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Botschaft des

Bandesrates an die Bundesversammlung betreffend die Umwandlung der schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften.

(Vom 9. Januar 1925.)

I.

Im Bericht über die Geschäftsführung des Politischen Departements im Jahre 1922 hat der Bundesrat die Bundesversammlung davon unterrichtet, dass ein Legationsrat als Berufsgeneralkonsul für Griechenland bezeichnet worden sei. Nach dem Rücktritte des Herrn Schneider, der während vieler Jahre das Amt eines schweizerischen Honorargeneralkonsuls in Athen ausgeübt hatte, wäre es schwierig gewesen, in der Schweizerkolonie Griechenlands eine geeignete Persönlichkeit zu finden, die sich bereit gezeigt hätte, ihm im Amte nachzufolgen, und überdies schien hinfort nur ein Berufskonsul imstande, die Dienste zu leisten, wie sie der Bedeutung unserer mannigfachen, vorab wirtschaftlichen Interessen in Griechenland entsprechen. Die Führung dieses Genoralkonsulates nimmt die ganze Arbeitskraft des Leiters in Anspruch; 1923 beschäftigte es 7 Angestellte, erhielt und versandte mehr als 10.000 Briefe, empfing 2276 Besuche und visierte rund 1000 Pässe ; annähernd 3 Millionen Drachmen sind in diesem Zeiträume durch seine Kasse gegangen, und dank seiner Vermittlung haben über 100 Schweizerhäuser Forderungen im Betrage von mehreren hunderttausend Franken einkassiert. Diese Zahlen, die indessen nur einen Teil der mannigfaltigen Tätigkeit dieses Postens umfassen, geben doch einen Begriff von der tatsächlichen Bedeutung dieses Konsulats und von der Notwendigkeit, seine Bundesblatt, 77. Jahrg. Bd. 1.

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Leitung einer Persönlichkeit anzuvertrauen, die ihm ihre ganze Zeit widmen kann. Welches immer die Arbeitsfreude und Hingabe eines Honorargeneralkonsuls sein mag, so würde er doch Seiner Übrigen Beschäftigungen wegen einer derartigen Aufgabe nicht mehr genügen können.

Ähnliehe Umstände haben den Bundesrat veranlasst, die Leitung des schweizerischen Generalkonsulats in Belgrad einem Berufsbeamten zu übertragen*). Nach denn Tode des Herrn Christian Vögeli, des langjährigen verdienten und sachkundigen Honorargeneralkonsuls, erklärte sich der Bruder des Verstorbenen, Herr H. Vögeli, bereit, vorübergehend tur einige Monate dieses Konsulat zu leiten. Herr H. Vögeli vertrat selbst die Ansicht, dass es angezeigt sei, einen Beamten nach Belgrad zu entsenden, der sich gänzlich seinem Amte widmen könnte, Wenn auch das Generalkonsulat in Belgrad keinen so beträchtlichen Umsatz hat wie das Generalkonsulat in Athen, so weist es doch einen sehr regen Briefverkehr auf (1.923 : ungefähr 4000 Briefe) und hat zahlreiche Besuche abzufertigen (1923: 3094 Besuche). Die schwebenden Angelegenheiten sind zum Teil heikel und erheischen mehr Zeit, als der Leiter eines Handelshauses auf sie verwenden könnte.

Die Berufsbeamten, die wir nach Athen und Belgrad gesandt haben, wussten sich bei- den Regierungen dieser Staaten gebührend zur Geltung zu bringen und haben unserm Lande bereits gute Dienste geleistet. Ungeachtet ihrer Arbeitslust können sie indessen die Schweiz in ihren Aufenthaltsstaaten nur unvollständig amtlich vertreten, was sich daraus erklärt, dass ihre Mission konsularischen Charakter besitzt.

II.

Nach dem Völkerrecht und den internationalen Gebräuchen sind einzig die diplomatischen Agenten befähigt, einen Staat amtlich bei eiaer auswärtigen Regierung zu vertreten. Der Konsul hat, wie wichtig seine Obliegenheiten auch sein mögen, doch nur beschränktere Kompetenzen ; grundsätzlich ist er nicht Wortführer seiner Heimatbehörde bei der Regierung seines Aufenthaltslandes, und er hat nicht die Befugnis, mit dieser Regierung über irgendeine Angelegenheit zu verhandeln ; seine Mitteilungen entbehren der bindenden Kraft von Staat za Staat. Daraus folgt, dass der Generalkonsul, ungeachtet all seiner persönlichen Verdienste und des Vertrauens, das man ihm entgegenbringen mag, sich, den *) Siehe Geschäftsbericht 1923, Seite 6,

