Sexuelle Handlungen, zu denen sexuell mündige Personen, also auch solche zwischen 16 und 18 Jahren, gezwungen würden, fallen auch dann unter die Artikel 188­192 StGB, wenn diese Handlungen zur Herstellung von Pornografie oder zu pornografischen Darbietungen begangen werden.

Im Bereich des Arbeitsrechts verpflichtet Artikel 29 Absätze 2 und 3 ArG den Arbeitgeber, für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen und Jugendliche vor schlechten Einflüssen eines Betriebes zu bewahren. Das beinhaltet auch den Schutz Jugendlicher vor Übergriffen Dritter gegen die Sittlichkeit. Artikel 56 Buchstabe c ArGV 1 konkretisiert und verbietet den Einsatz Jugendlicher vor dem vollendeten 18. Altersjahr in der Bedienung in Unterhaltungsbetrieben, Nachtlokalen, Dancings, Diskotheken und Barbetrieben. Ausserdem erhalten ausländische Cabarettänzerinnen erst ab dem 20. Altersjahr eine Arbeitsbewilligung (Art. 9 Abs. 5 Bst. b BVO i.V.

mit Art. 20 Abs. 3 ANAG). Das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten Jugendlicher zur Prostitution und zu prostituierenden Darbietungen in obigen Etablissements werden durch Artikel 29 ArG i.V. mit Artikel 56 ArGV 1 abgedeckt, auch wenn dort nur die Bedienung in diesen Etablissements erwähnt wird, welche die Sittlichkeit weniger beeinträchtigt; Arbeitsverträge zum Zwecke des Anbietens Jugendlicher zur 357

Prostitution können jedoch nicht in ArGV 1 erwähnt werden, da sie gemäss Artikel 20 OR unsittlich und somit nichtig sind.

In ArGV 1 nicht erwähnt wird jedoch die Produktion von pornografischem Material.

Entsprechend unserer Praxis bei der Ratifizierung der Übereinkommen der IAO (BBl 1969 I 721) werden, wenn das Übereinkommen im Grossen und Ganzen mit der geltenden Gesetzgebung übereinstimmt, die Lücken in dieser Gesetzgebung durch Bestimmungen des Übereinkommens geschlossen; durch die Ratifikation sind nämlich diese Bestimmungen zum integralen Bestandteil des Bundesrechts geworden und somit direkt anwendbar. Basierend auf Artikel 29 Absätze 2 und 3 ArG sowie den Bestimmungen der ArGV 1 kann diese Lücke durch die direkte Anwendung des Übereinkommens geschlossen werden: Ein Arbeitsverhältnis mit dem Ziel des Heranziehens, Vermittelns und Anbietens Jugendlicher unter 18 Jahren zur Herstellung pornografischen Materials wird somit ausgeschlossen. Im Rahmen der zurzeit stattfindenden Revision der Verordnungen des Arbeitsgesetzes wird der Bundesrat einerseits die ArGV 1 formal und inhaltlich den Anforderungen der Zeit und der internationalen Übereinkommen anpassen und mit dem gleichen Ziel andererseits eine eigene Jugend-Arbeitsschutzverordnung schaffen. Damit wird diese Lücke auch formal auf Verordnungsstufe geschlossen.

Gemäss Artikel 3 Buchstabe c besteht eine weitere der schlimmsten Formen der Kinderarbeit in der Heranziehung, der Vermittlung oder dem Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von Drogen und zum Verkehr mit Drogen, wie sie in den einschlägigen internationalen Übereinkünften definiert sind.

Das schweizerische Strafrecht kennt keine Strafnorm, welche explizit die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von Drogen und zum Verkehr mit Drogen, unter Strafe stellt. Das BetmG stellt aber die verschiedenen Tathandlungen der Herstellung von und des Handels mit Betäubungsmitteln unter Strafe (Art. 19 BetmG). Der Täter kann als mittelbarer Täter bestraft werden, wenn er das nicht einsichtsfähige Kind zur Begehung der Tat bestimmt oder es nötigt, die strafbare Handlung zu begehen.

Als Anstifter wäre er dann strafbar, wenn er das Kind vorsätzlich dazu bestimmt, die vorsätzliche Straftat
zu begehen. Die Schweiz kommt mit den strafrechtlichen Bestimmungen des BetmG den Verpflichtungen nach, die sich aus den von ihr ratifizierten Übereinkommen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln ergeben, nämlich insbesondere: Internationales Abkommen vom 19. Februar 1925 über die Betäubungsmittel (SR 0.812.121.4); Abkommen vom 13. Juli 1931 zur Beschränkung der Herstellung und zur Regelung der Verteilung der Betäubungsmittel (SR 0.812.121.5); Abkommen vom 26. Juni 1936 zur Unterdrückung des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln (SR 0.812.121.6); Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel (SR 0.812.121.0); Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe (SR 0.812.121.02). Das Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen wurde von der Schweiz noch nicht ratifiziert (die Botschaft dazu wurde in BBl 1996 I 609­667 publiziert). Nach diesen internationalen Übereinkommen ist also die Herstellung von oder der Handel mit Betäubungsmitteln nicht weiter gehend zu bestrafen, als dies in der Schweiz der Fall ist. Daraus ergibt sich, dass die bestehenden Strafbestimmungen des BetmG den Anforderungen von Artikel 3 Buchstabe c des Übereinkommens über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit genügen.

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Gemäss Buchstabe d dieses Artikels schliesslich stellt solche Arbeit eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit dar, die ihrer Natur nach oder auf Grund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist. Artikel 4 des Übereinkommens regelt die genaue Festlegung der Tätigkeiten, die unter diese Kategorie fallen.

Sowohl dem Wortlaut als auch dem Geiste nach ähnelt dieser Buchstabe d dem Artikel 3 des Übereinkommens Nr. 138, das bereits vorsieht, dass das Mindestalter für solche Tätigkeiten nicht unter 18 Jahren liegen darf. Die Bestimmungen zum Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung finden sich im ArG (Art. 29 ff.). Eine Änderung des Geltungsbereichs dieses Gesetzes wird nicht erforderlich sein, obschon das Übereinkommen Nr. 182 auf jede Beschäftigung in jedem Beruf und damit auch für die Landwirtschaft, die Gärtnereibetriebe, die Fischerei und die privaten Haushaltungen gilt, die normalerweise vom Geltungsbereich des ArG ausgenommen sind. Tatsächlich schreibt ein neuer Absatz 4 zu Artikel 2 ArG, der eingefügt wurde, um die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 138 zu ermöglichen, vor, dass die Mindestaltersbestimmungen des Gesetzes und seiner Verordnungen auf Unternehmen im Sinne von Absatz 1 Buchstaben d­g, d. h. auf die oben genannten Bereiche, anwendbar sind3. Diese Änderung erfüllt insofern auch die Anforderungen des Übereinkommens Nr. 182, als der Ausdruck die schlimmsten Formen der Kinderarbeit einem Mindestalter (18 Jahre) für den Zugang zu gewissen Arten von Beschäftigungen entspricht und dieses Mindestalter bereits im Übereinkommen Nr. 138 für gefährliche Arbeiten vorgesehen ist; in der Botschaft zur Ratifikation dieses Übereinkommens wurde bereits klar festgestellt: die Änderung des ArG «erlaubt es, die Mindestaltersbestimmungen bezüglich gefährlicher Arbeiten auf die bisher vom ArG nicht abgedeckten Bereiche (...) anzuwenden»4.

Dies gilt auch für Familienbetriebe, selbst wenn diese vom Anwendungsbereich des ArG (Art. 4. Abs. 1 ArG) und des Übereinkommens Nr. 138 generell ausgenommen sind. Die Botschaft zum Übereinkommen Nr. 138 stellte fest: gefährliche Arbeiten im Rahmen von Familienbetrieben, «können gemäss Absatz 3 nicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen
werden. Eine Gefährdung oder Schädigung der physischen oder psychischen Integrität des Kindes durch gefährliche Arbeit ist ein Verstoss gegen die elterliche Fürsorgepflicht und kann bereits heute durch die entsprechenden Massnahmen gemäss ZGB oder sogar StGB geahndet werden»5.

Auch betreffend die Situation von Hausangestellten6 verweisen wir auf die Botschaft zur Ratifikation des Übereinkommens Nr. 138, da die schweizerische Gesetzgebung die Anforderungen des Übereinkommens Nr. 182 diesbezüglich bereits erfüllt.

Wie wir bei Artikel 3 Buchstabe d gesehen haben, sieht Artikel 29 Absätze 2 und 3 ArG vor, dass der Arbeitgeber auf die Gesundheit der Jugendlichen gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen hat; die Verordnung kann die Beschäftigung von Jugendlichen für gewisse Arbeiten verbieten oder sie an besondere Bedingungen knüpfen, um ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Sittlichkeit zu schützen. So sieht Artikel 54 ArGV 1 ein Verbot vor, Jugendliche 3 4 5 6

A.a.O., Ziff. 612 A.a.O., Ziff. 621, Kommentar zu Art. 3 A.a.O., Ziff. 621, Kommentar zu Art. 4 Abs. 1 A.a.O., Ziff. 621, Kommentar zu Art. 2 und zu Art. 9

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für eine Reihe von Tätigkeiten heranzuziehen, darunter beispielsweise Arbeiten, bei denen eine erhebliche Brand-, Explosions-, Unfall-, Erkrankungs- oder Vergiftungsgefahr besteht (Bst. b) oder Untertagearbeit im Stollenbau und in Bergwerken (Bst. e). Artikel 56 Buchstabe c ArGV 1 verbietet die Beschäftigung von Jugendlichen vor dem vollendeten 18. Altersjahr für die Bedienung von Gästen in gewissen Unterhaltungsbetrieben (siehe oben zu Art. 3 Bst. d). Weitere in Artikel 55 ArGV 1 aufgezählte Tätigkeiten sind für Jugendliche unter 16 Jahren verboten, beispielsweise Arbeiten, die mit heftiger Erschütterung verbunden sind (Bst. a), Arbeiten bei grosser Hitze und bei grosser Kälte (Bst. d) oder das Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten (Bst. e).

