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Schweizerisches Bundesblatt.

28. Jahrgang. I.

Nr. 11.

18. März 1876.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Erster Bericht der

ständeräthlichen Kommission über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge.

(Vom 17. Dezember 1875.)

Tit. !

In Ausführung des Art. 24 der Bundesverfassung liegen Ihnen vor: der E n t w u r f eines B u n d e s g e s e t z e s b e t r e f f e n d die e i d g e n ö s s i s c h e O b e r a u f s i c h t über die F o r s t p o l i z e i im H o c h g e b i r g e , begleitet von einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Dezember 1875.*) Ferner die A n t r ä g e I h r e r Kommission, welche s a c h l i c h in den meisten Bestimmungen mit der bundesräthlichen Vorlage übereinstimmen und nur in wenigen Punkten von derselben abweichen. -- Da aber der eine Diff e r e n z p u n k t die Eintheilung und Ausscheidung der Waldungen innerhalb des eidgenössischen Forstgebiets betrifft, so machte dieß eine neue Anordnung des Stoffes und eine Umarbeitung der ganzen Vorlage nothwendig.

Sie werden also gleichzeitig mit der Eintretensfrage auch · zu entscheiden haben, ob Sie die artikelweise Berathung auf der Grund*) Bundesblatt 1875, IV, 1090.

Bundesblatt 28. Jahrg. Bd.I.

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läge des bundesräthlichen Entwurfs oder auf derjenigen des Entwurfes Ihrer Kommission vornehmen wollen.

Erlauben Sie Ihrem Berichterstatter, bevor er auf die Erörterung des erwähnten Differenzpunktes eintritt, einige Worte über die außerordentliche Wichtigkeit der vorliegenden Frage und übei* die Entwicklung, welche dieselbe bis auf den heutigen Tag bei uns genommen hat.

Die verderblichem Folgen der Wälderverwüstung liegen viel weniger in dem zunehmenden Mangel und der Vertheurung de» Holzes als vielmehr in der Verschlechterung des Klimas, in der Beschleunigung des Zwstörungsprozesses, welcher sich in den hohem Regionen unserer Alpen vollzieht, in der Verwilderung der Quellengebiete und der zunehmenden Gefährde für die unterliegenden Gegenden durch Uebersehwemmungen.

Das Expertengiitachten von 1862 berechnet die jährliche Differenz zwischen Holzertrag und Verbrauch auf 344,200 Klafter (1,032,600 Ster); es ist dieß eher zu mäßig als zu hoch berechnet, denn die auf sorgfältigen Erhebungen beruhen de bernische Forststatistik von 1867 weist für den verhältnißmäßig in günstigen Waldverhältnissen stehenden Kanton Bern einen jährlichen Ausfall von 75,000 Klafter (225,000 Ster) nach. Es ist richtig, daß das Brennholz durch Steinkohle und Torf, das Bauholz durch vermehrte Anwendung von Stein und Eisen theilweise ersetzt werden können; immerhin verdient auch diese Seite der Frage alle Aufmerksamkeit, um so mehr, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, diesen Ausfall durch eine rationellere Forst.whihschaft allmälig zu decken. Halbe Maßregeln werden aber rieht genügen, diesen Zweck zu erreichen.

Viel wichtiger ist aber die andere Seite der Frage, die Erh a l t u n g der W a l d u n g e n , damit dieselben die Schutzzwecke erfüllen können, w e l c h e ihnen im H a u s h a l t der N a t u r a n g e w i e s e n sind.

Es ist eine unleugbare Thatsache, daß durch die Entwaldung und durch die Störung des Gleichgewichts zwischen bewaldetem und unbewaldetem Boden das Klima verschlechtert wird, die Winter kälter, die Sommer trokener werden; in schwach bewaldeten Gegenden sind die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht viel größer, die Uebergänge viel schroffer als in normal bewaldeten Gegenden.

Den Zerstörungsprozeß im Hochgebirge wird der Mensch nicht hindern können ; er wird seinen naturgemäßen Verlauf nehmen : die .Fluhbänder und Felskämme werden allmälig verwittern und die

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Verwitterungsprodukte werden zu Thal geführt werden. Dagegen kann der Mensch die Folgen dieses Zerstörungsprozesses mildern, ja zürn Theil sogar sich nuzbar machen.

Wenn sich v o n e i n e r F e l s w a n d T r ü m m e r a b l ö s e n und es steht am Abhang ein W a l d in geschlossenem B e s t a n d , so bleiben die Trümmerhaufen oberhalb dem Walde .liegen oder dringen mehr oder weniger tief in den Wald hinein, in den m e i s t e n F ä l l e n aber bleiben die unterliegenden Güter und Wohnstätten geschützt, die Trümmer selbst verwittern noch mehr und bieten oft in ganz kurzer Zeit wieder Raum zu neuer Vegetation.

Ohne den schützenden Wald würde die Trümmerhalde rasch bis ins Thal gelangen und die unterliegenden Güter und Wohnstätten schädigen oder ganz zerstören.

W e n n die B e r g k ä m m e b e w a l d e t s i n d , so wird der Wald nicht nur die Sturmwinde mäßigen, sondern er wird auch die Quellenbildung normiren; nach gemachten Beobachtungen verdunsten auf den Aesten und Blättern eines normal bestockten Waldes 25--33 °/o des gefallenen Regens, der übrige Theil versickert großentheils im Waldboden und nährt die Quellen; nur anhaltende Regen vermögen in solchen Fällen die Wasserläufe anzuschwellen. Umgekehrt werden von Wald entblößte Bergkämme in kurzer Zeit den letzten Rest von Ackererde verlieren, der nackte Felsgrat tritt zu Tag, kein Regen verdunstet, die Versickerung und Quellenbildung ist null, jeder vorübergehende Regenguß setzt das Zerstörungswerk fort, den letzten Rest vom Boden wegschwemmend; statt der Quellen bilden sich sichtbare Wasserrinnen und diese gestalten sich progressiv zu Runsen, Wildbächen, Wildwassern und gefährlichen Gebirgsflüssen.

Noch v e r d e r b l i c h e r g e s t a l t e n sich d i e V e r h ä l t n i s s e a n d e n B e r g l e h n e n s e l b s t , i n F ä l l e n , w o die K ä m m e o h n e W a l d s c h u t z sind u n d u n t e n d e r W i l d b a c h sich i m m e r t i e f e r e i n g r a b t . Die Lehne verliert alsdann ihren Stützpunkt, Erdabrutschungen folgen auf Erdabrutschungen, bis Wald und Weide und Hütten verschwunden sind und das ganze Terrain der Kultur verloren gegangen ist.

Bei länger andauerndem starken Regen führen solche Mißverhältnisse in den Quellengebieten zu Katastrophen wie diejenige der Wasserverheerungen von 18(58.

Man sage n i c
h t , es seien d i e ß Uebertre eib ungen.

Nein, im Gegentheil! denn es wurden in dem Gesagten nur mit s c h w a c h e n W o r t e n einige charakteristische Verhältnisse dargestellt, wie sie inunsermm Hochgebirge zu T a u s e n d e n vor-

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kommen. Wer unsere Alpen mit offenen Augen bereist und neben dem Interesse für Wasserfalle und Gletscher etc. auch noch Sinn ' für volkswirtschaftliche Interessen hat, der wird täglich Gelegenheit haben, sich von der Wahrheit des Gesagten zu überzeugen.

Es ist eine unleugbare Thatsache, daß mit der Störung des Gleichgewichtes zwischen bewaldeten und unbewaldeten Flächen sich im Hochgebirge auch das Verhältniß zwischen produktiver und unproduktiver Bodenfläohe zu Ungunsten der erstem verändert hat, daß die obere Waldgrenze um mehrere hundert Meter gewichen ist und daß in den letzten Jahrzehnten viele tausend Hektar gute Weiden und Triften in Folge Zerstörung der schützenden Wälder in Unland verwandelt wurden und der Kultur verloren gegangen sind. An zahlreichen Stellen findet man noch Wurzelstöcke von Arven, Fohren, etc., Wurzelstöcke von einem bedeutendem Durchmesser, welche Zeugniß davon ablegen, daß dort schöne Wälder gestanden haben, wo heute ein ödes Trümmermeer sich ausbreitet. -- Soll nicht ein schönes Hochgelände nach dem andern der Verwilderung preisgegeben werden, so .Ist es Zeit, hohe Zeit, auch diese Art von L a n d e s v e r t e i d i g u n g zu organisiren und den Kampf sowohl mit den zerstörenden Mächten der Natur als mit der Indolenz und dem Eigennutz der Menschen aufzunehmen.

Einsichtige und gemeinnützige Männer haben schon seit langem auf die verderblichem Folgen der Entwaldung hingewiesen, die Schweiz, naturforschende Gesellschaft und die bernische ökonomische Gesellschaft haben schon zu Anfang dieses Jahrhunderts wiederholt dieses Thema behandelt; auch die gemeinnützige Gesellschaft nahm sich der Frage an in Folge der Wasserverheerungen der dreißiger Jahre. Einige Kantone sahen sich veranlaßt, dem Forstwesen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, besonders Waadt, Bern, Graubünden etc.

Als eidgenössische Frage konnte die Angelegenheit damals nicht zur Geltung koifimen ; als solche trat sie erst in den Vordergrund, nachdem der I'undesrath, veranlaßt durch eine Eingabe des schweizerischen Forstvereins vom 7. Juli 1856, eine Untersuchung der Waldungen und Wildwasser angeordnet hat.

Die mit dieser Untersuchnng betrauten zwei Expertenkommissionen bereisten in den Jahren 1858, 1859 und 1860 die Flußgebiete des Rheins, des Inn, des Tessin, der Rhone, der Saane, Aare, Reuß und Linth
etc., und erstatteten dann Bericht an den Bundesrath.

Der Bericht über die geologischen und forstlichen Verhältnisse vom Juni 1861 und derjenige über die Wildwasser vom Mai 1864

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haben übereinstimmend und in unzweifelhafter Weise nachgewiesen, daß die vorausgesetzten TJebelstände bestehen und zwar in höherem Maße als man vorauszusetzen geneigt war, und daß es dringend nothwendig sei, Maßregeln zur Abhülfe zu treffen.

Diese Nachweise wurden von keiner Seite widerlegt oder nur ernstlich bezweifelt; sie haben vielmehr bei Behörden und Volk das Streben wachgerufen, dem Uebel entgegen zu wirken.

Die daherige Thätigkeit beschränkte sich aber zunächst auf die Beseitigung der am meisten in die Augen fallenden Uebelstände, auf die Eindämmung und Korrektion unserer großem Flüsse. Für die Rheinkorrektion, die Rhonekorrektion, die Juragewässerkorrektion haben der Bund zirka 11 Millionen, die betheiligten Kantone und Gemeinden zirka 22 Millionen aufgewendet, Leistungen, welche unserm Vaterland bleibend zur Ehre gereichen werden.

Dagegen ist auf dem Gebiet des Forstwesens, speziell in der Frage der Aufforstung der Quellengebiete und der Verbauung der Wildwasser bis jetzt im Verhältniß zur Größe der Aufgabe noch wenig geleistet worden. Zwar führte der schweizerische Forstverein mit Beiträgen des Bundes mehrere Verbauungen und Aufforstungen aus, und zwar mit günstigem Erfolg; es hatten diese Arbeiten aber mehr den Karakter von praktischen Versuchen.

Unterdessen trat Eade September 1868 jenes gewaltige Naturereigniß ein, welches den gefahrdrohenden Zustand der Hochgebirge nicht nur bestätigte, sondern in furchtbarer Weise jede Vorstellung übertraf. Dieser Mahnruf blieb nicht unbeachtet; neben dem schönen Liebeswerk jener Tage brach sich bei Volk und Behörden die Ueberzeugung Bahn, es müsse zur That geschritten werden, und es habe auch der Bund sich direkt bei der Lösung dieser Aufgabe zu betheiligen.

In einer Eingabe des Schweiz. Forstvereins vom 19. Februar 1871 berechnete derselbe die Kosten der Aufforstungen für die Wiederherstellung eines normalen Bewaldungsverhältnisses im Hochgebirge auf 16 Millionen, und für Verbauungen und Korrektionen .

.

9 w zusammen 25 Millionen.

eine Summe, welche nichts Erschreckendes hat, wenn sie vom Bund, von Kantonen uid Gemeinden gemeinsam getragen und auf eine Reihe von 15--20 Jahren vertheilt wird.

Mit Bundesbeschlu.J vom 21. Juli 1871 wurden mit der finanziellen Betheiligung des Bundes an den Aufforstungen und Verbauungen im Hochgebirg der Anfang gemacht, indem ein Budget-

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kredit von jährlich 100,000 Franken zu diesem Zwecke ausgesetzt und ein eigenes Bauinspektorat kreirt wurde.

Gleichzeitig kam die Revision der Bundesverfassung zur Sprache und der schweizerische Forstverein glaubte den Zeitpunkt für geeignet, um seinen Wünschen bezüglich der E r w e i t e r u n g der Bundeskompeten zen in Sachen der Forst- und Wasserb a u ' p o l i z e i A u s d r u k z u geben.

In einer Denkschrift vom 19. Februar 1871 wurde die Frage der Aufforstungen und Verbauungen im Hochgebirge nochmals einläßlich besprochen. Die eidgenössischen Räthe haben den Schlußantrag dieser Denkschrift als Art. 24 in die neue Bundesverfassung aufgenommen.

Der Art. 24 lau et : ,,Der B u n d h a t d a s R e c h t d e r O b e r a u f s i c h t ü b e r d i e Wasserbau u n d F o r s t p o l i z e i i m H o c h gebirg.

,,E r w i r d d i e X o r r e k t i o n i h r e r Q u e 11 e n g e b i e t e u n t e r s t ü t z e n u n d d i e n ö t h i g e n s c h ü t z e n d e n Bestimmungen zar Erhaltung dieser Werke und d e r s c h o n v o r h a n d e n e n W a l d u n g e n aufstellen."

Der schweizerische Forstverein hat in voller Kenntniß der thatsächlichen Verhältnisse von weitergehenden Wünschen abgesehu in der Ueberzeugung, daß es nothwendig sei, die k r ä f t i g e und n a c h h a l t i g e M i t w i r k u n g d e s B u n d e s a u f dasj e n i g e G e b i e t z a konzentriren wo die forstlichen Verhältnisse krank und die Abhülfe dringend ist, und diejenigen Gebiete unbehelligt zu lassen, wo die forstlichen Verhältnisse normal sind.

In Ausführung des Art. 24 ist zunächst durch Beschluß vom 2. Dezember 1874 ein Forstinspektorat errichtet worden.

Heute handelt es sich um den Erlaß eines Forstpolizeigesetzes für die Hochgebirgsgegenden der Schweiz, dem parallel ein Wasserbaupolizeigesetz für diese Gegenden folgen wird.

Die Schwierigkeiten, welche der Ausarbeitung eines rationellen Forstgesetzes entgegenstehen, sind nicht technischer Natur ; die Erfahrung hat gelehrt, daß man zunäschst mit Aufforstungen und Verbannungen die drohenden Gefahren bekämpfen muß, und solche Arbeiten sind schon mit Erfolg ausgeführt worden.

Auch über die Ausdehnung des Gebietes, welches dem eidgenössischen Forstgesetz zu unterstellen iist, können kaum ernste Zweifel obwalten.

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Der Erlaß von gesetzlichen Bestimmungen über Forstpolizei ist in Art. 24 ausdrücklich vorgeschrieben ; es entsteht aber die Frage : W i e w e i t i s t d i e G e s e t z g e b u n g d e s B u n d e s ausz u d e h n e n ? S o l l e n e i n z e l n e T h e i l e u n d w e n n ja, welche Theile der G e s e t z g e b u n g den K a n t o n e n v e r b l e i b e n , und e n d l i e h wie soll es mit der Vollziehung der daher ige n B e s t i m m u n g e n g e h a l t e n sein?

Es können in dieser Beziehung verschiedene Wege eingeschlagen werden: es kann der Bund für die Hochgebirgsgegenden ein einläßliches Gesetz über Forstpolizei erlassen, das sowohl die höhere als die niedere Polizei umfaßt, so daß den Kantonen nur noch die Rolle von bloßen Polizeibeamten verbleiben würde. Es kann sich aber der Bund auch darauf beschränken, nur die Fragen der höheren Forstpolizei gesetzlich zu normiren durch Aufstellung einiger Grundbestimmungen, und dann den Kantonen den weitern gesetzlichen Ausbau durch Erlaß der nöthigen Dekrete und Verordnungen überlassen, immerhin in dem Sinn, daß die daherigen Erlasse dem Bundesrath zur Genehmigung unterstellt werden müssen.

