03.079 Botschaft zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 19. Dezember 2003

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Dezember 2003

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung1 wurde vom Europarat ausgearbeitet und 1985 zur Unterzeichnung aufgelegt. Ihr Gegenstand sind der Schutz und die Stärkung der Gemeindeautonomie in Europa. Sie enthält politische, verwaltungstechnische und finanzielle Grundsätze, deren Einhaltung den kommunalen Gebietskörperschaften erlaubt, ihre eigenen Angelegenheiten möglichst autonom zu besorgen.

Wie der Schweizer Adolf Gasser im Vorwort zu seinem Werk Gemeindefreiheit als Rettung Europas/Grundlinien einer ethischen Geschichtsauffassung2 schrieb, ist eine «umfassende kommunale Ermessensfreiheit unentbehrliche Voraussetzung für jede politische, soziale, moralische Gesundung Europas». Dieses erstmals 1943 erschienene Buch hat einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Institution der Gemeinde in Europa geleistet. Die Charta, die Gegenstand der vorliegenden Botschaft ist, kann als Umsetzung der in diesem Werk enthaltenen Grundsätze in völkerrechtliche Normen betrachtet werden.

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In der Schweiz ist der Begriff «Gemeindeautonomie» üblicher als der Begriff «kommunale Selbstverwaltung».

Adolf Gasser, Gemeindefreiheit als Rettung Europas/Grundlinien einer ethischen Geschichtsauffassung, 2. Auflage, Basel 1947 (die erste Auflage erschien 1943 in Basel).

Das Werk wurde auch in die französische und italienische Sprache übersetzt.

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Die Autonomie der Gemeinde trägt klar zu einer Demokratisierung staatlicher Strukturen von unten nach oben bei. Dieser Gedanke gehört zum gemeinsamen Erbe Europas3. Angesichts der Tatsache, dass die Lokalbehörden in den europäischen Ländern eine ausserordentliche Vielfalt von institutionellen Strukturen, Rechtsordnungen und politischen Traditionen aufweisen, ist es ein unbestreitbares Verdienst des Europarats, dass er den Grundsatz der Gemeindeautonomie in einem Text verankert hat, der den Rang eines völkerrechtlichen Vertrages besitzt4.

Mit der Demokratisierung der mittel- und osteuropäischen Länder und ihrem schrittweisen Beitritt zum Europarat haben sich die Grundsätze der Charta in den 1990er-Jahren über den ganzen Kontinent verbreitet, auch wenn man nicht davon ausgehen kann, dass sie überall mit gleicher Bereitwilligkeit aufgenommen wurden5.

Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ist zusammen mit den beiden anderen auf Initiative der lokalen und regionalen Behörden entstandenen Übereinkommen6 ein grundlegender Teil des Systems der Europaratskonventionen.

1.2

Entstehung der Charta und Stand der Ratifikation

Die Ausarbeitung der Charta nahm mehrere Jahrzehnte in Anspruch. 1953 war in Versailles anlässlich des Europäischen Gemeindetages7 die «Europäische Charta der Gemeindefreiheiten» verabschiedet worden. In den 1960er-Jahren setzte sich in den Institutionen des Europarates nach und nach der Gedanke einer Stärkung der Lokal-

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So äusserte sich Franz-Ludwig Knemeyer in seiner Studie Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die kurz nach Inkrafttreten der Charta in Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft, Stuttgart 1988, erschien.

Eine interessante Analyse der verschiedenen Systeme derjenigen westeuropäischen Länder, die die Charta unterzeichnet hatten ­ hier wird auch die Schweiz berücksichtigt ­, bietet Philip Blair in seinem Aufsatz Die Gestaltung der kommunalen Selbstverwaltung in den europäischen Staaten, in Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft, Stuttgart 1988. Neuere Daten enthält die vom Europarat in Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden sowie den Städte- und Gemeindeverbänden der verschiedenen Länder ausgearbeitete Studie La régionalisation et ses conséquences sur l'autonomie locale, Nr. 64 der Reihe «Communes et régions d'Europe», Strassburg 1998.

In manchen Ländern sind gewisse Schwächen in der Organisation der Demokratie auf Ortsebene nicht zu übersehen. So sagte etwa der Exekutivdirektor des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas in seiner Ansprache anlässlich des 40. Jahrestages des Beitritts der Schweiz zum Europarat am 5. Mai 2003 in Basel, es komme vor, dass «die Wahl eines neuen Bürgermeisters die Ersetzung der meisten Leiter von Gemeindediensten zur Folge hat».

Es handelt sich hierbei um das Europäische Rahmenübereinkommen vom 21. Mai 1980 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (SR 0.131.1) und um die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (SR 0.441.2).

Initiator des Gemeindetages war der Rat der Gemeinden Europas.

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behörden durch. Die Konferenz der Gemeinden Europas8, die sich die Förderung und Vertretung der Interessen der Gemeinden zur Aufgabe gemacht hatte, unterbreitete dem Ministerkomitee in Zusammenarbeit mit der Beratenden Versammlung9 eine entsprechende Empfehlung, die jedoch so allgemein formuliert war, dass es nicht zu einer konkreten Beschlussfassung kam.

Einige Jahre später beschloss die Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas in der Überzeugung, dass ein rechtlicher Rahmen für die Festlegung der Grundsätze der Gemeindeautonomie erforderlich sei, die Ausarbeitung einer diesbezüglichen Konvention. Ein Entwurf für eine Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung wurde dem Ministerkomitee 1981 unterbreitet. Dieser erste Entwurf wurde an der 5. Konferenz der für kommunale Gebietskörperschaften zuständigen europäischen Minister (Lugano, 5.­7. Okt. 1982) von den Staaten einer ersten Prüfung unterzogen. Bei dieser Gelegenheit wurden Vorbehalte hinsichtlich einer Festschreibung des Grundsatzes der Gemeindeautonomie in einem bindenden Rechtsinstrument geäussert. Zugleich wurde die Anerkennung des allgemeinen Grundsatzes der Gemeindeautonomie befürwortet.

An der 6. Konferenz der für kommunale Gebietskörperschaften zuständigen europäischen Minister (Rom, 6.­8. Nov. 1984) sprach sich die Mehrheit der Staaten für die Rechtsform einer Konvention aus. Dieses positive Ergebnis war dank der Aufnahme eines Artikels möglich geworden, der jedem Staat erlaubte zu entscheiden, welche Bestimmungen innerstaatliche Geltung haben sollten. Im Juni 1985 konnte das Ministerkomitee dann die Charta verabschieden. Sie wurde am 15. Oktober 1985 zur Unterzeichnung aufgelegt.

Die Charta trat nach vier Ratifikationen am 1. September 1988 in Kraft. Bald wird sie von allen 45 Ländern, die heute Mitglieder des Europarates sind, ratifiziert sein.

Drei Länder (Belgien, Frankreich und Georgien) haben sie unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert. In Belgien geht es zurzeit darum, die Genehmigung der Regionalparlamente und der verschiedenen Gemeinschaften einzuholen. In Frankreich ist mit einem baldigen Abschluss der innerstaatlichen Zustimmungsverfahren zu rechnen; dies ist unter anderem auf das Kolloquium über die Dezentralisierung zurückzuführen, das der Senat in Zusammenarbeit mit dem Kongress der Gemeinden
und Regionen Europas (KGRE) am 26. Juni 2001 in Paris organisiert hat.

Die Schweiz hat die Charta noch nicht unterzeichnet. Das Gleiche gilt für Andorra, San Marino10 und Serbien-Montenegro11.

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Die Konferenz wurde 1962 als ständiges Organ Nachfolgerin des Rates der Gemeinden Europas. 1975 wurde sie umbenannt in Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas und 1994 in Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE).

Heute: Parlamentarische Versammlung.

Die Gründe sind institutioneller Art: In Andorra und San Marino spielt die Gemeindeebene kaum eine Rolle.

Dieses Land ist der Organisation erst am 3. April 2003 beigetreten.

1.3

Tragweite der Charta

Die Charta definiert einen allgemeinen Rahmen für die Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften innerhalb der staatlichen Strukturen. Sie enthält politische, verwaltungstechnische und finanzielle Grundsätze, deren Einhaltung den Gemeinden erlaubt, ihre eigenen Angelegenheiten möglichst autonom zu besorgen. Die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften bei sie betreffenden Angelegenheiten muss sowohl gegenüber der staatlichen Zentralgewalt als auch gegenüber den anderen Instanzen des Staates und der Verwaltung gewährleistet sein.

