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Kreisschreiben des

eidg. Departements des Innern an sammtliche Kantonsregierungen, betreffend die alljährlichen Inspektionen über die Amtsführung der Civilstandsbeamten.

(Vom 6. Oktober 1876.)

Hochgeachtete Herren!

Mit Bezug auf Art. 12 des Bundesgesezes über Civilstand und Ehe, wonach die Kantonsregierungen verpflichtet sind, über die Amtsführung der Civilstandsbeamten alljährliche Inspektionen anzuordnen und über deren Ergebnisse. dem Bundesrathe Bericht zu erstatten, wurden wir von einer Kantonsregierung gefragt, ob behufs gleichmäßiger Inspektion und Berichtgabe von unserm Departement eine Instruktion für die Inspektoren erlassen würde.

Vollständige Gleichmäßigkeit ist nun in der Sache nicht möglich, weil die kantonalen Vollziehungsverordnungen zu verschieden sind. Dagegen glauben wir Ihnen mittheilen zu sollen, welche Aufgaben, nach unserer Ansicht, auf Grund des Bundesgesezes und der Vorschriften vom 17. September 1875 den Inspektoren zukommen. Es muß Ihnen überlassen werden, diesen Entwurf mit Rüksicht auf Ihre kantonalen Verordnungen und Geseze zu ergänzen. Immerhin bleibt es sehr wünsehenswerth, daß zur Erleichterung der Prüfung und Vergleichung Ihrer Berichte die nachfolgenden, insbesondere die durch große Buchstaben bezeichneten Ein-

671 theilungsgründe in der gegebenen Reihenfolge in dieselben aufgenommen werden.

A. Lokalfrage.

1) Ist das Bureau geeignet zur sichern Aufbewahrung der Register und des Archivs, und ist dasselbe Feüersgefahr und Feuchtigkeit nicht in außergewöhnlicher Weise ausgesezt ?

2) Ist ein anständiges Trauungslokal vorhanden? (Bundesgesez Art. 38, Lemma 2).

3) Sind allfällige Anschläge an passendem und geschtiztem Orte angebracht ? (Bundesgesez Art. 33.)

B. Amtsverrichtung.

Werden die Büreaustunden, die Trauungstage (Bundesgesez Art. 38) und allfällige Stellvertretung richtig eingehalten?

C. Geseze und Vorschriften.

Besizt der Beamte sämmtliche zur Sache gehörende eidgenössische und kantonale Geseze und Vorschriften, bezüglich der erstem namentlich : 1) Das Bundesgesez vom 24. Dezember 1874.

2) Die Vorschriften und Formularien vom 17. September 1875.

3) Den Bundesbeschluß vom 17. September 1875 und die Instruktion vom 16. November 1875, beide die statistischen Auszüge betreffend.

4) Den Bogen über ,,Amtliche Mittheilung schweizerischer Civilstandsbeamten an ausländische Behörden", vom 22. Dezember 1875.

5) Die ,,Entscheide und Verfügungen" bis zum 23. März.

6) Das ,,alphabetische Verzeichniß der politischen Gemeinden der Schweiz, nebst Angabe des Civilstandskreises", sowie den ,,Nachtrag" hiezu vom 10. Mai 1876.

7) Das ,,Verzeichniß der schweizerischen Civilstandskreise mit Angabe des Amtssizes."

8) Die eidgenössischen Kreisschreiben, insbesondere: a. Das vom 8. Dezember 1875 betreffend die Trauung von Ausländern (Bundesblatt 1875, IV. Band, pag. 1127).

b. Das vom 11. Februar 1876 betreffend Gebühren (Bundesblatt 1876, I. Band, pag. 295).

c. Das vom 23. Februar 1876 über Ehen zwischen Onkel und Nichte aus Schwägerschaft (Bundesblatt 1876, I. Band, pag. 444).

