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Bericht des

Bundesrathes an den Schweiz. Nationalrath über Sicherung der Pfandgläubiger und Obligationäre bei Fusionen und Veräusserungen von Eisenbahnen.

(Vom 9. Juni 1876.)

Tit.!

In Ihrer Sizung vom 1. Juli 1875 haben Sie, anläßlich der Genehmigung der Fusion der Linien Winterthur-Singen-Kreuzlingen und Winterthur-Zofingen, ein Postulat zum Beschlüsse erhoben, welches folgendermaßen lautet: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage zu begutachten, ob und wie weit bei Fusionen und Veräußerungen von Bisenbahnlinien die nachsuchenden Gesellschaften augehalten werden sollen, Nachweise zu leisten, daß die Rechte ihrer Pfandgläubiger und Obligationäre durch das neu zu schaffende Verhältniß hinlänglich gewahrt bleiben."

Indem der Bundesrath sich hiemit beehrt, Ihnen seine diesfälligen Ansichten vorzulegen, hält er es nicht für erforderlich, die Frage einläßlicher zu prüfen, ob und in wie weit bei Gelegenheit und in Folge einer Fusion oder einer Veräußerung einzelner Linien die Schädigung der Gläubiger, gleichviel ob dieselben mit einem Pfandrecht ausgerüstet seien oder nicht, denkbar wäre: es wird wohl zuzugeben sein, daß Transaktionen der gedachten Art in der

1005 That vorkommen könnten, welche die Rechte der Gläubiger gefährden würden. Die Frage ist vielmehr lediglich die: ob der Bund eine Veranlassung habe, zur Abwehr derartiger Gefährde von sich aus Vorkehr zu treffen. Indessen auch diese Frage, in solcher Allgemeinheit gestellt, bedarf zur Zeit keiner Beantwortimg mehr.

Diese ist bereits erfolgt durch zwei gesezgeberische Akte. Durch Artikel 10 des Gesezes vom 23. Christmonat 1872, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, ist dafür gesorgt, daß Transaktionen der gedachten Natur n i c h t h e i m l i c h vor sich gehen können: ,,Ohne ausdrükliche Genehmigung des Bundes ," heißt es daselbst, ,,darf weder eine Konzession in ihrer Gesammtheit, noch dürfen einzelne in derselben enthaltene Rechte oder Pflichten in irgend welcher Form an einen Dritten übertragen werden." Es wird dann hinzugefügt, daß der Bundesrath die betheiligten Kantonsregierungen über die Sache anhören und daß schließlich die B u n d e s v e r s a m m l u n g , also eine in voller Oeffentlichkeit tagende Versammlung, ,,nach Prüfung aller dabei in Betracht fallenden Verhältnisse" entscheiden werde.

Neben dieser großen Garantie, welche in dem Ausschluß aller geheimzuhaltenden Machenschaften liegt, hat aber weiterhin das Gesez vom 24. Brachmonat 1874, über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen, in seinem Artikel 10 speziell für die Pf and g l ä u b i g e r die Bestimmung aufgestellt, daß sie zwar Veränderungen am Grundbesiz der Bahn, an den Gebäuden und am Betriebsmaterini nicht hindern dürfen; daß sie aber gegen den V e r k a u f der Bahn oder einzelner Linien, gegen eine Veräußerung eines größern Theils des Betriebsmaterials und gegen F u s i o n e n mit andern Bahnen Einsprache zu erheben berechtigt seien, falls die Sicherheit ihrer Pfandforderung dadurch gefährdet werden sollte, und das Bundesgericht ist als diejenige Instanz bezeichnet, welche daherige Streitigkeiten zu entscheiden hat.

Die P f a n d g l ä u b i g e r sind durch diese Gesezesvorschrift sicherlich ausreichend und in beruhigender Weise gesehüzt; ob durch analoge Gesezesanwendung auch den Obligationären die gleiche Instanz geöffnet werden könnte , mag dahingestellt sein ; aber auch wenn man annimmt, daß diese Frage verneint werden müßte , so ist ihnen jedenfalls durch die oben citirte Stelle des
Gesezes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen eine a n d e r e Instanz geöffnet, welche ebenfalls volle Gewähr gegen ungerechte Schädigung darzubieten geeignet ist: es ist dies das Forum der Bundesversammlung, an welches die Obligationäre selbstverständlich sich zu wenden berechtigt sind und von dem man wohl voraussezen darf, daß es die Genehmigung, welche zur Validirung der beabsichtigten Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. il.

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Transaktion unerläßlich ist, ohne Weiteres verweigern würde, wenn wirklich der Nachweis für eine Gefährdung der Gläubiger erbracht oder eine solche auch nur in hohem Maße wahrscheinlich gemacht wäre. Der im Geseze gebrauchte Ausdruk: ,,nach Prüfung aller in Betracht fallenden Verhältnisse" macht den gesezgebenden Räthen die freieste Würdigung des ganzen Falles möglich und eine ernsthafte Erwägung denkbarer Gefahren zur gebieterischen Pflicht.