Bei der Revision des ArG ist Artikel 29 unverändert geblieben. Wie bereits erwähnt, soll jedoch der 4. Titel der ArGV 1 (Art. 54 ff.) über den besonderen Schutz jugendlicher Arbeitnehmer vollständig überarbeitet werden. Tatsächlich sind diese Bestimmungen heute in ihrem Wortlaut überholt, sie erfüllen aber im Allgemeinen die Anforderungen der internationalen Urkunden, insbesondere der Übereinkommen Nr. 138 und 182. Im Rahmen der oben erwähnten Revision der Verordnungen des ArG werden die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden.

Im Hinblick auf weitere Gesetze in diesem Bereich (HaG, AZG, SSG) verweisen wir auf die Botschaft zur Ratifikation des Übereinkommens Nr. 1387.

In Anbetracht dieser Ausführungen können die Artikel 2 und 3 voll und ganz angenommen werden.

Gemäss Artikel 4 des Übereinkommens sind die unter Artikel 3 Buchstabe d erwähnten Arten von Arbeit durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch die zuständige Stelle nach Beratung mit den in Betracht kommenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu bestimmen, wobei die einschlägigen internationalen Normen zu berücksichtigen sind, insbesondere die Absätze 3 und 4 der Empfehlung (Nr. 190), betreffend die schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Abs. 1). Die zuständige Stelle hat dann, wiederum nach Beratung mit den Sozialpartnern, zu ermitteln, wo die so bestimmten Arten von Arbeit bestehen (Abs. 2). Die Liste der Tätigkeiten ist in Beratung mit den Sozialpartnern regelmässig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu revidieren (Abs. 3).

Bei den gemäss Absatz 1 bei der Definition
der gefährlichen Arbeiten zu berücksichtigenden internationalen Übereinkommen handelt es sich im Falle der Schweiz vor allem um den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das IAO-Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung sowie die IAO-Übereinkommen (Nr. 6) über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe, (Nr. 62) über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten, (Nr. 115) über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierenden Strahlen und (Nr. 139) über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren.

Die im ArG und in der ArGV 1 enthaltene Aufzählung der Tätigkeiten, die für unter Achtzehnjährige verboten sind, erfüllt bereits die Anforderungen von Artikel 4 Absatz 1 des Übereinkommens, und sie ist in Beratung mit den Sozialpartnern entstanden, da diese in der Eidgenössischen Arbeitskommission (EAK) vertreten sind

7

360

A.a.O., Ziff. 621, Kommentar zu Art. 3

(Art. 43 ArG), die an der Ausarbeitung und Änderung des ArG und seiner Verordnungen beteiligt ist.

Eine zweite Hilfe bei der Festlegung der gefährlichen Arbeiten sind die Absätze 3 und 4 der Empfehlung, welche nicht rechtsverbindlich ist: In Absatz 3 der Empfehlung findet sich eine Liste der Arbeiten, die bei der Bestimmung der unter Artikel 3 Buchstabe d des Übereinkommens erwähnten Arbeiten zu berücksichtigen sind. Es sind dies: Arbeit, die Kinder einem körperlichen, psychologischen oder sexuellen Missbrauch aussetzt (Bst. a), Arbeit unter Tage, unter Wasser, in gefährlichen Höhen oder in beengten Räumen (Bst. b), Arbeit mit gefährlichen Maschinen, Ausrüstungen und Werkzeugen oder Arbeit, die mit der manuellen Handhabung oder dem manuellen Transport von schweren Lasten verbunden ist (Bst. c), Arbeit in einer ungesunden Umgebung (Bst. d), Arbeit unter besonders schwierigen Bedingungen, beispielsweise Arbeit während langer Zeit oder während der Nacht oder Arbeit, bei der das Kind ungerechtfertigterweise gezwungen ist, in den Betriebsräumen des Arbeitgebers zu bleiben (Bst. e).

Die meisten dieser Arbeiten sind bereits in den Schutzbestimmungen des ArGV 1, insbesondere in den Artikeln 54 und 55 ArGV 1, enthalten. Dennoch werden gewisse Tätigkeiten aus Artikel 55 ArGV 1 anzupassen sein, indem das Mindestalter dafür auf 18 Jahre erhöht wird; dies wird im Rahmen der neuen Verordnung zum ArG über den Schutz der jugendlichen Arbeitnehmenden geschehen. Wir weisen auch darauf hin, dass Artikel 31 Absatz 4 ArG (derzeitige und neue Fassung) die Beschäftigung von Jugendlichen in der Nacht und am Sonntag untersagt.

Absatz 4 der Empfehlung sieht die Möglichkeit vor, das Mindestalter für die unter Artikel 3 Buchstabe d des Übereinkommens erwähnten Arbeiten auf 16 Jahre zu senken, sofern die Gesundheit, die Sicherheit und die Sittlichkeit der Kinder voll geschützt sind und die Kinder eine angemessene sachbezogene Unterweisung oder berufliche Ausbildung erhalten haben. Ebenso wie Artikel 3 Absatz 3 des Übereinkommens Nr. 138 lässt das Übereinkommen Nr. 182, mittels Einhaltung gewisser Garantien, die Möglichkeit einer Herabsetzung des Alters von 18 Jahren, z. B. aus Gründen der beruflichen Ausbildung und bei Gewährung von Sicherheit und Gesundheit des Jugendlichen, offen. Diese Möglichkeit entspricht auch unserem
positiven Recht (Art. 29 Abs. 3 ArG als Grundlage und die Art. 57, 64 und 65 ArGV 1).

Die Anforderung von Artikel 4 Absatz 2 betreffend die Ermittlung, wo unter Artikel 3 Buchstabe d erwähnte Arten von Arbeit vorkommen, bereitet derzeit insofern keine Schwierigkeiten, als in den letzten Jahren kein Vorkommen dieser Arten von Arbeit festgestellt wurde. Sollten solche Fälle jedoch auftreten, könnten sie über die kantonalen und eidgenössischen Arbeitsinspektorate leicht ermittelt werden.

Die Anforderungen von Artikel 4 Absatz 3 werden durch den Auftrag und die Zusammensetzung der EAK voll und ganz erfüllt. Diese wird nämlich die Listen alle fünf Jahre überprüfen. Nach Artikel 43 Absatz 2 ArG gibt die Kommission ihre Stellungnahme zu Fragen der Gesetzgebung und des Vollzugs an die Bundesbehörden ab und kann auch Vorschläge unterbreiten. Sie setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder Vertreterinnen anderer Verbände (z. B. Frauenverbände). Ausserdem kann diese Kommission weitere Partner wie etwa Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) oder Kinderschutzverbände auffordern, sich an ihren Arbeiten zu beteiligen. Obwohl die Erwähnung solcher Organisationen trotz der Unterstützung der Schweiz nicht in Artikel 4 des Überein-

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kommens aufgenommen werden konnte, steht es den Staaten, die diese Organisationen an der Festlegung der unter Artikel 3 Buchstabe d erwähnten Arbeiten beteiligen möchten, durchaus frei, dies vorzusehen.

In Anbetracht dieser Erwägungen kann Artikel 4 angenommen werden.

Artikel 5 des Übereinkommens sieht vor, dass jedes Mitglied geeignete Mechanismen zur Überwachung der Durchführung der Bestimmungen zur Umsetzung dieses Übereinkommens einzurichten oder zu bezeichnen hat.

Was die Buchstaben a, b und c von Artikel 3 angeht, so fallen die Mechanismen zur Überwachung der Durchführung im Allgemeinen in die Zuständigkeit der Strafbehörden. Da alle in diesem Zusammenhang genannten strafbaren Handlungen von Amts wegen verfolgt werden, sind zuerst die (kantonalen) Justizbehörden für ihre Durchführung zuständig. Ausserdem verlangt Artikel 358 StGB (Mitteilung betreffend Pornografie) von den Untersuchungsbehörden, dass sie die von der Bundesanwaltschaft eingesetzte Zentralstelle informieren, wenn pornografische Gegenstände in einem fremden Staat hergestellt oder von dort aus eingeführt worden sind.

Im Rahmen der ihnen durch Artikel 41 ff. ArG übertragenen Aufgaben übernehmen die Arbeitsinspektorate vor allem die Überwachung des Verbots der Ausübung der unter Artikel 3 Buchstaben b und d erwähnten Arbeiten. In Bezug auf Artikel 3 Buchstaben a und c zeigen die Arbeitsinspektorate die von ihnen festgestellten Handlungen den Strafverfolgungsbehörden an.

Artikel 5 des Übereinkommens kann somit angenommen werden.

Artikel 6 des Übereinkommens verpflichtet die Mitglieder, Aktionsprogramme zur vorrangigen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu planen und durchzuführen (Abs. 1). Die Planung dieser Programme hat in Beratung mit den einschlägigen staatlichen Einrichtungen, den Sozialpartnern und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Auffassungen anderer in Betracht kommender Gruppen zu erfolgen (Abs. 2).

Eine solche Bestimmung ist in der Schweiz derzeit eher theoretisch. Die im Übereinkommen erwähnten Arten von Arbeit sind durch das positive Recht der Schweiz untersagt, und anhand der statistischen Daten lässt sich nicht zeigen, dass es dieses Phänomen in unserem Land gibt. Dennoch können vereinzelte Fälle natürlich nicht ganz ausgeschlossen werden (siehe Ausführungen zu Art. 3 Bst. a und Art. 7
Abs. 2 Bst. d). In Ländern, in welchen allenfalls Einzelfälle festgestellt werden können, sind gestützt auf Artikel 6 des Übereinkommens keine spezifischen Programme gefordert. In der Schweiz erfüllen die Vorkehrungen des OHG die Anforderungen von Artikel 6.

Artikel 124 nBV überträgt dem Bund und den Kantonen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Personen, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Unversehrtheit beeinträchtigt worden sind, Hilfe erhalten und angemessen entschädigt werden, wenn sie durch die Straftat in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Diese Verfassungsbestimmung wird durch das OHG umgesetzt, das den Opfern von Straftaten wirksame Hilfe bieten und ihre Rechtsstellung verbessern soll.

Diese Hilfe umfasst drei Bereiche: die Bereitstellung von Beratungsstellen, den Schutz des Opfers und die Wahrung seiner Rechte im Strafverfahren sowie Entschädigung und Genugtuung. Da die im Übereinkommen erwähnten schlimmsten Formen der Kinderarbeit Straftaten darstellen und sofern das Kind auf Grund einer solchen Straftat in seiner körperlichen, psychischen oder sexuellen Unversehrtheit be362

einträchtigt worden ist, kommt das OHG zur Anwendung. Diese Massnahmen, die dazu bestimmt sind, minderjährigen Opfern zu helfen, ihre Rechte geltend zu machen, tragen damit indirekt dazu bei, einige der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen.

