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Bundesblatt 77. Jahrgang.

Bern, den 26. August 1925.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr ; 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli et Cie. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des Landrates des Kantons Baselland gegen die Erteilung des Expropriationsrechts für eine Hochspannungsleitung der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.-G. von Giebenach nach der Landesgrenze bei Allschwil.

(Vom 21. August 1925.)

Auf ein Expropriationsgesuch der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.-G. (NOK) in Baden hat der Bundesrat am 6. Februar 1925 einen Beschluss gefasst, dessen Dispositiv folgendermassen lautet: ,,1. Gestützt auf Art. 43 und 50, Absatz 2, des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 über die elektrischen Anlagen wird den NOK in Baden das Expropriationsrecht zum Zwecke der Erstellung einer Hochspannungsleitung von der Zentrale Beznau über Mägden, Olsberg, Giebenach, Dingrain, Pratteln, Münchenstein, Bottmingen nach der schweizerisch-elsässischen Grenze bei Allschwil für die Leitungsstrecken von der Beznau bis Dingrain und vom Waldaushau bei Eglisgraben bis Allschwil nach Massgabe der neuen diesem Beschlüsse beigelegten Tracévariante vom 14. November 1924 für dasjenige Grundeigentum erteilt, dessen Inanspruchnahme in den Expropriationsplänen vom 11. März 1924 bereite vorgesehen war.

Die Einsprachen werden, soweit ihnen nicht durch die Erwägungen sub Ziffern II und III hiervor entsprochen ist, abgewiesen. Die Entschädigungsforderungen sind im Streitfalle von der Expropriantin der eidgenössischen Schätzungskommission zur Erledigung vorzulegen.

2. Die Beschlussfassung des Bundesrates hinsichtlich des Zwischenstückes von Dingrain bis zum Waldaushau bei Eglisgraben wird bis nach Eingang der allfälligen Einsprachen gegen das Tracé gemäss Variante I verschoben, 3. Soweit durch das abgeänderte Tracé, neues Grundeigentum betroffen wird, ist, falls nicht eine freie Verständigung zwischen den NOK und den Grundeigentümern zustande kommt, das Expropriationsverfahren für die in Frage kommenden Parzellen ebenfalls durchzuführen.

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4. In Berücksichtigung des bezüglichen Begehrens der Regierung des Kantons Baselland fallen bei einer später notwendig werdenden Verlegung der Leitung die daherigen Kosten zu Lasten der NOK, wobei immerhin bei Meinungsverschiedenheiten das eidgenössische Post- und Eieenbahndepartement über die Notwendigkeit einer Verlegung zu entscheiden hätte.

Ferner dürfen die NOK ohne Erlaubnis des Regierungsrates von Baselland von der projektierten Leitung keine Kraft au im Kanton ansässige Grossindustrielle oder später sich installierende Grossbetriebe oder bestehende Energieverteilungsunternehmen direkt oder indirekt abgeben.

Sie müssen endlich auf Verlangen der Regierung von Baselland dem Kanton bzw. an die im Kanton elektrische Energie verteilenden ^Elektras'1, Baselland und Birseok Strom liefern zu Preisen und Bedingungen, die unter gleichen Verhältnissen nicht ungünstiger sein dürfen, als sie jeweilen die ausländischen Abnehmer gemessen, wobei im Streitfalle der Bundesrat über die Festsetzung dieser Preise und Bedingungen zu entscheiden hätte ; diese Lieferungspflicht der NOK gilt aber nur insoweit, als ihnen jeweilen die beanspruchten Leistungen und Energiemengen ohne Beeinträchtigung ihrer sonstigen Lieferungspflichten im Inlande zur Verfügung stehen, während die basellandschaftlichen Strombezüger gegenüber den ausländischen den Vorrang haben."

Durch Bundesratsbeschluss vom 16. April 1924 haben die NOK die Bewilligung erhalten, aus ihren Anlagen normalerweise 11,000 kW mit ausnahmaweiser Erhöhung auf 15,000 kW, bezogen auf den Abgabepunkt an der Schweizergrenze bei Allschwil, an die Force motrice du HautRhin S. A, in Muhlhausen und an die Electricité de Strasbourg S. A. in Strassburg abzugeben. Durch einen weitern Bundesratsbeschluss vom gleichen Datum erhielten die NOK ausserdem noch die Bewilligung, aus ihren Anlagen nach Badisch-Rheinfelden an die Kraftübertragungswerke Rheinfelden A.-G. Energie bis zu einer Höchstleistung von 12,100 kW im Sommerhalbjahr und 11,500 kW im Winterhalbjahr auszuführen. Um die zur Ausfuhr bewilligte elektrische Energie ihren ausländischen Bestimmungsorten zuführen zu können, beabsichtigen die NOK die Erstellung einer Hochspannungsleitung vom Kraftwerk Beznau aus nach der Landesgrenze bei Allschwil, mit einer Abzweigung von Dingrain (Gemeinde Giebenach) nach dem Kraftwerk
Wylen gegenüber Äugst. Für das vorliegende Expropriationsgesuch kommt jedoch nur die Hauptleitung nach Allschwil in Betracht, da für die Zweigleitung von Dingrain nach Wylen ein besonderes Expropriationsverfahren notwendig war, das auch bereits durchgeführt worden ist.

Das Tracé der Hauptleitung ist von der Beznau aus über Kaisten-- Mumpf-Olsberg-Münchenstein-Bottmingen nach Allschwil projektiert und überschreitet hart westlich der letztgenannten Ortschaft die Landesgrenze.

Es verläuft durch Gebiet der folgenden Gemeinden:

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Kanton Aargau: Döttingen, Böttstein, Mandach, Hottwil, Wil, Oberholen, G-ansingen, Sulz, Kaisten, Eicken, Münchwilen, Obermumpf, Niedermumpf, Zeiningen, Möhlin, Rheinfelden, Mägden, Olsberg, Kaiseraugst.