Bei diesem Stand der Gesezgebung bleibt eigentlich nur noch e i n e Frage übrig, die Frage nämlich, ob die Wahrung etwa gefährdeter Gläubigerrechte durch die Bundesbehörden v o n A m t e s wegen erfolgen oder ob diese ganze Seite der Frage bei Prüfung der Fusions- oder Verkaufsbegehren nur insofern von jenen Behörden geprüft werden soll, als ein Gesuch der b e t h e i l i g t en Part e i e n vorliegt. Der Bundesrath steht keinen Augenblik an, sich gegen die erstere und für die zweite dieser Alternativen auszusprechen. Für die Pfandgläubiger ist der Weg ohnehin bereits im Geseze gewiesen: sie müssen beim Bundesgericht E i n s p r a c h e erh e b e n , d. h. sie müssen selbstthätig ihre Rechte und Interessen wahren. Es scheint uns durchaus kein Grund vorzuliegen, für die Obligationsinhaber, wenn sie bei Bundesrath und Bundesversammlung Schuz suchen wollen, ein anderes Verhältniß zu begründen.

Die Wahrung rein privatrechtlicher Interessen wird wohl überhaupt und grundsäzlich am besten den Betheiligten selbst überlassen, und man darf darüber hinaus nicht vergessen , daß, wenn die Bundesbehörden sich die Pflicht auferlegen wollten, gewissermaßen als Vormünder und Sachwalter der Gläubiger deren Rechte zu wahren, die Möglichkeit einer Gefährdung derselben zu prüfen und Mittel der Abhülfe zu ersinnen, sie nicht nur ein äußerst schwieriges Pensum, sondern auch eine ganz außerordentliche Verantw o r t l i c h k e i t übernehmen würden, die man ihnen billigerweise nicht zumuthen kann.

Es genügt vollständig, den Gläubigern durch die Gesezgebung, wie es geschehen ist, materielle Garantien zu schaffen und ihnen die M ö g l i c h k e i t der A b w e h r g e f ä h r d e n d e r Machinat i o n e n zu e r ö f f n e n ; die Sorge, hie von Gebrauch zu machen, bleibt daneben ihnen am besten selber überlassen. Das Einzige, was noch als wünschbar erscheinen kann , ist das, daß
man sie r e c h t z e i t i g auf das Kommende aufmerksam mache und ihnen dadurch Gelegenheit biete, auch ihrerseits r e c h t z e i t i g geeignete Schritte zu thun , beziehungsweise den Schuz der Behörden anzurufen und ihre Gesichtspunkte darzulegen. Zu diesem Behufe halten wir es für zwekmäßig, daß jedes Mal, wenn ein Fusions- oder Verkaufsprojekt nach Maßgabe des Eisenbahngesezes bei uns zur bun-

1007 desgemäßen Genehmigung eingereicht wird, davon ungesäumt durch das Bundesblatt öffentliche Kunde gegeben und die Betheiligten eingeladen werden, allfällige Bedenken oder Einsprachen binnen einer mäßigen Frist anzumelden und zu begründen. Die Berichterstattung an die Bundesversammlung würde dann erst erfolgen, wenn die Frist abgelaufen wäre, und es könnte, in dem Berichte gesagt werden, ob Beschwerden von Seiten der Gläubiger vorliegen, und, bejahendenfalls, inwiefern dieselben als begründet erachtet werden oder nicht, so daß die Bundesversammlung immer , auch nach dieser Richtung hin, eine bereits vervollständigte Aktenlage vorfände.

Wir haben von uns aus bereits den Beschluß gefaßt, daß in jedem vorkommenden Falle in der soeben besprochenen Weise verfahren werden soll, und empfehlen im Uebrigen, sich damit begnügen und von jeder weitern Maßregel absehen zu wollen.

Bern, den 9. Juni 1876.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Schweiz. Eidgenossenschaft: Schiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Konzession für eine Eisenbahn von Seebach (Oerlikon) nach Zürich.

(Vom 9. Juni 1876.)

Tit.!

Die projektirte Eisenbahn ist nach der Intention der Bewerber dazu bestimmt, an die Linie der Schweiz. Nationalbahn bei Oerlikon anzuschließen und denjenigen Transportverkehr an sich zu ziehen, welchen die Nationalbahn (Singen-Konstanz-WinterthurBaden-Aarau-Zofingen) von und nach Zürich zu vermitteln befähigt ist.

Die Linie zweigt aus der Nationalbahnstation Seebach (Oerlikon) ab, welche als ca. 300 Meter nordwestlich von der Nordostbahnstation Oerlikon situirt vorausgesezt wird, ersteigt parallel mit dem Wipkinger Tunnelvoreinschnitt laufend mit 25 o/oo die Höhe von Wipkingen, fällt von dort wieder mit 25 °/oo in das Limmatthal hinab und erreicht über Unterstraß die Endstation Zürich auf dem rechten Limmatufer. In Unterstrass ist ein Güter- und Personenbahnhof, in Zürich nur eine Personenstation und für den Fall einer entsprechenden finanziellen Betheiligung Seitens der interessirten Gemeinden auf der Höhe zwischen Oerlikon und Wipkingen eine Haltstelle für Personen und Güter projektirt.

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Bericht des Bundesrathes an den Schweiz. Nationalrath über Sicherung der Pfandgläubiger und Obligationäre bei Fusionen und Veräusserungen von Eisenbahnen.

(Vom 9. Juni 1876.)

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1876

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17.06.1876

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