Das OHG unterscheidet heute nicht zwischen minderjährigen und volljährigen Opfern. Es sind jedoch einige Sonderregelungen vorgesehen, mit denen die Situation von Opfern sexueller Straftaten verbessert werden soll (das Recht, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu verlangen, die Begegnung mit dem Beschuldigten zu verweigern usw.). Darüber hinaus läuft im Auftrag der Rechtskommission des Nationalrates seit Ende 1998 das Vernehmlassungsverfahren zu einem Vorentwurf vom 31. August 1998 zur Änderung des OHG, durch den der Persönlichkeitsschutz und die Verteidigung der Rechte von Opfern unter 16 Jahren verbessert werden soll.

Aus diesen Gründen können wir Artikel 6 des Übereinkommens voll und ganz gutheissen.

Nach Artikel 7 Absatz 1 des Übereinkommens haben die Mitglieder alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die wirksame Durchführung und Durchsetzung der Bestimmungen zur Umsetzung dieses Übereinkommens sicherzustellen, einschliesslich der Festsetzung und Anwendung von strafrechtlichen oder anderen Massnahmen.

Das StGB stellt eine Reihe von Handlungen unter Strafe, die unter die von Artikel 3 Buchstabe a des Übereinkommens abgedeckten Begriffe fallen. Das gilt insbesondere für die Artikel 181 StGB (Nötigung), 183 StGB (Freiheitsberaubung und Entführung sowie deren erschwerende Umstände in Art. 184 StGB); diese Bestimmungen sehen Strafen von der einfachen Busse bei Nötigung bis zum Zuchthaus für Freiheitsberaubung und Entführung mit erschwerenden Umständen vor. Darüber hinaus wird nach Artikel 260bis Absatz 1 StGB bestraft, wer planmässig konkrete Vorkehrungen getroffen hat, um eine strafbare Handlung auszuführen, insbesondere diejenigen nach Artikel 183 StGB, auch wenn die Vorbereitungshandlung im Ausland begangen wurde, wenn die beabsichtigten strafbaren Handlungen in der Schweiz verübt werden sollten (Abs. 3). Des Weiteren kann auch Artikel 260ter StGB, der diejenigen bestraft, die an einer kriminellen Organisation beteiligt sind, im Zusammenhang mit Buchstabe a zur Anwendung kommen, da der Menschenhandel und die Versklavung häufig von
organisierten Gruppen durchgeführt werden.

Alle Bestimmungen des StGB, die Handlungen unter Strafe stellen, die unter Artikel 3 Buchstabe b des Übereinkommens Nr. 182 fallen (Prostitution, Pornografie, sexuelle Handlungen mit Kindern, Menschenhandel usw.) sehen Strafmassnahmen von der Busse bis zum Zuchthaus vor. Zudem ist derzeit eine Revision des Allgemeinen Teils des StGB im Gang. Eines der Ziele dieser Revision ist ein besserer Schutz der sexuellen Unversehrtheit von Kindern, vor allem indem nach Möglichkeiten gesucht wird, eine Person zu verfolgen, die ein Sexualdelikt gegen ein Kind im Ausland begangen hat, selbst wenn das ausländische Recht weniger streng ist oder die betreffende Handlung nicht bestraft.

Die Strafbestimmungen des ArG (Art. 59 ff.) sind Massnahmen, die auf die unter Artikel 3 Buchstaben b und d des Übereinkommens aufgezählten Tätigkeiten Anwendung finden. Arbeitgeber, die insbesondere gegen die Vorschriften zum besonderen Schutz von Jugendlichen verstossen, machen sich strafbar, ob sie nun vorsätzlich oder fahrlässig handeln (Art. 59 Abs. 1 Bst. c ArG). Der Arbeitgeber kann

363

mit Gefängnis bis höchstens sechs Monate oder mit einer Busse bestraft werden (Art. 61 Abs. 1 ArG).

Die Artikel 50 ff. ArG sehen ebenfalls eine Reihe von Verwaltungsmassnahmen im Falle einer Verletzung des Gesetzes, seiner Verordnungen oder einer Verfügung vor; diese können von der einfachen Aufforderung zur Einhaltung der Vorschrift oder der Verfügung, gegen welche die fehlbare Person verstossen hat, bis zu einer Verfügung der kantonalen Behörden unter Androhung der in Artikel 292 StGB vorgesehenen Strafe bei Nichtbefolgen (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen) gehen.

Wird diese Verfügung nicht befolgt, so ist die kantonale Behörde befugt, die zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Werden durch die Missachtung dieser Verfügung das Leben oder die Gesundheit von Arbeitnehmenden oder die Umgebung des Betriebes erheblich gefährdet, so kann die kantonale Behörde, nach vorheriger Androhung, die Benutzung von Räumen oder Einrichtungen verhindern und in besonders schweren Fällen den Betrieb für eine bestimmte Zeit schliessen. Schliesslich kann die Behörde gegebenenfalls die Arbeitszeitbewilligung aufheben oder für eine bestimmte Zeit sperren, wenn der Arbeitgeber sie nicht einhält.

Was schliesslich die Strafmassnahmen für Handlungen betrifft, die unter Artikel 3 Buchstabe c fallen, so sieht Artikel 19 BetmG eine Reihe von Strafmassnahmen vor, die von der Busse bis zur Gefängnisstrafe sowie in schweren Fällen bis zum Zuchthaus reichen.

Nach Artikel 7 Absatz 2 hat jedes Mitglied unter Berücksichtigung der Bedeutung der Schulbildung für die Beseitigung der Kinderarbeit wirksame und terminierte Massnahmen zu treffen, um das Heranziehen von Kindern bei den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu verhindern (Bst. a), die erforderliche und geeignete unmittelbare Unterstützung für die Entfernung von Kindern von den schlimmsten Formen der Kinderarbeit und für ihre Rehabilitation und soziale Eingliederung zu gewähren (Bst. b), allen von den schlimmsten Formen der Kinderarbeit entfernten Kindern den Zugang zur unentgeltlichen Grundbildung und, wann immer möglich und zweckmässig, zur Berufsbildung zu gewährleisten (Bst. c), besonders gefährdete Kinder zu ermitteln und zu erreichen (Bst. d) und der besonderen Lage von Mädchen Rechnung zu tragen (Bst. e).

Betreffend
Buchstabe a bestehen bereits wirksame Massnahmen, um das Heranziehen von Kindern zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu verhindern, da die oben erwähnten Bestimmungen des positiven Rechts der Schweiz dies wirksam verhindern und darüber hinaus die Missachtung dieser Verbote, Kinder für bestimmte Tätigkeiten zu beschäftigen, unter Strafe stellen.

Zu Buchstabe b: Das OHG ist auch auf minderjährige Opfer der schlimmsten Formen von Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens anwendbar; diese haben somit Anrecht auf die in diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen, darunter insbesondere das Recht, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, um medizinische, psychologische, soziale, materielle oder juristische Hilfe zu erhalten (Art. 3 Abs. 2 OHG).

Die Kantone sind verpflichtet, solche Beratungsstellen für die Opfer bereitzustellen, und in einigen Kantonen gibt es eine oder mehrere Beratungsstellen, die auf die Hilfe für Kinder spezialisiert sind. Die direkt von den Beratungsstellen angebotenen Leistungen sind unentgeltlich, und sofern es die persönliche Situation des Opfers rechtfertigt, haben die Beratungsstellen auch weitere Kosten (Arzt-, Anwalts- und Verfahrenskosten) zu übernehmen. Ausserdem sieht das OHG verschiedene Mass364

nahmen vor, die die Persönlichkeit des Opfers im Strafverfahren schützen und so verhindern sollen, dass dieses ein zweites Mal zum Opfer wird, was seiner Rehabilitation und sozialen Wiedereingliederung abträglich sein könnte (Art. 5­10 OHG).

Ausserdem kann das Opfer, auch das minderjährige Opfer, gemäss den Artikeln 11 ff. OHG unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung oder Genugtuung vom Staat erhalten. Auch diese Bestimmungen tragen dazu bei, die Rehabilitation und die soziale Wiedereingliederung des Opfers zu fördern.

Darüber hinaus verlangt das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, dass die notwendigen Massnahmen zum Schutz des Kindes von allen Formen von Misshandlung oder sexueller Ausbeutung zu treffen sind, und zwar sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Familie (insbesondere Art. 19 und 34). Seit 1996 nimmt auch die Zentralstelle für Familienfragen des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) gewisse Koordinationsaufgaben im Bereich des Kinderschutzes wahr und besitzt ein Budget für Projekte zur Prävention von Kindesmisshandlungen. Die Zentralstelle für die Bekämpfung des Menschenhandels der kriminalpolizeilichen Zentralstellen befasst sich ebenfalls mit Straftaten in den Bereichen Prostitution, Pornografie und Menschenhandel. Sie ist für die Koordination der interkantonalen und internationalen Verfahren sowie für das Sammeln, das Analysieren und den Austausch von Informationen zuständig und hat häufig Kontakt mit der Kantonspolizei sowie den NGOs. Zur Verfolgung der Kinderpornografie auf dem Internet ist das «Internet-monitoring» ins Leben gerufen worden. Nach einer Umfrage des Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP) vertreibt kein Schweizer Server pädophile Pornografie auf dem Netz.

In den Kantonen sind die Jugendschutzbehörden praktisch für alle Aspekte der Kindesentwicklung (medizinisch, psychologisch, sozial, kulturell, finanziell, rechtlich) zuständig. Die wichtigsten amtlichen Stellen, die sich um Fälle von Kindesmisshandlung und sexuellem Missbrauch kümmern, sind die Jugendämter, die Jugendgesundheitsämter, die Kinderpsychatrien, die Kinderspitäler, die OHG-Beratungsstellen und die Polizei. Einige Kantone haben Gruppen oder Kommissionen eingerichtet, die auf Kinderschutz spezialisiert sind. Die NGOs, von denen einige öffentliche Subventionen erhalten,
leisten in diesem Bereich ebenfalls eine sehr wichtige Arbeit. Und schliesslich bietet der landesweite Telefondienst 147, der vom Bund subventioniert wird, Kindern und Jugendlichen in Not die Möglichkeit, sich anonym und unter dem Siegel der Vertraulichkeit auszusprechen.