Kanton Baselland: Arisdorf, Giebenach, Füllinsdorf, Äugst, Pratteln, Muttenz, Münchenstein, Reinach, Bottmingen, Binningen, Allschwil.

Die zu erstellende Leitung ist als Weitspannleitung gedacht. Sie ist für zwei Stränge zu je drei Leitern vorgesehen. Anfänglich wird jedoch der eine der beiden Stränge von der Beznau aus nur bis in die Gegend von Giebenach am Tragwerk der durchgehenden Leitung geführt, um von dort weg auf besonderem Gestänge nach Badisch-Rheinfelden weiterzugehen. Die Leiter sollen an Hängeisolatoren auf normalerweise zirka 26 m hohen eisernen Gittermasten, die im Mittel in gegenseitigen Abständen von 250 m stehen, befestigt werden. Es sind sechs bzw, auf der Strecke Giebenach-Allsohwil vorläufig nur drei Aluminiumseile von je 200 mm 2 und ein an den Mastenspitzen zu befestigendes Erdseil aus Stahl von 50 mm a vorgesehen. Als Übertragungsspannung ist in den ersten Betriebsjahren eine solche von 80,000 Volt in Aussicht genommen. Die Leitung soll jedoch von Anfang an so gebaut werden, dass sie mit einer Spannung von zirka 135,000 Volt betrieben werden kann.

Mit Eingabe vom 6. April 1925 erhebt der Landrat des Kantons Baselland, vertreten durch den Regierungsrat, bei der Bundesversammlung Beschwerde gegen den Bundearatsentscheid vom 6. Februar 1925. Der ,,Rechtsschluss" der Beschwerde lautet: ,,In Erwägung, dass der Bundesrat I. in seinem Beschluss vom 6. Februar 1925 für sich Kompetenzen in Anspruch nimmt, die ihm für Exportleitungen nach der verfassungsmässigen Grundlage des Art. 23 BV und der Entstehungsgeschichte des Expropriationsgesetzes und des Starkstromgesetzes nicht zukommen, II. das auch im Falle des Vorliegens der Kompetenz zur Bewilligung der Expropriation fllr Exportleitnngen zum mindesten notwendige Requisit des ,, ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e s " 1 durch eine das freie Ermessen überschreitende Interpretation auch bei reinem Geschäftsinteresse annimmt und damit die Interessen eines grossen Landesteiles einer auf privatrechtlicher Grundlage aufgebauten Erwerhsgesellschaft opfert, III. 1. das Expropriationsrecht der Ausfuhrbewilligung unterordnet, trotz
klarem Vorbehalt zugunsten des Expropriationsrechtes anlässlich der Ausfuhrbewilligung, 2. die Erstellung einer neuen Leitung gestattet, trotzdem die Führung auf einem einzigen Gestänge von Pratteln bis Allschwil technisch möglich wäre,

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3. somit das allgemein zu erstrebende Ziel der Zusammenlegung der Leitungen aus dem Auge lässt und damit die Forderung möglichster Schonung der in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigten Expropriaten ausser acht lässt, 4. den Kanton Baselland auf Vorbehalte verweist, die für ihn wertlos sind, ersucht der Regierungsrat des Kantons Baselland als bevollmächtigter Vertreter dos Landrates die Bundesversammlung, sie möchte den Bundesrat einladen, auf den Beschluss vom 6. Februar 1925 zurückzukommen und auf das Expropriât!onsgesuch der NOK wegen Inkompetenz nicht einzutreten bzw. dasselbe mangele Vorliegen eines öffentlichen Interesses abzulehnen oder den Entscheid so zu fällen, dass die Schädigung der basellandschaftlichen Interessen auf ein Mindestmass reduziert wird.'1

Schon die Formulierung dee Begehrens lässt erkennen, dass die Beschwerdeführer sich dessen bewusst sind, dass ein Rekurs an die Bundesversammlung gegen den bundesrätlichen Beschluss vom 6. Februar unzulässig ist: es wird nicht verlangt, dass die Bundesversammlung diesen Beschluss aufhebe oder abändere, sondern nur, dass sie den Bundesrat einladen möchte, auf seinen Beschluss zurückzukommen. Hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesversammlung beruft sich die Eingabe darauf, dass der zitierte bundesrätliche Beschluss eine Frage von eminent rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung berühre und ein Problem betreffe, das ausserordentlich umstritten sei und dringend einer Abklärung in den eidgenössischen Räten bedürfe, Mangels einer eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe die Bundesversammlung umsomehr das Recht und die Pflicht, kraft ihres Oberaufsichtsrechtes (Art. 71 und 85, Ziff. 11, BV) Weisungen zu erteilen und dadurch der auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschaft herrschenden Unsicherheit ein Ende zu machen. Nicht die Erstellung einer Mehrzahl von Leitungen durch das gleiche Gebiet, sondern eioe Zusammenlegung der Leitungsnetze sei anzustreben ; der Oberaufsichtsbehörde erwachse die Aufgabe, der Zusammenlegung der Leitungen die Wege zu weisen. Ebenso habe die Bundesversammlung alle Veranlassung, die Grundlagen des Expropriationsrechtes für Hochspannungsleitungen überhaupt klarzulegen. Eine derartige Entwicklung, wie sie sich nun im Kanton Baselland geltend mache, sei niemals vorausgesehen worden und es fehlen für die Expropriation zugunsten von Exportleitungen die verfassungsmassigen und gesetzlichen Grundlagen. Welche Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiete herrsche, zeige gerade der vorliegende Fall mit erschreckender Deutlichkeit, indem über die wichtigsten Fragen des Expropriationsrechts für Starkstromleitungen entgegengesetzte Auffassungen bestehen. Ferner bestehe ein Hauptfehler des gegenwärtigen

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Systems darin, dass Ausfuhr und Expropriation auseinandergerissen und verschiedenen vorbereitenden Instanzen überwiesen werden ; in rechtlicher und organisatorischer Beziehung müsse die einheitliche Behandlung von Ausfuhr und Expropriation verlangt werden, wobei für Exportleitungen das Mitspracherecht der beteiligten Kantone ausdrücklich zu statuieren sei.