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d. Das vom 3. März 1876 über Streichung im Auszugsformular Nr. 2 (Bundesblatt 1876, I. Band, pag. 514).

e. Das vom 20. September 1876 über die Mittheilung von Scheidungsurtheilen? (Bundesblatt 1876, Bd. III, pag. 594.)

D. Führung der Register.

1) Allgemeines : Sind die Register ordentlich und reinlich gehalten?

2) Handschrift: a. Ist die Handschrift leserlich ?

b. Ist es immer diejenige des Beamten oder seines Stellvertreters? (Bundesgesez Art. l, Lemma 2.)

3) Schreibverfahren : a. Bedient man sich der Schriftsprache ? (Vorschriften Art. 2.)

b. Ist die Schreibung der Orts- und Personennamen sowie der Vornamen fehlerfrei?

c. Werden die Abkürzungen und Datumsziffern vermieden?

(Bundesgesez Art. 6.)

d. Werden die in den Formularien leer gelassenen Stellen, wenn keine bezüglichen Angaben zu machen sind, mit einem wagrechten Striche ausgefüllt und werden die Worte, welche keine Anwendung finden, durchstrichen?

(Vorschriften Art. 3.)

4) Eintragung : a. Geschieht dieselbe chronologisch, ohne Offenlassung eines Zwischenraumes, mit fortlaufender Nummerirung und jedesmal mit der Unterschrift des Beamten? (Bundesgesez Art. 6.)

b. Und werden dagegen am Ende des Vorjahres vorgekommene, aber erst im laufenden Jahre angezeigte Geburten und Todesfälle den Eintragungen des Vorjahres angeschlossen ? (Vorschriften Art. 9.)

c. Werden die Doppelregister gleichzeitig und gleichförmig geführt und mit denselben Unterschriften versehen ? (Bundesgesez Art. 2, Vorschriften Art. 3.)

d. Nimmt der Beamte nichts der Bestimmung der Register Fremdes in dieselben auf? (Bundesgesez Art. 7.)

e. Nimmt derselbe keine eigenmächtigen Abänderungen vor?

(Bundesgesez Art. 9.)

f. Sind die Register genau ausgefüllt? (Bundesgesez Art. 16,18, 19; 22--24, Vorschriften Art. 10; Bundesgesez Art. 42, 57.)

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g. Finden sich die Unterschriften der Anzeigenden, der Getrauten und der Trauungszeugen regelmäßig? (Bundesgesez Art. 16, 22, 39.)

h. Sind auch die zulezt angekommenen Protokolle, Auszüge u. s. f.. schon eingetragen ? (Bundesgesez Art. 8, Vorschriften Art. 5.)

i. Ist das Inhaltsverzeichniß unterhalten ? (Vorschriften Artv6.)

k. Läßt der Beamte, wenn nöthig, die Identität des Anzeigenden feststellen? (Bundesgesez Art. 17, Lemma 2.)

E. Mittheilungen.

1) Werden dieselben im Register A vorgemerkt ? (Vorschriften Art. 4.)

2) Werden dieselben richtig gemacht? (Bundesgesez Art. 2, Lemma 4; 5, lit. b; 31, Lemma 1; 34, 35, 37, Lemma 3; Vorschriften Art. 14.)

F. Archiv.

1) Sind die Belege in drei gesonderten Abtheilungen aufbewahrt? (Bundesgesez Art. 10.)

2) Sind die Belege zum Register B mit der Nummer des Eintrags versehen? (Vorschriften Art. 5.)

3) Finden sich diejenigen Belege, welche zur Trauung vorgesehrieben sind ? (Bundesgesez Art. 36 und 37, Vorschriften Art. 13.)

4) Ist der Beamte im Besize der alten Civilstandsregister, soweit es nöthig ist? (Bundesgesez Art. 64.)

G. Gebühren.

1) Werden dieselben richtig bezogen? (Bundesgesez Art. 5d, 8, 31 ; Vorschriften Art. 7 ; Entscheide und Verfügungen zu Art. 8 u. a.)

2) Eventuell, wenn ein Kassabuch geführt wird: was tragen dieselben ein?