Zu Buchstabe c: Der kostenlose Grundschulunterricht ist ein verfassungsmässiges Recht und obligatorisch für alle Kinder (Art. 62 Abs. 2 nBV, so auch die Art. 13 und 14 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Mit Ausnahme eines Kantons dauert die obligatorische Schuldauer mindestens neuen Jahre.

Im Bereich der Berufsbildung sind die Anforderungen des Übereinkommens bescheidener und werden von der Schweiz ebenfalls erfüllt. Die Berufslehre ist in der Schweiz ein zentraler Pfeiler von Ausbildung und Integration der Jugendlichen in Arbeitsleben und Gesellschaft. Deshalb wurde 1997 die Abnahme von Lehrstellen während der Stagnationsjahre mit dem Lehrstellenbeschluss angegangen: Mit 60 Mio. Franken werden die Motivation von Arbeitgebern, Lehrstellen zu schaffen, sowie die Vermittlung ausländischer, fremdsprachiger Jugendlicher und Jugendlicher mit schulischen Schwierigkeiten gefördert. Trotz eindeutig verbesserter Situation werden die Bemühungen mit einem Lehrstellenbeschluss II (100 Mio. Fr.) weitergeführt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Schweiz der Zu365

gang zur obligatorischen Schulbildung sowie zur Berufslehre für praktisch alle Jugendlichen gewährleistet ist.

Bezüglich Buchstabe d haben in den vergangenen Jahren verschiedene Kantone und Städte sowie das Bundesamt für Statistik (BFS) ihr statistisches Material ausgebaut.

So werden die Sozialhilfestatistik und die Armutsberichtserstattung des BFS Massnahmen zur Bekämpfung von sozialem Ausschluss und missbräuchlicher Arbeit von Jugendlichen besser fokussieren helfen und zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung beitragen.

Es muss festgehalten werden, dass die Kinderprostitution und die übrigen Formen der kommerziellen Ausbeutung von Kindern recht häufig mit dem Problem der Drogenabhängigkeit zusammenhängen. Die Prävention und die Sensibilisierung finden vor allem bereits in den Schulen statt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt Programme zur Suchtprävention sowie zur Behandlung und Wiedereingliederung junger Drogenabhängiger durch. Auch die Armut wird oft als eine Ursache der Prostitution und der Ausbeutung von Kindern allgemein angeführt. In der Schweiz ist die Armut jedoch auf Grund des Sozialversicherungssystems, der öffentlichen Fürsorge und der familien- und sozialpolitischen Massnahmen beschränkt.

Was Buchstabe e betrifft, so wird in den Bestimmungen des Schweizer Rechts zum Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung nicht zwischen Knaben und Mädchen unterschieden. Dennoch scheint es wichtig, die Behörden, die Arbeitsinspektorate und die übrigen Beteiligten für die besondere Lage von Mädchen zu sensibilisieren.

Obwohl das OHG für beide Geschlechter gilt, soll durch mehrere Bestimmungen vor allem der besonderen Lage von Frauen, jungen Mädchen und kleinen Mädchen Rechnung getragen werden. Einige Kantone haben ausserdem für weibliche Opfer speziell für sie bestimmte Beratungsstellen eingerichtet.

Gemäss Artikel 7 Absatz 3 haben die Vertragsstaaten die für die Durchführung der Bestimmungen zur Umsetzung des Übereinkommens zuständige Stelle zu bestimmen.

In der Schweiz sind die Arbeitgeber als erste verpflichtet, die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerschutz einzuhalten. Aufgabe des Staates ist es, für die Durchführung des Übereinkommens und der innerstaatlichen Gesetzgebung zu sorgen. Das Arbeitsinspektorat kontrolliert anhand von Besichtigungen
der Betriebe, die dem ArG unterstellt sind, die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere in Bezug auf die jugendlichen Arbeitnehmer.

Im Bereich der Landwirtschaft wird die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) die Kontrollfunktionen ausführen, wie dies für die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 138 bereits vorgesehen wurde. Für den Fischereisektor kann die Kontrolle auf die gleiche Weise wie für das Übereinkommen Nr.

138 erfolgen, das heisst auf Anzeige hin durch die Vollzugsorgane des ArG 8.

Bei privaten Haushaltungen können die Kontrollgremien bezüglich gefährlicher Arbeiten nur auf Strafanzeige eingreifen, wie dies bei der Umsetzung des Übereinkommens Nr. 138 vorgesehen wurde. Die kantonalen Jugendschutzbehörden, die Schulbehörden, die Fürsorgeämter und die Strafverfolgungsbehörden haben in die8

366

a.a.O., Ziff. 621, Kommentar zu Art. 9

sen Fällen auf Grund der jeweiligen Gesetzgebung koordiniert gegen Missbräuche vorzugehen.

In Anbetracht dieser Ausführungen kann Artikel 7 somit angenommen werden.

Artikel 8 schliesslich sieht vor, dass die Mitglieder geeignete Schritte zu unternehmen haben, um sich durch verstärkte internationale Zusammenarbeit und/oder Unterstützung, einschliesslich der Unterstützung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, von Programmen zur Beseitigung von Armut und zur Förderung der allgemeinen Bildung, gegenseitig zu unterstützen.

Bereits in den vergangenen Jahren förderte die Schweiz ­ vor allem über Programme der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ­ das wirtschaftliche und soziale Umfeld der Kinder in ihren Partnerländern. Für die kommenden Jahre werden Armutsbekämpfung und Sozialentwicklung noch stärker ins Zentrum der Programme der DEZA rücken. Mit der im Januar 1999 beschlossenen DEZAPolitik für soziale Entwicklung sowie der Anpassung der Länderprogramme soll die auch in Artikel 8 des Übereinkommens geforderte Hilfe zur Bekämpfung der Armut noch gezielter und abgestimmter geleistet werden.

Diese Bemühungen, innerhalb deren die Bekämpfung der Kinderarbeit nur ein Element unter vielen darstellt, wird auch weiterhin einen Schwerpunkt der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit bilden. Daneben werden aber auch gezielte Aktionen zur Förderung der Situation von Kindern unternommen wie die Kofinanzierungen von UNICEF-Programmen (Jahresdurchschnitt der vergangenen Jahre 17 Mio. Franken), die Unterstützung für das International Programme for the Elimination of Child Labour der IAO (IPEC), finanzielle Beiträge an Aktionen von einschlägig tätigen schweizerischen NGOs sowie einige Programme in Eigenregie.

Diese Bestimmung kann also angenommen werden.

6.2.2

Haltung der Schweiz zur Empfehlung (Anhang 7)

Wie alle Empfehlungen der IAO ist die Empfehlung Nr. 190 nicht bindend, und die Frage einer allfälligen Ratifikation stellt sich nicht. Die Empfehlung nimmt in den Teilen I («Aktionsprogramme») und II («Gefährliche Arbeit¸) einige Bestimmungen des Übereinkommens auf und führt sie genauer aus. Im Teil III («Durchführung») hingegen geht die Empfehlung weiter als das Übereinkommen und sieht zahlreiche Massnahmen vor, die die Staaten mit dem Ziel des Verbots und der Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit ergreifen sollten.

Diese Massnahmen gehen von der Zusammenstellung detaillierter Informationen und statistischer Daten (Abs. 5) über die Zusammenarbeit der zuständigen Stellen, die die Verantwortung für die Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens haben, und die Koordination ihrer Tätigkeiten (Abs. 9), die Strafverfolgung der in Artikel 3 des Übereinkommens aufgezählten Handlungen (Abs. 12) bis zur besonderen Überwachung von Betrieben, die die schlimmsten Formen der Kinderarbeit eingesetzt haben, und bei anhaltenden Verstössen bis zum zeitweiligen oder dauerhaften Entzug ihrer Betriebserlaubnis (Abs. 14).

Absatz 15 zählt weitere Massnahmen auf, die zum Verbot und zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beitragen könnten, darunter insbesondere die

367

Orientierung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit (Bst. a), die Vermittlung einer geeigneten Ausbildung für die betroffenen staatlichen Bediensteten, insbesondere Arbeitsinspektoren (Bst. c), die Ermutigung der Betriebe zur Ausarbeitung von Massnahmen zur Förderung der Ziele des Übereinkommens (Bst. f).

Absatz 16 schliesslich nennt einige Elemente, die Bestandteil der internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung sein sollten, wie beispielsweise gegenseitige Rechtshilfe oder technische Unterstützung.

6.3

Schlussfolgerungen

Die detaillierte Prüfung des Übereinkommens Nr. 182 zeigt, dass die Bedingungen für die Ratifizierung nur erfüllt werden, wenn unser Antrag, Artikel 82 MG zu ändern, akzeptiert wird. Wir ersuchen Sie, sowohl unseren Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Änderung des MG als auch den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Ratifizierung des Übereinkommens (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu genehmigen.

Die Ratifikation wird dazu beitragen, dass das Übereinkommen, wie von der IAK vorgesehen, rasch den Status eines grundlegenden Übereinkommens erhält. In diesem Sinne wird die Ratifikation dieses Übereinkommens durch die Schweiz unser Engagement für grundlegende Arbeitnehmerrechte und die Förderung der sozialen Dimension der Globalisierung zeigen und einen Akt der internationalen Solidarität darstellen.

6.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Durch die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 182 entsteht der Schweiz keine zusätzliche finanzielle Belastung. Die rein formale Ausweitung des Auftrags der BUL wird finanziell durch die im Rahmen der Ratifikation des Übereinkommens Nr.

138 ausgehandelte Abgeltung des Bundes an die BUL abgedeckt. Die Ratifizierung hat auch keine personellen Auswirkungen für den Bund.

6.5

Legislaturplanung

Die Ratifizierung von Urkunden der IAO ist allgemein in der Legislaturplanung 1995­1999 vorgesehen (BBl 1996 II 289, Anhang A2).