Mit allem Recht hat der Bundesrath den letztern Weg eingeschlagen, und in dieser Grundauffassung geht Ihre Kommission vollkommen mit der bundesräthlichen Vorlage einig.

Einer Schwierigkeit hat aber die bundesräthliche Vorlage zu wenig Rechnung getragen und dieß führt den Berichterstatter Ihrer Kommission auf den Differenzpunkt zwischen den beiden Vorlagen.

In das eidgenössische Forstgebiet fallen mit den gebirgigem Theilen ihres Gebiete;) mehrere Kantone wie Waadt, Freiburg, Bern und Luzern, welche bereits eine sehr entwickelte, gute Forstgesetzgebung und das nöthige technisch gebildete Forstpersonal haben. Dagegen fallen mehrere andere Kantone mit ihrem ganzen Gebiet in die eidgenössische Zone, welche kaum Spuren einer Forstgesetzgebung haben und denen zur Zeit für die Ausführunggar kein technisches Personal zur Verfügung steht.

Wie können nun diese so verschiedenartigen Gegensätze ververeinigt werden, -- damit auf der einen Seite ein Rückschritt vermieden und auf ter andern Seite nichts Unmögliches verlangt wird? -- Es ist klar, daß ein eidgenössisches Forstgesetz mit vagen Bestimmungen der ei-sten Gruppe von Kantonen nicht genügen kann: eine fatale
Rückwirkung auf die Forstwirthschaft der außerhalb des eidgenössischen Forstgebiets liegenden Theile dieser Kantone wäre unvermeidlich; umgekehrt würden allzu strenge Bestimmungen dazu führen, daß die Vollziehung in den Kantonen der zweiten Gruppe zur Unmöglichkeit würde.

542 Ihre Kommission glaubt die Lösung darin gefunden zu haben, daß sie d i e j e n i g e n Waldungen, bei d e n e n ein direktes E i n g r e i f e n des B u n d e s im I n t e r e s s e des L ä n d e r s c h u t z e a n o t h w e n d i g ist, schärfer begrenzt, als dieß in der bund e s r ä t h l i c h e n V o r l a g e der Fall ist, und dann für die übrigen Waldungen im eidgenössischen Forstgebiet nur diejenigen Grundbestimmungen jmvatrechtlicher, forstpolizeilicher und wirthschaftlicher Natur aufstellt, welche in keiner Forstgesetzgebung fehlen dürfen.

Ihre Kommission ist der Ansicht, es solle die Unterstützung des Bundes nur für eine klar defmirte Kategorie von Waldungen verwendet werden, nämlich auf die ,,Bannwaldungen1-1, d. h. für Waldungen, deren Erhaltung und rationelle Bewirtschaftung mit wichtigen Schutzzwecken zusammenhängen. Die Aufgabe, welche in.

dieser Richtung zu lösen ist, ist eine so riesige, daß es nothwendig ist, die Kräfte des Bundes und der betheiligteu Kantone zu konzentriren, und es muß verhütet werden, daß die daherigen Hülfsmittel zersplittert und verzettelt werden.

Auch das direkte. Eingreifen -- die Initiative der eidgenössischen Forstbehörde -- würde sich wesentlich auf die Maßrt jeln zur Erhaltung und rationellen! Bewirtschaftung der Banncrmdungen konzentriren.

Für alle übrigen Waldungen im eidgenössischen Forstgebiet werden dagegen als Unterlage für die kantonalen Forstgesetzgebungen einige Grundbestimmungen aufgestellt und die Thätigkeit der eidgenössischen Foretbehörden würde sich für alle diese Waldungen wesentlich auf die Kontrole beschränken: ob die kantonalen Erlasse diesen Grandbestimmungen entsprechen und ob auch die Ausführung derselben durcfa die kantonalen Forstbehörden in Einklang steht.

Nach der Vorlage des Bundesraths würden nun diese Waldungen neuerdings in zwei Kategorien ausgeschieden und zwar in Privatschutzwaldungen und in Waldungen, welche gar nicht unter die eidgenössische Oberaufsicht fallen, obgleich sie innerhalb des eidgenössischen Forstgebietes liegen. D i e s e r z w e i t e n Auss c h e i d u n g kann Ihre Kommission nicht zustimmen, weil dieselbe in den Kantonen Waadt, Freiburg, Bern, Luzern und St. Gallen, welche nur theilweise ic. den eidgenössischen Forstrayon fallen, eine förmliche Verwirrung in der kantonalen Forstgesetzgebung und Verwaltung hervorrufen müßte. Diese Kantone hätten alsdann Waldungen außerhalb des eidgenössischen Rayon,

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Waldungen innerhalb des eidgenössischen Rayon, welche aber dem eidgenössischen Oberaufsichtsrecht nicht unterstehen, Waldungen innerhalb des eidgenössischen Rayon, welche der eidgenössischen Oberaufsicht unterstehen.

Diese Waldungen innerhalb des eidgenössischen Forstgebietes, welche der eidgenössischen Oberaufsicht entfallen, stehen mit dem Wortlaut des Art. 24 im Widerspruch, welcher ausdrücklich sagt: ,,Der B u n d w i r d d i e n ö t h i g e n s c h ü t z e n d e n B e s t i m m u n g e n z u r E r h a l t u n g d e r s c h o n v o r h a n d e n e n Wald u n g e n aufstellen."

Ihre Kommission hält deßhalb den Ausschluß einer ganzen Kategorie für unzuläßig. Auch wäre wie bereits erwähnt ein solcher Ausschluß für die obgenannten Kantone geradezu vom Bösen.

Wenn es einige Kantone aus lokalwirthschaftlichen Gründen in ihrer Konvenienz finden, noch weitere Ausscheidungen bei den betreffenden Waldungen zu machen, so ist ihnen dieß nicht verwehrt, es ist dann Sache der kantonalen Gesezgebung.

Dem Kanton Graubünden, z. B., welcher seine Privatwaldungen in zwei Klassen eintbeilt, bleibt es unbenommen, diese Eintheilungunverändert beizubehalten.

Nach der Vorlage der Kommission umfaßt das Gescz sechs Abschnitte.

Der I. Abschnitt behandelt: den Umfang und die Begrenzung des eidgenössischen Forstgebietes.

Der II. Abschnitt behandelt: den Umfang und die Organisation der eidgenössischen Forstbehörden.

Der DI. Abschnitt behandelt: die Grundbestimmungen für die Forstgesetzgebung der Kantone, soweit dieselben dem eidgenössischen Forstgebiet angehören.

Diese Grundbestimmungen umfassen: Zunächst einige Vorschriften über die Organisation der kantonalen Forstbehörden.

Dann einige Vorschriften, welche alle Waldungen im Forstgebiet betreffen.

Drittens : Vorschriften über die Holzschläge in Privatwaldungen.

Viertens : Vorschriften über die gemeinen Waldungen.

Fünftens: als das W i c h t i g s t e , die Vorschriften über die Bannwaldungen.

544 Der IV. Abschnitt behandelt in unmittelbarem Zusammenhang mit den Bannwaldungen die Beiträge des Bundes.

Der V. Abschnitt: Strafbestimmungen.

Der VI. Abschnitt: Schlussbestimmungen Ihre Kommission schließt mit dem einstimmigen Antrage : Der S t ä n d e r a t h möchte auf die Berathung des Forstgesetzes eintreten und zwar: auf die a r t i k e l w e i s e B e r a t h u n g nach der Vorlage I h r e r Kom m i s s i o n .

Anträge nebst Motivirung zu den einzelnen Artikeln.

Bundesgesetz betreffend eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung den Art. 24 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Dezember 1875, beschließt: I. Umfang und Begränzung des eidgenössischen Forstgebietes.

Art. 1. Das Oberaufsichtsrecht des Bundes über die Forstpolizei im Hochgebirge erstreckt sich: 1) auf das Gesammtgebiet der Kantone Uri, Schwyz, Unterwaiden ob und nid dem Wald, Glarus, Appenzell Inner- und Außer-Rhoden, Graubünden, Tessin, Wallis 2) auf den gebirgigen Theil des Gebietes der Kantone Zürich, Bern, Luzern, Zug, Freiburg St. Gallen und Waadt.

Der Bundesrath wird im Einverständnis mit den betreffenden Kantonsregierungen die Grenzen der unter eidg. Oberaufsicht zu stellenden Gebirgsgegenden in den letztgenannten Kantonen festsetzen und dieselben jeweilen nach Erforderniß abändert!.

545 In Fällen, wo der Bundesrath und eine Kantonsregierung sich über die forstliche Abgrenzung nicht einigen können, entscheidet die Bundesversammlung.

A r t i k e l 1.

Dieser Artikel stimmt beinahe wörtlich mit der bundesräthlichen Vorlage überein. Es wird in demselben der Umfang des eidgenössischen Forstgebietes bestimmt und diejenigen Kantone bezeichnet, welche mit ihrem Gebiet" ganz oder theilweise in den eidgenössischen Rayon fallen.

Uebereinstimmend mit dem Vorschlag des Bundesrathes werden die Kantone Uri, Unterwaiden, Glarus, Appenzell und Graubünden, Tessin und Wallis mit ihrem Gesammtgebiet in das eidgenössische Forstgebiet eingereiht; eine Differenz bv-steht nur bezüglich des Kantons Schwyz. Wie die Kommission vernommen hat, wurde beabsichtigt, einen Theil der Gemeinde Küßnacht, nämlich die Gegend nördlich der Straße Küßnacht-Immensee, ferner diejenigen Theile der March, welche zwischen der Straße und dem See liegen, aus dem eidgenössischen Rayon wegzulassen. Ihre Kommission konnte nicht finden, daß es im Interesse des Kantons Schwyz liegen würde, für einen verhältnißmäßig so beschränkten Theil seines Gebietes eine besondere Forstgesetzgebung aufzustellen; sie beantragt deßhalb, den Kanton Schwyz in die erste Gruppe einzureihen.

Die zweite Gruppe umfaßt die Kantone, welche nur mit den gebirgigem Theilen ihres Gebietes in den eidgenössischen Rayon fallen. -- Ob der Kanton Zürich mit der Gegend am Hörnli und seinen Ausläufern auch hieher gehört, mag bezweifelt werden -- so viel ist richtig, daß die dortigen Berglehnen anbrüchig sind und ohne Schutzbauten mit der Zeit zu Devastationeii Anlaß geben werden; sollte aber ein Antrag auf Streichung gestellt werden, so wird die Kommission keine Opposition erheben. Unbestritten gehören in diese Gruppe die gebirgigem Theile der Kantone Waadt, Freiburg, Bern, Luzern, Zug und St. Gallen.

Bei der beantragten Ausscheidung fallen circa 1100 QStunden in den eidgenössischen Forstrayon, somit sind circa 3/e des Gesammtareals der Schweiz unmittelbar bei dieser Angelegenheit betheiligt ; aber mit Rücksicht auf die allgemeinen klimatischen Verhältnisse und in Beziehung auf die Deckung des Holzbedarfes sind auch die übrigen Theile der Schweiz bei der Sache interessirt.

Die geographische Abgrenzung dieser Gebiete ist im Einverständniß zwischen dem Bundesrath und den betreffenden Kantonsregierungen festzustellen ; im Streitfall würde die Bundesversammlung entscheiden. Wie die Kommission vernehmen konnte, hat bereits

546 eine erste Begehung der betreffenden Gebiete durch den eidgenösisschen Forstinspektor stattgefunden und ist Aussicht vorhanden, die ganze Abgrenzung durch Vereinbarung zu ordnen. Ihre Kommission stellt den Antrag, den Artikel l in obiger Fassung anzunehmen.

A r t i k e l 2.

Art. 2. Innerhalb des eidgenössischen Fortgebietes fallen sämmtliche Waldungen unter die eidgenössische Oberaufsicht.

Diesem Artikel stehen die Art. 2, 3--14 der bundesräthlich Vorlage gegenüber, welche auf dem Gedanken beruhen, daß eine gewisse Kategorie von Privatwaldungen innerhalb des eidgenössischen Forstgebietes ausgeschieden und nicht unter eidgenössische Oberaufsicht gestellt werden sollen -- während Ihre Kommission der Ansicht ist, daß sämmt i. che Waldungen im e i dg. F o r s t gebiet unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen sollen.

In den Forstgesetzgebungen der verschiedenen Länder kennt man wohl auch verschiedene Klassen von Waldungen, welcbe je nach ihren Eigentumsverhältnissen oder ihren besondern Zweckbestimmungen oder ihrer Lage mehr oder weniger strengen forstpolizeilichen Vorschriften unterstellt werden; man kennt in diesen Forstgesetzgebungen auch Bestimmungen, welche für gewisse Fälle Ausnahmen von den allgemeinen Regeln statuiren, z. B. bei den Vorschriften über Ausrodungen : ,,Wäldchen von weniger als 5 Jueh.

mitten im offenen Land werden von dieser Vorschrift nicht betroffen" etc. etc.

Dagegen ist es gegen alle Regeln der Gesetzgebung, daß man innerhalb eines gegebenen Gebietes eine ganze Kategorie von Waldungen, welche überdieß ganz unklar definirt wird, von vornherein der Forsthoheit des Staates (Bund oder Kantone) entzieht.

Nach den Bestimm Hingen der bundesräthlichen Vorlage könnte ein Privatwald, der haute nach dem. Gesetz außerhalb der Forsthoheit steht, morgen durch eine einfache Schlußnahme der vollziehenden Behörden zu einem Privatschutzwald erklärt und unter Forsthoheit gestellt werden, was nach Ansicht der Kommission nur das Gesetz thun kann, wenn man nicht die nackteste Administrativwillkür Sanktioniren will. Es enthalten auch die Forstgesetze der meisten Kantone über diesen Gegenstand ganz ausdrückliche Bestimmungen. Das waadtländische Forstgesetz sagt im Art. 150 : ,,Les forêts des p a r t i c u l i e r s et des s o c i é t é s sont placées sous la surveillance de l'état." Das freiburgische Forstgesetz vom 17. März 1853 enthält in Art. 115 eine gleiche Bestimmung; das

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Forstgesetz des Kantons Wallis vom 27. Mai 1873, Art. l, bestimmt: ,,Die Forstwirtschaft ist sowohl auf die Gemeinde- als die Priv a t w a l d u n g e n anwendbar.* Aehnlich die meisten übrigen kantonalen Forstgesetze.

Wie sehr es nothwendig ist, die sämmtlichen Waldungen im eidgenössischen Rayon ins Auge zu fassen, und wie dringlich es ist, einige schützende Bestimmungen zur Erhaltung der Waldungen und zur Sicherung einer rationellen Wirthschaft aufzustellen, beweisen die Bewaldungsverhältnisse der Schweiz.

In der Volkswirthschaftslehre wird von Nationalökonomen, Landwirthen und Forstmännern ziemlich übereinstimmend angenommen, daß die normale Bewaldung eines Landes 25°/o der Gesammtfläche betragen sollte, daß in den Niederungen ein etwas geringerer Prozentsatz genügen könne, daß hingegen in den Gebirgsgegenden mehr als 25 °/o bewaldet sein sollten, damit die Waldungen neben ihrem Ertrag noch einen hinreichenden Schutz gegen die Naturereignisse und ganz besonders gegen die Verwilderung der Quellengebiete gewähren können.

Am besten bewaldet sind diejenigen Kantone, welche das Forstwesen schon seit Langem zum Gegenstand staatlicher Fürsorge gemacht haben.

Schaffhausen 36 °/o der Gesammtfl. 38 °/o der produktiv. Bodenfl.

Basel 35 ,, 38 ,, Solothurn 30,5 ,, 35 ,, Zürich 30,2 ,, 3 4 ,, Neuenburg 25,5 ,, 3 0 ,, Alle diese Kantone liegen außerhalb der vorgeschlagenen Grenzen der eidgenössischen Zone.

Ziemlich normal bewaldet sind: Nidwaiden 24,8 % der Gesammtfl. 29 °/o der produktiv. Bodenfl.

Obwalden 22,7 ,, 2 7 ,, Bern 21,1 ,, 26,4 ,, Luzern 20,2 ,, 24,2 ,, Waadt 19,3 ,, 24,4 ,, Die verhältnißmäßig günstigen Bewaldungsverhältnisse von Nidwaiden und Obwalden finden ihre Erklärung darin, daß in diesen Gebirgskantonen die Holzschläge und Rodungen zu allen Zeiten und in allen Waldungen (auch Privatwaldungen) streng überwacht wurden.

Diese Kantone fallen ganz oder theilweise in die eidgenössische Zone.

