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Bericht der

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ständeräthlichen Kommission zum Gesetz über die Posttaxen.

(Vom 15. März 1876.)

Tit.

Der Entwurf *), der Ihrer Berathung unterlegt werden soll, ist nach Meinung der Kommission von dringlicher Natur, nützlicher als manches andere Gesetzesprojekt. Die Commission hat sich deßhalb nicht verdrießen lassen, in möglichster Förderung die Arbeit zur "Hand zu nehmen und zu Ende zu bringen. Sie beantragt dem Rathe einmüthig, auf den Vorschlag des Bundesraths einzutreten, und wenn die Diskussion auf die wesentlichen Differenzen sich beschränkt, so dürfen wir hoffen, daß der Entwurf in dermaliger Session in diesem Rathe jedenfalls noch durchberathen werden kann.

Schon die Schlußnahme des Ständeraths vom letzten Samstag, rücksichtlieh der Form der Anhandnahme und Berathung der übrigen postgesetzlichen Vorschläge, bedingt das sofortige Eintreten in d i e s e n Entwurf, weßhalb eine nähere Begründung wohl überflüssig wäre. Bei Gelegenheit des Abschlusses des internationalen Postvertrags sind zudem die meisten Richtungen, in denen der Entwurf sich bewegt, von den Räthen bereits als willkommene Fortschritte im Postwesen begrüßt und mit Einstimmigkeit sanktionirt worden ; um so mehr darf dieser Bericht sich begnügen, auf einige der wesentlichsten Veränderungen, die der Entwurf gegenüber dem bisherigen Zustand im schweizerischen Postwesen bringt, aufmerksam zu machen.

*) Bundesblatt 1876, I, 467, 808, 836. -- Zu Seite 808 ist zu berichtigen, daß der Bericht Kappeier sich, auf die Posttaxen, nicht das Postregal bezieht.

985 Es fallen diese Neuerungen wesentlich unter drei Gesichtspunkte : I. Im Briefpostverkehr und im Drucksachenverkehr geht der Entwurf noch einen Schritt weiter als das bisherige Gesetz in Beförderung der Frankatur (§§ 5 und 7 c des Entwurfs). Die nichtfrankirten Briefe im Innern zahlten bis jetzt 5 Centimes mehr als die frankirten; sie würden in Zukunft die doppelte Taxe zu bezahlen haben, und da schon bisher nur noch zirka 8 °/o unfrankirte Briefe geblieben sind, so wird diese Neuerung den restirenden Prozentsatz der nichtfrankirten Briefe noch mehr reduziren und uns dem absoluten Frankaturzwang nahe bringen. Drucksachen, § 7 des Entwurfs, werden nur frankirt angenommen, da fallen also eine Menge administrativer Manipulationen weg. Es findet überall nur die e i n e g l e i c h e Behandlung statt und es kömmt damit Einfachheit und Sicherheit in den Dienst. Es wäre überflüssig, diese allseitig anerkannten, mit dem Streben aller Vereinsstaaten im Postwesen und dem bekannten Vertrag harmonirenden neuen Bestimmungen poch besonders rechtfertigen zu wollen.

II. Eine zweite höchst wesentliche und eingreifende Veränderung im Entwurf ist die Ordnung eines neuen Systems für die Fahrpostsendungen (§ 19 des Entwurfs). Das bisherige System der Taxirung war complizirter als das nunmehr vorgeschlagene; es setzte sich zusammen aus den Momenten des Gewichts und der Entfernung. Die Gewichtsdifferenz wirkte, je nach den Entfernungen, sodann wieder vielstufig und stieg von einem allerdings sehr kleinen Minimum bis zu starken Sätzen auf große Entfernungen.

In letzterer Richtung wurde namentlich sehr geklagt, und bezüglich der administrativen Handhabung und Berechnung war die Maschine, wenn nicht besonders schwierig zu handhaben, doch bei weitem complizirter als das neue System. Das Publikum namentlich mußte ohne Ausnahme vor dem Schalter erscheinen, da die Manipulation rücksichtlich des Ausrechnens der Taxe, Einschreibens und Bezahlens die persönliche Anwesenheit eines Aufgebers an der Poststelle nöthig machte.

Die Idee der Einheitstaxe bei den Briefen, die, ihrer eminenten Vortheile für Postadministration und Publikum halber, im Sturmschritt die ganze Post-Welt eroberte, macht sich nun auch an die Fahrtpostsendungen, und man kann wohl prognostiziren, daß sie auch hier das gesammte Postgebiet sich in Bälde stufen-
und abschnittsweise erobern wird. Was jetzt einstweilen geschieht, ist bereits ein entschiedenes Eingehen auf das gleiche System, wird aber unzweifelhaft noch weiter ausgebildet werden. Der neue Vorschlag bringt nun, soweit es zur Zeit schon möglich scheint, innerhalb eines

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großen Gebiets einen einheitlichen Portosatz ohne Rücksicht auf Entfernung.

Deutschland gieng mit der Idee voran. Jedes Fahrpoststück bis zum Gewicht von 5 Kilogramm wird dort mit 50 Pfenningen (62 l/-i Rappen) belegt (für Lokalrayon auf 10 Meilen mit der Hälfte). Der Bundesrath schlägt, dein Vorgang folgend, als Einheitstaxe 40 und für den Lokalrayon 20 Rappen vor, immerhin also eine erheblich tiefere Taxe als in Deutschland. Dennoch wird sich ein erheblicher Verlust für das Publikum auf die geringeren Entfernungen ergeben, großer Gewinn dagegen auf weitere Kreise.