6.6

Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht

In der Richtlinie 94/33/EG vom 22. Juni 1994 über den Jugendarbeitsschutz wird in Artikel 7 Absatz 2 eine Reihe von Tätigkeiten aufgezählt, die für jugendliche Arbeitnehmer (d. h. alle unter Achtzehnjährigen, die einen Arbeitsvertrag besitzen oder in einem vom geltenden Recht definierten Arbeitsverhältnis stehen) verboten sind, darunter insbesondere Arbeiten, die ihre physischen oder psychischen Fähigkeiten objektiv übersteigen (Bst. a), bei denen sie schädlicher Strahlung ausgesetzt sind

368

(Bst. c) oder die ihre Gesundheit auf Grund von extremer Kälte oder Hitze oder auf Grund von Lärm oder Erschütterungen gefährden (Bst. e).

Artikel 7 Absatz 1 verpflichtet die Staaten, dafür zu sorgen, dass Jugendliche vor besonderen Gefahren für die Sicherheit, die Gesundheit und die Entwicklung geschützt sind, die auf Grund mangelnder Erfahrung, fehlenden Bewusstseins um die vorhandenen oder theoretischen Gefahren oder der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung der Jugendlichen entstehen; ein Anhang zu dieser Richtlinie führt die Tätigkeiten, die unter diese Bestimmung fallen, genauer aus.

Ebenso wie das Übereinkommen Nr. 138 sieht Artikel 7 Absatz 3 die Möglichkeit vor, Jugendliche für verbotene Arbeiten zu beschäftigen, sofern diese Beschäftigung für die Berufsbildung unerlässlich ist und Sicherheit sowie Gesundheit gewährleistet sind.

Der Bundesrat beabsichtigt, sich bei der Abfassung der künftigen, ausschliesslich dem Schutz jugendlicher Arbeitnehmer gewidmeten Verordnung zum Arbeitsgesetz an dieser Richtlinie zu orientieren.

6.7

Rechtliche Grundlagen

Der Bundesbeschluss, mit dem die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 182 genehmigt werden soll, stützt sich auf Artikel 8 BV (Art. 54 nBV), wonach der Bund für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen zuständig ist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 85 Ziffer 5 BV (Art. 166 Abs. 2 nBV) dafür zuständig, die Ratifizierung gutzuheissen.

Das Übereinkommen Nr. 182 kann gemäss Artikel 11 des Übereinkommens zehn Jahre nach dessen Inkrafttreten und nach jeder weiteren Periode von zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c BV (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 nBV) herbei. Der Bundesbeschluss zur Gutheissung der Abänderung untersteht somit nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge.

Unser Antrag für eine Änderung des MG ergänzt bereits bestehende Bestimmungen; wie diese stützt sich auch der Änderungsantrag auf die im Ingress des MG angeführten Bestimmungen der BV.

Die Änderung des MG unterliegt nach Artikel 89 Absatz 2 BV (Art. 141 Abs. 1 Bst. a nBV) dem fakultativen Referendum.

369

7

Übereinkommen (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976 (Anhang 8)

7.1

Allgemeiner Teil

7.1.1

Einleitung

Das Übereinkommen Nr. 144 wurde von der IAK im Juni 1976 an ihrer 61. Tagung angenommen; es wird ergänzt durch die Empfehlung Nr. 152. Sein Ziel ist die Förderung der Durchführung der internationalen Arbeitsnormen. Die Staaten werden aufgefordert, wirksame dreigliedrige Beratungen auf innerstaatlicher Ebene einzuführen, beispielsweise durch die Bildung einer dreigliedrigen Eidgenössischen Kommission für Angelegenheiten der IAO (nachfolgend Eidgenössische Kommission). Die Beratungen müssen folgende Punkte zum Gegenstand haben (Art. 5 des Übereinkommens): a.

Antworten der Regierung auf Fragebogen zu Tagesordnungspunkten der Konferenz und Stellungnahmen der Regierung zu Textentwürfen, die von der Konferenz zu erörtern sind;

b.

die Vorschläge, die der zuständigen Stelle zur Vorlage der internationalen Urkunden zu unterbreiten sind;

c.

die Überprüfung nichtratifizierter Übereinkommen und Empfehlungen, um festzustellen, welche Massnahmen zur Förderung ihrer Durchführung und gegebenenfalls ihrer Ratifikation getroffen werden können;

d.

Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Berichten zur Durchführung der ratifizierten Übereinkommen ergeben (Art. 22 Verfassung der IAO);

e.

Anträge auf Kündigung ratifizierter Übereinkommen.

Darüber hinaus hat die zuständige Stelle die administrative Unterstützung dieser Beratungsverfahren sowie die Übernahme allfälliger Kosten für die Ausbildung der betroffenen Personen zu gewährleisten.

7.1.2

Haltung der Bundesbehörden

In unserem Bericht über die 61. und 62. Tagung der IAK hatten wir vorläufig davon abgesehen, die Ratifizierung dieser internationalen Urkunde zu beantragen (BBl 1977 III 641 ff). In der Tat schien uns damals, dass die Durchführung des Übereinkommens eine Mehrarbeit für die betroffenen Stellen der Bundesverwaltung bedeuten würde und dass die in unserem Land bestehenden Beratungen formal nur eine der im Übereinkommen erwähnten Möglichkeiten abdeckten (s. unter Ziff. 711 zu Bst. a). Es sprach jedoch nichts dagegen, de facto auch die Forderungen der Buchstaben c, d und e anzuerkennen. Nur Buchstabe b warf insofern ein Problem auf, als wir Zweifel hatten, ob es angemessen sei, dreigliedrige Beratungen über unsere Botschafts- oder Berichtsentwürfe betreffend die Tagungen der IAO abzuhalten. Deshalb hatten wir erklärt: «Wir sehen vorläufig davon ab, Ihnen das Übereinkommen Nr. 144 der IAO zur Genehmigung vorzulegen. Dabei versteht es sich, dass wir näher prüfen werden, wie die Beratungen mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeror-

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ganisationen eingeführt und gestaltet werden können, die das Übereinkommen vorsieht ...». dieses Vorgehen fand Ihre Zustimmung.

Seit dieser Überprüfung sind mehr als 20 Jahre vergangen; neue Gegebenheiten machen eine neue Analyse der Situation erforderlich. Zunächst einmal hat die IAO seither fast 40 neue Übereinkommen angenommen, die eine verstärkte Beratung mit den Sozialpartnern erfordern. Das soziale Klima hat sich ­ sowohl national als auch international ­ grundlegend verändert, und gewisse Dossiers der IAO ­ insbesondere was die soziale Dimension der Globalisierung, die Förderung der grundlegenden sozialen Rechte und die Ratifizierung der grundlegenden Übereinkommen der IAO angeht ­ sind heute heikler geworden; dadurch ist es nötig geworden, sich die breite Unterstützung von Sozialpartnern und Wirtschaftskreisen auf nationaler Ebene zu sichern. Die IAK hat 1997 einen Verfassungszusatz angenommen, der es ihr ermöglicht, gegenstandslos gewordene Übereinkommen aufzuheben; wir haben Ihnen die Ratifikation dieser Urkunde unter Ziffer 3 vorgeschlagen. In diesem Fall könnte es notwendig werden, die Sozialpartner gegebenenfalls eingehend zu Aufhebungen von internationalen Übereinkommen, an die unser Land gebunden ist, anzuhören. Dieses Verfahren ist im Gang: So sieht die Traktandenliste der Konferenz des Jahres 2000 die Aufhebung der Übereinkommen Nr. 31, 46, 51, 61 und 66 vor. Diese Übereinkommen befassen sich mit der Arbeitszeit im Kohlebergbau, bei den öffentlichen Arbeiten und in der Textilindustrie. Sie wurden von der Schweiz nicht ratifiziert und haben nie eine ausreichende Zahl von Ratifikationen erhalten, um in Kraft zu treten.

Die IAO und die internationale Gemeinschaft setzen sich für die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 144 ein, da es als vorrangig für die Gewährleistung der grundlegenden sozialen Rechte angesehen wird; das ist auch unsere Ansicht, und wir sind der Meinung, dass die Schweiz innerhalb der IAO eine aktivere Rolle einnehmen sollte.

Im Verlauf der Jahre haben wir uns, um Ihnen eine übermässige Arbeitsbelastung zu ersparen, bemüht, unsere Botschaften und Berichte über die Arbeiten der IAO zu vereinfachen, indem wir uns darauf beschränkt haben, die Möglichkeiten zur Ratifikation der angenommenen Übereinkommen zu prüfen. Seit Anfang der Neunzigerjahre haben wir jedoch eine
deutliche Zunahme von parlamentarischen Vorstössen zur Haltung der Schweiz in Bezug auf die Übereinkommen und unsere Tätigkeiten bei der IAO festgestellt. Das weist unseres Erachtens auf einen gestiegenen Bedarf an Information und Beratung sowie besserer Vorbereitung dieser Dossiers mit den Sozialpartnern hin. Wir sind der Meinung, dass mit der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 144 ­ und damit der Schaffung einer Eidgenössischen Kommission ­ diesen Erwartungen entsprochen werden könnte und zwei unserer Prioritäten gefördert würden: der soziale Dialog durch den Informationsaustausch zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Behörden und vor allem die Rationalisierung der Arbeiten der Bundesversammlung und -verwaltung.

Bis Anfang 1999 ist das Übereinkommen Nr. 144 von 90 Ländern ratifiziert worden; dazu gehören alle Mitgliedstaaten der EU (ausser Luxemburg), ferner Norwegen, Island und die Vereinigten Staaten.

7.1.3

Vernehmlassungen

Bei der Vorbereitung des Weltsozialgipfels von Kopenhagen (6.­12. März 1995) und im Anschluss daran verlangten die Gewerkschaften, dass die Schweiz das Über371

einkommen Nr. 144 ratifizieren solle. Deshalb hat das seco-DA im Juli 1995 die Dachverbände der Sozialpartner zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit dem Weltsozialgipfel, darunter auch die allfällige Ratifikation des Übereinkommens Nr. 144, angehört. Die Ergebnisse der Vernehmlassung haben gezeigt, dass die Arbeitgeberkreise, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) nicht gegen die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 144 waren. In der Zwischenzeit hat sich der SAV gegen die Ratifikation ausgesprochen. Auf der Arbeitnehmerseite war die Ratifikation dieses Übereinkommens eine der Forderungen des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes der Schweiz (CNG); der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) haben diesen Antrag unterstützt.