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Unter der normalen Bewaldung stehen die übrigen Gebirgskantone : Tessin 17, 4 °/o der Gesammtfl. 22, 7 °/o der produktiv. Bodenfl.

Graubünd. 17 ,, 22,8 Wallis 12 17 Uri 10,4 ,, 14,6 ; Schwyz 13,3 ,, 17,3 Glarus 18 ., 23,2 ' St. Gallen 16,4 ^ 20,5 ,, Appenzell : Außerrhod.15,8 ,, 18,9 Innerrhod. 11,1 ,, 15 Bei der Berechnung des Bewaldungsverhältnisses zur produktiven Bodenfläche werden als Unland von der gesammten Bodenfläche in Abzug gebracht: das ganze Gebiet oberhalb der Vegetationsgrenze, die nackten Felsen und unbewachsenen Schutthalden der tiefern Zonen, die Gletscher, Seen und Gewässer, die Straßen, Bisenbahnen etc., dagegen sind die Alpenweiden in der produktiven Bodenfläche mitgerechnet.

Das Bewaldungsverhältniß in der Seh weiz ist also v o l k s w i r t hs c h a f t l i c h g e r a d e z u u n r a t i o n e l l ; denn wie obige Daten beweisen, sind die Niederungen und die Hügelgegenden reich oder doch wenigstens normal bewaldet, die Gebirgsgegenden dagegen schwach bis arm bewaldet sind, während gerade in diesen Gegenden eine stärkere Bewaldung vorhanden sein sollte, weil die Waldungen im Gebirge neben ihrem Holzertrag noch die weitern Bestimmungen haben, das Klima zu mildern, die unterliegenden Güter und Wohnstätten gegen Lawinen und Steinschläge zu schützen und die Quellengebiete vor Verwilderung zu bewahren.

Wenn man in den ackerbautreibenden Gegenden die Frage ernstlich erwägen darf, ob es aus Gründen des öffentlichen Wohls geboten sei, für alle Waldungen schützende Bestimmungen über deren Erhaltung aufzustellen, so wäre es geradezu eine Versündigung gegen die Zwecke dieses Gesetzes, wenn in den Hochgebirgsgegenden eine ganze Kategorie von Waldungen jeder forstlichen Kontrole entzogen würden.

Durch die Beiträge des Bundes an die Aufforstungen und Schutzbauten im Gebirg wird das gemeinsame Interesse und der Grundsatz der Solidarität des ganzen Schweizervolkes für diese Unternehmungen in so großartiger Weise beurkundet, daß eswahrlich nicht gerechtfertigt wäre, einen solchen Einbruch in diesen Grundsatz zu machen.

549 Die Schwierigkeiten, welche für die Gesetzgebung und Verwaltung der Kantone Waadt, Freiburg, Luzern, Zug und St. Gallen, deren Gebiet nur theilweise in die Hochgebirgszone fällt, entstehen müßten, sind bereits im Eingang betont worden. In diesen Kantonen würde der Ausschluß einer Kategorie von Privatwaldungen die unmittelbare Folge haben, daß die forstpolizeilichen Bestimmungen betreffend die Privatwaldungen in den übrigen Kantonstheilen ebenfalls eine Abschwächung erleiden müßten. Eine Reihe von Verbesserungen im Forstwesen,J für deren Durchführung~ die O Forstbehörden dieser Kantone Jahre lang gekämpft haben, würden auf diesem Wege in Frage gestellt. Das kann unmöglich im Willen der gesetzgebenden Behörden des Bundes liegen.

Aber noch unthunlicher ist dieser Ausschluß für diejenigen Kantone, welche noch gar keine eigentliche Forstgesetzgebung haben.

In diesen Kantonen würde sich also eine ganze Kategorie von Waldungen befinden, welche weder dem eidgenössischen Forstgesetze noch irgend einem kantonalen Forstgesetz unterstellt wären, und im gleichen Augenblick, da man mit Hülfe des Bundes das Forstwesen dieser Kantone zu verbessern strebt, würde man Tausende von Jucharten Waldungen der bisherigen Mißwirthschaft überlassen und die betreffenden Terrains allmälig der Waldkultur entfremden. Es ist schwer, hierin eine gesetzgeberische Konsequenz zu finden, noch weniger ein richtiges Verständniß der hochwichtigen volkswirtschaftlichen Frage, welche uns beschäftigt.

Glauben die Käthe, daß die in Art. 8, 9, 10, 11 aufgestellten Vorschriften betreffend Waldrodungen, Loskauf der Waldungen von Dienstbarkeiten, Einschränkung von nachtheiligen Nebennutzungen, Kontrole über die Holzschläge zum Verkauf etc. zu streng seien, so mögen sie dieselben mildern. Ihre Kommission wird bei der Berichterstattung über diese Artikel selbst solche Milderungen bezeichnen, welche eintreten könnten, ohne den Zweck dieser Vorschriften zu gefährden -- aber das Recht, diese wichtigen Materien der Forstwirthschaft auf dem Wege der Gesetzgebung rationell zu ordnen und zwar für alle Waldungen der eidgenössischen Zone, auf dieses Recht sollten die Räthe nicht verzichten.

Ihre Kommission empfiehlt Ihnen daher die unveränderte Annahme von Art. 2.

550

II. Umfang und Organisation der eidgenössischen Oberaufsicht.

Art. 3. Der Bund übt sein forstliches Oberaufsichtsrecht aus: 1) durch. Festsetzung der Grundbestunmungen, welche die kantonalen Forstgesetze in Bezug auf die Waldungen im eidgenössischen Forstgebiet enthalten sollen (Abschnitt III); 2) durch die Prüfung und Genehmigung der kantonalen Gesetze, Dekrete und Verordnungen, welche auf die Vollziehung dieser Grundbestimmungen Bezug halben (Ziffer 1) ; 3) durch Ueberwachung der Ausführung und Handhabung der Grundbestimmungen und der kantonalen Erlasse durch die betreffenden kantonalen Forstbchörden (Ziffer l und 2); 4) durch die Unterstützung der mit der Anlage und Erhaltung von Bannwaldungen verbundenen Werke und durch unmittelbares Eingreifen hei denselben.

Art. 4. Der Bund stellt zur Führung der forstlichen Oberaufsicht beim Departement des Innern einen Forstinspektor an und ordnet demselben das nöthige Personal bei.

Der Artikel 3 stimmt dem Sinn und Geist nach mit dem Art. 4 der bundesräthlichen Vorlage überein, nur sind die verschiedenen Richtungen, in welchen der Bund sein forstliches Oberaufsichtsrecht auszuüben hätte, in dem Antrag der Konimission etwas schärfer hervorgehoben.

In erster Linie würde demnach der Bund die Grundbestimmungen festsetzen, welche die kantonalen Fortgesetze in Bezug auf die Waldungen im aidgenössischen Forstgebiet enthalten sollen.

Diese Grundbestimmungen sind bereits im III. Abschnitt des vorliegenden Gesetzes enthalten. Sie umfassen Vorschriften über die Organisation der kaatonalen Forstbehörden, allgemeine Bestimmungen sämmtliche Waldungen betreffend, spezielle Vorschriften für Privatwaldungen, geineine Waldungen und Bannwaldungen. Sie enthalten in allen diesen Richtungen das Minimum dessen, was die kantonalen Forstgesetae zur Erhaltung und zum Schuze der Waldungen enthalten sollen. Wollen die Kantone in der einen oder andern Richtung weitergehend.e Bestimmungen aufstellen, so bleibt ihnen dieß selbstverständlich unbenommen.

Folgerichtig unterliegen nach Obigem sämmtliche kantonalen Forstgesetze, Dekrete und Verordnungen, welche auf die Vollziehung dieser Grundbestimmungen Bezug haben, der Prüfung und Genehmigung des Bundes, resp. der vom Bund mit dieser Aufgabe betrauten Behörden.

Diese Kontrole würde zunächst den vollziehenden Behörden des Bundes zustehn und nur in Konfliktfällen würden daherige Fragen an die Räthe gelangen.

551 Die Ausführung der vom Bund genehmigten kantonalen Forstgesetze, Dekrete und Verordnungen bleibt Sache der Kantone; doch fällt dem Bund naturgemäß die Aufgabe zu, die Ausführung und Handhabung dieser Erlasse von Seite der kantonalen Forstbehörden zu überwachen.

Wie diese Ueberwachung ausgeübt werden soll, gehört zu den schwierigem Fragen der Vollziehung. In den Kantonen, welche bereits eine geordnete Forstorganisation und ein tüchtiges Forstpersonal besitzen, und wo die Regierungsbehörden schon zur Zeit eine nachhaltige Aufsicht über das gesammte Forstwesen führen, wird es nach unserer Ansicht genügen, wenn eine periodische Berichterstattung der kantonalen Verwaltungsbehörden an die eidgenössische Aufsichtsbehörde stattfindet, über deren Form und Inhalt eine gegenseitige Vereinbarung Platz greifen sollte. Es würde diese periodische Berichterstattung unter Anderem folgende Gegenstände umfassen: Aenderungen in der Organisation der kantonalen Forstverwaltung, Aenderungen in den Dekreten und Verordnungen, Zahl und Umfang der Waldausreutungen, Fortgang der Servituten-Ablösungen, Verbesserungen auf dem Gebiet der Nebennutzungen, Zahl und Umfang der Holzschläge zum Verkauf aus Privatwaldungen, Veräußerung oder Vertheilung von gemeinen Waldungen, Fortgang der Waldvermessungen und der Wirthschaftsregulirungen in den gemeinen Waldungen etc.

Eine derartige periodische Berichterstattung, richtig eingeleitet und durchgeführt, würde den Bundesbehörden einen hinreichenden Einblick in das Forstwesen dieser Kantone geben und die Aufstellung von eidgenössischen Forstinspektoren in den Kantonen überflüssig machen.

In den Kantonen hingegen, welche zur Zeit noch keine Forstorganisation und kein technisch gebildetes Forstpersonal besitzen, wäre von Seite der Bundesbehörden zunächst dahin zu wirken, daß diesem Mangel möglichst bald abgeholfen wird. Hier möchte die Frage wohl zu prüfen sein, ob es nicht angezeigt wäre, in diesen Kantonen vorübergehend eidgenössische Forstinspektoren aufzustellen, welche die kantonalen Behörden in der Reorganisation des Forstwesens mit Rath und That zu unterstützen hätten, bis ein kantonales Forstpersonal in die Linie rückt, das Werk der Reorganisation an die Hand nimmt und dasselbe im Sinn und Geist des Gesetzes fortsetzt.

Eine weitere Einmischung des Bundes in das Gebiet der Vollziehung der kantonalen Forstgesetze, Dekrete und Verordnungen.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. L

39

552 wäre nicht gerechtfertigt und auch nicht zwekmäßig; -- nicht gerechtfertigt, weil sie über die Bestimmungen des Artikel 24 der Bundesverfassung hinausgehen würde; nicht zweckmäßig, weil eine weitergehende Einmischung auf diesem Gebiet kaum einen erheblichen Erfolg haben könnte, wohl aber die Kräfte des Bundes von der Hauptaufgabe abziehen müßte.

Nach dem Sinn und Geist des Art. 24 der Bundesverfassung besteht aber die Hauptaufgabe des Bundes im Forstwesen darin, daß er diejenigen Waldungen im Hochgebirge unter seine besondere Obhut nimmt, deren Erhaltung oder Neuanlage im Interesse des öffentlichen Wohles imd zum Schütze des Landes gefordert werden muß, Waldungen, welche Ihre Kommission mit dem Namen von B a n n w a l d u n g e n bezeichnet. Bei dieser klar definirten Kategorie von Waldungen, deren Erhaltung und rationelle Bewirtschaftung mit wichtigen Schutzy.wecken verbunden ist, soll dem Bunde nicht nur die bloße Oberaufsicht und Kontrole zustehn, sondern er soll gemäß der ausdrücklichen Bestimmung der Bundesverfassung die mit der Anlage und Erhaltung solcher Waldungen verbundenen Werke wie Aufforstungen und Verbauungen unterstützen; es muß ihm daher auch, wie, dieß in Ziffer 4 von Art. 3 geschieht, ein unmittelbares Eingreifen bei diesem Werk der Landesverteidigung eingeräumt werden.

Ihre Kommission empfiehlt Ihnen die Annahme des Art. 3.

Art. 4. Der Art. 4 stimmt wörtlich überein mit Art. 25 der bundesräthlichen Vorlage; er bedarf keiner weitern Begründung und hat übrigens durch Errichtung des eidg. Forstinspektorats gemäß Bundesbeschluß vom 2. Dezember 1874 bereits seine Vollziehung gefunden.

III.

Grundbestimi mngen für die Forstgesetzgebung der Kantone, soweit dieselben dem eidgenössischen Forstgebiet angehören.

A. Vorschriften über die Organisation der kantonalen Forstbeüörden.

Art. 5. Die Kantone sind in Forstkreise einzutheilen. Sie sind verpflichtet, die nöthige Zahl technisch gebildeter Porstmänner anzustellen und dieselben angemessen zu besolden.

Der Bund sorgt für die zur Heranbildung der Forsttechniker nöthigen Anstalten.

Das erste Kapitel der Grundbestimmungen für die Forstgesetzgebung der Kantone, welche zum eidg. Forstgebiet gehören, be-

553 handelt die Vorschriften über die Organisation der kantonalen Forstbehörden. -- Wenn die Ausführung der vom Bund genehmigten kantonalen Forstgesetze, Dekrete und Verordnungen Sache der Kantone bleiben soll, so ist es nothwendig, daß in den Kantonen die nöthigen Organe aufgestellt werden, um die Bestimmungen dieser Vorschriften durchführen zu können, und wenn der Bund einige Garantie haben soll, daß diesen Vorschriften nachgelebt werde, so ist es nothwendig, daß im eidg. Forstgesetz selbst die Minimalforderungen klar und deutlich bestimmt werden, welche die Kantone rticksichtlich der Organisation ihrer Forstbehörden zu erfüllen haben.

Die Frage der Organisation der kantonalen Forstbehörden ist eine der wichtigsten, zugleich aber auch eine der schwierigsten des ganzen Gesetzes und daher wohl einer eingehenden Prüfung werth.

In den Kantonen, welche bereits eine Forstorganisation besizen, bestehen bezüglich der Eintheilung des Gebietes in Kreise und Reviere, Zahl, Klassifikation und Benennung der Forstbonrnten, sowie deren Stellung zu Staat, Gemeinden und Privaten so verschiedenartige Verhältnisse, 'daß eine einläßliche Erörterung derselben Stoff zu einer eigenen Abhandlung bieten und somit für den Rahmen dieser Berichterstattung zu weit führen würde. Konstatirt muß aber werden, daß die w e n i g s t e n K a n t o n e in dieser Richtung nur das a b s o l u t N o t h w e n d i g e thun.

Wenn man den ganzen Kreis der Obliegenheiten der Forstbehörden und des Forstpersonals in's Auge faßt, so wird man dieselben zunächst nach drei Hauptaufgaben ausscheiden müssen; diese sind : D ie A u f s i c h t , d i e W i r t h s c h a f t und de r Schutz.

-- Naturgemäß ist daher auch das Forstpersonal nach diesen Hauptaufgaben zu klassifiziren. Das Bild, das wir uns nach Obigem von der Organisation einer kantonalen Forstverwaltung machen, würde sich ungefähr folgenderweise gestalten : Die Oberaufsicht über das gesammte Forstwesen eines Kantons steht der Kantonsregierung zu, welche ein Mitglied mit der Direktion des Forstwesens betraut. -- Als technischer Rath und als höchster Inspektionsbeamter würde der betreffenden Direktion ein Kantonsforstinspektor (Oberforstmeister, Kantonsforstmeister, Kantonsoberförster) beigeordnet; in Kantonen, welche Staatswaldungen besitzen, würde der Kantonsforstinspektor gleichzeitig
auch oberster Wirthschaftsbeamter sein. -- In den Kantonen Obwalden, Nidwaiden, Uri, Schwyz, Zug, Glarus, Appenzell A. Rh. und Appenzell L Rh. würde ein Kantonsforstinspektor für die Forstaufsicht genügen. -- In den übrigen Kantonen der eidgenössischen Zone müßten aber mehrere Forstkreise gebildet

554

werden, in welchen unter der Leitung des Kantonsinspektors die Aufsicht durch Kreif.forstinspektoren (Forstmeister, Kreisförster, Oberförster etc.) ausgeübt würde; diese Kreise könnten je nach den lokalen Verhältnissen 7000--10000 Hektaren (zirka' 20-30000 Jucharten) Waldungen umfassen.