Mit -vollkommener Hochachtung B e r n , den 6. Oktober 1876.

Der Vorsteher des eidg. Departements des Innern : Droz.

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Entscheide und Verfügungen des

Bundesrathes und des eidg. Departements des Innern auf Grund des Bundesgesezes über Feststellung und Beurkundung des Civilstands.

(II. Heft) (Vom 23. März bis zum 20. September 1876.)

Art. 5, b. Auf sachbezügliche Anfrage: Als Heimatsort von Wittwen und geschiedenen Frauen, wohin die Todesanzeige zu richten sei, ist derjenige ihres lezten Mannes zu betrachten.

Art. 5, d. Eine kantonale Regierung beklagte sich, daß die Standesbeamten eines andern Kautons für Geburtscheine, die zum Behufe der Verehelichung verlangt wurden, im Widerspruche mit Art. 7 der Vorschriften vom 17. September 1875, Gebühren erhoben.

E n t s c h e i d . Der Art. 7 der Vorschriften handelt nur von Geburtsdaten, welche den Zivilstandsbeamten nöthig sein können, und nicht von Geburtscheinen, welche außer den Daten noch andere Angaben enthalten.

Die Beibringung von Geburtscheinen wird zum Behufe der Verkündung von Art. 30 vorgeschrieben.

Dieselben können aber weder als Eintragung noch als von Amtes wegen zu machende Mittheilungen (Art. 8, Lemma 2) be-

675 trachtet werden. Sie werden vielmehr auf Begehren der Parteien ausgestellt und gehören somit in die Kategorie der Registerauszüge, für welche eine Schreibgebühr bezogen werden kann.

A r t . 8, L e m m a 2 und 3. Für die Trauung außerhalb des Wohnsizes des Bräutigams kann eine Gebühr bezogen werden, wogegen selbstverständlich auch in diesem Falle die Trauungsanzeige an den Standesbeamten des Wohnsizes taxfrei bleibt.

Art. 9. Die Eheleute X wurden 1867 in Lausanne von einem nicht zur Nationalkirche gehörenden Pfarrer getraut. Die durch das Gesez vorgeschriebene Mittheilung an das die Standesregister führende Pfarramt des Wohnsizes des Vaters oder Ehemannes unterblieb. 1876 begehrten die Gatten nachträgliche Einschreibung.

E n t s c h e i d . Man soll genau untersuchen, ob in den Registern des Geistlichen, welcher die Ehe eingesegnet hat, eine Einschreibung stattgefunden hat. Besteht keine solche, so soll eine Notorietätsakte nach Maßgabe der waadtländischen gesezlichen Bestimmungen aufgenommen werden.

Die Einschreibung soll am Ende des Registers des Jahrganges der Trauung geschehen mit summarischer Angabe der Verspätungsursachen und der Ermächtigung zur Nachtragung durch die kantonale Regierung. Dem Civilstandsbeamten des Heimatortes soll, behufs Einschreibung ins Register B des laufenden Jahres, Mittheilung gemacht werden. Derselbe hat am Schlüsse der Eintragung in Klammern zu bemerken : (Die Ehe wurde in Lausanne erst am wegen Auslassung und auf besondere Ermächtigung hin nachgetragen.)

Art. 16, b. Wegen Abwesenheit des Vaters wurde ein in Schaffhausen gebornes Kind ohne Vornamen eingetragen und hierüber ein Geburtschein ausgestellt.

E n t s c h e i d . Die Standesbeamten sollen die ohne Angabe des Vornamens verlangte Einschreibung von Geburten verweigern, und nach der gesezlichen Frist von 3 Tagen sind nötigenfalls die in Art. 59 vorgesehenen Strafbestimmungen anzuwenden.

Art. 18. Die Ehefrau A gebar in X ein Kind, der Civilstandsbeamte von da zeigte die Geburt dem Civilstandsbeamten der Heimatgemeinde des Ehemannes an, zu gleicher Zeit aber protestirte lezterer gegen die Eintragung unter seinem Namen, weil er nicht mehr mit seiner Frau gelebt habe.

