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Bundesblatt 114. Jahrgang
Bern, den 13. September 1962
Band II
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Botschaft des
Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Aargau (Vom 23 August 1962) Herr Präsident !
Hochgeehrte Herren !
In der Volksabstimmung vom 27. Mai 1962 haben die Stimmberechtigten des Kantons Aargau mit 32 476 Ja gegen 28 234 Nein einer Abänderung von Artikel 69, Absatz 2, und Artikel 70, Absatz 2, der Staatsverfassung des Kantons Aargau zugestimmt. Mit Schreiben vom 8. Juni 1962 ersucht der Eegierungsrat des Kantons Aargau um die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.
Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten :
Bisheriger Text
Neuer Text
Art.69, Abs.2 Um die Wahlfähigkeit zu erhalten, haben sich die Geistlichen über eine Maturitätsprüfung auszuweisen, die den eidgenössischen Vorschriften entspricht, ferner über die durch die Behörden ihrer Konfession angeordneten theologischen Prüfungen.
Art.69, Abs.2 Als Geistlicher ist wählbar, wer nach Absolvierung des ordentlichen Theologiestudiums seiner Konfession die durch die kirchlichen Behörden angeordneten Prüfungen bestanden hat.
Ausnahmsweise kann von den zuständigen kirchlichen,Behörden als wahlfähig erklärt werden, wer sich über eine anderweitige genügende Ausbildung ausweist und sich praktisch bewährt hat.
Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. II.
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278 Bisheriger Text
Neuer Text
Art.70, Abs. 2
Art. 70, Abs. 2
Den Synoden steht das Eecht zu, von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmassige Beiträge für die allgemeinen Bedürfnisse ihrer Landeskirche zu beziehen. Diese Beiträge dürfen den fünfundzwanzigsten Teil der Kirchensteuereinheit pro Jahr nicht übersteigen.
Den Synoden steht das Eecht zu, von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmassige Beiträge für die allgemeinen Bedürfnisse ihrer Landeskirche zu beziehen,
Die beiden vorliegenden Änderungen betreffen zwei der im Jahre 1927 neu gefassten Kirchenartikel der aargauischen Kantons Verfassung. Nach Artikel 67, Absatz 2 der Kantonsverfassung sind im Kanton Aargau die evangelisch-reformierte, die römisch-katholische und die christkatholische Konfession als Landeskirchen öffentlichrechtlich organisiert.
Nach dem bisherigen Wortlaut des Artikels 69, Absatz 2 waren die theologischen Prüfungen der Geistlichen Sache der Landeskirchen. Staatlich umschriebene Voraussetzungen zur Aufnahme ins aargauische Ministerium bildeten der Ausweis über eine solche Prüfung, sowie über eine vorhergehende, den eidgenössischen Vorschriften entsprechende Maturitätsprüfung. In bezug auf die staatlichen Erfordernisse für die Wählbarkeit der Geistlichen erfolgt jetzt ein Abbau, indem die den eidgenössischen Vorschriften entsprechende Maturitätsprüfung nicht mehr erwähnt wird. Ausnahmsweise kann nun von den zuständigen kirchlichen Behörden auch als wahlfähig erklärt werden, wer sich über eine anderweitige Ausbildung ausweist und sich praktisch bewährt hat. Die neue Verfassungsbestimmung geht davon aus, dass sich die eidgenössische Maturitätsverordnung nur auf die Zulassung zu den eidgenössischen Medizinalprüfungen und auf die Ausbildung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule bezieht. Die einzelnen Universitätskantone befinden darüber, welche Bildungsgrundlagen sie zur Voraussetzung zum Studium an ihrer Hochschule machen wollen. So erscheint es als folgerichtig und in Anbetracht des Nachwuchsmangels als zweckmässig, dass die Wählbarkeitsvoraussetzungen den Bedürfnissen des Theologiestudiums angepasst werden.
Die Änderung von Artikel 70, Absatz 2 ermöglicht eine Erweiterung der landeskirchlichen Zentralsteuerkompetenz. Den kantonalen Synoden steht das Eecht zu, von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmässige Beiträge für die allgemeinen Bedürfnisse ihrer Landeskirche zu beziehen. Diese Beiträge durften bis anhin den fünfundzwanzigsten Teil der Kirchensteuereinheit pro Jahr nicht überstei-
279 gen. Die Verwendungszwecke dieser Zentralsteuer haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt, indem heute ein grosser Teil des Zentralsteuerertrages für den direkten Finanzausgleich unter den Kirchgemeinden eingesetzt wird.
Damit ist aber der Finanzbedarf der landeskirchlichen Zentralkassen entsprechend gestiegen und die in der Verfassung festgelegten 4% der ganzen einfachen .Kirchensteuer reichen nicht mehr aus. Da ein weiterer Ausbau des Finanzausgleiches unter den Kirchgemeinden wünschbar ist, sollen die Synoden in die Lage versetzt werden, die Zentralsteuer so festzulegen, dass die vordringlichen finanziellen Bedürfnisse einer jeden Landeskirche befriedigt werden können. Aus diesem Grunde wird im geänderten Artikel 70, Absatz 2 auf eine Begrenzung der Zentralsteuerkompetenz verzichtet.
Diese Änderungen der Artikel 69, Absatz 2 und 70, Absatz 2 der Verfassung des Kantons Aargau betreffen nur das kantonale öffentliche Recht und widersprechen dem Bundesrecht nicht. Wir beantragen Ihnen daher, der Verfassungsänderung durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.
Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.
Bern, den 23. August 1962.
Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Vizekanzler : F.Weber
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(Entwurf)
Bundesbeschluss über
die Gewährleistung der geänderten Artikel 69, Absatz 2 und 70, Absatz 2 der Verfassung des Kantons Aargau
Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 23. August 1962, in Erwägung, dass die geänderten Verfassungsbestimmungen nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst : Art. l Den in der Volksabstimmung vom 27. Mai 1962 angenommenen Änderungen der Artikel 69, Absatz 2 und 70, Absatz 2 der Verfassung des Kantons Aargau wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.
Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.
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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Aargau (Vom 23. August 1962)
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1962
Année Anno Band
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Volume Volume Heft
37
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8538
Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum
13.09.1962
Date Data Seite
277-280
Page Pagina Ref. No
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