Die Ausdehnung dieser Kreise wäre zu beschränken, wenn die Verbindungen in der betreffenden Gegend unvollkommen und die Begehung der Waldungen schwierig ist, wenn viele Waldungen in die Kategorie der Bannwaldungen gehören, oder wenn dem Forstinspektor neben der Aufsicht noch die Wirthschaft von Staatswaldungen übertragen wird; umgekehrt darf die Ausdehnung derselben größer sein; wenn obige erschwerenden Verhältnisse nicht vorhanden sind, besonders aber, wenn die Gemeinden und Korporationen für ihre Waldungen eigene Wirthschaftsbeamten anstellen.

Nach Obigem würde die Forstaufsicht in den Kantonen der eidgenössischen Zone die Anstellung folgender Inspektionsbeamten erheischen : Kantone.

Hektare im KantonsforstKreisforstUH . . . .

Schwyz . . .

Obwalden . .

Nidwaiden . .

Glarus Appenzell I. Rh.

Appenzell A. Rh.

Graubünden. .

Tessin . . .

Wallis . . .

lidg. Forstgebiet. Inspektor.

1 1 6,400 1 12,200 1 10,900 7,200 1 12,400 1 1,900 1 3,900 1 119,000 1 1 48,700 1 62,500

Inspektor.

-- bis 1

-- bis 1

12 bis 17 5 bis 6 6 bis 8 Im eidg. Porstgebiet

Bern eidg.

Luzern Zug . .

Freiburg .

St. Gallen Waadt .

61,000 6,500 1,400 17,500 25,200 9,500

1 1 1 1' 1 1

6 bis 8 1 bis 1 2 bis --3 3 bis 4 1

406,200 16 35 bis 50 Die Stellen der Inspektionsbeamten wären unbedingt durch technisch gebildete Forstmänner zu besetzen, welche sich über ihre dah erige wissenschaftliche und praktische Befähigung auszuweisen hätten.

555 Die Beamten wären nach hierseitiger Ansicht von de°u Kantonen angemessen zu besolden, um ihre ganze Zeit der ihnen gestellten Aufgabe widmen zu können.

So einfach sich die Organisation der bloßen Forstaufsicht einrichten läßt, so mannigfaltig und schwierig gestalten sich die Verhältnisse, wenn auch die zweite Hauptaufgabe, die eigentliche Forstwirthschaft, mit in die Organisation eingereiht werden soll, denn auch diese scheidet sich je nach den Verhältnissen wieder in Wirthschaftsleitung, Wirthschaftsführung und Verwaltung, von denen bald die beiden erstem, bald die beiden letztern, bald alle drei durch den nämlichen Wirthschaftsbeamten besorgt werden. Es wurde bereits erwähnt, daß in den Kantonen mit Staatswaldungen die Bewirtschaftung der letztern den Forstinspektoren übertragen wird; es betrifft dieß zunächst die Wirthschaftsleituiig, d . h . die Anordnung der nöthigen wirtschaftlichen Maßregeln zur Bewirtschaftung, Pflege und Benutzung der Waldungen, während in den meisten Fällen die Wirthschaftsführung, d. h. die Ausführung der getroffenen Anordnungen, den niedern Wirthschaftsbeamten (Unterförster, Revierförster, Oberbannwarte etc.) zufällt.

Aehnlich verhält es sich in einigen Kantonen mit den Gemeinde- und Korporationswaldungen; die Forstinspektoren besorgen neben der staatlichen Aufsicht auch die höhere Wirthschaftsleitung, während die eigentliche Wirthschaft und Verwaltung der Waldungen durch Beamte der Gemeinde (Gemeindeförster, Forstverwalter, Waldvögte etc.) geführt wird. In mehreren Kantonen sind Städte und größere Ortschaften, welche ausgedehnte Waldungen besitzen, und welche es in ihrem Interesse erachtet haben, die ganze Bewirtschaftung derselben durch eigene tüchtige Forstmänner besorgen zu lassen, welche keiner besondern Wirthschaftsleitung bedürfen; dieß ist das Ideal einer guten Organisation der eigentlichen Forstwirthschaft. Um dasselbe noch weiter auszubilden, sollten sich die Gemeinden mit geringerem Waldbesitz zu Wirthschaftsverbänden vereinigen und gemeinschaftlich einen technisch gebildeten Forstmann anstellen.

Von diesem Ziel sind wir aber in der Schweiz noch unendlich weit entfernt; wird doch die große Mehrzahl der Gemeinde-, Korporations- und Genossenschaftswaldungen noch ohne irgend eine technische Aufsicht Seitens der Staatsbehörden durch bloße Gemeindeausschüsse,
Kommissionen etc. bewirthsehaftet, denen gesunder Sinn und gewisse praktische Erfahrungen keineswegs abgesprochen werden sollen, wohl aber die nöthige Fachkenntniß, um unter den schwierigen Verhältnissen im Hochgebirg eine rationelle Forstwirthschaft durchzuführen. Denn darüber sind alle einsichtigen

556 Leute, Fachmänner wie Laien einig, daß die Forstwirtschaft im Gebirge erheblich meüir Umsicht und eine sorgfältigere Würdigungaller lokalen Verhältnisse verlange, als die Bewirthschaftung von Waldungen in der Ebene, aus dem einfachen Grunde, weil begangene Fehler in ersterem Falle sich in weit empfindlicherer Weise rächen und allfallige Mißgriffe viel schwieriger wieder gut zu machen sind. Der Wirthschafter im Gebirge sollte daher nicht nur einige Anfangsgri'mde der forstlichen Lehren kennen, sondern er sollte, wie der Inspektionsbeamte, ein technisch gebildeter Forstmann sein. Diese Anforderung sollte unter allen Umständen an diejenigen Wirthschafisbeamten gestellt werden, welche mit der Aufstellung der Wirtschaftsordnungen betraut werden, denn diese Arbeit gehört zu den schwierigsten und zugleich verantwortungsvollsten , welche in der forstwirtschaftlichen Praxis vorkommen.

Von den Beamten, welche nach der Anleitung eines technisch gebildeten Forstmanns und nach den Vorschriften einer bestimmten Wirtschaftsordnung die ' Bewirthschaftung von Waldungen zu führen und zu verwalten haben, sollte ebenfalls eine wissenschaftliche Bildung gefordert werden, weil diese Wirthschafter die Cadres sind, aus denen naturgemäß die höhern Forstbeamten rekrutirt werden.

Man wird sich alter, so wie die Verhältnisse beschaffen sind, noch längere Zeit mit bescheidenem Anforderungen an diese Klasse von Wirthschaftsbeamten begnügen müssen, immerhin in dem Sinn, daß man das obgenannte Ziel nicht aus den Augen verliert und nicht etwa Einrichtungen und Anordnungen fördert, welche demselben hemmend in drn Weg treten. Als eine solche Einrichtung, welche die Entwicklung des Forstwesens auf Abwege bringen müßte, betrachten wir die Zulassung von Leuten zu Forstbeamtungen, denen eine gute Schulbildung und praktische Erfahrung fehlen, und denen blos auf der Schnellbleiche einige forstliche Kenntniß beigebracht wurden. Kann man die Stellen der Wirthschaftsbeamten H. Klasse nicht mit technisch gebildeten Forstmännern besetzen, welche eine Aussicht auf Avancement in der forstlichen Carriere haben, so rekrutire man für diese Stellen im Personal der Bannwarte; man gebe denjenigen Bannwarten, welche sich durch Charakter, Tüchtigkeit und Sirebsamkeit auszeichnen und viele praktische Erfahrungen besitzen, Gelegenheit, entsprechende
Lehrkurse zu besuchen , und verwende sie dann in der Stelle als Waldaufseher, Oberbannwarte etc. zur Wirthschaftsführung.

Die Honorirung der Wirthschaftsbeamten I. und II. Klasse hätte selbstverständlich durch die Waldeigenthümer zu erfolgen, bei Staatswaldungen durch den Staat, bei gemeinen Waldungen

557

durch die betreffende Gemeinde oder Korporation und bei privaten Wirthschaftsverbänden durch die Verbandsgenossen, sofern nicht der Staat ein Mehreres thun will durch Ausrichtung von Beiträgen an die daherigen Gehalte, Die dritte Hauptaufgabe, d'er F o r s t s c h u t z , wird durch das Personal der Bannwarte, Waldhüter etc. besorgt. Die Bannwarte haben die Waldungen gegen die Eingriffe der Menschen und Thiere zu schützen, Nachtheile, Gefahren aller Art von denselben abzuwenden, soweit dieß in ihren Kräften steht; die Bannwarte sind aber überdieß die ausführende Hand des Wirtlischafters und haben als solche bei der Anlage von Saat- und Pflanzschulen, bei Kulturen, Durchforstungen, Holzschlägen, beim Holztransport etc.

die Waldarbeiter zu überwachen und selbst Hand anzulegen. Der Bannwart soll nicht nur die polizeiliche Seite seiner Aufgabe, die Verhütung oder Entdeckung von Waldfrevel, besorgen, denn viel wichtiger noch ist seine Stellung als V e r t r a u e n s m a n n der W a l d e i g e n t h ü m e r , dem die unmittelbare Pflege des Waldes, die Mithülfe bei allen wirthschaftlichen Verrichtungen und die Abwehr gegen Nachtheile aller Art anvertraut wird.

Die Heranbildung eines tüchtigen Bannwartenpersonals ist eine der nächsten und wichtigsten Aufgaben, welche die Kantone zur Förderung des Forstwesens lösen sollten.

In den Art. 5 und 6 der Kommissionalvorlage werden nur über die Organisation der Forstaufsicht- und des Forstschutzes bindende Vorschriften aufgestellt, bezüglich der eigentlichen Wirthschaft bleibt den Kantonen völlig überlassen, diejenige Organisation zu treffen, welche ihren besondern Verhältnissen am Besten entspricht. Wenn auf der einen Seite durch die eidgenössische Forstschule für die Heranbildung technisch gebildeter Forstmänner, und auf der andern Seite durch Lehrkurse für die Ausbildung eines tüchtigen Schutzpersonals gesorgt wird, so werden sich aus den erstem die Inspektoren und die verschiedenen Klassen von Wirthschaftsbeamten rekrutiren. Gestützt auf die gemachten Betrachtungen und Gründe schreibt der Artikel 5 zunächst nur vor, daß die Kantone in Forstkreise einzutheilen seien, sieht aber davon ab, über die Ausdehnung dieser Kreise eine bindende Vorschrift aufzustellen, weil die Kommission glaubt, es solle den verschiedenartigen Verhältnissen möglichst Rechnung
getragen werden. Dagegen verpflichtet der Art. 5 die Kantone, daß sie die nöthige Zahl technisch gebildeter Forstmänner anstellen und dieselben angemessen besolden ; er beschränkt sich auf diese Verpflichtung, ohne zu bestimmen, ob und in wie weit diesen Beamten nebst der Forstaufsicht auch noch wirthschaftliche Verrichtungen übertragen

558 werden sollen, und zwar aus dem gleichen Grund, welcher oben angeführt wurde.

Wollte man in dieser Richtung einen Schritt weiter gehen, so wären nebst den Kantonen auch die Gemeinden, Korporationen und Genossenschaften zu verpflichten, die nöthige Zahl hinreichend gebildeter Forstmänner als Wirthschaftsbeamte anzustellen. Die Räthe mögen entscheiden, ob es opportun ist, so weit zu gehen oder nicht.

Durch die eidgenössische Forstschule ist der Bestimmung im zweiten Alinea in der Hauptsache bereits entsprochen; doch wird es nothwendig sein, auch in dieser Richtung noch größere Anstrengungen zu machen.

Ihre Kommission empfiehlt Ihnen in erster Linie die unveränderte Annahme des Art. 5, in zweiter Linie die Aufnahme eine& Zusatzes zum ersten Alinea, wie folgt: ,,Die Gemeinden, Korporationen und Genossenschaften werden ebenfalls verpflichtet, die nöthige Zahl technisch gebildeter Forstmänner als Wirthschaftsbeamte anzustellen.tl Art. 6. Sämmtliche Waldbesitzer sind zur Aufstellung von Bannwarten verpflichtet.

Pur Durchführung eines guten Forstschutzes sind Hutbezirke zu bilden.

Die Kantone haben für die Heranbildung der nöthigen Zahl tüchtiger Bannwarte zu sorgen.

Der Bund unterstützt die daherigen TJnterrichtskurse durch Beiträge.

Wir haben bereits bei der Berathung von Art. 5 die fundamentale Wichtigkeit der Aufstellung eines tüchtigen Personals finden Forstschutz betont. Die besten Anordnungen der Forstbeamten sind erfolglos, wenn die ausführende Hand die Sache nicht versteht, alles verkehrt anstellt und läßig besorgt : Die Saatschulen verwildern, die Kulturen gehn zu Grunde, die Durchforstungen gestalten sich zu gedankenlosen Hackereien, welche mehr schaden als nützen u. s. w.

Auf diesem Gebiet muß vorab der Hebel angesetzt werden, wenn man mit Erfolg Verbesserungen im Forstwesen durchführen will, und zwar muß nach zwei Richtungen vorgegangen werden.

Erstens muß der Grundsatz der Solidarität der Waldbesitzer in Beziehung auf den Forstschutz aufgestellt werden, indem gesetzlich bestimmt wird, daß die Waldbesitzer zur Anstellung von Bannwarten verpflichtet sind ; da aber nicht jeder Besitzer einer Waldparzelle einen eigenen Bannwart haben kann, so wird es .nothwendig, gleichzeitig Vorsorge zu treffen, daß die Waldungen einer Gegend zu Hut-

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bezirken vereinigt werden können, so daß die Kosten für die Anstellung eines tüchtigen Bannwarten gemeinschaftlich von den Waldbesitzern eines Hutbezirkes getragen werden.

Zweitens muß durch Einführung von Unterrichtskursen dafür gesorgt werden, daß ein intelligentes, tüchtiges Bannwartenpersonal herangebildet wird. -- Im Kanton Bern wie in andern Kantonen hat man die Erfahrung gemacht, daß die forstlichen Reformen erst mit der Einführung der Central- und Kreisbannwartenkurse einen erfolgreichen Boden gewonnen haben.

Die Vorschriften des Art. 6 sollen den Weg in beiden Richtungen ebnen und werden Ihnen bestens zur Annahme empfohlen.

Art. 7. Die Kantone werden ihre G e s e t z e , D e k r e t e und V e r o r d n u n g e n über das Forstwesen, soweit sie das eidgenössische Forstgebiet betreffen, ohne Verzug mit den Bestimmungen dieses Gesetzes in Einklang bringen, und die nöthigen Dekrete und Verordnungen erlassen, welche die Vollziehung desselben erheischt.

Sie werden auch über die Vermarkuag und Vermessung der Waldungen, sowie über die Errichtung der Wirthschaftsordnungen die nöthigen Instruktionen aufstellen.

Eine erste Aufgabe der Kantone nach Annahme dieses Gesetzes wird es sein, ihre Gesetze, Dekrete und Verordnungen über das Forstwesen einer Revision zu unterstellen, soweit dieß nothwendig ist, um dieselben mit den Bestimmungen des eidgenössischen Forstgesetzes in Einklang zu bringen.

Weiter bauend auf der Grundlage des eidgenössischen Gesetzes, werden die Kantone noch verschiedene Erlasse zur Vollziehung einzelner Bestimmungen desselben zu treffen haben, die aber weniger den Charakter von Gesetzen, als denjenigen von Dekreten und Verordnungen haben werden.

Die Vorschrift, daß sowohl die revidirten als die neuen kantonalen Erlasse dem Bundesrathe zur Einsichtnahme und Genehmigung vorzulegen sind, bedarf keiner weitern Begründung.

Im 2. Alinea wird besonders hervorgehoben, daß die Kantone die nöthigen Instruktionen über die Vermarkung und Vermessung der Waldungen, sowie über die Errichtung von Wirthschaftsordnungen aufzustellen haben. -- Im Entwurf des eidgenössischen Forstvereins war die Erlassung dieser Instruktionen dem Bundesrath zugeschieden und die bundesräthliche Vorlage enthält hierüber keine klare Bestimmung; es bedarf deßhalb diese Abweichung einer nähern Begründung.

560 Die Vermarkung und Vermessung von Grund und Boden gehört eigentlich nicht in das Gebiet des Forstwesens, sondern in den Bereich des Katasterwesens, welches auch die Vermarkung und Vermessung der Waldungen umfaßt, ebensogut wie diejenige anderer Grundstücke. Nun haben einige Kantone, welche in das eidgenössische Forstgebiet fallen, bereits den Landeskataster eingeführt und besitzen darüber einläßliche gesetzliche Vorschriften und Instruktionen; andere Kantone sind mitten in der Ausführung des Katasters begriffen und besitzen ebenfalls genaue Vorschriften über Vermarkung und Vermessung.