Unser Berichtsentwurf über das Protokoll der 84. Tagung der Konferenz (Seeschifffahrtskonferenz) 1996 und die dort angenommenen Übereinkommen waren der Anlass, einen ersten Versuch zu informellen Vernehmlassungen der Sozialpartner der Seeschifffahrt durchzuführen. Dieser Vorstoss wurde von ihnen positiv aufgenommen.

Bevor die zuständigen Stellen des seco-DA diese Ratifikation für die Schweiz ins Auge fassten, wurden verschiedene Tagungen der IAO genutzt, um informell die Meinung der Regierungen und Sozialpartner gewisser Länder, die dieses Übereinkommen ratifiziert haben, einzuholen. Beispielsweise berichtete uns der schwedische Arbeitsminister, dass die Einrichtung einer IAO-Kommission in Schweden bereits vor dem Übereinkommen Nr. 144 bestanden habe und die Sozialpartner mit den gemäss dem Übereinkommen geschaffenen Verfahren ausgesprochen zufrieden seien. Alle haben betont, dass die Durchführung des Übereinkommens ermöglicht habe, die Regierungs- und Parlamentsarbeit in einem Ausmass zu erleichtern, das die administrative Belastung durch die Schaffung der Kommission bei weitem aufwiegt.

7.2

Besonderer Teil

7.2.1

Erläuterung der Bestimmungen und allgemeine Haltung der Schweiz zu diesem Übereinkommen

Wir befürworten das Hauptziel des Übereinkommens, d. h. die Einrichtung wirksamer dreigliedriger Beratungen zur Förderung der Durchführung von internationalen Arbeitsnormen.

Das Übereinkommen Nr. 144 umfasst 14 Artikel, von denen nur die ersten sechs materiell-rechtliche Bestimmungen sind. Damit festgestellt werden kann, ob die Schweiz die Anforderungen dieses Übereinkommens erfüllt, müssen die Artikel 1­6 im Hinblick auf die Bestimmungen der neuen BV, die Verordnung vom 3. Juni 1996 über ausserparlamentarische Kommissionen sowie Leitungsorgane und Vertretungen des Bundes (Kommissionenverordnung; SR 172.31) und die Verordnung des EFD vom 12. Dezember 1996 über die Taggelder und Vergütungen der Mitglieder ausserparlamentarischer Kommissionen (SR 172.311) sowie unsere Praxis im Bereich der Beratungen mit den Sozialpartnern zu den Angelegenheiten der IAO überprüft werden.

Artikel 1 definiert den Ausdruck «massgebende Verbände» als die massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, die im Genuss der Vereinigungs372

freiheit stehen. Unter Vereinigungsfreiheit wird hier die Freiheit verstanden, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu gründen; Artikel 23 nBV garantiert diesbezüglich nicht nur die Gründung solcher Verbände, sondern auch ihr Recht, sich auf demokratische Weise zu bilden und zu funktionieren. Somit geniessen in der Schweiz alle diese Verbände Vereinigungsfreiheit. In der Praxis hören wir zu Fragen im Zusammenhang mit der IAO gewöhnlich die Dachverbände der Wirtschaft ­ Schweizerischer Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Schweizerischer Bauernverband (SBV) sowie SAV, SGV, SGB, VSA und CNG ­ an. In Anbetrag dieser Ausführungen können wir Artikel 1 annehmen.

Artikel 2 Absatz 1 verpflichtet jedes Mitglied der IAO, das dieses Übereinkommen ratifiziert, Verfahren einzuführen, die eine wirksame Beratung der in Artikel 5 aufgeführten Punkte zwischen Vertretern der Regierung, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sicherstellen. Nach Absatz 2 sind die Art und die Form dieser Verfahren den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechend und, soweit derartige Verfahren noch nicht bestehen, nach Anhörung der massgebenden Organisationen festzulegen.

Artikel 2 Absatz 1 verpflichtet lediglich dazu, ein Ergebnis zu erreichen, und gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.

Absatz 2 bestimmt, dass jedes Land auf innerstaatlicher Ebene einerseits Art und Form der Beratungsverfahren festzulegen und andererseits ­ soweit bereits bestehende Verfahren den Anforderungen des Übereinkommens genügen ­ zu entscheiden hat, ob diese hierfür angewendet werden können. Das Übereinkommen enthält keinen Hinweis auf die verschiedenen Arten von Verfahren, welche die Regierungen wählen könnten; die notwendigen Informationen sind somit in anderen ­ nicht verbindlichen ­ Rechtsquellen der IAO zu suchen: Diesbezüglich macht Absatz 2 Unterabsatz 3 der Empfehlung Nr. 152 nützliche Angaben. Danach könnten solche Beratungen z. B. über einen eigens für Angelegenheiten der IAO gebildeten Ausschuss (Bst. a), im Rahmen einer Stelle, die allgemein für Wirtschafts- und Sozialfragen oder Arbeitsfragen zuständig ist (Bst. b), im Rahmen mehrerer Organe, die jedoch für bestimmte Sachgebiete zuständig sind (Bst. c), oder, sofern die Beteiligten zustimmen, auf schriftlichem Wege (Bst. d) erfolgen.

Die nähere Überprüfung der aufgezählten Mittel veranlasst uns,
obwohl die Liste nicht abschliessend ist, zu folgenden Bemerkungen: Buchstabe a sieht die Schaffung eines Ausschusses eigens für die Angelegenheiten der IAO vor. In Anbetracht der Erwägungen im allgemeinen Teil dieser Botschaft und unserer Bemerkungen zu Artikel 5 des Übereinkommens sind wir der Ansicht, dass die unter Buchstabe a genannte Lösung die geeignetste ist, um die Anforderungen der dreigliedrigen Beratung im Sinne des Übereinkommens zu erfüllen. Wir beabsichtigen deshalb, eine dreigliedrige Eidgenössische Kommission für Angelegenheiten der IAO einzusetzen, d. h. ein beratendes Organ im Sinne der Kommissionenverordung.

Buchstabe b schlägt zwei verschiedene Organe vor: Das eine kann als «Wirtschaftsund Sozialrat» bezeichnet werden; das andere wäre eine Stelle, die allgemein «für Wirtschafts- und Sozialfragen oder für Arbeitsfragen» zuständig sein sollte. Wenn wir auch keinen Wirtschafts- und Sozialrat haben, so verfügen wir doch über eine Eidgenössische Arbeitskommission. Allerdings ist deren Zuständigkeit nicht so allgemein gefasst, dass sie den ganzen Bereich abdecken würde, auf den sich die Beratungen nach dem Übereinkommen (Art. 5) beziehen sollten.

373

Buchstabe c sieht vor, dass Beratungen «im Rahmen mehrerer Stellen, die jeweils für bestimmte Sachgebiete zuständig sind», durchgeführt werden können. In der Schweiz bestehen zahlreiche eidgenössische Kommissionen, in denen die Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vertreten sind und deren Aufgaben in das umschriebene Sachgebiet fallen. In den die IAO interessierenden Bereichen erwähnen wir ­ neben der Arbeitskommission, auf die wir bereits hingewiesen haben ­ die für die Bereiche der Berufsbildung, des Arbeitsmarktes, der Sozialversicherungen usw. eingesetzten Kommissionen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Kommissionen sich noch nie mit Fragen im Zusammenhang mit den dreigliedrigen Beratungen in Bezug auf die IAO zu befassen hatten; eine Ausnahme bildete die Eidgenössische Arbeitskommission anlässlich der Kündigung des Übereinkommens (Nr. 89) über die Nachtarbeit der Frauen im Jahre 1992. Auf Grund der Spezialisierung dieser eidgenössischen Kommissionen wäre die nötige Kohärenz bei den Dossiers zu Angelegenheiten der IAO nur schwer herzustellen.

Schriftliche Beratungen gemäss Buchstabe d finden bei uns, wie auch in unserem Kommentar zu Artikel 5 des Übereinkommens dargelegt wird, in gewissen Fällen bereits statt. In diesen Fällen haben wir nicht die Absicht, bestehende Verfahren zu ändern.

Durch die Einsetzung einer Eidgenössischen Kommission, die sowohl den Anforderungen des Übereinkommens als auch denjenigen der Kommissionenverordnung entspricht, können wir Artikel 2 des Übereinkommens annehmen. Es handelt sich um eine ständige und beratende Eidgenössische Kommission. Sie ist ständig im Sinne von Artikel 4 der Kommissionenverordnung, da sie unmittelbar nach der Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 144 durch die Schweiz geschaffen und so lange bestehen wird, wie die Schweiz an dieses Übereinkommen gebunden ist. Gemäss Artikel 5 der Kommissionenverordnung ist die Eidgenössische Kommission eine Verwaltungskommission: sie soll nämlich die Kompetenz erhalten, eine Stellungnahme abzugeben und uns über die internationalen Arbeitsübereinkommen Bericht zu erstatten, die der Bundesversammlung unterbreitet werden; diese wird weiterhin in letzter Instanz entscheiden, ob die betreffenden Übereinkommen ratifiziert werden oder nicht. Wir werden uns in Zukunft darauf beschränken, der
Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission eine Empfehlung hinzuzufügen, dem Vorschlag zur Ratifikation oder zur Nichtratifikation eines Übereinkommens zu folgen.

Da eine ausserparlamentarische Kommission höchstens zwanzig Mitglieder haben darf, umfasst die Eidgenössische Kommission einen Vertreter oder eine Vertreterin von jedem der in unseren Ausführungen zu Artikel 1 des Übereinkommens genannten sieben Dachverbände sowie Vertreterinnen und Vertreter der Bundesverwaltung (seco-DA). Die Eidgenössische Kommission kann bei Diskussionen über spezielle Themen Vertreter oder Expertinnen anderer Stellen der Bundesverwaltung beiziehen. Status und Arbeitsweise der Eidgenössischen Kommission werden gemäss der Kommissionenverordnung und der Verordnung des EFD über die Taggelder und Vergütungen der Mitglieder ausserparlamentarischer Kommissionen festgelegt.