E n t s c h e i d . Das Kind einer Ehefrau, dessen Vaterschaft vom Ehemanne in Abrede gestellt wird, ist dennoch unter dem

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Namen desselben einzutragen, bis ein allfälliges richterliches Urtheil zu einer Randbemerkung Veranlaßung gibt.

Art. 23 und 24. Eine Kantonsregierung wünschte vom Bundesrathe eine Verordnung, wonach die Civilstandsbeamten angewiesen würden, auch den Tod von Personen, deren Körper verschwunden sei, einzutragen.

Zu gleicher Zeit frug dieselbe an, ob, im Falle daß der Leichnam in einem andern als dem Civilstandskreise, wo der Tod eintrat, gefunden und die Wesenseinheit hergestellt würde, die Eintragung in das Sterberegister A des Auffmdungs- oder des Sterbeortes zu vollziehen und als Zeitpunkt des Todes der Tag der Auffindung oder des tödtlichen Ereignisses anzugeben sei.

E n t s c h e i d . 1) Die Frage, inwiefern eine Person, auch ohne daß ihr Leichnam als solcher vorliegt, gleichwohl als todt angesehen und demgemäß in das Todtenregister eingetragen werden darf, ist zunächst nicht eine Frage des Civilstandes, sondern des bürgerlichen Rechts. Del- Art. 24 des Gesezes über Civilstand und Ehe bestimmt daher, in voller Uebereinstimmung mit dieser Auffassung, daß die als ,,todt erklärten Verschollenen auf Grund einer Todeserklärung der zuständigen Behörde" eingetragen werden sollen.

Das Gesez geht also von der Ansicht aus, daß der Standesbeamte eine Eintragung in das Todtenregister nur bewirken darf, wenn ihm entweder, im Sinne von Art. 20, der wirklich eingetretene Tod in gesezlicher Form durch die zuständigen Personen angezeigt, oder aber eine amtliche Todeserklärung, im Sinne von Art. 24, vorgewiesen wird. Die Frage aber, in welchen Fällen eine solche Todeserklärung zuläßig ist, und wer zur Ausstellung einer solchen Befugniß hat, wird im Geseze nicht geregelt, fällt also -- bis auf Weiteres -- unzweifelhaft der Autonomie der Kantone anheim.

2) Was die Frage betrifft, ob im gegebenen Falle der Tod am Orte des Ereignisses oder des Leichenfundes eingetragen werden soll, so entscheidet Art. 23 offenbar für leztern. Selbstverständlich gibt diese Eintragung auch lediglich die Zeit der Auffindung an.

Kommt aber aus diesem oder jenem Grunde die Frage zur Erörterung, wann und wo der wirkliche Tod eingetreten ist, so muß dieselbe, falls sie streitig gemacht wird, nach den Vorschriften des Civilrechts beurtheilt und nach den Formen des Civilprozesses, in Betreff der zu erbringenden Beweise, behandelt werden.

A r t . 25, l e z t e s L e m m a . Eine Schweizerin, die sich in ihrem Kantone mit einem Ausländer trauen lassen wollte, beschwerte

677 sich, daß nach dortigem Geseze den Nichtschweizern, welche sich im Kantone verehelichen wollen, eine Kanzleigebüm- von Fr. 30 bis 300, auferlegt werde.

E n t s c h e i d . 1) Der Art. 54 der Bundesverfassung macht in Heiratsachen keinen Unterschied zwischen Einheimischen und Ausländern; er schreibt unbedingt vor, daß auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft- ,,jede Erhebung von Brauteinzugsgebühren oder ähnlichen Abgaben" unzuläßig ist. Nach Art. 8 des Bundesgesezes haben ,,die Eintragungen und die nach Vorschrift gegenwärtigen Gesezes von Amtes wegen zu machenden Mittheilungen taxfrei zu geschehen, und nach Art. 31 sind die schweizerischen Civilstandsbeamten, wenn auswärtige Behörden behufs der Verehelichung von schweizerischen oder eigenen, in der Schweiz geborenen oder sich aufhaltenden Angehörigen von ihnen dienstliche Verrichtungen in Anspruch nehmen, verpflichtet, den daherigen Begehren Folge zu geben.