Die Charta strebt keine Vereinheitlichung des Rechts im Bereich der kommunalen Organisation in den Mitgliedstaaten des Europarates an, wohl aber die Einführung von Mindeststandards im Kontext einer Vielzahl von Rechtsordnungen. Damit die Staaten den landesspezifischen Bedingungen Rechnung tragen können, wird ein System «à la carte» vorgeschlagen, bei dem jeder Staat die Möglichkeit hat, Bestimmungen auszuwählen, die er als bindend betrachten will (siehe Ziff. 2.2 dieser Botschaft).

Im Unterschied beispielsweise zur Europäischen Menschenrechtskonvention12, die häufig als ihr Äquivalent für Individualrechte betrachtet wird, sieht die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung keinen institutionellen Kontrollmechanismus für die Einhaltung der Gemeindefreiheiten vor13. Es erschien sinnvoller, auf ein komplexes Überwachungssystem zu verzichten, da die Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas (heute der Kongress) unmittelbaren Zugang zum Ministerkomitee hat und somit zu erwarten war, dass sie in der Lage sein würde, eine ausreichende politische Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen zu gewährleisten, die sich aus der Charta ergeben. In der Praxis hat sich dann mit der Erstattung von Berichten eine Art Kontrollmechanismus entwickelt. Mit der Berichterstattung wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, deren elf Mitglieder die beiden Kammern des KGRE vertreten (die Kammer der Gemeinden und die der Regionen) und der ein Komitee unabhängiger Sachverständiger zur Seite steht. Bislang wurden sechs Berichte vorgelegt14. Parallel dazu ­ aber unabhängig davon, ob das betreffende Land die Charta unterzeichnet hat ­ erstattet die institutionelle Kommission des KGRE Bericht über die Lage der Demokratie auf kommunaler und regionaler 12 13 14

Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101).

Art. 14 verpflichtet lediglich zur Übermittlung von Informationen an den Generalsekretär des Europarates.

Der erste Bericht (Mai 1994) untersuchte die Umsetzung der Charta speziell unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den innerstaatlichen Gesetzgebungen der Ratifikationsländer. Diese Analyse wurde im dritten Bericht (März 1998) vertieft; er befasste sich mit «der Einbindung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in die Rechtsordnungen der Ratifikationsländer und der rechtlichen Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung». Drei weitere allgemeine Berichte untersuchten unter Bezugnahme auf einzelne Artikel der Charta verschiedene Aspekte der Selbstverwaltung, und zwar «Die Verwaltungsaufsicht der kommunalen Gebietskörperschaften ­ Die Anwendung der Artikel 3, 6.2, 7.1 und 8» (Juni 1996); «Finanzielle Ressourcen der lokalen Behörden im Hinblick auf ihre Zuständigkeiten: die Subsidiarität unter der Lupe ­ Die Anwendung der Artikel 3.1, 4.1­5 und 9» (April 2000); «Das Verhältnis zwischen Bürger, Versammlung und Exekutivorgan in der kommunalen Demokratie (der institutionelle Rahmen der kommunalen Demokratie) ­ Die Anwendung des Artikels 3.2» (April 2002). Der jüngste Bericht (April 2003) ist ein Spezialbericht und behandelt die Frage des Gemeindeeigentums aus der Sicht der Grundsätze der Charta.

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Ebene in den Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern. Die Schweiz ist im KGRE mit sechs Delegierten von Kantonen und Gemeinden vertreten, und zwar drei Regierungsräten und drei Gemeindeammännern oder Gemeindepräsidenten. Ihre Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf regionale und kommunale Angelegenheiten können durch eine Ratifizierung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch die Schweiz nur erweitert werden.

1.4

Position der Schweiz

1.4.1

Allgemeines über die Gemeinden

In der Schweiz gibt es 2842 Gemeinden15. Ihre Anzahl variiert je nach Kanton ganz erheblich; sie ist weder von der Zahl der Einwohner des Kantons abhängig noch von seiner Fläche16. Neben grossen Gemeinden (wie etwa den fünf Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern, Zürich, Basel, Genf, Bern und Lausanne) gibt es auch winzige Gemeinden: 587 Gemeinden zählen zwischen 200 und 499 Einwohnern und kommen insgesamt nur auf eine Bevölkerung von 199 522 Personen.

Die Organisation der Gemeinden untersteht kantonalem Recht17. Alle Gemeinden haben eigene Institutionen sowie eine Exekutive und eine Legislative. Die Legislative wird in kleinen Gemeinden von der Bürger- oder Gemeindeversammlung ausgeübt, in grösseren von einer gewählten Versammlung, dem Gemeindeparlament18.

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Die statistischen Angaben dieses Kapitels beruhen auf Daten vom 1. Jan. 2003 (Anzahl der Gemeinden) und vom 5. Dez. 2000 (Anzahl der Einwohner und ihre Verteilung auf die verschiedenen Gemeinden).

Im Kanton Freiburg zum Beispiel ist die Anzahl der Gemeinden (202) sehr hoch im Verhältnis zu seiner Fläche und seiner Einwohnerzahl. Das Gleiche gilt für das Tessin (238 Gemeinden) sowie ­ im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner ­ auch für Graubünden (208). Nur in den Kantonen Bern (400 Gemeinden) und Waadt (382) gibt es noch mehr Gemeinden; allerdings sind beide Kantone auch bevölkerter und flächenmässig weitaus grösser als Freiburg und das Tessin.

Neben der politischen Gemeinde/Einwohnergemeinde («commune politique», «comune»/«comune politico»), die Gegenstand dieses Kapitels ist, gibt es in der Schweiz auch andere Gemeindeformen, und zwar die Bürgergemeinde/Burgergemeinde («bourgeoisie», «patriziato»/«comune patriziale»), die Kirchgemeinde/Pfarrgemeinde («paroisse», «parrocchia»/«comune parrocchiale»), die Schulgemeinde , die Armengemeinde sowie in manchen Gegenden des Kantons Zürich die Zivilgemeinde.

Wie Andreas Ladner in seinem Buch Politische Gemeinden, kommunale Parteien und lokale Politik (Zürich 1991) gezeigt hat, variieren die Begriffe je nach Kanton. In der Deutschschweiz spricht man von Gemeinderat, Bezirksrat, Bürgerrat oder Urversammlung im Falle der Ersteren und von Grosser Gemeinderat, Stadtrat, Einwohnerrat oder grosser Stadtrat im Falle einer gewählten Versammlung; in der Romandie heisst es «assemblée communale» beziehungsweise «conseil général», «conseil communal» oder «conseil municipal»; in der Italienischen Schweiz «assemblea comunale» beziehungsweise «consiglio comunale» (vgl. S. 55).

Die Zuständigkeiten der gesetzgebenden Versammlungen sind höchst unterschiedlich19. Die Exekutive wird von einem Kollegium ausgeübt20, dem das Personal der Gemeinde untersteht. Die Zuständigkeiten dieses Gremiums variieren je nach Kanton sehr stark.

Die Zuständigkeitsbereiche der Gemeinden, die das kantonale Recht festlegt, sind unterschiedlich. Die Gemeinden sind unter anderem zuständig für Fragen des Gemeindebürgerrechts (im Rahmen der Bundes- und der kantonalen Gesetzgebung) sowie für die Baupolizei und die Raumordnung (in diesen Bereichen haben sie sowohl legislative wie administrative Befugnisse); sie können ferner über eine örtliche Polizei verfügen. In ihren Zuständigkeitsbereich fallen zudem Bauwesen, Strassen- und Wegnetz, Erschliessung der Gewerbegebiete, öffentliches Bauwesen, Wasser- und Stromversorgung, öffentliche Verkehrsmittel, Fürsorge, Kultur, Sport und Freizeit, Primarschulen, Kinderkrippen, Friedhöfe und Feuerwehr21. Je nach kantonaler Gesetzgebung können jedoch die Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche der Gemeinden sehr unterschiedlich sein.

Die interkommunale Zusammenarbeit wird immer häufiger praktiziert, um den Anforderungen der modernen Gesellschaft gerecht zu werden und um im Falle kleiner und mittelgrosser Gemeinden die finanziellen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. So schliessen sich etwa Gemeinden zusammen, um bestimmte Aufgaben (z.B.

Feuerwehr, Kehrichtverbrennung) gemeinsam wahrzunehmen oder bestimmte Bauprojekte (Spitäler, Altersheime, Kläranlagen) gemeinsam zu realisieren. Eine solche Zusammenarbeit kann durch die Schaffung von Gemeindeverbänden (associations de communes/associazoni tra comuni) institutionalisiert werden. Gemeindezusammenschlüsse (groupements intercommunaux/consorzi intercomunali) sind meistens nach kantonalem öffentlichem Recht geregelt ­ wobei jedoch auch Formen des Privatrechts in Frage kommen ­ und auch in Fällen möglich, in denen die beteiligten Gemeinden in verschiedenen Kantonen liegen22.