Zudem haben sich mehrere Kantone auf dem Wege des Konkordats zu einer einheitlichen Instruktion über das Vermessungswesen geeinigt.

Eine eidgenössische Instruktion würde in allen diesen Kantonen nur störend einwirken und keinen reellen Nutzen bringen.

Ueberdieß können diese Instruktionen betreffend Ausscheidung von Wald und Weide, Bezeichnung der Märchen etc. viel besser den eigenartigen Verhältnissen im Hochgebirge angepaßt werden, wenn der Erlaß dieser Instruktionen den Kantonen überlassen wird.

In der Hauptsache werden sich die Behörden dieser Kantone doch an die von den andern Kantonen gemachten Erfahrungen anlehnen.

Aehnlich verhält es sich mit den Insruktionen betreffend die Wirthschaftsregulirungen; auch hier würde eine einheitliche Instruktion in denjenigen Kantonen, welche in der Wirthschaftsregulirung ihrer Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen schon weit vorgeschritten, nur störend eingreifen.

Ihre Kommission empfiehlt Ihnen deßhalb diese Bestimmung ganz besonders, sowie auch den übrigen Inhalt des Artikel 7.

B. Vorschriften, welche alle Waldungen im eidgenössischen Forstgebiet betreffen.

Art. 8. Die Waldungen sind in ihrem Arealbestand zu erhalten. Kein Waldboden darf ausgebeutet und bleibend in offenes Land umgewandelt werden ohne Bewilligung der Kantonsregierung. -- Die Ausreutung ist nicht zu gestatten, wo die Waldungen zum Schutz gegen nachtheilige Naturereignisse dienen, wo die Ausreutung eine Verschlechterung des Bodens zur Folge hat oder wo dieselbe Lücken m den Waldverband bricht.

Wo aber keiner dieser Verhinderungsgründe besteht und der Waldgrund durch Lage, Klima und Boden, sowie durch seinen Verband mit den angrenzenden Grundstücken sich besser zu einer andern Kultur eignet und mit Sicherheit einen höhern Ertrag verspricht, kann die Ausreutung gestattet

561 werden, wenn dagegen ein Stück offenes Land bleibend zu Wald angepflanzt ·wird, das einen gleich hohen Holzertrag verspricht, wie das auszurentende Stück AValdboden.

Die Waldungen sind zu vermarken.

Mit dem zweiten Kapitel der Grundbestimmungen gelangen wir nun zu den Vorschriften, welche alle Waldungen im eidgenössischen Forstgebiet ohne Ausnahmen betreffen, und vorab in Art. 8 zu dem Grundsatz : ,, d a ß die W a l d u n g e n in i h r e m A r e a l b e s t a n d z u e r h a l t e n seien. 1 1 Der Art. 24 der Bundesverfassung sagt: ,,Der Bund wird die nöthigen schützenden Bestimmungen zur Erhaltung der schon vorhandenen Waldungen aufstellen."· Darunter sind selbstverständlich die schon vorhandenen Waldungen innerhalb der der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Zone verstanden.

Zur Erhaltung der Waldungen gehören aber zwei Dinge: zunächst die Erhaltung des Areals, welches zur Waldkultur bestimmt ist, und sodann die Sicherung eines möglichst normalen Bestandes auf den zur Waldkultur bestimmten Flächen.

Der schweizerische Forstverein hat in Art. 4 seines Entwurfs die erste dieser Bedingungen zur Erhaltung der Waldungen ins Auge gefaßt und hat klar und bündig den obigen Grundsatz ausgesprochen.

Bei der Berathung des Art. 2 hat Ihnen der Berichterstatter Ihrer Kommission bereits einige Mittheilungen über die Bewaldungsverhältnisse der Schweiz mitgetheilt und nachgewiesen, daß es nothwcndig sei, nicht nur eine Erhaltung des Waldareals im Hochgebirg, sondern sogar eine Vermehrung desselben anzustreben.

Erlauben Sie demselben noch einen kurzen Ausblick auf die forstlichen Arealverhältnisse der Nachbarländer als Vergleich zu denjenigen der Schweiz; Sie werden daraus ersehn, daß in denselben eine weitere ernste Mahnung liegt, den Grundsatz der Erhaltung des Waldareals im Hochgebirg deutlich und klar in das neue Forstgcsetz niederzulegen und mit möglichster Konsequenz durch zuführen.

562 Es betragen die Waldungen in Prozenten und der produktiven Fläche England, nach Morton 6 °/o Frankreich, nach Bastiat 13 Holland, nach Van der Bosch 15 Belgien, nach Heuschling 17,9 Schleswig, nach Hundeshagen 5,2 Holstein 7,4 Hannover 12,6 Preußen 21,5 Sachsen 31 Württemberg 31 Hessen-Darmstadt 31,5 Bayern 32 Deutsch-Oesterreich 33,7 Baden 34,9

der Gesammtfläche und ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, ,,

9 °/o16.

20.

28,4.

7,2.

8,6.

27,7.

26,7.

32,1.

32,3.

33,7.

33,8.

37.

38,8.

Es sind somit die Staaten des westlichen Europa und die Niederungen an der Nordsee und Ostsee schwach bewaldet, während die höher gelegenen mitteldeutschen und süddeutschen Staaten am besten bewaldet sind. -- Sehr interessant ist die Thatsache, daß dei Grundsatz der staatlichen Kontrole bei Waldungen in diesen letztern Staaten am frühesten Eingang fand. -- Die älteste Forstordnung hat Württemberg, 1514, dann folgte Deutsch-Oesterreich mit Verordnungen von 1516, 1534, 1556, Nassau mit einer solchen 1552, Bayern 1568 und Baden 1586. -- Frankreich machte mehrere Wandlungen durch ; der Grundsatz der staatlichen Kontrole über Waldrodungen kam schon 1518 zur Geltung; in der Revolutionsperiode wurde aber die Rodung vollkommen freigegeben und die Folge davon war, daß in wenigen Jahren 1,499,400 Hektar oder 4,165,000 Jucharten Wald ausgereutet wurden. Am 29.

April 1805 stellte das erste Kaiserreich den Grundsatz wieder her, daß ohne Bewilligung der Staatsbehörden eine Rodung nicht gestattet sei ; die Handhabung ist aber eine laxe geblieben und das Waldareal verminderte sich auch seither jährlieh um circa 6100 Hektar.

Die periodisch wiederkehrenden Wasserverheerungen in den Gebieten der Garonne und Loire lassen sich mit Evidenz auf die Entwaldung der dortigen Quellengebiete zurückführen. -- Das zweite Kaiserreich hat am 28. Juli 1860 ein Gesetz über Wiederaufforstung in den Gebirgsgegenden erlassen, aber es soll die konsequente Ausführung der daherigen Bestimmungen sehr viel zu wünschen übrig lassen.

Auch Preußen hat am 6. Juli 1875 ein Gesetz über Schutzwaldungen erlassen, das aber für unsere Verhältnisse nicht passen kann.

563 Die Fdrstgesetzgebungen der meisten Kantone enthalten Bestimmungen, welche die Rodungen beschränken. Das waadtländische Forstgesetz vom 21. März 1873 verbietet die Rodungen von Gemeindewaldungen ohne behördliche Genehmigung, untersagt in Art. 151 die Rodungen von Privatwaldungen auf absolutem Waldboden, macht die übrigen Rodungen von einer behördlichen Anzeige abhängig und stellt endlich in Art. 194--197 sehr strenge Strafbestimmungen auf. -- Das freiburgische Forstgesetz vom 17. März 1855 enthält in den Art.

116, 120 etc. ganz analoge Bestimmungen. -- Das Forstgesetz des Kantons Wallis vom 27. Mai 1873 verbietet in Art. 35, 36 und 37 die Waldrodungen ohne vorgängige Ermächtigung durch den Staatsrath. -- Das tessinische Forstgesetz vom 28. November 1840 bestimmt, es sei das Ausreuten ven Hoch- und Niederwaldungen verboten, insofern hierdurch Boden- oder Schneeabrutschungen begünstigt werden ; auch dürfen Waldungen, welche zusammenhängende Komplexe bilden, ohne Bewilligung des Staatsraths nicht gerodet werden. -- Die Forstordnung von Graubünden, 1839, vebietet die Rodungen in den Privatwaldungen I. Klasse ohne Bewilligung des Kleinen Raths, diejenige von 1858 die Rodungen in Gemeinde- und Korporationswaldungen. -- In Obwalden werden nach einer Verordnung vom 26. April 1857 die Holzschläge zum Verkauf an die Bedingung geknüpft, dass der Waldboden nicht gerodet werde. -- In Glarus ist das Stocken in ausgeholzten Wäldern gänzlich verboten. -- In Appenzell-Außerrhoden darf ein Wald ohne Ablösung des Trattrechts nicht in Feld, Weide oder Wiese umgewandelt werden. -- Die rationellsten Bestimmungen über Waldausreutungen enthalten die Forstgesetze von Luzern und Bern. Dasjenige von Luzern vom 5. März 1875 erklärt in Art. 16 grundsätzlich die Erhaltung des Waldareals und bestimmt, daß bleibende Rodungen nur mit Genehmigung des Regierungsrathes zuläßig seien, und daß die Bewilligung nur zu ertheilen sei, wo es ohne Gefahr für klimatische Verhältnisse und ohne Nachtheile für anstoßende Waldungen oder ganze Gegenden erfolgen könne und in landwirtschaftlicher Hinsicht wünschbar erscheine. Immerhin ist nach Art. 16 für ein gerodetes Waldstück innerhalb den Kantonsgrenzen ein Stück offenes Land aufzuforsten, das einen entsprechenden Ertrag verspricht.

Im Kanton Bern bietet das Bewaldungsverhältniß im Kleinen
das nämliche Bild dar, wie dasjenige der Schweiz. Am besten bewaldet sind die Höhen und Thäler des Jura, 32°/o, die Felder und Hügelgegenden dee Oberaargaus, 29°/o, und des Mittellandes, 26°/o; normal bewaldet sind die Berge und Gelände des Emmenthals, 25°/o; schwach bewaldet die Voralpen des Simmenthales und des Saanenlandes, 14°/o, und die Hochalpen des Oberlandes, ll°/o.

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Durch ein Spezialgesetz über bleibende Waldausreutungen vom 1. Dezember 1860 hat man versucht, dieses Mißverhältniß allmälig umzuwandeln, einerseits durch Erleichterung der Ausrodungen in den ackerbautreibenden Gegenden und andererseits durch Aufforstungen von schlechten Weiden und geringwertigen Terrains in den Quellengebieten.

Die Rodung von Waldungen, welche sich zur Urbarisirung eignen, werden durch behördliche Bewilligung gestattet, immerhin gegen die Verpflichtung zur Aufforstung anderer entsprechender Grundstücke. Wenn der Waldeigenthümer selbst kein passendes Grundstück zur Waldanpflanzung besitzt, so übernimmt der Kanton gegen eine mäßige Gebühr die Verpflichtung zur Gegenaufforstung.

Der Erfolg dieser Maßregel ist aller Beachtung werth. Von 1862--1874, also in 12 Jahren, wurden in den untern Gegenden 654 Hektaren oder 1816 Jucharten Waldungen bleibend in offenes Land umgewandelt ; die Gegenaufforstungen von geringerem Land von Gemeinden und Privaten betragen 464 Hektaren oder 1288 Jucharten; die weitern Gegenaufforstungen übernahm die Staatsforstverwaltung, indem sie in den Quellgebieten der Emme, des Schwarzwassers, der Sense, Kander und Simme etc. 946 Hektaren oder 2630 Jucharten geringe Weiden und halb verlorene Terrains ankaufte und dieselben aus dem Ertrag der Waldausreutungen, welcher in 12 Jahren 79,000 Franken betrug, successive zu Staatswaldungen aufforstete.

Im eidgenössischen Forstgebiet werden die bleibenden Waldausreutungen zur Umwandlung von Wald in Ackerland keine große Rolle spielen, wohl aber die Umwandlung von Wald in Weideland und das Zurückdrängen der Waldgrenzen durch unwirtschaftliche Behandlung der Wälder. In beiden Richtungen ist es nothwendig, schützende Bestimmungen aufzustellen und zwar durchgreifendere und präzisere als in Artikel 8--9 der bundesräthlichen Vorlage enthalten sind.

Alle Waldungen unterstehen der staatlichen Forsthoheit; werden dieselben ausgereutet und bleibend in offenes Land umgewandelt, so werden sie dem Nexus dieser Forsthoheit entzogen; es ist daher selbstverständlich, daß eine solche Umwandlung nur mit Zustimmung der kantonalen Forstbehörde stattfinden kann, wie dies auch bereits in den meisten Kantonen vorgeschrieben ist.

Die Ausreutung soll nach Art. 8 auch von den Staatsbehörden nicht gestattet werden, wo die Waldungen zum Schutz gegen nachtheilige Naturereignisse dienen oder wo die Ausreutung eine Verschlechterung des Bodens zur Folge hätte, wie z. B. an Halden,

565 wo die aufgelockerte Erde durch Regengüsse weggeschwemmt würde ; diese Bestimmungen bedürfen keiner nähern Begründung.

Die weitere Vorschrift, daß die Ausreutung auch da nicht gestattet werden soll, wo dieselbe Lücken in den Waldverband bricht, ist nothwendig, denn wenn bei stark parzellirten Waldungen jeder Besitzer mitten im Waldkomplex seinen schmalen Riemen ausreuten könnte, so würden die übrigen Besitzer wider ihren Willen genöthigtj seinem Beispiel zu folgen und damit würden solche Komplexe der Waldkultur verloren gehn.

In den Fällen, wo die Rodung von der kantonalen Forstbehörde gestattet wird, wäre aus den einläßlich erörterten Gründen und aus Gründen der Konsequenz an dem weitern Grundsatz der Gegenaufforstung festzuhalten, wobei es aber nach hierseitigcr Ansicht der Gesetzgebung der Kantone überlassen würde, zu bestimmen, ob und welche Gebühr in denjenigen Fällen zu entrichten sei, wo der Staat an der Stelle des Waldbesitzers die Gegenaufforstung übernimmt.

Das letzte Alinea von Art. 8 schreibt vor: ,,Die Waldungen sind zu vermarken."1 Diese Bestimmung ist nothwendig, damit die Behörden wissen, welche Terrains den Forstgesetzen unterstellt sind und welche nicht; sie liegt aber auch im Interesse der Grundbesitzer, weil eine richtige Vermarkung sehr viel zur Vermehrung der Rechtssicherheit beiträgt. Es wurde bereits bei Art. 7 nachgewiesen, daß mehrere Kantone schon den Landeskataster eingeführt haben oder mitten in dessen Ausführung begriffen sind; es haben aber auch mehrere andere Kantone des eidgenössischen Forstgebietes, welche noch keinen Landeskataster besitzen, die Vermarkung der Waldungen obligatorisch erklärt, so z. B. Wallis durch Gesetz vom 27. Mai 1873, Graubünden durch die Forstordnung vom Jahr 1858, der Bezirk March durch seine Forstordnung von 1852. Die Forstordnung von Glarus vom Jahr 1837 bestimmt: ,,Alpen und Wälder sollen innert 3 Jahren gegen einander ausgelagt werden."1 Man wird vielleicht geltend machen, daß die Schwierigkeiten der Vermarkung in den Gebirgsgegenden viel größer seien, als im Hügelland oder in der Ebene und daß besonders die Ausscheidung von Wald und Weide mit Hindernissen aller Art verbunden seien.

Alle die daherigen Bedenken halten nicht Stich, denn zunächst wird es Niemanden einfallen, eine Vermarchung mit gehauenen Steinen vorzuschreiben ;
es wird genügen, wenn auf Felsplatten oder an Fluhbändern etc. deutliche Wahrzeichen eingehauen werden u. s. w., und was die Ausscheidung zwischen Alpen und Wäldern anbetrifft, so kann den eigenartigen Verhältnissen der verschiedenen Kantone hinreichend Rechnung getragen werden, indem die daherigen

566 Verordnungen von den Kantonen aufgestellt werden. -- Was übrigens in den Wälder- und Weideregionen der Kantone Waadt, Freiburg, Bern, Wallis, Graubünden und Glarus sich als durchführbar und zweckmäßig erwiesen hat, wird auch in den übrigen Kantonen der eidgenössischen Zone möglich sein.