Die rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeschrift fussen auf einem Gutachten des Herrn Prof. Fleiner, worin mit Bezug auf die Möglichkeit einer Beschwerde an die Bundesversammlung folgendes bemerkt wird: Dem Kanton Baselland stehe eine solche Beschwerde zu, doch sei diese ein ausserordentliches Rechtsmittel; denn gemäss Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der-Bundesrechtsptlege (OG) von 1893 und der seitherigen Praxis sei die Bundesversammlung R e k u r s instanz über den Bundesrat nur in den Fällen, in denen eine Verwaltungssache erstinstanzlich von k a n t o n a l e n Behörden beurteilt wurde. Im vorliegenden Falle dagegen vertrete der Bundesrat die Auffassung, dass ihm die Entscheidung über die Verleihung des Expropriationsrechtes zukomme. Infolgedessen vermöge Baselland eine Berufung an die Bundesversammlung nur durch den Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass die Bundesversammlung die Oberaufsicht über die eidgenössische Verwaltung ausübe (Art. 85, Ziff. 11, BV). Das werde insofern für Baselland zum Vorteil, als dessen Regierung das ganze Streitverhältnis nach allen Seiten darlegen und auf Abhilfe dringen könne. Anderseits werde dagegen die Bundesversammlung im allgemeinen den Bundesrat nur durch ,,Einladungen" auffordern können, im Sinne ihrer Beschlüsse in der Angelegenheit zu handeln. 2üu einer Aufhebung eines bundesrätlichen Beschlusses sei die Bundesversammlung nur befugt, wenn sie finden sollte, es sei der Bundesrat in der Sache inkompetent gewesen oder es enthalte der Bundesratsbeschluss eine Rechtsverweigerung. Der Wert einer solchen Beschwerde liege deshalb in erster Linie darin, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit zu freier Darlegung des Streitverhältnisses vor der obersten Behörde des Bundes gewinne.

Sowohl die Beschwerdeeingabe als das Gutachten Fleinor gehen von der Auffassung aus, dass die Bundesversammlung im vorliegenden Falle nicht als Rekursinstanz, sondern nur als Oberaufsichtsinstanz angerufen werden
könne. Damit wird zugegeben, dass ein Rekurs gegen den Bundesratsbeschluss vom 6. Februar 1925 unzulässig ist. Es bleibt also nur zu prüfen, wie es sich mit der Berufung auf die der Bundesversammlung zustehende Oberaufsicht verhält.

Die Oberaufsicht der Bundesversammlung über die eidgenössische Verwaltung (Art. 85, Ziff. 11, BV) nmfasst das Recht, vom Bundesrat Berichterstattung zu verlangen und an seiner Verwaltung Kritik zu üben, sowie ihm für die Zukunft Weisungen zu erteilen; dagegen kann die Bundesversammlung kraft ihrer Oberaufsicht nicht selber Verwaltungshandlungen vornehmen oder Verfügungen des Bnndesrates aufheben oder

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abändern. Insbesondere dürfen sich die Beteiligten nicht auf das Oberaufaichtsrecht der Bundesversammlung berufen, um Verfügungen des Bundesrates anzufechten; dieses Aufsichtsrecht begründet keine Beschwerdemöglichkeit. Die eidgenössischen Räte haben dies seit Jahrzehnten in fester Praxis anerkannt, indem sie auf Beschwerden, die auf die Oberaufsicht (Art. 85, Ziff. 11, BV) gestützt werden, wegen Unzuständigkeit nicht eintreten (vgl. beispieleweise den Fall Schehr: Bundesbl. 1921, IV, 905 und Nichteintretensbeschluss der Räte vom 23./31. März 1922; Fall Spani: Bundesbl. 1904,111, 829 S. und Nichteintretensbeschluss der Räte vom 30. Juni/4. Oktober 1905; ferner Bundesbl. 1914, U, 453, 1901 II 830/1 und IV 1203/4 sowie Bundesbl. 1907, I, 346).

Da somit im vorliegenden Falle eine Beschwerde unzulässig ist, fragt es sich noch, ob die Eingabe des Kantons Baselland als Petition behandelt werden kann. Es ist jedoch klar, dass ein Entscheid, gegen den keine Besehwerde zulässig ist, auch nicht auf dem Wege einer Petition an die Bundesversammlung weitergezogen werden kann (vgl. z. B. den Fall Gisler : Bundesbl. 1904, HI, 707/8 und Nichteintretensbeschluss der Räte vom 23. Juni/19. Dezember 1904). Soweit eine solche Petition auf eine Weiterziehung eines Entscheides hinausläuft, kann die Bundesversammlung darauf nicht eintreten. Dagegen könnte auf die materielle Seite einer derartigen Petition eingetreten werden, soweit sie darauf hinzielt, dass für die Zukunft Massnahmen -- sei es durch Erlass eines Gesetzes oder durch Erteilung von Weisungen an den Bundesrat -- getroffen werden. Dabei kann es sich aber nur um Massnahmen für die Zukunft handeln, nicht um eine Behandlung des konkreten Falles, anlasslich dessen die Petition eingereicht wurde. Der konkrete Fall ist nämlich durch den nicht weiterziehbaren Entscheid des Bundesrates erledigt und die Oberaufsicht der Bundesversammlung erschöpft sich -- was den konkreten Entscheid anbelangt, im Recht, Auskunft zu verlangen und am Entscheid Kritik zu üben (vgl. Burckhardt, S. 546 und 709). Die Stellung der Bundesversammlung ist in dieser Hinsicht die gleiche, wie wenn der Fall anlässlich des Geschäftsberichtes oder einer Interpellation zur Sprache gebracht würde ; ein Unterschied besteht nur insofern, als die Petition in der Regel von jemandem ausgeht, der in den
eidgenössischen Räten gar nicht antragsberechtigt ist. Da die Bundesversammlung zur Aufhebung oder Abänderung des Bundesrateentscheides unzuständig ist, kann sie auch nicht den Bundesrat anweisen, auf seinen Entscheid zurückzukommen; dies käme ja einer Aufhebung oder Abänderung des Entscheides gleich.