Seit einiger Zeit arbeiten Gemeinden bei der sektoriellen Lösung von Problemen zusammen, die sich in städtischen Agglomerationen stellen. Eine interessante Dynamik ergibt sich jetzt mit der Entwicklung innovativer Projekte (Modellvorhaben). Diese Projekte werden von den Kantonen in Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden durchgeführt. Sie werden vom
Bund unterstützt23. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb von Agglomerationen.

Die Art der Umsetzung variiert je nach den Zielen der einzelnen Projekte stark.

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Zu den Prärogativen dieser Versammlungen gehört in manchen Fällen das Recht, die Exekutive zu wählen; in etwa 500 der rund 2300 direktdemokratischen Gemeinden wird auch die Exekutive noch an der Gemeindeversammlung gewählt. Dies gilt insbesondere für die Kantone Appenzell-Innerrhoden, Bern, Graubünden und Thurgau (siehe Hans Geser, Schweizer Gemeindestudien / Die politisch-administrative Organisation der Schweizer Gemeinden, 1997, Universität Zürich, Soziologisches Institut, 1997, http://www.unizh.ch/~gemeinde/001c.htm).

In der Deutschschweiz Gemeinderat, Stadtrat, Kleiner Gemeinderat, Bezirksrat, Gemeindevorstand; in der Romandie: «conseil communal», «municipalité», «conseil administratif» oder «maire»; in der Italienischen Schweiz: «municipio».

Andreas Auer, Giorgio Malinverni, Michel Hottelier, Droit constitutionnel suisse, L'Etat, Bd. I, Bern 2000, Nr. 232­233.

Eine wissenschaftliche Analyse dieses Themas hat Reto Steiner vorgelegt: Interkommunale Zusammenarbeit und Gemeindezusammenschlüsse in der Schweiz / Erklärungsansätze, Umsetzungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten, Bern­Stuttgart­Wien 2002.

Der Bericht des Bundesrates vom 19. Dez. 2001 über die Agglomerationspolitik des Bundes enthält die Grundlagen für diese Politik.

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Gewisse Projekte befassen sich mit der Zusammenarbeit im weitesten Sinne und prüfen potenzielle Bereiche für eine Zusammenarbeit24. Andere befassen sich mit Einzelaspekten25, wieder andere behandeln die Problematik von Agglomerationen im Alpenraum26. Ein besonderes Beispiel bildet die Agglomeration Freiburg, wo die Zusammenarbeit erreicht werden soll, indem die Strukturen diskutiert werden, die im Rahmen des neuen kantonalen Agglomerationsgesetzes von 1995 eingerichtet werden müssen. Zu erwähnen ist zudem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die für die betroffenen Agglomerationen eine besondere Herausforderung darstellt27.

Eine genaue Beschreibung der Modellvorhaben im Rahmen der Agglomerationspolitik findet sich auf der Website des Bundesamts für Raumentwicklung28.

1.4.2

Ablauf und Vernehmlassungen

Der Bundesrat hatte geplant, dass die Schweiz der Charta rasch beitreten würde.

Deshalb führte er im Januar 1986, kurz nachdem die Charta zur Unterzeichnung aufgelegt worden war, eine Vernehmlassung bei den Kantonen, den im Bundesrat vertretenen politischen Parteien und den interessierten Organisationen durch.

14 Kantone sprachen sich für einen Beitritt aus, 11 Kantone waren dagegen. Von den politischen Parteien befürwortete lediglich die Sozialdemokratische Partei den Beitritt zur Charta. Der Schweizerische Städteverband und der Schweizerische Gemeindeverband waren ebenfalls für einen Beitritt. Angesichts der geringen politischen Unterstützung beschloss der Bundesrat jedoch, die Charta vorläufig nicht zu unterzeichnen, beauftragte aber das EDA, das Dossier weiter zu verfolgen.

1990 musste sich der Bundesrat aufgrund eines parlamentarischen Vorstosses wieder mit dem Thema beschäftigen29. Der Bundesrat erklärte in seiner Antwort, er wolle das Dossier im Hinblick auf einen Beitritt der Schweiz zur Charta wieder aufnehmen, und begründete dies damit, dass der politische Kontext deutlich günstiger erscheine, da die Rolle des Europarats durch die Entwicklung in den mittel- und osteuropäischen Ländern gestärkt worden sei. Diese Länder nahmen sich bei der demokratischen Organisation ihrer Lokalbehörden die Europäische Charta der

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Arbeitsgruppen einigen sich auf die Umsetzung konkreter Aktionen; dies ist z.B. im Kanton Bern und in den Agglomerationen Luzern, Lausanne und Vevey­Montreux­ Riviera der Fall.

Die Städte Zürich und Winterthur stimmen sich z.B. bei der Standortwahl für grosse Einkaufszentren ab.

Interlaken will ein Agglomerationsprojekt in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Sport und Erholung ausarbeiten und denkt über die Schaffung einer Agglomerationskonferenz nach.

Das Modellvorhaben Chur und Umgebung will die Beziehungen zwischen den städtischen Räumen und Tourismusorten analysieren und darauf aufbauend Pilotprojekte zur Zusammenarbeit entwickeln. Die Region Brig­Visp­Naters will im Hinblick auf die Eröffnung des NEAT-Basistunnels am Lötschberg die Wettbewerbsfähigkeit verstärken.

Die sehr aktive trinationale Agglomeration Basel wird anhand von Schlüsselprojekten das schon bestehende Entwicklungskonzept schrittweise umsetzen. In der Grenzregion Frankreich­Waadt­Genf möchten die Partner auf der Grundlage schon geleisteter Vorarbeiten in verschiedenen Bereichen einen Prozess zur Ausarbeitung eines Agglomerationsprojekts einleiten. Die Agglomeration Schaffhausen möchte die Schaffung neuer Organisationsformen und mögliche Themen für die Zusammenarbeit prüfen.

www.are.ch 90.850 / Interpellation Martin Paul-René, «Europäische Charta über die Lokalautonomie.

Unterzeichnung und Ratifizierung».

kommunalen Selbstverwaltung zum Vorbild. Die Tatsache, dass die Schweiz abseits stand, wurde auf internationaler Ebene immer weniger verstanden.

Zwei Jahre später, im August 1992, erklärte sich der Bundesrat bereit, ein Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats entgegenzunehmen30, das eine neue Vernehmlassung bei den Kantonen verlangte, und schlug vor, die Vernehmlassung innerhalb der Kontaktgruppe Bund/Kantone durchzuführen. Die Überweisung des Postulats wurde jedoch mit 46 gegen 41 Stimmen abgelehnt.

Auf Ersuchen des Schweizerischen Städteverbandes, des Schweizerischen Gemeindeverbandes sowie der Schweizer Delegierten beim Kongress der Gemeinden und Regionen Europas bat der Bundesrat die Kantone an der Sitzung der Kontaktgruppe Bund/Kantone vom 24. Juni 1994 um ihre Stellungnahme. Die Kantone erklärten, die Meinungen seien immer noch geteilt, so dass ein Beitritt derzeit politisch wenig vertretbar wäre.

Im April 1997 teilte die 1993 gegründete Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), die inzwischen das Dossier für die Kantone betreute, dem EDA mit, dass eine Mehrheit der Kantone einem Beitritt der Schweiz zur Charta nunmehr positiv gegenüberstehe, sofern dabei gewisse Bedingungen eingehalten würden: Sie forderten den Ausschluss der unmittelbaren Anwendbarkeit der Charta in der Schweiz sowie eine Erklärung zu den in der Charta verwendeten Begriffen Verfassung, Gesetz und Gesetzgebung. Diese beiden «Vorbehalte» hätten beim Sekretariat des Europarats angebracht werden müssen. Die Bundesbehörden erklärten, warum diese Bedingungen nicht erfüllbar seien. An den Sitzungen, die in der Folge zwischen Vertretern von Bund und Kantonen stattfanden, war aber keine Annäherung der Positionen möglich.

Ende der 1990er-Jahre wurde die Debatte aufgrund der Ausarbeitung eines europäischen Rechtsinstruments über die Regionalautonomie, die mit dem Thema der Charta eng zusammenhängt, wieder aufgenommen.

Die Frage des Beitritts der Schweiz wurde anlässlich des Föderalistischen Dialogs vom 3. Oktober 2002 erörtet. Dabei wurde beschlossen, den Beitritt der Schweiz zur Charta unverzüglich im Rahmen eines tripartiten Treffens Bund/Kantone/Städte und Gemeinden zu diskutieren.