Art. 9. Die "Waldungen, auf denen "Weide- und Streurechte oder andere eine zweckmässige Bewirthschaftung hindernde Nutzungsrechte haften, sind von diesen Dienstbarkeiten loszukaufen.

Die Waldungen, auf denen Holzungsrechte haften, können von denselben losgekauft werden.

Die Errichtung neuer Dienstbarkeiten dieser Art ist untersagt.

Die Entschädigung kann in Geld oder durch Abtretung eines entsprechenden Areals geleistet werden.

Der Modus der Ablösung und das gerichtliche Verfahren bei dem Loskauf der obgenannten Dienstbarkeiten und Holznutzungsrechte werden durch die kantonale Gesetzgebung festgesetzt.

In Beziehung auf die Eigenthums- und Rechtsverhältnisse der Waldungen kommen in den schweizerischen Kantonen alle nur denkbaren Rechtsformen" vor, von der Empbyteusis bis zum freien Einzelbesitz. Dem Eigenthum nach kann man drei Kategorien unterscheiden , nämlich : Staatswaldungen, gemeine Waldungen und Privatwaldungen.

Staatswaldungen besitzen: Waadt (gebirgiger Theil bis an die Veveyse) 21 °/o, Freiburg 3 °/o, Bern (Hochalpen und Vorberge) 9,2 °/o, St. Gallen 2,5 °/o, Obwalden, Nidwalden und Uri kleine Komplexe; die übrigen Kantone der eidgenössischen Zone besitzen keine Staatswaldungen.

In die zweite Kategorie fallen die Waldungen, welche ganzen Bezirken gemeinschaftlich gehören, ferner die Waldungen von Einwohner- und Burgergemeinden, kirchlichen Stiftungen, Korporationen aller Art, Rechtsamegenossenschaften etc., deren Verwaltung in mehr oder weniger intensiver Weise unter staatlicher Aufsicht steht: um diese Waldungen, bei denen die verschiedenartigsten Rechtsformen des Eigenthums vorkommen, mit einem Sammelbegriff zu bezeichnen, wurde im Entwurf die Benennung gemeine Waldungen aufgenommen. -- In diese Kategorie fallen circa 85 °/o der Waldungen des eidgenössischen Forstgebiets: Waadt 63°/o, Freiburg 58°/o, Bern 47 °/0, Luzern 20°/o, Zug 85°/o, St. Gallen 60°/o, Graubünden 95 6/o. In Glarus, Appenzell I.-Rh., Schwyz, Nidwaiden, Obwalden, Tessin und Wallis gehören die meisten Waldungen den Gemeinden und Genossenschaften, in Uri den beiden Bezirksgemeinden Uri und Ursern.

Die Privatwaldungen repräsentiren kaum 10 °/o der Waldungen im

567 eidgenössischen Forstgebiet. Sie herrschen vor in Appenzell A.-Rh., mit circa 90°/o, im Entlebuch, Emmenthal und Saanenland; sie erlangen noch eine gewisse Bedeutung in den waadtländischeu und frei burgischen Alpen, in St. Gallen, in Graubünden betragen sie nur noch 5 °/o und in den übrigen Hochgebirgskantonen noch wenigei'.

Aus obigen Daten ergibt sich, daß die Eigentumsverhältnisse .soweit günstig sind, als sich circa 90 °/o särnmtlicher Waldungen ·des eidgenössischen Forstgebietes im Besitze von ewig lebenden Korporationen (Staat, Gemeinden etc.) befinden, über deren Verwaltung dem Staat unzweifelhaft ein Aufsichtsrecht zusteht, weil deren gegenwärtigc Besitzer kein Recht haben, das Waldkapital .zum Nachtheile der kommenden Geschlechter anzugreifen.

Diese günstigen Eigenthumsverhältnisse werden aber, abgesehen "von dem Mangel an ausreichender fachmännischer Aufsicht und Wirthschaft, dadurch paralysirt, daß diese gemeinen Waldungen in den meisten Gegenden mit Dienstbarkeiten zu Gunsten Dritter behaftet sind, welche jede rationelle Forstwirtschaft unmöglich machen. Wie soll die Waldwirtschaft einer Gemeinde gedeihen, wenn eine große Zahl von Privaten oder fremde Gemeinden weitgehende Weide- oder Streurechte in ihren Waldungen besitzen?

Sie kann nicht gedeihen, weil die Interessen der Waldeigenthümer und der Dienstbarkeitsberechtigten einander diametral entgegenstehen , denn eine normale Bestockung und ein geschlossener Bestand des Waldes sind der Ruin jeder Wald weide, sowie umgekehrt eine rücksichtslose Ausübung dieser Nutzungen jede Wiederverjüngung des Waldes unmöglich macht und zum Ruin des Waldes führt. Daß aber diese Dienstbarkeitsrechte mit der größten Rücksichtslosigkeit ausgeübt werden, liegt in der Natur der Sache, denn der Berechtigte kümmert sich nicht um das Gedeihen des Waldes, sondern sein Streben geht vielmehr dahin, seine Nutzungen auf Unkosten des Waldes zu vermehren. In diesem Kampf zwischen dem Waldeigenthümer und dem Weideberechtigten wird der erstere immer mehr zurückgedrängt, die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen führt ihn zur Indolenz und der Wald geht unerbittlich seinem Ruin entgegen. Es würde schwer fallen, ein einziges Beispiel anzuführen, wo der Kampf der Interessen zu einem gegentheiligcn Ergebniß geführt hätte, während das oben Gesagte durch Hunderte von
gänzlich heruntergekommenen Waldungen belegt werden könnte.

Im Kanton Tessin z. B. gehört es gar nicht zu den Seltenheiten, daß die Nachwüchse auf verbrecherische Weise in Brand gesteckt "werden, wobei kaum andere Motive denkbar sind, als die Ver mehrung der Weidenutzungen auf Unkosten des Waldes. Diese Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. I.

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568 Feuerströme an den Berggeländen sind keine Ehrenfeuer, sonderei vielmehr eine traurige Illustration der extremen Mittel, zu denen> der erwähnte Kampf der Interessen führen kann.

Wenn die Anstrengungen, welche für die Erhaltung der Waldungen und die Verbesserung der Forstwirthschaft angestrebt werden, von nachhaltigem Erfolg begleitet sein sollen, so muß die Gesetzgebung dafür sorgen, daß die Eigentumsverhältnisse durch Beseitigungsolcher Krebsschäden rationell geordnet werden, daß dem Waldeigenthümer durch ein einfaches Verfahren die Möglichkeil gegeben wird, sich durch einen Loskauf oder durch Abtretung einer entsprechenden Waldparzelle von den Dienstbarkeiten aller Art zu.

befreien, welche ihm eine rationelle Bewirtschaftung seiner Waldungen unmöglich machen und ihn um die Früchte aller seiner Anstrengungen bringen.

Die meisten kantonalen Forstgesetze enthalten Bestimmungen, über den Loskauf von solchen Servituten.' Waadt 1873: ,,Alle auf den Waldungen haftenden Rechte sind ablösbar..

.,0er Loskauf erfolgt durch eine dem zwanzigfachen Werth der ,,Nutzung gleichkommende Geldentschädigung oder durch Abtretung ,,eines Theiles des belasteten Waldes. Die Wahl steht dem Be,,rechtigten zu. Wo Weide und Wald Eigenthum verschiedener ,,Nutznießer sind, soll eine Ausscheidung stattfinden. Nicht abge,,löste Rechte müssen regulirt werden.a Freiburg 1850 ähnlich wie Waadt. Tessin 1840 : ,,Dem Waldeigenthümer ist das Recht eingeräumt, die Befreiung,,seiner Waldungen von Holz- und Weideservituten zu verlangen.

,,Die Ablösung erfolgt mit dem zwanzigfachen Werth der jährlichen ,,Nutzung in Geld oder durch Abtretung eines verhältnißmäßigen ,,Theiles des belasteten Bodens.

,,Nicht abgelöste Rechte müssen so regulirt werden, daß dem ,,Wald durch die Ausübung derselben möglichst wenig [Schaden ,,zugefügt wird.a Das bernische Gesetz vom 12. Dezember 1839 erklärt alle Weiddienstbarkeiten loskäuflich. Am Weitesten geht das neue Forstgesetz des Kantons Luzern, welches vorschreibt, daß alle bestehenden Servituten und Holzrechte in öffentlichen Waldungen losgekauft oder wenigstens regulirt werden sollen.

Der Erfolg dieser gesetzlichen Bestimmungen über Servitutablösung ist in den meisten Kantonen rein illusorisch geblieben und zwar gerade in denjenigen, welche eine solche Bereinigung der Waldeigenthumsverhältnisse am dringendsten bedürfen. Der Grund dieser Erscheinung liegt theils in der Indolenz der Waldeigenthümer.

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an einigen Orten aber noch mehr an dem trölerischen Verfahren, welches diese Ablösungen zu langwierigen und theuren Prozessen macht.

Weniger nachtheilig als die Weiderechte und Streuerechte sind die H o l z n u t z u u g s r e c h t e D r i t t e r , sobald dieselben auf ein bestimmtes Quantum normirt sind und der Waldeigenthümer selbst die Holzabgabe besorgt. Der Waldeigenthümer ist verpflichtet, einen Theil seiner Nutzung an den Berechtigten abzugeben, sowie der Schuldner einen Theil seines Einkommens au einen Gläubiger verzinsen muß; auf die Bewirtschaftung seines Waldes hat dieß keinen unmittelbaren Einfluß.

Ihre Kommission ist daher der Ansicht, man solle unterscheiden zwischen Dienstbarkeiten, welche jede rationelle Bewirthschaftung der Waldungen unmöglich machen, und den Dienstbarkeiten, welche keinen unmittelbaren Einfluß auf dieselbe haben. Für die erstem sollte die Servitutablösung unter Ansetzung einer Frist von 8 bis 12 Jahren obligatorisch erklärt werden; für die letztern genügt es, wenn dem Waldeigenthümer das Recht eingeräumt wird, die Ablösung anzubegehren. In diesem Sinn wird die Servitutablösung in den beiden ersten Sätzen von Art. 9 behandelt, der Loskauf der Weiderechte und Streuerechte wird obligatorisch erklärt, derjenige der Holznutzungsrechte dagegen nur fakultativ. Von einer Fristbestimmung wird im Gesetze selbst abgesehen, indem dieß eher Sache der vollziehenden Behörde sein möchte.

Weun die Gesetzgebung die Ablösung der Servituten vorschreibt, so muß sie konsequenterweise, auch die Errichtung neuer Dienstbarkeiten dieser Art untersagen.

Im 4. Satz des Art. 4 wird bestimmt, daß die Entschädigung an den Berechtigten entweder in Geld oder in der Abtretung eines entsprechenden Areals geleistet werden könne. Der Schweiz.

Forstverein beantragt, für den letztem Fall noch die Einschränkimg beizufügen : ,,Letzteres jedoch nur dann, wenn der abzutretende und der "bleibende Theil so groß sind, daß jeder eine selbstständige nach,,haltige Benutzung gestattet."

Ein solcher Zusatz wäre forstwirtschaftlich gerechtfertigt.

Im letzten Alinea endlich wird beantragt, die näheren Bestimmungen über die Servitutenablösungen und das daherige gerichtliche Verfahren der kantonalen Gesetzgebung zu überlassen, .selbstverständlich unter Vorbehalt des Art. 3, Ziffer 2. Es ist zu wünschen,
daß die daherigen Erlasse in materieller Beziehung den lokalen forst- und alpwirthschaftlichen Verhältnissen möglichst Rechnung" tragen und daß für die gerichtliche Bereinigung ein einfaches und rasches Verfahren festgestellt werde.

570 Art. 10. Allt'ällige Nebennutzungen, welche 'der Wieder Verjüngung hinderlich sind und den Schutz beeinträchtigen, den die Waldungen zu bieten bestimmt sind, insbesondere der Weidgang von Groß- und Kleinvieh, das Streuesammeln, das Harzreißen etc. müsseu für immer oder zeitweilig eingestellt oder auf gewisse Flächen begrenzt werden.

Die zuläßigen Nebennutzungen sind im Interesse des Waldschutzes zu regeln.

Im vorhergehenden Artikel wurden die Dienstbarkeiten Dritter behandelt, welche dem Waldeigenthümer die rationelle Bewirtschaftung des Waldes unmöglich machen, im Art. 10 hingegen sollen die Nebennutzungen in Betracht gezogen werden, welche der Wal deigethümer in seinen eigenen Waldungen ausübt. Die wichtigsten dieser Nebennutzungen sind: die Waldweide mit Groß- und Kleinvieh, das Streuesammeln, das Schwenden, das Harzreißen.

Die Waldweide bildet in den alpwirthschaftlichen Gegenden eine außerordentlich wichtige Hülfsquelle für den armem Theil der Bevölkerung, und es kann daher nicht wohl davon die Rede sein, die Waldweide in den gemeinen Waldungen einfach aufzuheben, denn man würde in diesen Gegenden durch den absoluten Ausschluß der Ziegen aus dem Wald die armen Leute um ihre ökonomische Existenz bringen und dieselben in große Noth stürzen.

Das will Niemand, selbst der eifrigste Forstmann nicht. Dagegen muß im Interesse der Walderhaltung und der Forstwirthschaft mit aller Entschiedenheit angestrebt werden, die Wald weide in den gemeinen Waldungen so zu reguliren, daß die beiden Nutzungen auf Holz und Weide einander gegenseitig nicht in einer Weise beeinträchtigen, daß dem Ganzen ein Nachtheil erwächst, und es sollte dieß bei gutem Willen um so eher möglich sein, als sich hier nicht Eigenthümer und Dienstbarkeitsberechtigte mit diametral entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen, sondern nur etwas abweichende Interessen zwischen den verschiedenen Gruppen der Waldgenossen.

Es liegt nicht im Interesse des kleinen Mannes, daß der Wald ruinirt werde, denn als Waldgenosse will er auch sein Jahresholz zum Brennen und zur Reparatur seiner Hütte haben; auf der andern Seite wird auch der größere Güterbesitzer nicht auf eine gänzliche Beseitigung der Waldweide dringen, da er dieselbe ebenfalls mitbenutzt, oft sogar in verhältnißmäßig starkem Maße.

Die Waldweide kann nach verschiedenen Richtungen regulir werden. -- In vielen Fällen, besonders in den Vorbergen, wird es sich empfehlen, W a l d u n g e n , w e l e h e a u f H o l z u n d Weide g e n u t z t werden, r e a l i t e r in geschloss e n e n W a l d u n d r e i n e W e i d e a u s z u s ch e i d e n ,

571

indem man vorab allo diejenigen Theile des Gesammtkomplexes der ausschließlichen Waldkultur zuweist, wo ein geschlossener Waldbestand mit Rücksicht auf besondere Schutzzwecke nothwendig ist, z. B. am Fuß von Felswänden, welche in Verwitterung begriffen sind, längs der Wildwasser und an steilen Abhängen überhaupt, während das Weideland in entsprechendem Umfang auf die geschützten Lagen angewiesen würde. Richtig ausgeführt ist mit einer solchen Ausscheidung allen Theilen gedient. Wo dieß nicht thunlich ist, im Hochgebirge gibt es solche Fälle, werden die Gemeinden oder Genossenschaften die nachtheiligen Folgen der Waldweide wesentlich abwenden können, wenn sie die G e s a m m t fläche der auf Holz und Weide b e n u t z t e n Waldungen in v e r s c h i e d e n e Abtheilungen z e r l e g e n , w e l c h e successive gegen j e d e n Weidgang auf so lange in B a n n g e l e g t w e r d e n , b i s d i e Junggewächse d e m Z a h n d o s V i e h e s e n t w a c h s e n s i n d . Auch bei einer solchen Regulirung werden keine Interessen verletzt. Es kann aber die Regulirung auch in der Weise geschehen, daß durch die kantonale GesetzgebungO oder durch die Nutzungsreglemente der Gemeinden oder O g O Genossenschaften der Grundsatz festgestellt wird: ,,Es d ü r f e k e i n G e n ö s s e mehr G r o ß v i e h o d e r Z i e g e n i n die g e m e i n e n W a l d u n g e n treiben als zur Befriedigung des Milchb e d a r f s s e i n e r F a m i l i e n o t h w e n d i g s e i e n . a D i e kleinen Leute würden auf diese Weise kaum verkürzt und die Wohlhabenden genießen in den ihnen zufallenden größern Holznutzungen und bei der Besetzung der gemeinen Weiden bereits so große Vortheile, daß sie sich gegen eine solche Normirung nicht allzusehr sträuben sollten.