Es muß die Annahme gelten, daß in diesem Falle die Eintragungen und amtlichen Verrichtungen ebenfalls kostenfrei zu erfolgen haben, da das Gesez dießfalls keinen Vorbehalt macht.

2) Eine Gebühr von Fr. 30 bis 300 kann nicht als eine bloße Kanzleigebühr angesehen werden, sondern muß zu den durch die Bundesverfassung untersagten Abgaben gerechnet werden.

Art. 27. In einem Kantone, dessen Geseze der Wittwe einen Beistand und deren unmündigen Kindern einen Vormund sezen, verweigerte eine Wittwe ihrer 18jährigen Tochter die Eheeinwilligung, weil der Bewerber sich nicht verpflichten wolle, die Kinder katholisch zu erziehen. Die Regierung frug beim Departement des Innern an, ob nicht der Vormund als Inhaber der väterlichen Gewalt zu betrachten sei, und wenn nein, ob nicht der Vormundschafts behörde wenigstens eine Prüfung der Gründe zur Verweigerung der Eheeinwilligung zustehe.

E n t s c h e i d . Zur Beurtheilung beider Fragen ist die kantonale Gesezgebung maßgebend, wobei jedoch im Auge behalten werden muß, daß der Art. 27 des Bundesgesezes zwei Arten von EheeinwilligungsVerweigerungen unterscheidet: eine unbedingte, von Seite des Vaters oder der Mutter, sofern sie in der Lage sind, ihren Willen zu äußern, und eine bedingte, von Seite des Vormundes, indem Rekurs gegen dieselbe vorgesehen ist.

A r t . 28, l e z t e s L e m m a , Zu wiederholten Malen bäten Wittwen und geschiedene Frauen um Abkürzung der Wartezeit.

E n t s c h e i d . Die gesezliche Wartezeit von 300 Tagen kann aus keinem Grunde verkürzt werden.

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Art. 30. X in Basel begehrte Verkündung, besaß aber nur ein Wanderbuch ' und einen Konfirmationschein, welche ihn zwar als Bürger von A bezeichneten, aber nur widersprechende Vermuthungen über sein Geburtsjahr zuließen. Die Nachforschungen der Behörden in A in den Geburts- und Taufregistern blieben erfolglos.

E n t s c h e i d . Wenn sich das Geburtsjahr des die Verkündung Begehrenden amtlich nicht feststellen läßt, so genügt im Verkündungsgesuche die Angabe dessen, was durch Notorietätsakten ermittelt werden kann.

Art. 34. Es wurde gefragt, ob der Beamte, welcher den Verkündungsakt aufgenommen und die Vcrkündungsgesuche versendet habe, auch die Verkündungscheine entgegennehmen und die Trauungsermächligung ausstellen könne.

E n t s c h e i d . Obwohl den Brautleuten durch Art. 29 und 31 nicht vorgeschrieben ist, durch welchen Civilstandsbeamten sie den Verkündungsakt abfassen lassen sollen, und also denselben die Wahl zwischen den Civilstandsbeamten der beiderseitigen Wohnsizund Heimatgemeinden gelassen wird, so kann doch nach Art. 34 zweifelsohne nur der Civilstandsbeamte des Wohnsizes des Bräutigams die Verkündscheine in Empfang nehmen, wie auch nur er die Aufgabe hat, gegebenen Falls dem Bräutigam Kenntniß von Einsprachen zu geben (Art. 35). Nach Art. 36 kommt es ebenso nur ihm zu, den endgültigen Verkündschein und nach Art. 37 die schriftliche Ermächtigung zur Eheschließung in einem andern Civilstandskreise der Schweiz auszustellen. (Vergleiche Entscheide bis 23. März zu Art. 37 des Bundesgesezes und zu Art. 13 der Vorschriften.)