Dieses Treffen fand am 9. Januar 2003 statt. Da die Meinungen bekannt waren, konnte man sogleich beginnen, nach Lösungen zu suchen,
die für alle Parteien befriedigend sind. Die Vertreter der Kantone erklärten, sie hätten bei der Suche nach einer Lösung gemäss dem Auftrag der KdK genügend Spielraum. Es konnte unter allen Partnern eine Einigung über die Gesamtheit der offenen Punkte (Vorbehalte, Bestimmungen, die in der Schweiz nicht anwendbar sein werden) erzielt werden.

Sowohl die Kantone als auch die Städte und Gemeinden hielten bei dieser Gelegenheit eine weitere Vernehmlassung nicht für notwendig, sofern die Abschnitte der Botschaft, die sie betrafen, ihnen, wie dies die Bundesbehörden vorgeschlagen hatten, noch während der Ausarbeitung unterbreitet würden. Die vorliegende Botschaft ist das Ergebnis dieser Koordination.

Die Bundesratsparteien wurden über diesen Konsens informiert und befürworten angesichts der neuen Umstände den Beitritt der Schweiz zur Charta.

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91.081 / Postulat der Aussenpolitischen Kommission NR, «Konventionen des Europarates. Ratifizierung».

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1.4.3

Würdigung der Vorbehalte der Kantone

In diesem Abschnitt wird auf die beiden Hauptbedingungen der Kantone eingegangen.

Unmittelbare Anwendbarkeit Die Kantone hatten als erste Bedingung gefordert, dass der Bundesrat zuhanden des Europarats einen Vorbehalt in Bezug auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Charta anbringt, indem er erklärt, dass die Schweiz die Charta als Ganzes als «non selfexecuting» ansieht.

Damit hatten die Kantone ihre Befürchtung zum Ausdruck bringen wollen, dass der Beitritt der Schweiz zur Charta zu einem Eingriff in einen Bereich führen könnte, der in ihre Zuständigkeit fällt. Sie befürchteten insbesondere, dass das Bundesgericht (das bei staatsrechtlichen Beschwerden über Verletzungen der Gemeindeautonomie befindet) den Inhalt der Gemeindeautonomie unter Berufung auf die Charta festlegen könnte.

In der Folge einigten sich die Kantone darauf, dass eine Erklärung zuhanden des Europarats nicht die geeignete Lösung sei, um ihren Befürchtungen Rechnung zu tragen. Da sie trotzdem wissen wollten, welche Bestimmungen der Charta nach Auffassung der Bundesbehörden unmittelbar anwendbar sein könnten, luden die Kantone den Bundesrat ein, sich darüber in der vorliegenden Botschaft zu äussern.

Auch wenn der Inhalt der Gemeindeautonomie im kantonalen Recht festgelegt ist, werden die Bestimmungen der Charta nach deren Inkrafttreten für die Schweiz bindend sein und für alle staatlichen Organe des Bundes und der Kantone gelten.

Das Bundesgericht wird sich also darauf berufen können.

Der Bundesrat hat grosses Verständnis für die Argumente der Kantone. Um deren Befürchtungen Rechnung zu tragen ­ und allfällige unerwünschte Auswirkungen der Charta zu vermeiden ­, wäre es jedoch seiner Ansicht nach am besten, die Bestimmungen zu bezeichnen, die für die Schweiz aus dem Geltungsbereich auszuschliessen sind, wie dies Artikel 12 der Charta erlaubt. Im besonderen Teil dieser Botschaft werden daher alle Artikel aufgeführt, die auf Antrag der Kantone in der Schweiz vom Geltungsbereich ausgenommen werden; dies vor allem deshalb, weil sie nach Auffassung der Kantone nicht mit dem kantonalen Recht über die Gemeinden vereinbar wären.

Es ist allgemein darauf hinzuweisen, dass die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen eines internationalen Vertrags von den Staaten selbst geregelt wird, sofern der Vertrag nichts anderes
vorsieht. Die mit der Rechtsanwendung beauftragten Behörden legen durch Auslegung fest, ob eine völkerrechtliche Norm unmittelbar anwendbar ist oder nicht. Das Bundesgericht hat eine Reihe von Kriterien zur unmittelbaren Anwendbarkeit von völkerrechtlichen Normen entwickelt.

Demzufolge sind diejenigen völkerrechtlichen Normen unmittelbar anwendbar («self-executing»), die, «wenn man sie im Gesamtzusammenhang und im Lichte von Gegenstand und Zweck des Vertrages betrachtet, unbedingt und eindeutig genug formuliert sind, damit sie eine direkte Wirkung erzeugen und in einem konkreten

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Fall angewendet werden beziehungsweise die Grundlage für eine Entscheidung darstellen können»31.

Im Fall der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ist der Bundesrat der Auffassung, dass Artikel 4 Absatz 6, Artikel 5, Artikel 9 Absatz 6 und Artikel 10 Absatz 1 (1. Teil des Absatzes) als unmittelbar anwendbar betrachtet werden können. Diesen Bestimmungen, mit Ausnahme des letzterwähnten Absatzes, ist gemeinsam, dass sie Rechtsnormen über die Anhörung der Gemeinden darstellen. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere Bestimmung, insbesondere Artikel 11, durch eine Gerichtsinstanz ebenfalls als unmittelbar anwendbar angesehen werden könnte.

Die nicht unmittelbar anwendbaren Bestimmungen sind hingegen programmatischen Inhalts und beschränken sich darauf, Leitlinien festzulegen. Sie wenden sich nicht an die Verwaltungsbehörden einer Vertragspartei, sondern an den Gesetzgeber und lassen diesem bei der Umsetzung in nationales Recht einen gewissen Spielraum.

Dies hat zur Folge, dass die Gemeinden sich vor Gericht auf eine Norm ohne unmittelbare Anwendbarkeit nicht berufen können, solange der Gesetzgeber sie nicht konkretisiert hat. Im Falle der Charta kann der Gesetzgeber in diesem Sinne nur der kantonale Gesetzgeber sein. Im Übrigen haben die Kantone die Grundsätze der Charta weitgehend umgesetzt.

Begriffe «Verfassung», «Gesetz» und «Gesetzgebung» Die Kantone wollten, dass der Bundesrat beim Beitritt der Schweiz zur Charta erklärt, dass die Begriffe «Verfassung», «Gesetz» und «Gesetzgebung» der Charta lediglich das kantonale Recht betreffen.

Hier ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeindeautonomie ein Institut des Bundesrechts ist (Art. 50 Abs. 1 BV), materiell jedoch durch das kantonale Recht definiert wird32.

Die Gemeindeautonomie wird durch das Bundesrecht geschützt (Art. 189 Abs. 1 Bst. b BV). Das Bundesgericht hatte das Recht der Gemeinden, bei Verletzungen ihrer Autonomie den Verfassungsrichter anzurufen, schon lange als verfassungsmässiges Recht anerkannt. Die Gemeinden können dieses Recht mit einer staatsrechtlichen Beschwerde geltend machen33.

Der Bundesrat ist deshalb der Meinung, dass es falsch wäre, jeden Bezug auf das Bundesrecht34 durch eine Erklärung auszuschliessen, wie dies die Kantone vorgeschlagen haben.

Die Behörden von Bund und Kantonen
haben sich schliesslich darauf geeinigt, dass es besser wäre, für jeden Artikel der Botschaft anzugeben, ob die Begriffe «Verfassung», «Gesetz» und «Gesetzgebung» der Charta sich auf Bundesrecht oder auf kantonales Recht beziehen. Sie erachten dabei eine Erklärung auf innerstaatlicher Ebene als sinnvoller als eine Erklärung zuhanden des Europarats. Daher wird im besonde-

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BGE 111 V 201; BGE 112 Ib 183; deutsch in: VPB 53.54 Siehe in diesem Sinne BGE 128 I 3.

BGE 103 Ia 191; BGE 98 Ia 427.

Auch andere Bestimmungen der Bundesverfassung betreffen die Gemeinden in verschiedenen Bereichen (z.B. Art. 37; 39; 100 Abs. 4; 134).

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ren Teil dieser Botschaft bei jedem Artikel und Absatz, in dem diese Begriffe vorkommen35, erklärt, welche Ebene, Bund und/oder Kantone, sie betreffen.

Die Charta hat keine Auswirkungen auf die innerstaatliche Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen. Die besondere Situation der föderalistischen Staaten wird im Übrigen im erläuternden Bericht des Europarats36 anerkannt, der im Kommentar zu Artikel 2 der Charta festhält: «Es muss weiter der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in föderalistischen Staaten die kommunalen Gebietskörperschaften von den Gliedstaaten statt von der Zentralregierung geregelt sein können. Die vorliegende Charta berührt in keiner Weise die Aufgabenteilung zwischen einem Bundesstaat und seinen Gliedstaaten»37.