Aus Artikel 3 Absatz 1 ergeben sich für die Schweiz keinerlei Schwierigkeiten. Das Übereinkommen verlangt, dass die Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre Vertreter frei wählen können. Es ist bei uns allgemein üblich, es bei der Bildung beratender Organe, an denen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände teilnehmen, den Verbänden zu überlassen, ihre Vertreter zu bestimmen. Absatz 2 verlangt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichgewichtig vertreten sein müssen, wenn die Beratungen im Rahmen eines Organs erfolgen. In der Schweiz wird diese Regel bei der Zusammenset374

zung von ausserparlamentarischen Kommissionen beachtet, denn die Kommissionenverordnung verlangt nicht nur eine repräsentative und ausgewogene Zusammensetzung (Art. 9), sondern im Rahmen des Möglichen auch eine Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern. Von diesen Grundsätzen braucht in diesem Fall nicht abgewichen zu werden. Wir können diesen Artikel annehmen.

Artikel 4 Absatz 1 des Übereinkommens verlangt, dass die zuständige Stelle die Verantwortung für die administrative Unterstützung des gewählten Verfahrens übernimmt. In der Schweiz ist dies bei Konsultationen staatlicher Stellen und bei allen eidgenössischen Kommissionen der Fall. Auch hier braucht von diesem Grundsatz nicht abgewichen zu werden. Das seco-DA, «Internationale Arbeitsfragen», wird die administrative Unterstützung der Eidgenössischen Kommission übernehmen, ohne dass dies mit dem derzeitigen Personalbestand eine übermässige Mehrarbeit bedeuten würde.

Absatz 2, der sich auf die Finanzierung einer gegebenenfalls erforderlichen Schulung der Personen bezieht, welche die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Beratungsverfahren vertreten, veranlasst uns zu folgenden Erläuterungen: Zunächst sollte man davon ausgehen können, dass die Organisationen von sich aus ausreichend qualifizierte Vertreter bezeichnen, für die kein Schulungsprogramm auf die Beine gestellt werden muss. Tatsächlich sind die Vertreter der Sozialpartner in der Schweiz mit der Praxis des Verhandelns vertraut und kennen die Dossiers der IAO.

Ausserdem verlangt Artikel 8 der Kommissionenverordnung, dass die Kommissionsmitglieder nach ihrer fachlichen Kompetenz, ihrer Fähigkeit zur Zusammenarbeit in Gruppen und ihrer zeitlichen Verfügbarkeit auszuwählen sind. Schliesslich hat uns das IAA seine Unterstützung ­ falls notwendig ­ zugesichert. So gesehen sind wir der Auffassung, dass die interessierten Organisationen im Rahmen des Möglichen selbst für die Kosten einer Schulung ihrer Vertreter aufzukommen haben.

Die Behörden sollten also an der Finanzierung in keiner Weise beteiligt sein. Eine solche Lösung wird durch das Übereinkommen denn auch nicht ausgeschlossen: Es ist so formuliert, dass es eine vollständige oder teilweise Kostenübernahme durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen erlaubt. Dessen ungeachtet muss die zuständige Stelle für die Schulungskosten
aufkommen, welche die beteiligten Organisationen nicht übernehmen. Diese Kosten sollten jedoch während der Einführungsphase der Eidgenössischen Kommission einige Tausend Franken pro Jahr nicht überschreiten. In Anbetracht dieser Ausführungen können wir Artikel 4 annehmen.

Artikel 5 Absatz 1, der die Gegenstände der Beratungen aufzählt, bildet das Kernstück des Übereinkommens. Die Eidgenössische Kommission wird über die in Artikel 5 festgelegten Kompetenzen verfügen; sie wird gemäss den beiden bereits erwähnten Verordnungen geschaffen.

Buchstabe a: Buchstabe a verlangt, dass die Regierungen, bevor sie dem IAA ihre Antworten übermitteln, die im Übereinkommen vorgesehenen Beratungen durchführen. Vor jeder Tagung der Arbeitskonferenz unterbreitet das IAA den Regierungen der Mitgliedsländer Berichte zu den verschiedenen Traktanden der Tagesordnung. Diese Berichte enthalten entweder einen Fragebogen, wenn es sich um die erste Beratung handelt, oder Entwürfe für die zweite Beratung. Die Regierungen werden eingeladen, im ersten Fall den Fragebogen zu beantworten bzw. im zweiten Fall ihre Bemerkungen zum Textentwurf anzubringen. In der Schweiz gilt gegenwärtig folgende Praxis: Mit der Zustellung der vorbereitenden Berichte des IAA ersucht das seco375

DA die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, ihm allfällige Stellungnahmen zur Kenntnis zu bringen. Eintreffende Stellungnahmen werden von ihm bei der Ausarbeitung der Antwort des Bundesrates nach Möglichkeit berücksichtigt. Stets legt es dieser Antwort eine Fotokopie der Kommentare der angehörten Organisationen bei. Dieses Verfahren entspricht bereits den Anforderungen des Übereinkommens und soll nicht verändert werden.

Buchstabe b: Buchstabe b verlangt von den Mitgliedstaaten, die dreigliedrigen Beratungen vor der Übermittlung ihrer Vorschläge zur Ratifikation oder Nichtratifikation an das Parlament abzuhalten. Bisher haben wir solche Beratungen nicht abgehalten, ausgenommen im Fall der Seeschifffahrtsübereinkommen (siehe Ziff. 713).

Nach Artikel 19 der Verfassung der IAO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von der Konferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen zwecks Erlass entsprechender gesetzlicher oder anderer Massnahmen innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Annahme durch die Konferenz der zuständigen Behörde zu unterbreiten. Dieser Verpflichtung kommen wir nach, indem wir Ihnen die Übereinkommen und Empfehlungen der IAO in unseren Botschaften oder Berichten über die Tagungen der Konferenz regelmässig vorlegen. Allerdings sind wir nicht mehr in der Lage, die von der Verfassung der IAO festgelegten Fristen einzuhalten, da die gründliche Analyse der Urkunden, die wir vornehmen, zwei oder sogar drei Jahre in Anspruch nimmt ­ mit zunehmender Tendenz. In den letzten Jahren ist die Schweiz bereits zweimal von den Aufsichtsorganen des IAA wegen Nichteinhaltung der Vorlagefristen erwähnt worden. Dieser Situation muss abgeholfen werden. Wir messen der Beschleunigung des Vorlageverfahrens dank einer Rationalisierung der Arbeit durch die Eidgenössische Kommission grosse Bedeutung bei.

In unseren Berichten und Botschaften unterbreiten wir Ihnen unsere Vorschläge für das weitere Vorgehen im Hinblick auf diese Urkunden. Wenn es sich um Übereinkommen handelt, prüfen wir insbesondere, ob es in Anbetracht unseres positiven Rechts möglich und wünschenswert ist, sie zu ratifizieren; in diesem Fall unterbreiten wir sie Ihnen zur Genehmigung. Diese Prüfung wird umso eingehender durchgeführt, als die IAO in den vergangenen Jahren detaillierte technische Übereinkommen verabschiedet hat,
die jeweils zahlreiche Bereiche unseres positiven Rechts berühren. Zudem sind die meisten dieser Urkunden für unsere Wirtschaft und unseren Arbeitsmarkt kaum relevant. Deshalb ist der Aufwand, den unsere Verwaltung für die Analyse betreiben muss, angesichts des zu erwartenden Ergebnisses ­ meistens Nichtratifikation ­ unverhältnismässig. Diese ausführlichen Berichte und Botschaften stellen auch eine Überbelastung für Ihre Kommissionen dar. All diese Phasen der Ausarbeitung werden von nun an auf einer einfacheren Grundlage innerhalb der Eidgenössischen Kommission durchgeführt. Diese wird sich nämlich mit einem übersichtlichen, knappen Bericht über die Entsprechungen zwischen den Anforderungen des Übereinkommens und dem positiven Recht der Schweiz befassen. Auf dieser Grundlage wird sie entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Ratifikation erfüllt sind oder nicht. Zu jedem Übereinkommen wird sie einen höchstens zweiseitigen Bericht an uns verfassen, gegebenenfalls mit dem Vorschlag zur Ratifikation.

Unsere Aufgabe wird es sein, diesen Vorschlag anzunehmen oder nicht; unsere Entscheidung und die der Eidgenössischen Kommission werden Ihnen im Fall der Nichtratifikation zur Kenntnisnahme oder bei einer Ratifikation zur Genehmigung vorgelegt. Das hat zwei Vorteile: Erstens erleichtern Vorberatung und ­ soweit möglich ­ die Differenzbereinigung in der Eidgenössischen Kommission unseren 376

Entscheid über das weitere Vorgehen, und zweitens ermöglicht die vereinfachte Präsentation der Haltung der Schweiz zu den Übereinkommen der IAO eine bessere Einschätzung der Situation in der Parlamentsdebatte. Die Vereinfachung des Entscheidungsprozesses sowohl der Regierung als auch des Parlaments, die sich aus den Arbeiten der Eidgenössischen Kommission ergibt, wiegt unseres Erachtens die mit der Schaffung der Eidgenössischen Kommission verbundenen Belastungen bei weitem auf. Die informelle Vernehmlassung, die wir zu den an der 84. Tagung der IAK angenommenen Urkunden durchgeführt haben, hat unseren Standpunkt bestätigt.

Schliesslich sollte uns die unter Buchstabe a vorgeschlagene Massnahme ermöglichen, im Entwurfstadium von Urkunden unsere Haltung besser zu koordinieren; daher scheint es uns logisch, die Beratung fortzuführen, indem wir unsere Berichtsoder Botschaftsentwürfe der Eidgenössischen Kommission vorlegen.

Buchstabe c: Buchstabe c sieht die Einrichtung eines Verfahrens vor, das sicherstellt, dass nicht ratifizierte Übereinkommen sowie Empfehlungen, denen noch nicht entsprochen worden ist, in geeigneten Zeitabständen überprüft werden. Formell ist diese Praxis bei uns nicht vorgesehen, de facto haben wir sie jedoch bereits eingeführt.

Der Verwaltungsrat des IAA hat kürzlich eine Arbeitsgruppe zur Revision der internationalen Arbeitsnormen eingesetzt. Diese Gruppe hat namentlich das Mandat, das Normenarsenal der IAO zu vereinfachen; die Gruppe könnte beispielsweise Empfehlungen bezüglich der Neugruppierung oder Zusammenlegung gewisser internationaler Arbeitsnormen und deren Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten machen.