Art. 35. Der Gemeinderath von X erhob gegen die Ehe eines seiner Mitbürger Einsprache wegen Blödsinns. Lezterer bestritt dieselbe innerhalb der gesezlichen Frist, aber irrthümlicher Weise beim Regierungsrathe. Von diesem abgewiesen, wendete er sich an den Civilstandsbeamten. Freilich war nun die Frist von 10 Tagen verstrichen. Alis der Gemeinderath seine Einsprache bei dem Gerichte nicht anhängig machte, der Civilstandsbeamte aber zur Trauung nicht schreiten wollte, rekurrirte der Verlobte an den Regierungsrath. Dieser wies ihn ab, weil er die Einsprache zu spät bestritten habe.

E n t s c h e i d . Der Verlobte hat innert der gesezlichen Frist erklärt, daß er' die Richtigkeit der erhobenen Eheeinsprache bestreite, er hat diese Erklärung aber irriger Weise an die Regierung gerichtet. Es wäre in der Pflicht der leztern gelegen, dieselbe an ihre richtige Adresse gelangen zu lassen, und es ist keinenfalls zuläßig,

679 aus dem von ihm begangenen Versehen zu schließen, daß der Verlobte das durch die Bundesverfassung gewährleistete Recht auf Ehe verwirkt habe, was der Fall wäre, wenn derselbe ohne Urtheil und lediglich wegen seines angeblichen Stillschweigens als blödsinnig erklärt werden könnte.

Art. 48. Die Ehcleute X wurden im Jahre 1851 in einem katholischen Kantone nach damaligem Gebrauche durch den bischöflichen Kommissär auf unbestimmte Zeit von Tisch und Bett geschieden. Im Jahre 1876 sprach auf übereinstimmendes Begehren der Parteien das zuständige Gericht auf Grund der Art. 45 und 47 des Bundesgesezes die Scheidung aus.

Der Geschiedene ließ darauf ein Eheversprechen mit einem andern Frauenzimmer veröffentlichen, und die gesezliche Frist verlief ohne Einsprache.

Der Civilstandsbeamte richtete nun erst an die Regierung die Anfrage, ob er, mit Rüksicht auf Art. 48 des Bundesgesezes, die Trauung vornehmen könne. Die Regierung verbot dieß, weil das Gericht den schuldigen Theil und die Wartezeit nicht bezeichnet, und der Verlobte sich deshalb um ein Ergänzungsurtheil an jenes zu wenden habe.

E n t s c h e i d . 1) Nach Art. 48 kann auf Wartezeit nur bei Scheidungen wegen bestimmter Gründe erkannt werden.

Bestimmte Scheidungsgründe enthält aber nur der Art. 46. Da nun das Urtheil des Gerichts nicht auf Grund des Art. 46, sondern auf Grund der Art. 45 und 47 ausgesprochen wurde, so konnte auf eine Wartezeit nicht geschlossen werden.

Die beiden Gatten begehrten die Trennung. Die Scheidung von Tisch und Bett bestand in gültiger Weise seit 25 Jahren. Es war also kein Grund vorhanden, jezt zu beurtheilen, wer der schuldige Theil sei, und diesem eine Wartezeit aufzuerlegen.

Das Urtheil wurde übrigens nach Maßgabe des Art. 63 des Bundesgesezes gefällt.

2) Die Verwaltungsbehörde ist nicht befugt, dio gesezlichen Wirkungen eines Scheidungsurtheiles zu hindern.

Von Seite der Parteien wurde weder Revision des Urtheils verlangt, noch Einsprache gegen die Verehelichung des andern Theils erhoben.

Die gesezliche Frist verlief überhaupt ohne irgend welche Einsprache.

680 Nach Art. 36 und 37 des Gesezes kann aber der Abschluß einer Ehe nicht verweigert werden, wenn die durch das Gesez vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt sind.