2

Besonderer Teil

Abgesehen von der Präambel, welche die Grundprinzipien der Charta enthält, und von Artikel 1 (Verpflichtung der Vertragsstaaten), hat die Charta drei Teile. Im ersten Teil finden sich die Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung. Der zweite Teil enthält Bestimmungen über den Umfang der von den Vertragsstaaten eingegangenen Verpflichtungen. Der dritte Teil umfasst Schlussbestimmungen, wie sie üblicherweise in den Übereinkommen des Europarats enthalten sind.

2.1

Präambel, Artikel 1 und Teil I

Mit der Präambel bekräftigen die Vertragsstaaten der Charta ihren Willen, eine engere Verbindung zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats herzustellen. Sie anerkennen, dass Gemeindestrukturen, die möglichst autonom sind, wesentlich zum Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft beitragen. Indem sich der Europarat für eine bürgernähere Organisation der kommunalen Institutionen («Recht der Bürger auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten») einsetzte, spielte er eine Vorreiterrolle, insbesondere da die Charta als erster Rechtstext auf europäischer Ebene das Subsidiaritätsprinzip erwähnt.

Artikel 1 legt die Verpflichtung der Vertragsstaaten fest, die Artikel als für sich bindend anzusehen, die sie gemäss den Bestimmungen von Artikel 12 für die Anwendung in ihrem Land ausgewählt haben. In der Schweiz erfolgt die Auswahl der anwendbaren Artikel im Einvernehmen mit den Kantonen.

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Die Begriffe kommen in folgenden Artikeln vor: 2; 3 Abs. 2; 3 Abs. 3; 4 Abs. 1, 2 und 4; 5; 6 Abs.1; 7 Abs. 3; 8 Abs. 1 und 2; 9 Abs. 2, 3 und 8; 10 Abs. 1 und 3; 11. Es ist darauf hinzuweisen, dass fast alle diese Bestimmungen (ausser Art. 6 Abs.1; 7,1; 8,1 und 10,3) Teil der Kernbestimmungen im Sinne von Art. 12 bilden.

Der erläuternde Bericht findet sich auf der Website des Europarats, http://conventions.coe.int/Treaty/FR/Cadreprincipal.htm (Referenznummer der Charta: SEV 122). Der Bericht kann bei der Direktion für Völkerrecht des EDA bezogen werden.

Diese Auffassung wird auch an anderen Stellen des erläuternden Berichts wiederholt, insbesondere wenn präzisiert wird, dass die übergeordnete Behörde nicht nur durch die Zentralbehörde, sondern auch durch die regionale Ebene ­ in der Schweiz durch die Kantone ­ vertreten werden kann (siehe Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 4, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3).

Artikel 2 bestimmt, dass der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und nach Möglichkeit auch in der Verfassung anerkannt werden muss. Wie unter Ziffer 1.4.3 erwähnt, muss hier geprüft werden, ob man in der Schweiz mit den in diesem Artikel erwähnten Begriffen «Gesetzgebung» und «Verfassung» nur die kantonale Ebene meint oder ob auch die Bundesebene betroffen ist. Was den Begriff der «Verfassung» betrifft, so wurde bereits festgestellt, dass beide Ebenen betroffen sind. Beim Begriff der «Gesetzgebung» ­ damit sind die Gesetze gemeint ­ ist darauf hinzuweisen, dass nur die kantonale Ebene gemeint ist. Auch wenn gewisse Gesetzestexte auf Bundesebene die Gemeinden ausdrücklich erwähnen38 (insbesondere im Zusammenhang mit dem Vollzug der Bundesgesetzgebung), können nur die Gesetzgebungen der Kantone Bestimmungen über den Grundsatz der Gemeindeautonomie enthalten.

Artikel 3 enthält eine Definition der wesentlichen Merkmale der Gemeindeautonomie.

Absatz 1 illustriert diesen Begriff mit zwei Ausdrücken. Die kommunalen Gebietskörperschaften müssen über die «tatsächliche Fähigkeit» verfügen, die sie betreffenden öffentlichen Angelegenheiten zu gestalten. Die Gemeinden müssen also über die Mittel zur tatsächlichen Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen. Sie müssen zudem unter allen Umständen «in eigener Verantwortung» handeln können, was gemäss dem erläuternden Bericht des Europarats bedeutet, dass sie «nicht in die Rolle von einfachen Ausführungsorganen der übergeordneten Amtsstellen gepresst werden dürfen».

Der Begriff «Gesetz» bezieht sich hier in erster Linie auf die kantonale Gesetzgebung.

Absatz 2 betrifft die Notwendigkeit demokratisch gewählter Gemeindebehörden, dank denen die kommunalen Gebietskörperschaften ihre Rechte in den von der Gemeindeautonomie geschützten Bereichen wirksam wahrnehmen können. Die Versammlungen und Räte müssen demokratisch gewählt werden (freie, geheime, gleiche, unmittelbare und allgemeine Wahl). Es ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlmodus, der von der Charta vorgesehen ist, nur für die Gemeindelegislativen gilt39.

Bürgerversammlungen, wie sie in der Schweiz in vielen kleinen Gemeinden bestehen, sind von der Charta zugelassen.

Was den Begriff «gesetzlich» in diesem Absatz betrifft, so ist klar, dass nur die kantonale Gesetzgebung
gemeint sein kann.

Artikel 4 betrifft den Umfang der Gemeindeautonomie. Er enthält die allgemeinen Grundsätze, die bei der Übertragung von Zuständigkeiten und der Definition der Befugnisse der Gebietskörperschaften eingehalten werden müssen.

38

39

Siehe z.B. Art. 19 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (SR 700.1), Art. 3 der Verordnung über die Meldung wegziehender Ausländer (SR 142.212), Art. 427 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dez. 1907 (SR 210), Art. 7 des Bundesstatistikgesetzes vom 9. Okt. 1992 (SR 431.01), Art. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Okt. 1963 über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (SR 520.2), Art. 3 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dez. 1958 (SR 741.01), Art. 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (SR 974.0).

Anders Prof. Daniel Thürer in seiner Studie Schweizerische Gemeindeautonomie und die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, Aktuelle Probleme des Staatsund Verwaltungsrechts, Festschrift für Otto K. Kaufmann, Bern 1989, S. 232.

91

Mit Absatz 1 setzt sich die Charta für die Übertragung von grundlegenden Zuständigkeiten ein, dank denen die Gebietskörperschaften innerhalb eines klaren rechtlichen Rahmens handeln können. Die Verfassung oder die Gesetzgebung muss entsprechende Bestimmungen enthalten. Es ist aber vorgesehen, dass Zuständigkeiten im Einklang mit dem Gesetz auch «zu besonderen Zwecken» übertragen werden können.

Angesichts der Tatsache, dass Grundsatz und Umfang der Gemeindeautonomie in der Schweiz durch die kantonale Verfassung und die kantonale Gesetzgebung festgelegt sind40, beziehen sich die Begriffe «Verfassung» und «Gesetz» im ersten Satz des Absatzes auf Verfassung und Gesetzgebung der Kantone. Umgekehrt ist beim Begriff «Gesetz» im zweiten Satz auch die Bundesgesetzgebung gemeint; denn es kommt manchmal vor, dass ein Bundesgesetz den Gemeinden Vollzugsaufgaben überträgt.

Absatz 2 berücksichtigt die Tatsache, dass die kommunalen Gebietskörperschaften auch ausserhalb ihres allgemeinen Zuständigkeitsbereichs handeln können müssen.

Er sieht damit eine allgemeine Zuständigkeit der Gemeinden für alle Angelegenheiten vor, die nicht einer anderen Stelle übertragen worden sind. Dieser Bestimmung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die kommunalen Gebietskörperschaften zugunsten des Gemeinwohls ihrer Bevölkerung handeln müssen. Die Gesetzgebung kann allgemeine Regeln für das Handeln der Gemeinden aufstellen. Aus den schon erwähnten Gründen ist mit dem Begriff «im gesetzlichen Rahmen» sowohl die kantonale Ebene wie die Bundesebene gemeint.

Absatz 3 stellt den Grundsatz der Subsidiarität auf. Der erläuternde Bericht des Europarats präzisiert, dass das in diesem Absatz ausgedrückte allgemeine Prinzip die dezentralisierte Ausübung öffentlicher Verantwortlichkeiten fördern soll.