Der bundesräthliche Bericht stellt die Differenzen im Detail klar. Die Commission erachtet die Vortheile des neuen Systems in jeder Richtung als höchst bedeutend und hat mit Vergnügen von einer Zuschrift des bekannten ersten deutschen Postmeisters Kenntniß genommen, wornach nach Einführung dieses Systems eine weitere für Post und Publikum sehr wünschbare Postvereinbarung mit Deutschland ermöglicht wird. Der Gewinn zu Gunsten der Postkasse im Lokalrayon namentlich läßt sich aus dem Umstand doch völlig rechtfertigen, daß die bisherige Taxe die Selbstkosten der Post bei Weitem nicht deckte, und sodann gibt der Gewinn des Systems in andern Richtungen dem Publikum doch reichen Ersatz; auch darf in der That nicht ganz aus den Augen verloren werden, daß bei den jetzigen Finanzverhältnissen des Bundes darauf gesehen werden muß, daß die Post etwelchen bescheidenen Gewinn abwerfen soll und darf. Ihre Commission, indem sie das neue System billigt, hält im Weitern dafür, daß zwei sachlichen Verhältnissen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser neuen Einrichtung stehen und rasch anzustreben sind, schon im Gesetz Ausdruck gegeben werden soll, so daß die Einführung ohne neue Gesetzesvorlage oder Zusatz erfolgen kann. Die zwei Verhältnisse beschlagen das Einführen von Taxwerthzeichen im Postverkehr auch für Fahrpostsendungen. Hiemit würde, da der Absender nach dem .neuen System die Taxe meist leicht berechnen kann, eine weit leichtere und schnellere Aufgabe hergestellt. Es heißt, daß einstweilen noch dieser Einführung Schwierigkeiten entgegenstehen, die von der Fabrikation und Benutzbarkeit solcher Werthzeichen hergenommen sind ; doch hofft die Administration selbst auf eine baldige Ueberwindung derselben in der einen oder andern Form. Sodann
scheint es uns dem Geiste des Systems durchaus angemessen und auch im Vorgang der deutschen Post bereits zur Ausführung gebracht, daß auch hier, entsprechend dem Verfahren im Briefverkehr, die Frankatur begünstigt und eine Zuschlagstaxe für unfrankirte Sendungen durchs Gesetz ermöglicht werde. Da der Chef der Administration selbst die Einführung als zweckmäßig, ja nothwendig

987 anerkennt und nur für den Augenblick noch zuwarten zu müssen glaubt, so haben wir den Gedanken in einer Form (Zusatz zu Art. 19) schon in dieses Gesetz gelegt, welche dann zur Ausführung keiner Gesetzesnovelle, sondern lediglich einer bestätigenden Schlußnahme der Räthe bedarf.

Im Transport von Postsendungen mit Werthdeklaration schließt sich die Commission entschieden dem Raisonnement des Bundesrathes an. Das durch die jetzige Taxirung hervorgerufene System, daß Banken und größere Geschäfte bei Geld- und Werthsendungen ·der großen Taxe halber nur einen kleinen Prozentsatz des wirklichen Werthes der Sendung zu Händen der Post deklariren und die Hauptsumme des zu transportirenden Gegenstandes anderweitig gegen Verlust versiehern, entzieht nicht nur der Post einen Gewinn, der ihr a l l e i n zugehört, sondern birgt in der beständigen Versuchung, die sie den Postangestellten vor Augen stellt, moralische Gefahren, die der bundesräthliche Bericht bezeichnet, und welche in der That nicht stark genug betont werden können. Daß die Post in Zukunft selbst nicht m e h r an Zuschlagstaxe nimmt, als die Extraversicherungen auch oder doch sehr annähernd fordern, beseitigt das Uebel gründlich.

IH. Da der Bericht jedes kleinere Detail der Erörterung im Rath vorbehalten will, so bleibt als dritter Hauptpunkt lediglich noch die Frage der Portofreiheit, in welcher der Vorschlag des Bundesrathes eine erhebliche Eingrenzung vorschlägt. Hier stehen sich in der Commission zwei Grundanschauungen gegenüber. Die Mehrheit will im Wesentlichen bei der bisherigen Portofreiheit verharren, die Minderheit will. mit dieser Freiheit, resp. mit diesem Privilegium gründlich aufräumen. Da der Berichterstatter in dieser Frage zur Minderheit gehört und annehmen muß, daß die Mehrheit ihre Gründe nicht von dem Gegner derselben will vortragen lassen, als Minderheit aber wohl nicht berechtigt ist, nur die Minderheit im allgemeinen Bericht zu vertreten, so bleibt die Begründung der beiden Ansichten wohl am besten der Diskussion im Rathe vorbehalten.

E i n m ü t h i g e r A n t r a g d e r C o m m i s s i o n a u f Eintreten in das Gesetz.

B e r n , den 15. März 1876.

Im Namen der ständeräthlichen Kommission, Der Berichterstatter:

C. Kappeier.

Bnndesblatt. 28. Jahrg. Bd. L

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