Art. 57. Auf eingelangte Anfragen erließ der Bundesrath folgendes Kreisschreiben : ,,Art. 57 bestimmt: ,,Alle Urtheile betreffend Ehescheidungen oder die Nichtigkeit ,,einer Ehe sind von den Gerichten, welche dieselben ausgesprochen ,,haben, den Civilstandsbeamten des Wohnortes und der Heimat,,gemeinde sofort mitzutheilen und von diesen am Rande des ent,,sprechenden Traueintrags im Eheregister vorzumerken."1 ,,Wir sind nun angefragt worden: ,,1. Was unter ,,Wohnort"1 zu verstehen sei, ob der Wohnort der Ehegatten im Zeitpunkt der Urtheilsfällung oder derjenige zur Zeit der Eheschließung und ob für den Fall, daß die Ehe nicht am Wohnort des Gatten abgeschlossen worden, das Urtheil auch dem Civilstandsbeamten dieses Wohnorts mitzutheilen sei?

,,2. Ob die Mittheilung des Urtheils an den Civilstandsbeamten des Heimatortes auch bei solchen Ehen stattzufinden habe, welche vor dem 1. Januar 1876 (als an welchem Tage das Gesez in Kraft getreten) abgeschlossen worden und auch dann, wenn diese Ehen nicht in die Civilstandsregister des Heimatorts eingetragen sind ?

,,Wir sind im Falle, hierauf folgenden Bescheid zu ertheileai ,,Zwek der im Art. 57 des Gesezes vorgeschriebenen Mittheilung ist die Vormerkung am Rand des entsprechenden Traueintrags in den verschiedenen Registern, in denen dieser dem Geseze gemäß enthalten ist. Unter Wohnort ist daher zunächst der Ort zu verstehen, wo die Ehe abgeschlossen worden und in dessen Registern sonach die Trauung eingetragen ist. Ist der Eheabschluß nicht am Wohnort des Ehegatten erfolgt, so ist dem Civilstandsbeamten dieses Orts das Urtheil gleichwohl mitzutheilen, weil nach Art. 37, 3. Absaz, dieser Beamte einen Eintrag in seinen Registern hat vornehmen müssen (Ehercgister B).

,,Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Wohnort der Ehegatten im Z e i t p u n k t der U r t h e i l s f ä l l u n g im Art. 57 des Gesezes nur dann gemeint ist, wenn in den Registern dieses Orts die Ehe eingetragen ist.

,,Was die vor dem 1. Januar 1876 abgeschlossenen Ehen betrifft, so hat die Mittheilung des Urtheils an den Civilstandsbeamten des Heimatorts stattzufinden, wie das Gesea dies bestimmt. Dieser

681 kann indessen selbstverständlich eine R a n d b e m e r k u n g nur in dem Falle vornehmen, wenn die Ehe in seinen Registern eingetragen ist.

,,Wir ersuchen Sie, vorstehende Weisungen den Gerichtsbehörden und den Civilstandsbeamten Ihres Kantons zur Kenntniß zu bringen und sie einzuladen, Unterlassungen, die bis jezt in derartigen Mittheilungen etwa stattgefunden haben mögen, unverzüglich gut zu machen. "· Art. 60. Eine kantonale Regierung hatte eine Verordnung über Verpflichtungen der Civilstandsbeamten, u. A. zur Ausstellung von Auszügen und Mittheilungen von Amtes wegen an kantonale Amtstellen erlassen, ohne diese vom Bundesrathe genehmigen zu lassen.

E n t s c h e i d . Alle auf den Civilstand bezüglichen Verordnungen der Kantone sind dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. III.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des eidg. Departements des Innern an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend die alljährlichen Inspektionen über die Amtsführung der Civilstandsbeamten.

(Vom 6. Oktober 1876.)

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Jahr

1876

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

45

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.10.1876

Date Data Seite

670-681

Page Pagina Ref. No

10 009 294

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