Absatz 4 fordert, dass die den kommunalen Gebietskörperschaften übertragenen Zuständigkeiten «vollständig und umfassend» sein sollen. Wenn eine übergeordnete Behörde es für nötig hält, die Zuständigkeiten einer kommunalen Gebietskörperschaft einzuschränken, indem sie sich zum Beispiel grössere Kompetenzen gibt, so darf sie dies laut der Charta nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage tun. In der Schweiz liegt diese Zuständigkeit beim kantonalen Gesetzgeber.

Diese Bestimmung enthält eine wesentliche Bedingung für die effektive Ausübung der
Gemeindeautonomie: Je originärer die Zuständigkeiten der kommunalen Gebietskörperschaften sind (eigene Aufgaben), desto mehr wird die Gemeindeautonomie gestärkt.

Obwohl das Bundesgericht schon in den 1960er-Jahren eine zunehmende Einschränkung der eigenen Aufgaben der Gemeinden feststellte ­ eine Sorge, die im Übrigen auch aus dem erläuternden Bericht des Europarats hervorgeht41 ­, kam es zum Schluss, dass die Gemeindeautonomie besser durch das, was die Rechtsprechung als «erheblichen Ermessensspielraum» bezeichnet, gewährleistet werden kann als durch

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41

92

Ausnahmsweise kann die Gemeindeautonomie auch durch ungeschriebenes kantonales Gewohnheitsrecht bestimmt werden (BGE 115 Ia 44). Siehe den Ausdruck «normalerweise» im erläuternden Bericht zu dieser Bestimmung.

Der Bericht besagt ausdrücklich, dass man «jeder graduellen Tendenz zur Verwässerung von Verantwortlichkeiten» der Gemeinden entgegentreten müsse.

die Ausübung von originären Befugnissen42. Diese Entwicklung der Rechtsprechung beruht auf der Überzeugung, dass es wenig Sinn macht, die Gemeindeautonomie zu schützen, indem zwischen eigenen und übertragenen Aufgaben unterschieden wird; diese Unterscheidung wurde deshalb als Kriterium zum Schutz der Gemeindeautonomie fallengelassen. Das Risiko ist in der Tat gross, dass der Gesetzgeber eine originäre Aufgabe in eine übertragene «verschiebt», so dass dieser Schutz seine Wirksamkeit verliert.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Charta ­ zumindest in ihren Auswirkungen, wenn auch nicht nach ihrem Wortlaut ­ keinen besseren Schutz bietet als die kantonale Gesetzgebung und die Rechtsprechung des Bundesgerichts.

Die Kantone haben sich aber für einen Ausschluss dieser Bestimmung von der Anwendbarkeit in der Schweiz ausgesprochen, da sie der Auffassung sind, dass der Wortlaut der Charta ihren eigenen Zuständigkeitsbereich antastet und sie deshalb diese Bestimmung nicht einhalten können.

Der Bundesrat respektiert diese Befürchtung und beantragt, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung in der Schweiz auszuschliessen.

Absatz 5 betrifft den Fall, dass die übergeordnete Behörde den kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen der Kompetenzdelegation Aufgaben übertragen hat. In diesem Fall müssen sie in der Lage sein, die örtlichen Gegebenheiten bei der Ausübung der delegierten Aufgaben zu berücksichtigen. Der erläuternde Bericht weist aber darauf hin, dass diese Bestimmung nicht zum Zug kommen darf, wenn gewisse Aufgaben eine einheitliche Regelung auf nationaler Ebene erfordern.

Absatz 6 garantiert, dass die kommunalen Gebietskörperschaften bei allen Angelegenheiten, die sie unmittelbar betreffen, angehört werden müssen. Die Anhörung muss so durchgeführt werden, dass die Gemeinden genügend Bedenkzeit haben. Sie kann auch über Städte- und Gemeindeverbände erfolgen. Von dieser Bestimmung sind in erster Linie die kantonalen Behörden betroffen. Artikel 50 Absätze 2 und 3 BV verlangt allerdings auch vom Bund, die möglichen Auswirkungen seines Handelns auf die Gemeinden zu beachten43. Dies kann den Austausch von Informationen bzw. eine angemessene Beteiligung der Gemeinden am Entscheidprozess auf Bundesebene bedingen.

Artikel 5 bezieht sich auf die territoriale Integrität der kommunalen Gebietskörperschaften. Die
Frage stellt sich bei Fusionen und Zusammenschlüssen von Gemeinden. Die Charta fordert eine vorgängige Anhörung der betroffenen Gemeinden. Sie sieht auch den Weg der Volksabstimmung vor, sofern das Gesetz diese Form der Anhörung vorsieht. In diesem Artikel ist unter dem Begriff «gesetzlich» die kantonale Gesetzgebung zu verstehen.

42

43

BGE 93 I 154; 93 I 427. Zur Entwicklung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung siehe Jean-Michel Piguet, La jurisprudence du Tribunal fédéral en Suisse en matière d'autonomie communale: une «Charte prétorienne» de l'autonomie locale, in Revue de droit administratif et de droit fiscal, Revue genevoise de droit public, Nr. 3, 1992, S. 145 ff.

Siehe dazu die Richtlinien des Bundesrates vom 16. Okt. 2002 zuhanden der Bundesverwaltung betreffend die Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden (BBl 2002 8385).

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Artikel 6 Absatz 1 bezieht sich auf die Verwaltungs- und Führungsstrukturen der kommunalen Gebietskörperschaften. Mit dieser Bestimmung will die Charta den kommunalen Gebietskörperschaften ermöglichen, sich Strukturen zu geben, die ihren Anforderungen und Besonderheiten optimal angepasst sind. Es ist aber klar, dass die übergeordnete Ebene die grundlegenden Organisationsprinzipien festlegen kann. Wenn dieser Rahmen durch «gesetzliche Bestimmungen» festgelegt ist, handelt es sich in der Schweiz natürlich um kantonale Gesetze.

Absatz 2 drückt aus, dass eine kommunale Gebietskörperschaft in der Lage sein muss, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, die für ihre Aufgaben genügend qualifiziert sind. Er verlangt, dass den Mitarbeitenden angemessene Ausbildungsmöglichkeiten, Lohnbedingungen und Laufbahnperspektiven angeboten werden.

Die Kantone möchten wegen des Miliz- und Ehrenamtsystems, das in vielen Schweizer Gemeinden herrscht, auf die Anwendung dieser Bestimmung in der Schweiz verzichten. Der Bundesrat schliesst sich dieser Auffassung an.

Artikel 7 bezieht sich auf die Bedingungen für die Ausübung des Amts der gewählten Kommunalvertreter und insbesondere auf deren finanzielle Entschädigung.

Gemäss Absatz 1 müssen die gewählten Kommunalvertreter ihr Amt frei ausüben können.

Absatz 2 äussert sich zur Frage der finanziellen Entschädigung. Aus den gleichen Gründen wie bei Artikel 6 schlagen die Kantone vor, auf die Anwendung dieser Bestimmung zu verzichten. Der Bundesrat ist bereit, sich dieser Auffassung anzuschliessen.

Gemäss Absatz 3 muss die Unvereinbarkeit von Ämtern und Tätigkeiten mit der Ausübung eines Kommunalamts auf einer Rechtsgrundlage beruhen; die Bedingungen für eine Unvereinbarkeit sind üblicherweise im «Gesetz» festzulegen. Dieser Begriff bezieht sich in der Schweiz auf die kantonalen Gesetze.

Artikel 8 bezieht sich auf die Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften durch übergeordnete Behörden.

Absatz 1 bestimmt, dass die Verwaltungsaufsicht nur aufgrund von Verfassungsoder Gesetzesbestimmungen erfolgen darf. Die Begriffe «Verfassung» und «Gesetz» beziehen sich in der Schweiz auf Verfassung und Gesetze der Kantone.

Gemäss Absatz 2 beschränkt sich die Verwaltungsaufsicht über die Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften durch
übergeordnete Behörden auf die Frage der Einhaltung der Gesetze und Verfassungsgrundsätze. Eine Kontrolle der Zweckmässigkeit ist aber erlaubt bei Aufgaben, deren Vollzug den Gemeinden durch eine übergeordnete Behörde übertragen worden ist. Die Charta widerspiegelt hier die Unterscheidung zwischen den eigenen Aufgaben und der Kontrolle der Rechtmässigkeit einerseits und den übertragenen Aufgaben und der Kontrolle der Zweckmässigkeit andererseits.