335 diplomatischen Vertretern gegenüber in einem Zustande der Unterlegenheit befindet, sobald er sein Amt in einer Hauptstadt aus'übt, wo andere Staaten durch diplomatische Agenten vertreten sind. Diese Unterlegenheit äussert sich nicht nur in Fragen des Vorrangs und des Zeremoniells, sondern vorzüglich in seinem Wirkungebereich. Es ist für den Generalkonsul schwierig, mit den Mitgliedern des diplomatischen Korps ständige Fühlung aufrechtzuerhalten, und es entgeht ihm daher manche Gelegenheit, sieh fortlaufend über Angelegenheiten zu unterrichten, die für alle auswärtigen Regierungen ganz allgemein von Wichtigkeit sind.

Nur ausnahmsweise, bei besonders günstigen Verumständungen, hat er zum Ministerium des Auswärtigen Zutritt. Die Tatsache, dass er der diplomatischen Beglaubigung ermangelt, schwächt seine Stellung als Unterhändler.

Ausser den Grossmächten sind Belgien, die Niederlande und Schweden in Athen durch bevollmächtigte Minister vertreten.

Finnland unterhält dort eine Gesandtschaft, bestehend aus einem Geschäftsträger und einem Sekretär, Auch im Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen haben Belgien und die Niederlande je eine Gesandtschaft.

Griechenland und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen unterhalten seit mehreren Jahren in Bern Gesandtschaften, an deren Spitze ein bevollmächtigter Minister steht.

Dieser Umstand, der uns nur genehm sein kann, erlegt uns ohne Zweifel nicht die Verpflichtung auf, in diesen Ländern Gesandtschaften zu errichten ; aber er lässt nur um so deutlicher hervortreten, wie verschieden die Lage unseres Generalkonsuls in Athen und des Verwesers unseres Generalkonsulates in Belgrad ist, die, obgleich ihnen die diplomatische Beglaubigung mangelt, doch fortwährend Schritte tun müssen, die sie zu Beauftragten ihrer Heimatregierung machen.

Dank dem steten guten Willen und Entgegenkommen der griechischen und der südslawischen Regierung uns gegenüber hat diese Lage bisher kaum zu ernstlichen Unzukömmlichkeiten gefuhrt ; sollte sie indessen andauern, so könnten sich daraus doch Schwierigkeiten ergeben.

Die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Griechenland und zwischen der Schweiz und Südslawien lassen sich durch folgende Zahlen veranschaulichen.

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Griechenland: Einfuhr Ausfuhr

1919 13.218,000 18,764,000

1920 9,635,000 36,162,000

1921 4,132,000 7,774,000

1922 3,172,000 8,963,000

1923 4,799,000 4,824,000

K ö n i g r e i c h der Serben, K r o a t e n und Slowenen: 1919 1920 1921 1922 1923 Einfuhr Ausfuhr

-- --

24,908,000 8,336,000

46,683,000 5,491,000

22,097,000 2,709,000

26,530,000 4,592,000

Die Beziehungen sind mithin für uns tatsächlich von Bedeutung.

m.

Die Wünschbarkeit einer diplomatischen Vertretung der Schweiz in Athen und Belgrad beschäftigt seit mehreren Jahren den Bundesrat. Wir können in dieser Hinsicht auf die Ausführungen im Bericht vom 11. Dezember 1919 betreffend die Errichtung^ neuer Gesandtschaften im Auslande verweisen, wo der Schaffung völlig unabhängiger Gesandtschaften in diesen beiden Hauptstädten das Wort geredet worden ist. Wir geben indessen zu, dass die ständige Anwesenheit eines schweizerischen Gesandten in Athen und Belgrad nicht erforderlich ist.

Es dürfte genügen, wenn ein schweizerischer Gesandter, der die Eidgenossenschaft bei einer andern Regierung vertritt, gleichfalls bei der griechischen und der südslawischen Regierung beglaubigt und so in die Lage versetzt wird, bei ihnen für die Erledigung der wichtigsten Geschäfte Aufenthalt zu nehmen; diese Aufenthalte dürften aller Voraussicht nach weder sehr häufig notwendig werden noch erhebliche Kosten verursachen. Die geographische Lage Bukarests sowie die guten Beziehungen zwischen Rumänien, Griechenland und dem Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen lassen zur Erfüllung dieser Aufgabe den schweizerischen Gesandten in der rumänischen Hauptstadt als geeignet erscheinen. Diese Lösung weicht wesentlich von derjenigen ab, der die eidgenössischen Räte vor fünf Jahren nicht haben zustimmen können. Ohne Zweifel erhält unser Land dadurch keine ebenso vollständige Vertretung wie die Staaten, deren Gesandte in Athen und Belgrad ständigen Sitz haben; aber es wird damit einer nicht ganz normalen Lage ein Ende gesetzt, und die Durchführung unseres Vorschlages kann wirksam zum Ausbau der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz, Griechenland und Südslawien beitragen, sofern ein interimistischer Geschäftsträger den Gesandten während seiner Abwesenheit