Wir sind daher der Ansicht, dass auf die ^Beschwerde" des Kantons Baselland wegen Unzuständigkeit der Bundesversammlung nicht eingetreten werden solle.

Wenn wir uns im folgenden gleichwohl über die materiellen Fragen äussern, so geschieht dies lediglich, um die Bundesversammlung über den

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vorliegenden Fall in Anbetracht seiner bedeutenden Tragweite zu orientieren.

L Der Kanton Baselland macht vor allem geltend, dass der Bundesrat nicht kompetent sei, für Einrichtungen, die der Ausfuhr elektrischer Kraft nach dem Ausland dienen, das Expropriationsrecht zu erteilen; daher seien nur die kantonalen Behörden zum Entscheid über das Expropriationsgesuch der NOK zuständig.

Diese Frage hat den Gegenstand eines Kompetenzkonfliktes (Art. 113, Ziff. l, BV und Art. 175, Ziff. l, OG) gebildet, den der Kanton Baselland am 6. April 1925 beim Bundesgericht erhoben hatte. Dabei hatte er folgendes Rechtsbegehren gestellt: ,,Es sei festzustellen, dass der Bundesrat zur Erteilung des Expropriationsrechtes an die NOK, soweit dasselbe das Gebiet des Kantons Basellandschaft betrifft, nicht zuständig gewesen sei; der Landrat des Kantons Basellandsehaft sei im vorliegenden Falle zuständig zu erklären ; der Bundesratsbeschluss vom 6. Februar 1925 sei, soweit er sich auf die Erteilung des Expropriationsrechtes auf basellandschaftlichem Kantonsgebiet bezieht, aufzuheben." Durch Urteil vom 15. Juli 1925 hat das Bundesgericht das ßechtsbegehren des Kantons Barellami abgewiesen. Das Bundesgericht hatte zu entscheiden, ob der Bund (Bundesrat) oder der Kanton (Landrat) zuständig sei, das Expropriationsrecht für die Leitung der NOK YM erteilen. Es hat einstimmig die Zuständigkeit des Bundesrates bejaht, weil der Art. 43 des BG über die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 (Elektrizitätsgesetz) -- entgegen der vom Kanton Baselland vertretenen Auffassung -- zwischen Leitungen, die der Elektrizitätsversorgung des Inlandes dienen und solchen, die der Ausfuhr elektrischer Energie nach dem Auslande dienen, in keiner Weise unterscheidet. Infolgedessen findet der Art. 43, der den Bundesrat zur Erteilung des Expropriationsrechts für Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie als zuständig erklärt, auf die von der NOK geplante Leitung Anwendung*).

Damit ist festgestellt, dass der Bundesrat zu seinem Entscheid vom 6. Februar 1925 kompetent war.

II.

Sodann macht der Kanton Baselland geltend, dass der Bundesrat -- wenn man diesem die Kompetenz im vorliegenden Falle zuspreche -- doch das Requisit des ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e s (Art. 23 BV und *) Die schriftliche
Urteilsbegründung steht zurzeit noch aus. Wir haben aber keiuen Anläse, mit unserer Berichterstattung zuzuwarten, bis die schriftlichen Motive vorliegen, da das Bunde§gericht nur die K o m p e t e n z frage zu entscheiden hatte und entschieden hat ; das Urteil kann sich deshalb gar nicht auf andere Fragen beziehen.

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Expropriationsgesetz vom I.Mai 1850) durch eine das freie. Ermessen überschreitende Interpretation auch bei reinem Geschäftsinteresse annehme und damit die Interessen eines grossen Landesteiles einer auf privatrechtlicher Grundlage aufgebauten Erwerbsgesellschaft opfere.

Hierzu bemerken wir folgendes: Das Bundesgesetz über die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz) vom 24. Juni 1902 stützt sich u. a. auf den Art. 23 BV, wonach der Bund zum Zwecke der Errichtung öffentlicher Werke, die im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teiles derselben liegen, befugt ist, .gegen volle Entschädigung das Recht der Expropriation geltend zu machen ; die nähern Bestimmungen hierüber bleiben der Bundesgesetzgebung vorbehalten. Das Expropriationsgesetz von 1850 hat eine Expropriationspflicht zugunsten aller öffentlicher Werke ausgesprochen, die kraft Art. 23 BV von Bundes wegen errichtet werden oder für welche die Bundesversammlung die Anwendung dieses Gesetzes beschliesst. Das praktische Bedürfnis hat den Bundesgesetzgeber veranlasst, die eidgenössische Expropriation von vorneherein für bestimmte Kategorien von Werken durch Spezialgesetze als anwendbar zu erklären. Auf diese Weise hat der Bundesgesetzgeber auch private Unternehmungen bezeichne^ die des eidgenössischen Expropriationsrechts teilhaftig sind; vor allem hat der Art. 12 des Eisenbahngesetzes von 1872 jeder vom Bunde konzessionierten Eisenbahngesellschaft das Expropriationsrecht für den Bau der Bahn zugesichert. Ebenso hat das Elektrizitätsgesetz im Art. 43*) die grundsätzliche Anwendbarkeit des Expropriationsgesetzes auf die Starkstromanlagen ausgesprochen; dadurch sind, wie die Eisenbahnen, auch die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie als ,,öffentliche Werke" im Sinne des eidgenössischen Expropriationsrechts erklärt worden ; es geschah dies mit Rücksicht auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der elektrischen Energie. Mit dieser Begründung hat die ständerätliche Kommission die Verfassungsmässigkeit der Expropriationsbestimmungen dee Elektrizitätsgcsotzcs aus dorn Art. 23 BV abgeleitet (vgl. Sten. Bull.