Es wird dieß eine der wichtigsten Aufgaben bei der Aufstellung der künftigen Wirtschaftsordnung über die gemeinen Waldungen sein, in jedem gegebenen Falle die den Verhältnissen am besten entsprechende Lösung für die Rcgulirung der Waldweide zu finden und zur Durchführung zu bringen.

Das Streuesammeln, das Mähen von Waldgras, das Moossammeln (Mieschen), das Schneidein der Bäume sind alles Nebennutzungen, welche dem Walde sehr nachtheilig sind, wenn sie in ausgedehntem Maße und auf rücksichtslose Weise stattfinden, während ihr Nachtheil nicht so groß ist, wenn es
in bescheidenem Maße nach Anweisung und unter Aufsicht der Verwaltungsbehörde und ihrer Organe geschieht. Also auch hier ist Maßhalten und Regulirung nothwendig.

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Die meisten kantonalen Gesetzgebungen enthalten Bestimmungen über Aufhebung, Einschränkung oder Reguliruug der Nebennutzungen.

Das waadtländische Gesetz von 1873 verbietet die Ziegenweide in den Waldungen der Ebene, und räumt denselben 1 /io der Gesammtfläche in den Gebirgswäldern ein (Art. 144, 145). W a l l i s , 1874 : Jeder Weidgang in Niederwaldungen und im Jungwuchs ist verboten (51). Das Streue- oder Moossammeln ohne Erlaubniß des Gemeinderaths ist untersagt (38).

T e s s i n , 1840: In den Waldreglementen ist die Weide so zu regulire, daß sie möglichst unschädlich wird und die jungen Pflanzen gegen den Biß des Viehes geschützt sind. Graubünden 1839: verbietet den Weidgang in Kulturen und auf natürlich verjüngten Flächen; 1843 wurde die Hirtschaft über die auf die Weide gehenden Ziegen verordnet. A ppenzell-Außerrhoden, 1837: beschränkt das Trattrecht auf das Weiden mit Großvieh ; Ziegen und Schafe dürfen nicht aufgetriebeu werden. I n n e r r h o d e n , 1708: Geißen sollen im Stall gehalten werden, wer sie auslassen will, soll sie an einen Pfahl oder Seil binden. Geschieht dieß nicht und kommen sie auf andern Boden, so ist es erlaubt, dieselben niederzuschießen oder sonst wegzuwehren. 1829: Alle Holz- und Waldgegenden müssen von Geißen gemieden werden. G l a r u s schreibt schon 1620 die Hirtschaft vor, 1837: Abgeholzte Waldungen werden 10 Jahre gegen Weide, und 16 Jahre gegen das Streurecheu gebannt. N i d w a l den,1836: Abgeholzte Waldungen müssen auf 20 Jahre gebannt und dem Weidgang von Groß- und Kleinvieh entzogen werden. U r i : In den Bannwäldern ist das Gehenlassen der Geißen und das Eintreiben der Schafe verboten.

Das Harzreißen ist verboten. Der Art. 10 der Vorlage sieht davon ab, bestimmte Vorschriften darüber aufzustellen, wie die Nebennutzungen zu reguliren seien, sondern beschränkt sich darauf, den Grundsatz der Regulirung auszusprechen.

C. Besondere Vorschriften betreffend die Holzschläge in Privatwaldungen, welche nicht Bannwaldungen sind.

Art. 11. In Privatwaldungen, welche nicht Bannwaldungen sind, dürfen ohne Bewilligung der kantonalen Behörden keine Holzschläge zum Verkauf gemacht werden.

In Waldungen, welche Eigenth am von Privaten oder Privatgesellschaften sind, deren Gewerbe einen großen Holzkonsuni erfordert, dürfen auch keine Holzschläge zum Selbstgebrauch ohne Bewilligung der kantonalen Forstbehörden gemacht worden.

573 Wo die Lage und die Bestandesverhältnisse die Anlegung von Kahlschlügen gestatten ist in der Bewilligung die Frist für die Wiederanpflanzung zu bestimmen.

Wo die Lage und die Bestandesverhältnisse Kahlschläge nicht gestatten, sondern einen sorgfältigen Plänterhieb erheischen, ist das zu schlagende Holz durch einen kantonalen Forstbeamten auszuzeichnen und es sind in der Bewilligung die nöthigen Maßregeln für die Wiederverjüngung vorzuschreiben.

Jeder Waldbesitzer ist zur Wiederaufforstung aller Schläge und Blößen in kürzester Zeit verpflichtet.

Im dritten Kapitel der Grundbestimmungen gelangen wir zu
Die kantonalen Forstgesetze und Verordnungen enthalten durchgehends einschränkende Bestimmungen über die Holzschläge zum Verkauf und zwar erhält man beim Studium derselben unwillkürlich den Eindruck, daß die Behörden an vielen Orten durch die erschreckten Bevölkerungen selbst zu Maßregeln gegen Kahlschläge und Walddevastationen gedrängt worden sind.

In den Kantonen Waadt und Freiburg muß das Holz mit dem Waldhammer (martelage) angezeichnet werden, bevor es geschlagen werden darf; im Wallis (Art. 27) bedürfen Schläge über 20 Klafter einer staatsräthlichen Bewilligung; in Bern muß für Holzschläge zum Verkauf, welche mehr als 10 Stämme betragen, in Luzern für solche, welche 5 Klafter übersteigen, eine behördliche Genehmigung nachgesucht werden. In Glarus bedarf jeder Holzschlag zum Verkauf einer Bewilligung der Polizeikommission, in Graubünden die Holz-

574 schlage aus den Privatwaldungen I. Klasse; das tessinische Gesetz verbietet Kahlschläge soweit dieselben Boden- oder Schneeabrutsohungen begünstigen; die Erfahrung lehrt, daß solche vage Bestimmungen gar keinen Werth haben.

In Innerrhoden findet vor Ertheilung der Bewilligung von.

Holzschlägen zum Verkauf eine Besichtigung durch den Landeshauptmann und den Landeszeugherr unter Beiziehung der Bezirkshauptleute statt, welche über den Thatbestand ein eigenes Protokoll aufnehmen. Die Forstordnung von Obwalden vom 26. April schreibt vor, daß für Holzschläge zum Verkauf eine Bewilligung erforderlich ist, unter 15 Stämmen vom Gemeinderath, für größere Quantitäten vom Landrath. In Nidwaiden, 1836, bedarf es zu Holzhieben für den Verkauf der Bewilligung des Landraths. Uri, 1846: Holzschläge zum Verkauf müssen vom Gemeinderath bewilligt werden, und sind zu verweigern, wenn dadurch Gefahr von Lawinen, Ribenen oder Erdschlipfen entstehen könnten.

Es ist daher keine große Neuerung, wenn die Holzschläge zum Verkauf einer behördlichen Kontrole unterstellt werden. -- Die in Art. 11 vorgeschlagenen Bestimmungen entsprechen übrigens den einfachsten Lehren der Forstwirtschaft, und sind so liberal gehalten, daß die Privatwaldbesitzer sich mit Recht nicht über Beeinträchtigung ihres Verfügungsrechtes beschweren können, sofern in der Praxis das Verfahren für die Auswirkung der behördlichen Bewilligung möglichst einfach eingerichtet wird und dem Waldbesitzer keine Gebühren aufgebürdet werden.

·'&>D. Besondere Vorschriften für gemeine Waldungen, welche nicht BannwaldiiBgen sind.

Art. 12. Die Gemeinde-, Korporations- und Genossenschaftswaldungeis dürfen ohne Bewilligung der Kantonsregierung weder veräußert noch zur Nutznießung oder zum Eigenthum vertheilt werden.

Diese Waldungen sind zu vermessen.

Das vierte Kapitel der Grundbestimmungen beschlägt die besoudern Vorschriften über diejenigen gemeinen Waldungen, welche nicht als Bannwaldungen erklärt werden. Da die gemeinen Waldungen wie bereits erwähnt zirka 85 °/o der sämmtlichen Waldungen des eidgenössischen Forstgebiets betragen, so braucht es keines weitern Nachweises, wie wichtig die Aufstellung von Vorschriften ist, welche die Erhaltung und rationelle Bewirthschaftung dieser Waldungen bezwecken und sie zu sichern geeignet sind.

In Art. 12 wird bestimmt, daß die gemeinen Waldungen ohne behördliche Genehmigung weder veräußert noch vertheilt werden

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können. Diese Bestimmung liegt in dem Oberaufsichtsrecht, welches dem Staat über die Verwaltung der Gemeindegüter zusteht, so naturgemäß begründet, daß sie keine weitere Erörterung erheischt. Nur soll noch bemerkt werden, daß die Forstgesetze der Kantone Waadt, Freiburg, Bern, Luzern, Graubünden, Tessin etc. für die Veräußerung und Theilung von gemeinen Waldungen ebenfalls die Bewilligung der Kantonsregierungen vorschreiben.

Im zweiten Satz von Art. 12 wird die Vermessung der gemeinen Waldungen vorgeschrieben. Die Forstgesetze der Kantone Waadt, Freiburg, Bern, Luzern, St. Gallen, Grau blinden und Tessin enthalten bereits eine solche Vorschrift, Die Vermessung der Waldungen ist eine Grundbedingung für die Ausarbeitung einer jeden Wirtschaftsordnung, es muß daher an dieser Vorschrift unbedingt festgehalten werden.

Art. 13. Die Staats-, Gemeinde-, Korporations- und Genossenschaftswaldungen dürfen nicht ü b e r ihren nachhaltigen Ertrag benutzt werden.

Die Gemeinden, Korporationen und Genossenschaften werden vorpflichtet , über ihre "Waldungen W i r t s c h a f t s o r d n u n g e n nach forstwirthschaftlichen Grundsätzen aufzustellen und der Kantonsregierung zur Genehmigung vorzulegen.

Für die Staatswaldungen sind ebenfalls "Wirthschaftsordnungen aufzustellen.

Art. 14. Die Kantone werden verpflichtet, dafür zu sorgen, daß in allen Staats-, Gemeinde-, Korporations- und Genossenschaftswaldungen, iii denen die Erstellung der eigentlichen Wirthschaftsordnungen (Art. 13) noch längere Zeit anstehen sollte, in den nächsten 5 Jahren durch Feststellung des jährlichen Abgabesatzes und der nöthigen Vorschriften für die Wiederverjüngung eine p r o v i s o r i s c h e W i r t s c h a f t s o r d n u n g eingeführt werde.

An die Spitze des Art. 13 wird der wichtige Grundsatz gestellt, daß die gemeinen Waldungen nicht über ihren nachhaltigen Ertrag benutzt werden dürfen. Die gemeinen Waldungen gehören ewig lebenden Korporationen, deren gegenwärtige Vertreter kein Recht haben, das Waldkapital zum Schaden ihrer nachkommenden Geschlechter anzugreifen oder zu zerstören, wie dieß bereits bei der Berathung des Art. 9 geltend gemacht wurde.

Wenn z. B. eine aus 50 Haushaltungen bestehende Gemeinde einen normal bestockten Wald von 200 Jucharten mit einem Ertragsvermögen von 4/-, Klafter per Jucharten besitzt, so können jährlich an Brenn- und Bauholz im Ganzen 1GO Klafter und nach Abzug der Wirthschaftskosten einer Haushaltung zirka 3 Klafter verabfolgt werden. Werden aber per Jahr mehr als 160 Klafter geschlagen, so wird der normale Holzvorrath geschwächt, das Ertrags vermögen vermindert sich, und in wenigen Jahren wird

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eine Holzabgabe von 2 Klafter per Haushaltung bereits einer Uebernutzung gleichkommen. Die Holzarmuth solcher Gemeinden wird noch dadurch beschleunigt, daß auch die Zahl der nutzungsberechtigten Haushaltungen eher zu- als abnimmt.

Die Folgen der Holzverarmung sind aber in den Gebirgsgegenden viel empfindlicher als im Unterland; hier hat der Konsument Gelegenheit, Holz, Kohle oder Torf zu kaufen; der Aelpler aber kommt, wenn die hochgelegenen Waldungen gelichtet oder ausgeholzt sind, in die Lage, das nöthige Holz für den Bau und den Unterhalt der Sennhütten und für die Feuerung auf langen Strecken mühsam den Berg hinauf tragen zu müssen. Daß die Alpenwirthschaft bei solchen Mißständen auch leiden muß, ist Jedermann einleuchtend.

Es ist daher im Interesse der Volkswohlfahrt geboten, durch die Gesetzgebung dafür zu sorgen, daß die gemeinen Waldungen nicht über ihren nachhaltigen Ertrag benutzt werden.

Die Aufstellung dieses Grundsatzes genügt aber nicht, es müssen vielmehr die Gemeinden, Korporationen und Genossenschaften durch das Gesetz verpflichtet werden, in ihren Waldungen eine bestimmte Wirthschaftsordnung einzuführen und die AValdungen nach derselben zu bewirtschaften.

Die Aufstellung einer solchen Wirthschaftsordnung ist eine schwierige und · verantwortungsvolle Arbeit ; sie erfordert einen technisch gebildeten Forstmann, der schon viele Erfahrungen in der Wirthschaftsleitung und in der praktischen Wirthsehaftsführung hat. Die Vorarbeiten zur Wirthschaftsordnung umfassen die Vermarehung und Vermessung der Waldungen, die Ermittlung von Lage, Klima und Boden, als Faktoren der Produktionsfähigkeit des Bodens (Standortsgüte), die Ermittlung der Bestandesverhältnisse und der Holzvorräthe. Aus diesen Faktoren wird sodann unter Rücksichtnahme auf den wirklichen Holzvorrath das Ertragsvermögen des Waldes zur Zeit der Aufstellung der Wirthschaftsordnung berechnet. Ist der wirkliche Holzvorrath geringer als derselbe unter normalen Verhältnissen sein sollte, so muß der jährliche Abgabesatz auch etwas geringer sein, als das Ertragsvermögen es sonst erlauben würde, bis ein normaler Holzvorrath vorhanden ist. Die aus der Taxation gewonnenen Resultate werden nun unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse zur eigentlichen Wirthschaftsordnung verarbeitet, welche ein möglichst einfaches und klares
Programm für die künftige Wirthsehaftsführung sein soll. In der Wirthschaftsordnung werden die Reihenfolge und der Umfang der Holzschläge und Durchforstungen bestimmt, es wird für jede Abtheilung Zeit und Ort der Wieder Verjüngung vorgeschrieben, wo

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Waldvveide vorkommt, die Periode der Bannlegung, und im Weitern ·werden die nöthigen Maßnahmen vorgesehen, um den Transport des Holzes zu erleichtern und auf eine dem Wald unschädliche Weise auszuführen. Bei diesem Anlaße sind auch alle Nebennutzungen in der einen oder andern Weise zu normiren.

In den Kantonen Waadt, Freiburg, Bern und Luzern luit die Gesetzgebung die Wirthschaftsregulirung der gemeinen Waldungen obligatorisch erklärt, sie ist in diesen Kantonen schon ziemlich weit durchgeführt. In der Forstordnung von Graubünden 1862 wird die Aufstellung von Wirthschaftsplänen ebenfalls vorgeschrieben, aber mit Ausnahme der Wirthschaftsordnung der Stadtgemeinde Chur ist noch keine andere zur Ausführung gelangt. Auch die Kantone Wallis und Tessin haben sachbezügliche Vorschriften, aber ausgeführt wurden dieselben unseres Wissens nicht.

Die Wirthschaftsregulirung der gemeinen Waldungen wird dem ganzen Lande zum Segen gereichen und Niemanden Nachtheil bringen.

Die Durchführung der Wirthschaftsregulirung ist aber eine so weit aussehende Arbeit und die Zahl der technisch gebildeten Forstmänner ist so gering, daß es 10--15 oder mehr Jahre erheischt, bis alle gemeinen Waldungen mit Wirthschaftsordnungen versehen sind ; deßhalb werden in Art. 14 die Kantone verpflichtet, dafür zu sorgen, daß innert 5 Jahren in den gemeinen Waldungen provisorische Wirthschaftsordnungen eingeführt werden. Gestützt auf eine vorläufige, aber möglichst gewissenhafte Taxation würde der jährliche Abgabcsatz festgesetzt und gleichzeitig bestimmt, nach welchen Regeln die Wieder Verjüngung stattfinden soll.

Art. 15. Die ordentlichen Holzachläge in Gemeinde-, Korporation«- und Genösse nschaftswaldungen, welche nach einer genehmigten Wirthschaftsordnung bewirtschaftet werden, bedürfen keiner forstamtlichen Mitwirkung ; dagegen sind die ordentlichen Holzschläge in Gemeinde-, Korporation»- und Genossenschaftswaldungcn, welche nur eine provisorische Wirthschaftsordnung haben, unter der Leitung eines kantonalen Forstbeamten auszuzeichnen.