Dies könnte somit Auswirkungen auf unsere Position bezüglich bestehender Normen haben und zur Prüfung von deren Ratifizierung führen.

Schliesslich hatten wir in unserer Botschaft von 1977 bereits gezeigt, dass die Schweiz zahlreiche internationale Arbeitsübereinkommen, die bei früheren Tagungen der IAK angenommen worden waren, ratifiziert hatte: 1999 beispielsweise die grundlegenden Übereinkommen Nr. 98 (Kollektivverhandlungen) und Nr. 138 (Mindestalter). In Anbetracht der obigen Ausführungen wird zwar in Zukunft in diesen Fragen eine Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Kommission nötig sein, dies wird jedoch keine Mehrarbeit für die Verwaltung mit sich bringen.
Buchstabe d: Buchstabe d muss erläutert werden. Gemäss Artikel 22 der Verfassung der IAO haben die Mitgliedstaaten jährlich einen Bericht über die Massnahmen vorzulegen, die sie getroffen haben, um die Anwendung der Übereinkommen, denen sie beigetreten sind, sicherzustellen. Buchstabe d verlangt, dass diese Berichte dem Verfahren der dreigliedrigen Beratung unterworfen werden. In der Schweiz schickt das seco-DA diese Berichte an das IAA, nachdem es die sieben Dachverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer formell angehört hat. De facto erfüllen wir bereits diese Anforderung des Übereinkommens, und es besteht kein Grund zur Änderung des bestehenden Verfahrens.

377

Buchstabe e: Buchstabe e verlangt, dass das Beratungsverfahren auch bei Anträgen auf Kündigung ratifizierter Übereinkommen durchgeführt wird. Im bereits erwähnten Fall des Übereinkommens Nr. 89 im Jahre 1991 hatten wir die Eidgenössische Arbeitskommission angehört. Wir bemühen uns nicht nur weiterhin, die alten Übereinkommen zu überprüfen (s. Bst. c), sondern wollen uns auch aktiv an der Vereinfachung des Normenarsenals der IAO beteiligen, indem wir nötigenfalls ratifizierte Übereinkommen kündigen.

Durch den 1997 angenommenen Verfassungszusatz könnte die Schweiz in der Tat aus von ihr ratifizierten Übereinkommen entlassen werden. Wir sind der Ansicht, dass es unter diesen Umständen äusserst schwierig wäre, die Meinung verschiedener Fachkommissionen einzuholen, vor allem aus administrativen Gründen und um eine Vereinheitlichung zu gewährleisten. In solchen Fällen wird sich also die Eidgenössische Kommission mit allen Vorschlägen zur Kündigung internationaler Arbeitsübereinkommen zu befassen haben.

Im Ergebnis nehmen wir also Artikel 5 an, dessen hier relevante materielle Kompetenzen die Grundlage für die Tätigkeit der Eidgenössischen Kommission bilden werden.

Nach Artikel 6 hat die zuständige Stelle, sofern es angebracht erscheint, nach Beratung mit den massgebenden Verbänden einen Bericht über das Funktionieren des Beratungsverfahrens zu erstellen.

Ein solcher Bericht hat seine Berechtigung, wenn man ein demokratisches Funktionieren der Eidgenössischen Kommission gewährleisten will. Der Bericht über die Arbeit und das Funktionieren der Eidgenössischen Kommission wird uns regelmässig zugestellt und im Geschäftsbericht erwähnt werden. Wir können Artikel 6 annehmen.

Die Artikel 7­14 des Übereinkommens (übliche Schlussbestimmungen) bedürfen keiner Erläuterung.

7.2.2

Haltung zur Empfehlung Nr. 152 (Anhang 9)

Die Empfehlung Nr. 152 übernimmt grossenteils die Bestimmungen des Übereinkommens, sie ist nicht bindend und braucht nicht ratifiziert zu werden. Sie enthält nur wenige neue Regelungen. Bei der Prüfung des Textes können wir uns auf diese beschränken.

Zur Verdeutlichung von Artikel 2 Absatz 2 des Übereinkommens wird in Absatz 2 Unterabsatz 3 der Empfehlung ausgeführt, dass die Beratungen beispielsweise stattfinden können: a) im Rahmen eines eigens dafür gebildeten Ausschusses, b) im Rahmen einer allgemein für Wirtschafts- und Sozialfragen oder für Arbeitsfragen zuständigen Stelle, c) im Rahmen mehrerer Stellen, die jeweils für bestimmte Sachgebiete zuständig sind, d) schriftlich, sofern dies von den Beteiligten als zweckdienliches und ausreichendes Beratungsverfahren anerkannt wird.

378

Nach Absatz 3 Unterabsatz 3 müssen in Zusammenarbeit mit den beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden Massnahmen getroffen werden, um den an den Verfahren beteiligten Personen eine geeignete Schulung zu bieten.

Absatz 4, der teilweise den Artikel 4 des Übereinkommens übernimmt, präzisiert, dass die zuständige Stelle die Finanzierung der Schulungsprogramme, sofern notwendig, übernehmen soll.

Absatz 5 bezeichnet die Fragen, die zu beraten sind. Er übernimmt die Aufzählung von Artikel 5 des Übereinkommens, fügt aber einen Punkt hinzu: Buchstabe c sieht nämlich vor, dass sich die Beratungen auch auf die Vorbereitung und Durchführung gesetzgeberischer und anderer Massnahmen erstrecken sollen, die zur Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen der IAO getroffen werden.

Nach Absatz 6 sollte die zuständige Stelle nach Anhörung der massgebenden Verbände bestimmen, in welchem Umfang diese Verfahren auch für die Beratung über andere als die in Absatz 5 erwähnten Fragen angewandt werden sollten. Die Buchstaben a­c geben dafür Beispiele an.

Schliesslich sieht Absatz 8 vor, dass geeignete Massnahmen zur Koordination der in der Empfehlung vorgesehenen Verfahren und der Tätigkeiten innerstaatlicher Organe, die sich mit ähnlichen Fragen befassen, getroffen werden sollen.

7.3

Schlussfolgerung

Wir möchten das Übereinkommen Nr. 144 ratifizieren. Wir möchten damit einerseits dazu beitragen, dem sozialen Dialog in der Schweiz und in der Welt neuen Schwung zu geben, und unsere Solidarität mit den zahlreichen Ländern, welche dieses Übereinkommen ratifiziert haben, bekunden. Andererseits ist es in einer globalisierten Wirtschaft nicht möglich, eine moderne Gesellschaft ohne ein solides demokratisches Fundament aufzubauen. Die Eidgenössische Kommission soll es der Schweiz, vor allem aber den Akteuren ihres wirtschaftlichen und sozialen Lebens, ermöglichen, eine noch aktivere Rolle innerhalb der IAO zu spielen, um die soziale Dimension der wirtschaftlichen Globalisierung zu gewährleisten und das Image der IAO in der Schweiz und in der Welt zu stärken. Diese Förderung des dreigliedrigen Dialogs betrifft ausdrücklich die Angelegenheiten der IAO und hat keinerlei Auswirkungen auf die wichtige Rolle des sozialen und bilateralen Dialogs der Sozialpartner in der Schweiz in den sie betreffenden Angelegenheiten.

Unser Wunsch nach der Schaffung der Eidgenössischen Kommission soll auch ermöglichen, die IAO den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes näher zu bringen und uns dem innerhalb der Mitgliedsländer der Europäischen Union herrschenden Trend anzunähern.

379

7.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das seco-DA, das für internationale Arbeitsfragen über 3,8 Personalstellen verfügt, wird die administrative Unterstützung der Eidgenössischen Kommission ohne zusätzliches Personal übernehmen können. Die Ratifikation des Übereinkommens wird also keine Erhöhung des Personalbestands des Amtes zur Folge haben. Was die finanziellen Auswirkungen der Einsetzung der Eidgenössischen Kommission angeht, gehen wir davon aus, dass die Eidgenössische Kommission sich aus je einem Vertreter oder einer Vertreterin der sieben Dachverbände zusammensetzen wird (siehe Art. 1) und dass sie zwei- bis dreimal jährlich einen Tag lang in Bern zusammenkommt. Es können schriftliche Anhörungen durchgeführt werden, ohne dass die Eidgenössische Kommission tagt, was für ihre Mitglieder eine gewisse, zu entschädigende Heimarbeit bedeuten würde. Unter Berücksichtigung der Schulungskosten und Reisespesen der Mitglieder der Eidgenössischen Kommission schätzen wir, dass das Gesamtbudget für das Funktionieren der Eidgenössischen Kommission nicht mehr als 10 000 Franken pro Jahr betragen wird. Die Vereinfachung der administrativen Arbeiten und beim Verfassen der Berichte ermöglicht Einsparungen bei den Übersetzungskosten von rund 5 000 Franken. Die verbleibende finanzielle Belastung ist erträglich und geht zu Lasten von seco-DA (Rubrik 705.3189.001 [«Kommissionen und Honorare»]).

7.5

Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht

Kein Dokument der EG zur Förderung des sozialen Dialogs sieht derart spezifische Beratungen vor wie das Übereinkommen Nr. 144. Allerdings beteiligen sich die Sozialpartner bei europäischen Dossiers an den Beratungen auf europäischer und innerstaatlicher Ebene über ihre eigenen Einrichtungen, insbesondere den Wirtschaftsund Sozialrat. Aus diesem Grund haben 14 von 15 Mitgliedstaaten der EU das Übereinkommen Nr. 144 für die Dossiers der IAO ratifiziert.

7.6

Legislaturplanung

Die Ratifizierung von Urkunden der IAO ist allgemein in der Legislaturplanung 1995­1999 vorgesehen (BBl 1996 II 289, Anhang A2).

7.7

Rechtliche Grundlagen

Der Bundesbeschluss, mit dem die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 144 genehmigt werden soll, stützt sich auf Artikel 8 BV (Art. 54 nBV), wonach der Bund für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen zuständig ist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 85 Ziffer 5 BV (Art. 166 Abs. 2 nBV) dafür zuständig, die Ratifizierung gutzuheissen.

380

Das Übereinkommen Nr. 144 kann gemäss Artikel 9 des Übereinkommens zehn Jahre nach dessen Inkrafttreten und nach jeder weiteren Periode von zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c BV (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 nBV) herbei. Der Bundesbeschluss zur Gutheissung der Abänderung untersteht somit nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge.

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