1901, St. R., S. 219 und 227) und auf ihren Antrag wurde auch dieser *) Der Art. 43 lautet: ,,Den Eigentümern von elektrischen Starkstromanlagea und den Bezügern von elektrischer
Energie kann der Bundesrat das Recht der Expropriation für die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung' der elektrischen, Energie sowie für die Erstellung der zu deren Betrieb notwendigen Schwachstromanlagen gemäss den Bestimmungen der Bundesgesetzgebung über die Expropriation und den besondern Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes gewähren."

Die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie werden im Art. 45 umschrieben, der folgenden Wortlaut hat : ,,Als Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energiewerden angesehen: 1. Die Erstellung von elektrischen Leitungen (oberirdischen und unterirdischen) mit ihren Zubehörden; 2. Die Anlagen von Transformationsstationen mit ihren Zubehörden."

789 Verfassungsartikel im Ingress des Gesetzes angerufen*). Um die Errichtung elektrischer Anlagen, als im allgemeinen Interesse liegend, zu erleichtern und die elektrische Energie zu fördern, hat das Gesetz die Expropriation für die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie vorgesehen. Von der Regelung dea Expropriationsrechts zugunsten der Eisenbahnen wurde darin abgewichen, dass -- während die Eisenbahnen ohne weiteres mit dem Expropriationsrecht ausgestattet sind -- den Elektrizitätswerken die Enteignungsbefugnis nicht unter allen.

Umständen verliehen werden rauss; der Bundesrat k a n n ihnen das Expropriationsrecht erteilen; es ist im Einzelfalle Sache des Bundesrates, über die Erteilung oder Verweigerung dieses Rechts zu entscheiden (vgl. z, B. Sten. Bull. 1900, NR., S. 583 und 672 ; 1901, St. R., S. 219, 390).

Das Gesetz bestimmt nicht, unter welchen Voraussetzungen das Expropriationsrecht für Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie zu erteilen oder zu verweigern sei. Die nationalrätliche Kommission für das Elektrizitätsgesetz hatte die Frage geprüft, ob im Gesetze der Vorbehalt des öffentlichen Wohles gemacht werden solle oder ob wenigstens eine Begutachtung durch die Kantone vorzuschreiben sei; sie verneinte jedoch diese Frage mit folgender Begründung: ,,Der Gesetzesentwurf verpflichtet den Bundesrat nicht, jedwedes Expropriationsgesuch zu genehmigen ; der Bundesrat kann die Expropriation bewilligen; er kann sie auch verweigern; von letzterem Rechte wird er nach Sinn und Wortlaut der bundesrätlichen Botschaft allerdings nur selten Gebrauch machen. Wenn auch die Einschränkung des öffentlichen Wohles bestünde oder die Kantonsregierungen um ihre Ansicht angefragt wurden, so hätte der Bundesrat doch freie Hand, zu entscheiden, wie er will.

Es empfiehlt sich daher, keine weitere Einschränkung oder Komplikation zu schaffen (vgl. Sten. Bull. 1900, NR., S. 583 u. 672).

Das Gesetz überläset es dem Bundesrat, zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen das Expropriationsrecht erteilt oder verweigert wird. Es ist klar, dass der Bundesrat nicht nach Willkür, sondern nach festen Grundsätzen entscheidet. Er stellt in fester Praxis darauf ab, ob d i e elektrische Anlage nach ihrer Art, Grosse und Zweckbestimmung von erheblicher wirtschaftlicher
oder öffentl i c h e r B e d e u t u n g ist (vgl. beispielsweise Bundesbl. 1905, I, 454).

*) Die bundesrätliche Botschaft und die nationalrätliche Kommission hatten im Art. 64 BV eine genügende Verfassungsgrundlage für die Expropriationsbestimmungen erblickt, weil die Zwangsenteignung von Grund und Boden, das Durchleitungsrecht usw. zum Sachenrecht gehöre (vgl. Bundesbl. 1899, III, 817/8; Sten. Bull. NE, 1900, S. 580 und 672 ; 1901, S, 517). Das Durchleitungsrecht des Art. 691 ZGB beruht auf Art. 64 BV. Nimmt man an, dass dieser Verfassungsartikel die Grundlage auch für die Expropriationsbestimmungen des Elektrizitätsgesetzes bilde, so ist von vorneherein klar, dass die Erteilung des Expropriationsrechts nicht an die Voraussetzung des öffentlichen Rechts geknüpft wäre.

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Dass dies die Richtlinie bilden solle, entspricht auch der in den eidg.

Räten bei der Gesetzesberatung geäusserten Auffassung (vgl. Sten. Bull, 1901 St. R. 219"). An diesen Grundsatz hat sich der Bundesrat auch im vorliegenden Falle gehalten ; sein Entscheid vom 6. Februar 1925 hat die Frage, ob die geplante Leitung nach ihrer Art, Grosse und Zweckbestimmung von erheblicher wirtschaftlicher oder öffentlicher Bedeutung ist, mit folgender Begründung bejaht: ^Tn dem die Kantone Zürich, Aargan, Thurgau, Schaffhausen, Glarus, den grössten Teil der Kantone Zug und Schwyz, 8t, Gallen und Appenzell umfassenden Absatzgebiet der NOK befinden eich eine Reihe grösserer und kleinerer Wasserkraftanlagen mit unkonstantem Wasserzufluss. Alle diese Anlagen waren ursprünglich darauf angewiesen, kalorische Reserven bereitzustellen, um in Zeiten von Wassermangel die zurückgehende Leistung der Wasserkraftanlagen durch kalorische Kraft zu ersetzen. Schon vor dem Kriege wurde eine grössere Anzahl solcher kalorischer Reservekraftanlagen stillgelegt und durch Anschluss an ein Verteilungsnetz für elektrische Energie, ersetzt. Die Kriegszeit mit ihrem zunehmenden Mangel au Brennmaterialien beschleunigte diesen Entwieklungsprozess um so mehr, als die Bundesbehörden die Lieferung von Brennmaterialien für kalorische Anlagen nur noch da bewilligten, wo ein Anschluss an ein Elektrizitätswerk nicht möglich war.