In der Schweiz unterscheidet das Bundesgericht, wie bei Artikel 4 Absatz 4 erwähnt, nicht mehr zwischen eigenen und übertragenen Aufgaben. Diese Unterscheidung war schwierig zu handhaben und erlaubte es nicht, ein hohes Mass an Gemeindeautonomie zu erhalten. In der Rechtsprechung wird die Gemeindeautonomie weniger durch die Ausübung von originären Befugnissen (eigene Aufgaben) als durch 94

das freie Ermessen der Gemeindebehörden gewahrt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts verlangt immer, dass die Kontrolle der Zweckmässigkeit oder Rechtmässigkeit auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Die Rechtsprechung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie über das formale Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage hinausgeht und die Gemeindeautonomie materiell gegen eine willkürliche Ausübung der Verwaltungsaufsicht, einschliesslich der Kontrolle der Zweckmässigkeit, schützt44.

Es stimmt, dass Artikel 8 Absatz 2 einen weitergehenden Schutz zu bieten scheint, indem er die Kontrolle der Zweckmässigkeit bei umfassenden und ausschliesslichen Zuständigkeiten verbietet. Wie aber schon bei Artikel 4 gezeigt wurde, ist ein so gestalteter Schutz nicht ausreichend und kann mit der Zeit abnehmen.

Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bietet nach Ansicht des Bundesrates einen weiter gehenden und wirksameren Schutz der Gemeindeautonomie als Artikel 8 Absatz 2 der Charta. Die Kantone haben sich aber für einen Ausschluss dieser Bestimmung von der Anwendbarkeit in der Schweiz ausgesprochen. Der Bundesrat respektiert ihren Willen und schlägt deshalb vor, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung in der Schweiz auszuschliessen.

In Absatz 3 sieht die Charta vor, dass die Verhältnismässigkeit zwischen dem Umfang der Aufsichtsmassnahme und der Bedeutung der von der übergeordneten Behörde zu schützenden Interessen gewahrt werden muss.

Artikel 9 enthält Bestimmungen über die den kommunalen Gebietskörperschaften zur Verfügung zu stellenden angemessenen Finanzmittel.

Absatz 1 legt fest, dass die kommunalen Gebietskörperschaften grundsätzlich über ausreichende Eigenmittel verfügen müssen, über die sie frei verfügen können.

Dieser Absatz soll sicherstellen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften die Prioritäten betreffend die Ausgaben festlegen können. Man kann davon ausgehen, dass diese Voraussetzung in der Schweiz gegeben ist.

Gemäss Absatz 2 müssen die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben stehen, die sie gemäss «Verfassung» oder «Gesetz» zu erfüllen haben. Beim Begriff «Verfassung» ist in der Schweiz nur die kantonale Ebene betroffen. Hingegen ist mit dem Begriff «Gesetz» auch die Bundesebene gemeint.

Absatz 3 postuliert eine Zuständigkeit
der kommunalen Gebietskörperschaften im Bereich der kommunalen Abgaben, Gebühren und Steuern. Die kommunalen Gebietskörperschaften müssen deren Satz «im gesetzlichen Rahmen» festsetzen können. Diese Bedingung ist in der Schweiz, wo die Gemeinden über eine grosse Finanzautonomie verfügen, weitgehend erfüllt45. Unter dem Ausdruck «im gesetzlichen Rahmen» sind in der Schweiz die kantonalen Gesetze zu verstehen.

Gemäss Absatz 4 müssen die finanziellen Mittel der kommunalen Gebietskörperschaften möglichst der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst werden können.

Die Bestimmungen von Absatz 5 beziehen sich auf den Finanzausgleich.

44 45

BGE 112 Ia 283; BGE 113 Ia 192 (zu kantonalen Richtplänen).

Für das Jahr 2001 betrugen die Steuern der Gemeinden 48,93 % der gesamten Einnahmen.

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Die Kantone haben verlangt, dass dieser Absatz in der Schweiz nicht zur Anwendung kommt. Sie wollen vermeiden, dass mit dieser Bestimmung ihre Entscheidbefugnis über die Verteilung der finanziellen Mittel zu Gunsten der Gemeinden eingeschränkt werden könnte, und zwar in der Weise, dass ­ wie es der zweite Satz der Bestimmung verlangt ­ die Entscheidfreiheit der kommunalen Gebietskörperschaften in deren eigenem Zuständigkeitsbereich nicht mehr geschmälert werden könnte.

Absatz 6 sieht vor, dass die kommunalen Gebietskörperschaften bei der Ausarbeitung der gesetzlichen Regeln des Finanzausgleichs anzuhören sind.

Gemäss Absatz 7 sollen die Subventionen, die kommunalen Gebietskörperschaften gewährt werden, möglichst nicht für ein bestimmtes Vorhaben gesprochen werden.

Allgemeine Subventionen sollen Vorrang haben. Damit will die Charta den kommunalen Gebietskörperschaften einen grösseren Handlungsspielraum bei der Verwendung der ihnen zustehenden finanziellen Mittel verschaffen.

In der Schweiz sind die meisten Subventionen an bestimmte Vorhaben gebunden.

Auf Ersuchen der Kantone hat sich der Bundesrat deshalb bereit erklärt, auf die Anwendung dieser Bestimmung in der Schweiz zu verzichten.

Gemäss Absatz 8 müssen kommunale Gebietskörperschaften Zugang zum Kapitalmarkt haben, um ihre Investitionsausgaben zu finanzieren. Sowohl kantonales Recht wie auch Bundesrecht können hier angesprochen sein.

Artikel 10 regelt die Zusammenarbeit zwischen kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen von Verbänden und Vereinigungen.

Absatz 1 betrifft die Zusammenarbeit, zu der kommunale Gebietskörperschaften innerhalb eines Staates berechtigt sind. Sie müssen sich auch zusammenschliessen können, um Aufgaben von gemeinsamem Interesse wahrzunehmen. Die Einzelheiten und Bedingungen können «im gesetzlichen Rahmen» geregelt werden. Darunter sind in der Schweiz die kantonalen Gesetze zu verstehen.

Absatz 2 gibt kommunalen Gebietskörperschaften das Recht, innerstaatliche oder internationale Vereinigungen zu bilden. In der Schweiz sind insbesondere der Schweizerische Städteverband und der Schweizerische Gemeindeverband anerkannte Gesprächspartner sowohl der Kantonsbehörden als auch der Bundesbehörden. Auf internationaler Ebene sind der Rat der Gemeinden und Regionen Europas und die Internationale Vereinigung der Städte
und der Lokalbehörden zu erwähnen.

Gemäss Absatz 3 besteht auch die Möglichkeit von Direktkontakten zwischen kommunalen Gebietskörperschaften verschiedener Länder. Die Charta nimmt hier Bezug auf die grenzüberschreitende (und interterritoriale) Zusammenarbeit, zu deren Förderung und Unterstützung zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Charta besondere Rechtsinstrumente im Rahmen der Institutionen des Europarats in Vorbereitung waren46. Wie der Bundesrat beim Beitritt der Schweiz zu diesen verschiedenen Rechtsinstrumenten bestätigte, muss diese Form der Zusammenarbeit mit den in den 46

96

Zu erwähnen ist insbesondere das Europäische Rahmenübereinkommen vom 21. Mai 1980 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (in der Schweiz seit dem 4. Juni 1982 in Kraft / SR 0.131.1 / BBl 1981 II 833), das ergänzt wird durch das Zusatzprotokoll vom 9. Nov. 1995 (in der Schweiz seit dem 1. Dez. 1998 in Kraft / SR 0.131.11 / BBl 1997 IV 610) und das Protokoll Nr. 2 vom 5. Mai 1998 betreffend die interterritoriale Zusammenarbeit (in der Schweiz seit dem 27. Mai 2003 in Kraft / noch nicht veröffentlicht / BBl 2002 3135).

Kantonen geltenden Bestimmungen vereinbar sein. In diesem Sinne bezieht sich der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff «Gesetz» in der Schweiz hauptsächlich auf das kantonale Recht.

Artikel 11 postuliert einen Rechtsschutz für die Gemeindeautonomie in der Form eines Beschwerderechts. Der Rechtsschutz muss es den kommunalen Gebietskörperschaften ermöglichen, eine Verletzung ihrer Autonomie geltend zu machen.

In der Schweiz gibt es wie erwähnt die Möglichkeit, nach Ausschöpfung der kantonalen Rechtsmittel wegen Verletzung der Gemeindeautonomie gemäss Artikel 189 Absatz 1 Buchstabe b BV mit einer staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht zu gelangen. Obwohl der Geltungsbereich und der Umfang der Gemeindeautonomie durch das kantonale Recht festgelegt sind, kann sich die Prüfung des Bundesgerichts auch auf die Bundesgesetzgebung erstrecken. In den meisten Fällen beschränkt sich die Prüfung des Bundesgerichts jedoch auf das kantonale Recht; dabei ist es in seiner Prüfung frei, wenn es sich um Verfassungsbestimmungen handelt, kann aber nur auf Willkür prüfen, wenn es um gesetzliche Bestimmungen geht47.