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yertritt. Dieser Geschäftsträger, der den Generalkonsul ersetzen würde, hätte die Gesandtschaft zu leiten und die laufenden Angelegenheiten, die, wie bereits angedeutet, auf alle Fälle die Anwesenheit eines Berufsbeamten in diesen beiden Hauptstädten erheischen, zu besorgen.

In allen Ländern, wo die Schweiz Gesandtschaften unterhält, überträgt sie ihnen Aufgaben, die grössere Staaten auf ihre diplomatischen und ihre konsularischen Beamten verteilen. Unsere Landsleute wissen, dass sie sich für alle Angelegenheiten und Torab für Fragen, die sich auf den Handel oder auf das Leben unserer Kolonien beziehen, ebenso ungezwungen an unsere Gesandtschaften wie an unsere Konsulate wenden können. In der Rangordnung unseres Auslandsdienstes haben die Generalkonsuln ungefähr denselben Grad wie die Legationsräte oder die Legationssekretäre I. Klasse, Beamte, denen die interimistische Leitung der in Belgrad und Athen zu schaffenden Gesandtschaften anvertraut würde ; während sich jedoch die Generalkonsuln, da sie des diplomatischen Charakters entbehren, gegenüber den Vertretern anderer Länder in einem Zustande der Unterlegenheit befinden, kommt den interimistischen Geschäftsträgern als den regelrechten Vertretern des abwesenden Gesandten der Vorzug einer völlig klaren Stellung zugute, und ihre Aufgabe wird daher unbestreitbar erleichtert. Warum sollten wir uns in der Wahl des Titels, den wir unsern Vertretern geben, nicht vornehmlich von der Erkenntnis leiten lassen, dass sich die Erfüllung ihrer Mission je nach dem Charakter, den wir ihr beilegen, leichter oder schwieriger gestaltet? Dieses Mittel zur Sicherstellung einer ständigen diplomatischen Vertretung in Griechenland und dem Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen nicht anzuwenden, wäre um so unverständlicher, als ein interimistischer Geschäftsträger dem Lande keine höhern Unkosten verursacht als ein Generalkonsul, Wir werden sein Gehalt so festsetzen, wie wenn es sich um einen Geschäftsträger handelte, der eine vorübergehend verwaiste Gesandtschaft als Verweser leitet.

IV.

Entsprechend dem Wunsche der eidgenössischen Räte, e» möchte über die Schaffung neuer Gesandtschaften kein Entscheid getroffen werden, ohne dass sie in der Sache begrüsst worden waren, wollte der Bundesrat nicht von sich aus die oben angedeuteten Vorkehren anordnen, obwohl diese, wie bereits bemerkt, weder mit Bezug auf den interimistischen Geschäftsträger noch , auf den Dienstbetrieb der Mission höhere Aufwendungen erheischen

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als die bestehenden Berufsgeneralkonsulate und obwohl die Kosten für die Aufenthalte des Titulargesandte in Athen und Belgrad nicht ernstlich ins Gewicht fallen können. Er hofft indessen, die eidgenössischen Räte werden nicht anstehen, diese Massnahmen gutzuheissen, da sie einzig und allein darauf abzielen, ohne nennenswerte Steigerung der Ausgaben eine grössere Wirksamkeit der schweizerischen Auslandsvertretung sicherzustellen und die Beziehungen zwischen der Schweiz und zwei Staaten, die uns gegenüber die besten Absichten an den Tag legen, normaler zu gestalten und besser in Einklang zubringen mit den internationalen Gepflogenheiten. Unter diesen Umständen ersuchen wir Sie, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zu genehmigen.

B e r n , den 9. Januar 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy Der Bundeskanzler: Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Umwandlung der schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Januar 1925 betreffend die Umwandlung der schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften, beschliesst: 1. Der Bundesrat wird ermächtigt, den schweizerischen Gesandten in Bukarest bei der hellenischen Regierung und bei der Regierung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen zu beglaubigen und die schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften, die von je einem intereimistischen Geschäftsträger geleitet werden, umzuwandeln, 2. Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Bundesbeschluss auf Grund des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Umwandlung der schweizerischen Generalkonsulate zu Athen und Belgrad in Gesandtschaften. (Vom 9.

Januar 1925.)

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