Diese Aushilfskraftlieferungen sind aber für das liefernde Elektrizitätswerk deshalb ausserordentlich ungünstig, weil die Maschinenleistung das ganze Jahr zur Verfügung gehalten werden muss, während sie nur zeitweise beansprucht wird. Würde man von den betreffenden Wasserkraftbesitzern diejenige Mindestgarantie verlangen, die zur Deckung der Jahreskosten notwendig ist, so käme der Bezug von Aushilfskraft für sie zu hoch zu stehen. Der Elektrizitätslieferant muss sich, wenn diese im volkswirtschaftlichen Interesse liegende Aushilfskraftlieferung stattfinden soll, mit einer verhältnismässig niedrigen garantierten Jahreseinnahme begnügen, die ihm seine Jahreskosten nicht unter allen Umständen deckt. Infolgedessen ist er genötigt, für die zeitweise von den Wasserkraftbesitzern nicht beanspruchte Garantie anderweitige Verwendung zu suchen. Die Gelegenheiten für solche zeitweise Energie Verwendung sind aber nicht zahlreich,
während die Schwankungen irn Energiebedarf, die durch die wechselnden Wasserzuflüsse der Aushilfskraftabonnenten bedingt sind, nach und nach sehr grosse Dimensionen angenommen haben. So schwankt in den Netzen der NOK die Belastung je nach, trockener oder nasser Witterung um 20--25,000 kW. Einzig die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke weisen oft in sehr kurzer Zeit eine Schwankung von 0--16,000 kW auf. Die NOK haben durch Vermittlung der an sie angeschlossenen Kantonswerke eine ganze Reihe von Verträgen mit inländischen Verbrauchern abgeschlossen, nach -welchen diesen Verbrauchern Energie zu ganz billigen Preisen geliefert wird, soweit solche jeweils vorhanden ist.

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Es war daher durchaus gegeben, dass die NOK die sich bietende Gelegenheit benutzten, grössere Energiemengen an die Kraftübertragungswerke Rheinfelden und an die Forces Motrices du Haut-Rhin abzugeben in Zeiten, wo sie im schweizerischen Absatzgebiet nicht verwendet werden können. Freilich konnte diese Absatzmöglichkeit nicht geschaffen werden, ohne dass eine gewisse Minimalmenge fest geliefert wird; denn ohne eine solche Garantie entschliessen sich die Abnehmer nicht zur Erstellung von teuren Übertragungsanlagen von der Schweizergrenze nach ihrem Absatzgebiet. So kann die Energielieferung an die Forces Motrices du HautKhin in Mühlhausen schwanken zwischen 15,000 und 4000 kW. Die Lieferung an die Rheinfelder Kraftwerke kann im Sommer bis auf zirka 1500 kW eingeschränkt, im Winter ganz eingestellt werden. Wenn nun auch die Preise für solche Energie teils wegen ihrer Verwendungsart für elektrochemische Zwecke, teils wegen der billigen Kohlenpreise im Elsass verhältnismässig niedrig angesetzt werden müssen, so wird durch den zeitweisen Export doch verhindert, dass grosse Energiemengen unbenutzt verloren gehen.'

Neben der Absatzmöglichkeit für zeitweise in der Schweiz nicht verwendbare Energie bestehender Elektrizitätswerke gestatten die beiden Exportverträge auch, die bei Inbetriebnahme neuer Werke nicht sofort verwendbare elektrische Kraft vorübergehend im Auslande abzusetzen.

Trotz aller Vorbereitung des Absatzes für neue Werke vermag nämlich das schweizerische Bezugsgebiet die bei deren Fertigstellung plötzlich zur Verfügung stehenden Energiemengen nicht sofort vollständig aufzunehmen, und da bietet die zeitweise Lieferung an ausländische Stromabnehmer die Möglichkeit, Energie, die sonst brach liegen würde, vorteilhaft zu verwenden.

Bestände keine Möglichkeit, die in der Schweiz zeitweise nicht benötigte Aushilfsenergie jeweilen zu exportieren und somit nutzbringend zu verwenden, so müsste der daherige Einnahmeausfall notwendigerweise verteuernd auf die Verkaufspreise des im Inland zur Verwendung gelangenden Stromes einwirken.

Nur wenn die überschüssige Kraft eventuell im Auslande abgesetzt wird, konnten und können Kraftwerke erstellt werden, deren Leistungen über den normalen schweizerischen Konsum hinausgehen. Aber gerade dieser Umstand gestattet es uns, über Perioden grossen Wassermangels,
wie wir sie beispielsweise heute erleben, hinwegzukommen, weil aie Behörden die Ausfuhr reduzieren und dem inländischen Bedarf zuführen können. Lediglich für den inländischen Absatz gebaute Werke können auch diesen bei aussergewöhnlicher Trockenheit nicht mehr befriedigen.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung, die solche Exportleistungen für unser Land haben können, erhellt ferner aus dem Umstand, dass sie heute den Transport von mit Dampf erzeugter elektrischer Kraft aus dem Aus-

792 lande nach der Schweiz vermitteln und damit der einheimischen Industrie über die Wasserklemme hinweghelfen.