Eine Gemeinde kann beim Bundesgericht auch Klage erheben, indem sie eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung des Bundesrechts oder gegen Verfügungen und Entscheide von Bund oder Kanton einlegt, wenn das Bundesrecht die Beschwerdelegitimation vorsieht48 oder wenn sie wie eine Privatperson betroffen ist49. Zu erwähnen ist auch die Verwaltungsbeschwerde50, für die dieselben Kriterien gelten.

2.2

Teil II

Artikel 12 Absatz 1 sieht ein System von wahlweisen Verpflichtungen vor, das heisst, die Staaten haben die Möglichkeit, nur 20 der 30 Absätze von Teil I der Charta als für sich bindend anzusehen; mindestens zehn Absätze müssen aus 14 Absätzen mit einem harten Kern von Grundprinzipien gewählt werden.

Gemäss der vorliegenden Botschaft wird sich die Schweiz verpflichten können, folgende Artikel und Absätze als für sich bindend anzusehen (kursiv die Kernbestimmungen):

47 48 49 50

­

Artikel 2;

­

Artikel 3 Absätze 1 und 2;

­

Artikel 4 Absätze 1, 2, 3, 5 und 6;

­

Artikel 5;

­

Artikel 6 Absatz 1;

­

Artikel 7 Absätze 1 und 3;

­

Artikel 8 Absätze 1 und 3; BGE 94 I 54.

Dies ist bei Art. 34 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (SR 700) der Fall.

Vgl. Art. 103 Bst. a und c des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (SR 173.110).

Vgl. Art. 48 Bst. a des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021).

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­

Artikel 9 Absätze 1, 2, 3, 4, 6 und 8;

­

Artikel 10 Absätze 1, 2 und 3;

­

Artikel 11.

Die Schweiz wird sich also auf zwölf der vierzehn Kernprinzipien der Charta verpflichten können. Die beiden Kernbestimmungen, die sie nicht annehmen kann, sind Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 8 Absatz 2. Die anderen Bestimmungen, auf die sie sich nicht verpflichten möchte, sind Artikel 6 Absatz 2, Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 9 Absätze 5 und 7.

Die Vertragsparteien notifizieren ihre Auswahl nach dem Verfahren in Absatz 2.

Gemäss Absatz 3 können die Vertragsparteien auf ihre Auswahl zurückkommen und die Anwendbarkeit der Charta in ihrem Land auf andere Artikel und Absätze ausdehnen.

Artikel 13 gibt den Parteien die Möglichkeit, die Arten der kommunalen Gebietskörperschaften zu bezeichnen, auf die die Charta Anwendung finden soll oder nicht.

Der Grund für diesen Artikel liegt in der Tatsache, dass in gewissen Ländern mehrere Arten von kommunalen Gebietskörperschaften mit unterschiedlichen Befugnissen bestehen können51.

Nur wenige Staaten haben eine Erklärung gestützt auf diesen Artikel abgegeben.

Geist und Charakter der Charta erlauben den Schluss, dass er nur für Gemeinden im Sinne von politischen Körperschaften gilt.

Die Schweiz könnte eine Erklärung abgeben, in der sie präzisiert, dass die Charta nur auf die Einwohnergemeinden anwendbar ist52. Mit dieser Erklärung könnten insbesondere Kirch- und Burgergemeinden aus dem Geltungsbereich ausgeschlossen werden.

Artikel 13 hat kürzlich im Rahmen der Vorbereitung eines Rechtsinstruments des Europarats über die Regionalautonomie neues Interesse geweckt. Mit dem zweiten Satz könnte die regionale Ebene in den Geltungsbereich der Charta eingeschlossen werden53. Für die Schweiz wäre die vorgeschlagene Erklärung nützlich, um implizit darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen nicht für die Kantonsebene gelten, sondern nur für die Gemeindeebene. Die Charta will die Institutionen stärken, die den Kantonen direkt unterstellt sind. Eine Anwendung der Grundsätze dieser Charta auf die Kantone ist deshalb nicht vorstellbar.

Der Bundesrat schlägt deshalb im Einvernehmen mit den Kantonen vor, in einer Erklärung zu präzisieren, dass die Charta in der Schweiz nur auf die Einwohnergemeinden («communes politiques» / «comuni politici») anwendbar ist.

51 52 53

98

Hier erwähnt der erläuternde Bericht das Beispiel von Gebietskörperschaften, die wegen ihrer geringen Grösse nur sekundäre oder konsultative Funktionen übernehmen.

Eine solche Erklärung läge auf derselben Linie wie die Erklärung Deutschlands.

Gewisse Länder haben eine Erklärung in diesem Sinne abgegeben: Dänemark, die Niederlande, Schweden, Irland, das Vereinigte Königreich. Im Rahmen der Vorarbeiten zu einem Rechtsinstrument über die Regionalautonomie waren gewisse Delegationen sogar der Auffassung, dass die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ipso facto für die Regionen gelte, es sei denn, ein Vertragsstaat der Charta verneine dies ausdrücklich.

Artikel 14 verpflichtet alle Vertragsstaaten, den Generalsekretär des Europarats über die Entwicklung der Gesetzgebung und anderweitiger Massnahmen zum Vollzug der Charta im betreffenden Staat zu informieren. Es handelt sich um einen beschränkten Kontrollmechanismus. Zur Rolle des KGRE in diesem Zusammenhang sei auf Ziffer 1.3 dieser Botschaft verwiesen.

2.3

Teil III

Teil III der Charta enthält die in Konventionen des Europarates üblichen Schlussbestimmungen. Einer Erläuterung bedarf lediglich Artikel 16. Unter dem Titel «Gebietsklausel»54 besagt dieser Artikel, dass es möglich ist, die Anwendung der Charta auf einzelne Hoheitsgebiete des betreffenden Staates zu begrenzen. Dieser Artikel findet Anwendung auf die Überseegebiete mancher Länder sowie auf Gebiete, die zwar zum Hoheitsgebiet des betreffenden Staates gehören, jedoch einen besonderen Status haben. Der Artikel findet keine Anwendung auf Gliedstaaten von Bundesstaaten.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Der Beitritt der Schweiz zur Charta wird weder für den Bund noch für die Kantone finanzielle Auswirkungen haben. Er hat auch keine Auswirkungen auf ihren Personalbestand.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 angekündigt55 Der Beitritt der Schweiz zur Charta entspricht, insbesondere in Anbetracht der Rolle des Europarates als Förderer der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Rechte, voll und ganz den aussenpolitischen Zielsetzungen des Bundesrates.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Im Recht der Europäischen Union gibt es keine besonderen Vorschriften für die Organisation der Gebietskörperschaften, da die Institution der Gemeinde vom einzelnen Mitgliedstaat geregelt wird. Die INTERREG-Programme fördern jedoch ebenfalls die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gemeinden. An diesen Programmen hat sich die Schweiz immer beteiligt. Das derzeitige Programm deckt den Zeitraum 2000­2006 ab56.

54

55 56

Die «Gebietsklausel» stellt eine Abweichung von der in Art. 29 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) festgelegten Regel dar.

BBl 2000 2330, Ziff. 1.1 in Anhang 2.

Siehe Botschaft über die Förderung der Beteiligung der Schweiz an der Gemeinschaftsinitiative für grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) in den Jahren 2000 - 2006 (BBl 1999 2671).

99

6

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung sind die auswärtigen Angelegenheiten, insbesondere der Abschluss von Staatsverträgen, Sache des Bundes. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder zu ihrer Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordern. Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung kann gekündigt werden (siehe Art. 17) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt zu klären, ob die Charta wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter rechtsetzenden Bestimmungen versteht man gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes57 Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten im innerstaatlichen Recht Bestimmungen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV als grundlegend anzusehen sind. Wie unter Ziffer 1.4.3 ausgeführt, können einige Bestimmungen der Charta als rechtsetzend beschrieben werden. Sie sind jedoch nicht derart grundlegend, dass sie als wichtig im oben beschriebenen Sinn zu betrachten wären. Die Unterstellung der Charta unter das fakultative Referendum ist daher nicht gerechtfertigt. Schliesslich erfordert die Umsetzung der Charta auch nicht den Erlassn von Bundesgesetzen. Der Genehmigungsbeschluss untersteht deshalb nicht dem Staatsvertragsreferendum.

57

100

Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung; SR 171.10.