Übrigens lässt sich auch der Standpunkt vertreten, dass der Betrieb eines Elektrizitätswerkes selbst eine Industrie ist, die Förderung verdient, auch wenn ihr Produkt, die elektrische Kraft, unter gewissen Kautelen als Ausfuhrobjekt in Betracht kommt. Denn dieses Ausfuhrprodukt dürfte unter Umständen als Kompensationsgegenstand im höchsten Interesse der Eidgenossenschaft und unserer Wirtschaft Verwendung finden. Man braucht dabei nicht bloss an die Kriegszeiten zu denken, wo die Kompensationen auf den verschiedensten Gebieten eine Rolle gespielt haben."1 Ferner wurde noch darauf hingewiesen, dass die projektierte Kraftleitung nicht ausschliesslich der Ausfuhr, sondern später auch dem Energieausgleich unter den verschiedenen, teilweise noch zu bauenden Rheinkraftwerken dienen soll, Dass die vorstehenden Erwägungen keineswegs auf ,,rein fiskalische Interessen1-1 abstellen, bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen. Nicht das Geschäftsinteresse der NOK an einer Vermehrung ihrer Einnahmen war massgebend, sondern das a l l g e m e i n e I n t e r e s s e des L a n d e s au einer rationellen Elektrizitätswirtschaft, insbesondere an einer genügenden Versorgung mit elektrischer Energie, Der Bundesrat hat auch die Inkonvenienzen, die dem Kanton Baselland bzw. seiner Bevölkerung aus der Erstellung der geplanten Leitung erwachsen können, gewürdigt, ist aber zum Schlüsse gekommen, dass diese Inkonvenienzen doch wesentlich geringer sind als der Schaden, den die Allgemeinheit durch die Verhinderung der Kraftausfuhr infolge der Verweigerung des Expropriationsrechts für den Leitungsbau erleiden würde Ogl. S. 15/16 und 19/22 des Ensoheides).

III.

Im weitereu macht der Kanton Baselland namentlich geltend, dass die neue Leitung nicht notwendig sei, weil die elektrische Energie auf andere, den Kanton Baselland nicht oder zum mindesten weniger schädigende Weise ausgeführt werden konnte; die Zusammenlegung der neuen Leitung mit der bestehenden des Elektrizitätswerkes Olten-Aarburg sei technisch möglich.

In*dieser Hinsicht ist auf Grund eines technischen Gutachtens folgendes festzustellen : Die Strecke, auf welcher die Leitung des Elektrizitätswerkes OltenAarburg und die projektierte Leitung der NOK auf gemeinsamen Tragwerken parallel geführt werden könnten, ist verhältnismässig kurz. Sie beträgt, wenn man als frühesten Anfangspunkt den Adlerhof annimmt, bis zur Unterzentrale Bottmingen zirka 10 km. Die bestehende, im Jahre

793 1913 erstellte Leitung des Elektrizitätswerkes Ölten-Aarburg dient nicht, wie dies in der Beschwerde auf Seite 7 vmrichtigerweise behauptet wird, reinen Exportzweoken. Sie besteht aus 2 Leitungssträngen von je 3 Leitern, Der eine Strang dient zur Übertragung der elektrischen Energie nach Beifort und wird zurzeit mit einer Spannung von zirka 80,000 Volt betrieben. Der andere Strang endigt in der Unterzentrale Bottmingen und steht zurzeit unter einer Spannung YOU zirka 50,000 Volt. Von der Unterzentrale Bottmingen führen Leitungen zum Kraftwerk der Elektra Birseck nach Münchenstein, zum Unterwerk der Stadt Basel an der Birs und nach dem Oberelaass. Sowohl die Elektra Birseck als auch das Elektrizitätswerk der Stadt Basel beziehen durch diese Leitung vom Elektrizitätswerk Ölten-Aarburg beträchtliche Energiemengen, wobei die Leitungsmaxima zuweilen bis auf 3000 bzw. 5000 kW ansteigen. Die bestehende Leitung des Elektrizitätswerkes Olten-Aarburg wird also durch die Elektra Birseck zur Stromversorgung eines grossen Teiles des Kantons Baselland herangezogen. Sie ist die erste Weitspannleitung, die in der Schweiz für Hängeisolatoren gebaut worden ist und eine der ersten derartigen Leitungen in Europa überhaupt. Ihre Bauart ist heute überholt; die Anordnung der Ausleger, die gegeneinander versetzt sind, ist statisch nicht günstig. Die mittlere Spannweite ist verhältuieiiiässig kurz, au daes auf der in Rede stehenden Leitungsstrecke 63 Masten vorhanden sind, während die neue Leitung nur 47 Masten vorsieht. Die Distanzen der Isolatorenketten vom Mast und von den Auslegern gestatten die Spannung im Maximum auf 120,000 Volt zu erhöhen. Die neue Leitung sieht in Übereinstimmung mit andern ähnlichen neuern Leitungen eine Betriebsspannung von 135,000 Volt vor. Ein Umbau der bestehenden Leitung in der Weise, dass die jetzigen Träger für die Konstruktion der Gemeinschaftstragwerke mitbenutzt würden, müsste als eine unrationelle und technisch unbefriedigende Lösung bezeichnet werden. Wenn eine Zusammenlegung der Leitungen auf ein Gemeinschaftsgestänge erfolgen muss, so wäre es besser, die Spannweiten so gross zu wählen, wie dies bei der neuen Leitung vorgesehen ist, um weniger Tragwerke und, was in elektrischer Hinsicht ebenfalls wichtig ist, weniger Isolatorenketten zu erhalten. Die neuen Gemeinschaftstragwerke
würden aber sehr gross ausfallen und in der Landschaft sicher unförmlicher und störender wirken als die Einzeltnasten zweier parallel geführter Leitungen. Das eidgenössische Starkstrominspektorat hat ein solches Gemeinschaftstragwerk skizziert und dabei die Abstände der einzelnen Leitungsstränge unter sich gegenüber einer frühern Zeichnung der NOK auf ein Minimum reduziert und kommt zu einer Gesamtbreite am Mastfuss von 15,5 m und einer Distanz zwischen den äussersten Leitern von 20,6 m. In der Beschwerde wird auf die Leitung Amsteg-Steinen verwiesen, bei welcher Leitungen der Schweizerischen Bundesbahnen und der Schweizerischen Kraftübertragung ebenfalls auf einem Gemeinschaftsgestänge befestigt worden sind. Es ist dabei jedoch nicht ausser acht

794 zu lassen, dass dort ein einziger Leitungsstrang Hängeisolatoren besitzt und für eine Spannung von mehr als 100,000 Volt gebaut ist. Die übrigen Leiter haben Stützisolatoren, was ein engeres Zusammendrängen der Leiter ermöglicht. Dafür ist dann aber bei diesen Leitungen mit Stützisolatoren die Höhe der möglichen Übertragungsleistung verhältnismässig gering, weil die Spannung nicht wesentlich über 50,000 Volt hinaus gesteigert werden kann. Die noch verhältnismässig schmalen und dabei doch schon unschön wirkenden Masten der Amsteg-Steinen-Leitung vermöchten den Zwecken, wie sie für die Gemeinschaftstragwerke im Kanton Baselland ins Auge zu fassen sind, nicht zu genügen.

Für den Umbau der bestehenden Leitung zur Gemeinschaftsleitung müsste zunächst ein Leitungsprovisorium erstellt werden, weil es nicht angeht, die Stromlieferung nach Beifort und Bottmingen, die dem Elektrizitätswerk Olten-Aarburg bei günstigem Wasserstand Tageseinnahmen von Fr. 1.8,000--20,000 bringt, während Monaten zu sistieren. Das Leitungsprovisorium an sich würde keine Schwierigkeiten bieten und den schweizerischen Leitungsbau nicht vor neue Aufgaben stellen, wie es nach dem Gutachten von Herrn Prof. Dr. Kummer, das von amerikanischen Vorbildern spricht, den Anschein haben könnte, denn es sind, weil die Leitungen ja noch nicht mit Höchstspannungen betrieben werden, einfach zwei provisorische Holzstangenleitungen zu erstellen, die von der zu bauenden Gemeinschaftsleitung einen so grossen Abstand haben müssten, dass sie beim Bau nicht hinderlich oder gar gefährlich'werden könnten. Dagegen müsste auch für die provisorischen Leitungen in den Obstgärten und "Wäldern Raum geschaffen werden und schliesslich würde die Inanspruchnahme des Grundeigentums durch die provisorischen Leitungen und die Gemeinschaftstragwerke wohl erheblich grösser ausfallen als durch die projektierte neue Leitung.

Es ist ferner in Berücksichtigung zu ziehen, dass die Erstellung einer Gemeinschaftsleitung den beteiligten Unternehmungen ganz gewaltige Mehrkosten verursachen würde und dass es auch betriebstechnisch unerwünscht wäre, vier derart wichtige Leitungen am gleichen Tragwerk zu befestigen, weil eine Störung oder ein Defekt in einer Leitung leicht auch die andern beeinflussen könnte und weil die Unterhalts- und Reparaturarbeiten unter solchen Umständen
immer mit einer gewissen Gefahr verbunden wären.

Wir glauben nicht, dass den NOK eine derart teure und betriebstechnisch nicht befriedigende Lösung, die zudem weder in ästhetischer Hinsicht noch mit Bezug auf die Schonung des Grundeigentums einen Vorteil bietet, zugemutet werden darf. Wir sind überzeugt, dass auch die einsichtigen Leute aus dem Kanton Baselland an der Forderung einer Gemeinschaftsleitung nicht festhalten, wenn sie über deren Schwierigkeiten und Nachteile. richtig orientiert werden.

795

Der Bundesrat hat übrigens durch seinen Expropriationsentscheid der Forderung der Zusammenlegung der Leitungen nach Möglichkeit Folge gegeben und die NOK unter Preisgabe der vorgesehenen gradlinigeren Traceführung verhalten, die neue Leitung der bestehenden Leitung tunlichst anzunähern.

IV.

Auch der weitere Einwand, dass die vom Bundesrat den NOK hinsichtlich der Stromabgabe im Gebiete des Kantons Baselland auferlegten Verpflichtungen für diesen ohne praktische Bedeutung seien, ist unbegründet. Diese Verpflichtungen sind für die NOK sehr einschränkende.

Durch den Umstand, dass im Falle von Meinungsverschiedenheiten mit Bezug auf Preise und Lieferungsbedingungen, unter denen die NOK bei einem allfälligen Bedarf Strom im Kanton Baselland abzugeben haben, der Bundesrat als neutrale Instanz entscheidet, sind diese für die Zukunft stark gebunden. Es scheint aber im Kanton Baselland die Meinung zu herrschen, die Leitungsdurchführung sollte durch zum voraus festgelegte Tarifvorteile, deren finanzielle Tragweite gar nicht übersehen werden können, erkauft werden. Soweit darf man nicht gehen, denn dadurch würde für die Zukunft ein gefährliches Präjudiz geschaffen, weil schliesslich jeder Kanton, durch den eine Leitung hindurchgeführt werden mues, ähnliche Begehren stellen könnte. Sowohl das Elektrizitätsgesetz wie auch das Expropriationsgesetz verpflichten den Ersteller einer Starkstromleitung nur zur vollen Entschädigung der durch diese entstehenden Nachteile und Schädigungen an die Betroffenen. Dagegen dürfen die Kantone nicht noch besondere Abgaben erheben oder sich auf andere Weise finanzielle Vorteile sichern.

Man darf hier auch keinen Unterschied zwischen einer Exportleitung und einer andern Leitung machen. Bei der weiten Verzweigung des schweizerischen Leitungsnetzes wäre es übrigens in vielen Fällen sehr schwer zu bestimmen, wo eine Exportleitung anfängt; je nach Auffassung müsste man hie zu den Kraftwerken zurückgehen.

*

»

*

Gestützt auf die obigen Ausführungen stellen wir den Antrag, es sei auf die ^Beschwerde"1 dos Kantons Baselland wegen Unzviständigkeit der Bundesversammlung nicht einzutreten.

"Wir benützen auch diesen Anlass, Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 21. August 1925.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Musy.

Der Vizekanzler:

Contât.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde des Landrates des Kantons Baselland gegen die Erteilung des Expropriationsrechts für eine Hochspannungsleitung der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.-G. von Giebenach nach der Lan...

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1925

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1991

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