Art. 16. Außerordentliche Holzschläge in Gemeinde-, Korporation- und Genossenschaftswaldungen bedürfen der Bewilligung der Kantonsregieruug und sind unter der Leitung eiues kantonalen Forstbeamten auszuzeichnen.

Bei solchen Bewilligungen hat die Kantonsregierung die nöthigen Vorschriften aufzustellen, um den Ausfall in der Nachhaltigkeit dos "Waldes in einer angemessenen Frist durch Abzüge auf den jährlichen Nutzungen wieder einzusparen.

Bezüglich der Holzschläge in gemeinen Waldungen wird für die ordentlichen Holzschläge ein Unterschied gemacht zwischen Gemeinden, welche Wirtschaftsordnungen haben, und Gemeinden,

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welche noch keine solche haben. Die ersteren können ihre Holzschläge gemäß dem Hauungsplan ausführen ohne Begrüßung der staatlichen Aufsichtsbehörde; die letztem dagegen haben das Forstinspektorat zu verständigen, und es hat die Auszeichnung des Holzes bis auf den Betrag des provisorisch festgestellten Abgabesatzes durch einen kantonalen Forstbeamten stattzufinden. (Martelage).

Dagegen bedürfen alle außerordentlichen Holzschläge der Bewilligung der Kantonsregierung und sind durch einen kantonalen Forstbeamten auszuzeichnen. Kann der außerordentliche Holzschlag aus der Waldreserve bestritten werden, welche in der Regel bei der Wirthschaftsregulirung vorgesehen wird, so bleibt die ordentliche Jahresnutzung unverändert; entsteht dagegen ein Ausfall in der Nachhaltigkeit des Waldes, so muß derselbe durch eine zeitweise Herabsetzung des jährlichen Abgabesatzes eingespart werden.

Es können Verhältnisse eintreten, wo die Gemeinden genöthigt sind, den Wald für außerordentliche Bedürfnisse in Anspruch zu nehmen, z. B. wenn der Ort durch ein großes Brandunglück betroffen wird, wenn Wasser Verheerungen große Wuhren, neue Brücken u. s. w. nöthig machen, größere Häuserbauten zu Gemeindezwecken etc.

Immerhin sollten außerordentliche Holzschläge, da wo keine Waldreserve vorgespart wurde, nur in dringenden Fällen bewilligt werden.

E. Vorschriften über die Bannwaldungen.

Art. 17. Als Bannwaldungen werden unter den besondern Forstschutz der Kantone und des Bundes gestellt: 1) die 'Waldungen, deren Erhaltung in geschlossenem Bestände nothwendig ist, um die unterliegenden Grüter oder Ortschaften vor Schneelawinen, Stein- oder Eisschlägen, Erdabrutschungen oder ähnlichen Naturereignissen zu schützen ; 2) die Waldungen auf Bergkuppen und an steilen Abhängen, deren normale Bestückung und nachhaltige Bewirthschaftung nothwendig ist, um die Wirkungen der atmosphärischen Niederschlage in diesen Regionen zu mildern, den Grund und Boden vor Abschwemmung zu sichern und die Verwilderung der Quellengebiete in ihrer Entstehung zu verhindern ; 3) die Waldungen, welche mit Beiträgen der Kantone und des Bundes aufgeforstet werden, oder in das Korrektionsgebiet eines Wildwassers fallen das mit Beiträgen der Kantone und des Bundes verhaut wird.

Die Versetzung einer Waldung in die Kategorie der Bannwaldungen hat durch Uebereinkunft zwischen der Kantonsregierung nnd dem Bundesrath zu erfolgen. -- Sollte zwischen diesen Behörden über die Nothwendigkeit einer solchen Versetzung Meinungsverschiedenheit bestehen, so ent-scheidet die Bundesversammlung.

579 Art. 18. Die Kantone und Gemeinden können zur Anlage neuer BannAval düngen verpflichtet werden, wenn die Aufforstung von steilen Berglehnen und von Bergkuppen zur Sieherimg der in Art. 17, Ziffer l, 2 und 8, bezeichneten Schutezwecke nothwendig ist.

Mit den Vorschriften über die Bannwaldungen komineu wir zum wichtigsten Theil der ganzen Vorlage und zwar auf das Gebiet, wo der Bund nicht nur durch die Kontrole auf eine Verbesserung der Forstwirtschaft in den Kantonen hinwirkt, sondern wo er im Interesse des Landesschutzes aus eigner Initiative eingreift und die mit der Anlage und Erhaltung der Bannwaldungen verbundenen Werke wie Aufforstungen und Verbauungen materiell unterstützt. Es handelt sich hier darum, dem Zerstörungsprozess im Hochgebirg gegenüber jeden Fuß breit Land zu vertheidigen und denselben der Kultur zu erhalten und theilweise zurück zu erobern.

Es ist eine gewaltige Aufgabe, welche hier dem Bund und den Kantonen gestellt wird ; der Schweiz. Forstverein hat in seiner Eingabe vom Jahre 1871 die Kosten der notwendigen Aufforstungen und Verbauungen, wie bereits erwähnt, auf 25 Millionen veranschagt; aber es ist einWerk, das denHochgebirgsgegendenn zu reichem Segen gereichen und auch auf die Niederungen einen günstigen Einfluß ausüben wird.

Damit aber Bund und Kantone der gewaltigen Aufgabe gegenüber ihre Kräfte nicht zersplittern, hat der Entwurf dieses direkte Eingreifen des Bundes auf ein engeres Gebiet beschränkt als die bundesräthliche Vorlage, welche alle Waldungen mit Ausnahme der Privatwaldungen II. Klasse als Schutzwaldungen bezeichnet.

Während nach dem Entwurf vielleicht 20--25 % des Waldareals der eidgenössischen Zone in die Kategorie der ,,Bannwaldungen" fallen würden, gehören nach der bundesräthlichen Vorlage mehr als 90 °/o unter die Schutzwaldungen.

Wenn die direkte Mitwirkung der eidgenossischen Forstbehörden und die materiellen Unterstützungen des Bundes auf sämmtliche 360,000 Hektare oder eine Million Jucharten Schutzwalduugen ausgedehnt werden, so ist es Jedermann einleuchtend, daß nur unter der Bedingung etwas Namhaftes geleistet werden kann, wenn ein zahlreiches eidgenössisches Forstpersonal aufgestellt und für Subsidien wenigstens das Fünffache zur Verfügung gestellt wird. Wenn das Werk in der angegebenen Ausdehnung begonnen, aber mit ungenügendem Personal und geringen Mitteln bedacht, wird, so kann es nicht gelingen. Es werden sich auf dem eidgenössischen Forstbüreau Rapporte und Tabellen anhäufen , und in wenigen Jahren wird man vor einem richtigen Polizeiapparat stehn, während die Subsidien nicht ausreichen werden, am Sitze des Uebels auch nur das Nothwendigste zu thun.

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Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß nur dann etwas Namhaftes geleistet werden könne, wenn die direkte Mitwirkung des Bundes auf diejenigen Waldungen im Hochgebirg beschränkt, wird, welche ohne ein energisches Eingreifen "und ohne materielle Hülfe des Bundes unerbittlich ihrem Ruin entgegengehn, -- hat die Kommission unter die Benennung ,,Bannwaldungen* diejenigen Waldungen zusammengefaßt, denen zunächst die Obsorge und UnterO O ' O Stützung des Bundes zugewendet werden sollte. Der Ausdruck Bannwald ist landesüblich, und der Bannwald selbst steht bei der Bovölkerung in so hohem Ansehen, daß strenge Maßregeln betreffend die Bewirtschaftung und Benutzung derselben durchaus nicht unvolksthümlieh sein werden, deßhalb wurde der Ausdruck ,,Bannwaldungen" als Sammelbegriff bei jener Kategorie von Waldungen gewählt, welche unter den besondern Forstschutz gestellt und denen zunächst die materiellen Unterstützungen desselben zu gewendet werden sollen. -- Wenn der Bund seine Kräfte auf die 75 à 90,000 Hektare Waldungen, welche in diese Kategorie fallen mögen, koncentrirt, so wird man in wenigen Jahren bereits reellen Erfolgen gegenüberstehen; diese werden den Bevölkerungen in den Hochgebirgsgegendcn als Vorbilder dienen und dieselben zu erneuten eigenen Anstrengungen ermuntern. Wenn aber Bund, Kantone und Bevölkerung auf das nämliche Ziel hin zusammenwirken, dann wird auch das große Werk gelingen.

Die Fälle, in denen Waldungen, ganz abgesehen von deren Besitzverhältnissen, in die Kategorie von Bannwaldungen einzureihen wären, sind in Art. 17 klar und bestimmt bezeichnet. Zunächst gehören dahin die Waldungen, deren Erhaltung in geschlossenem Bestände nothwendig ist, um die unterliegenden Güter und Ortschaften vor Schneelawinen, Steinschlägen, Erdabrutschungen oder ähnlichen Naturereignissen zu schützen; es betrifft dieß vorherrschend Waldungen an steilen Abhängen oder am Fuße von Felswänden, welche in starker Verwitterung begriffen sind, am dringendsten wird die Hülfe bei den Waldungen an den obern Grenzen der Waldregion sein, -- wenn letztere nicht je länger je mehr zurückgedrängt werden sollen. -- In den Voralpen, wo die Kämme und Kuppen der Berge noch innerhalb der Waldregion liegen, sind die Waldungen auf diesen Kämmen und Kuppen ebenfalls in die Bannwaldungen einzureihen, wenn deren normale Bestückung
und nachhaltige Bewirthschaftung nicht auf andere Weise gesichert werden kann. Die Erhaltung der Wälder auf solchen Bergkämmen ist außerordentlich wichtig, sie brechen die Winde, mildern die atmosphärischen Niederschlage und deren Wirkungen, schützen den Grund und Boden vor Abschwemrnung und Verwitterung, begünstigen die Bildung von Quellen und verhindern die Verwil-

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derung der Gewässer an ihrem Ursprung. Unter die Bannwaldungen werden auch diejenigen Waldungen einzuordnen sein, welche in dem Korrektionsgebiet eines Wildwassers liegen, das mit Beiträgen der Kantone und des Bundes verbaut wird , sofern das Gelingen der Korrektion von der Erhaltung der betreffenden Waldungen abhängt und deren Erhaltung nur gesichert werden kann, wenn dieselben unter den besondern Forstschutz des Bundes gestellt · werden.

Die Versetzung eines Waldes in die Kategorie der Bannwaldungen ändert bezüglich dieses Waldes das Verhältuiß zwischen der Forstpolizeibehörde des betreffenden Kantons und derjenigen des Bundes ; es haben deßhalb beide Behörden bei der Versetzung des Waldes mitzuwirken, die Versetzung ändert aber auch in mehrfacher Beziehung die rechtliche Stellung des Waldeigenthürners, .so daß ihm ebenfalls auf geeignete Weise Gelegenheit gegeben werden muß, seine Rechte zu wahren.

Aus diesen Gründen kann die Ausscheidung der Bannwälder nicht einfach auf dem Wege der Verordnung stattfinden, sondern es muß von Fall zu Fall genau untersucht werden, ob die Bedingungen vorhanden seien, welche, im Interesse des öffentlichen Wohls, die Versetzung der betreffenden Waldungen in die Kategorie der Bannwaldungeu rechtfertigen. -- Ein anderes Verfahren müßte zur Willkühr führen.

In vielen Fällen wird es zum Schutz der unterliegenden Güter und Ortschaften nicht genügen, das bestehende Waldareal durch Schutzbauten zu sichern oder durch Regulirung der Nutzungen und entsprechende Aufforstungen einen normnlen Bestand auf diesem Areal heranzuziehen; sondern es wird nothwendig werden, Terrains außerhalb der bestehenden Waldungen durch Schutzbauten und Aufforstungen in Wald umzuwandeln. Hunderte von Schutthalden, welche heute Unland und absolut werthlos'es Terrain sind, könnten mit einiger Nachhülfe allmälig der Waldkultur gewonnen werden.

Auf der Nordseite der Alpen werden noch die meisten Bergrücken und Gräte innerhalb der Waldregion als Waldareal benutzt, und wenn auch die betreffenden Bestände vielfach auf arge Mißwirthschaft schließen lassen, so bleibt doch der Waldboden nothdürftig gegen Abschwemmung und Verwitterung geschützt; auf der Südseite der Alpen dagegen, ganz besonders im Kanton Tessin, sind diese Kuppen total entwaldet, sie werden als Weide benutzt, deren Ertrag beinahe Null ist, bis die Regengüsse den letzten Rest von Erde fortgeschwemmt und den nackten Fels abgedeckt haben.

582 Diese vollständige Entwaldung der Bergrücken ist die Huuptquolle ·der Verwilderung in der Leventina, in den Thälern von Elenio Verzasca, Maggia, Cento Valle etc.

Diesen trostlosen Zuständen kann nach unserer innigsten Ueberzeugung nicht anders abgeholfen werden, als wenn diese beinahe werthlosen Terrains auf den höhern Kämmen und Kuppen als Weide aufgegeben und zu Gunsten des Waldarea,ls in Bann gelegt werden.

Bei dem außerordentlich günstigen Klima dieser Gegenden wird es außer dem Schutz dieser Terrains gegen den Weidgang ganz geringer Nachhülfe bedürfen, um in wenigen Jahrzehnten diese Berggräte wieder mit Wald geschmückt zu sehen zur Freude und zum Nutzen der sonst so fleißigen und wackern Bevölkerung dieser Bergthäler.

Die Notwendigkeit zur Neuanlage von Waldungen kann auch bei der Korrektion von Wildwassern eintreten, um den Erfolg der gemachten Bauten zu sichern.

Bezüglich aller dieser Fälle bestimmt der Art. 18, daß die Kantone und Gemeinden zur Anlage neuer Bannwaldungen verpflichtet werden können. Wir glauben die Notwendigkeit einer solchen Maßregel hinreichend nachgewiesen zu haben und stehen nicht an, diese Bestimmung als die Perle der Vorlage zu bezeichnen.

Art. 19. Die Werke zur Aufforstung und zum Schutz der bestehenden Bannwaldungen (Art. 17), sowie die Anlage neuer Baunwaldungen (Art. 18) werden als Werke des öffentlichen Wohls erklärt.

Der Bund wird diese Werke durch Beiträge unterstützen (Abschnitt IV).

Art. 20. Den Kantonen und Gemeinden wird zur Erwerbung der nöthigen Terrains für die Anlage neuer Bannwaldungen (Art. 18), sowie zur Erwerbung von Privatwaldungen, welche in die Kategorie der Bannwaldungen versetzt werden (Art. 17), das Hecht der Expropriation eingeräumt.

Die Entschädigung wird, sofern eine gütliche Vereinbarung nicht erreichbar ist, nach dem eigcnössischen Gesetz über das Expropriationswesen festgesetzt.

Der Art. 19 bedarf keiner einläßlichen Begründung, denn in Art. l des Bundesbeschlusses vom 21. Juli 1871 werden die Korrektionen und Verbauungen der Wildwasser, sowie die Aufforstungen ihrer Quellengebiete bereits als Werke des öffentlichen Wohls erklärt und in Art. 24 der neuen Bundesverfassung wird die Unterstützung dieser Werke ausdrücklich betont.

AVenn den Kantonen und Gemeinden gemäß Art. 18 die Verpflichtung zur Anlage neuer Bannwaldungen auferlegt wird und wenn diese nach Art. 19 als Werke des öffentlichen Wohls erklärt

583 werden, so ist es selbsverstäudlich, daß man denselben zur Erwerbung des nöthigen Terrains auch das Recht der Expropriation einräumen muß. Das nämliche Recht muß ihnen auch zur Erwerbung von Privatwaldungen gegeben werden, welche in die Kategorie der Bannwaldungen versetzt werden, sofern eine gutliche Vereinbarung über die nöthigen Arbeiten und forstlichen Anordnungen, welche zur Erhaltung des Waldes nothwendig sind, mit dem Eigenthümer nicht erreicht werden kann und wenn auch eine gütliche Erwerbung nicht erzielbar ist.

In Art. 20 wird beantragt, daß die Entschädigung in solchen Fällen nach dem eidgenösischen Gesetz über das Expropriationswesen festzusetzen sei.

Art. 21. Die Bannwaldungen dürfen ohne Bewilligung der Kantonsregierung und des Bundesrathes weder veräußert noch zur Nutznießung oder zum Eigenthum vertheilt werden.

Sie sind zu vermessen.

Art. 22. Ueber die Bannwaldungen sind besondere Wirthschaftsordnungen aufzustellen, welche, dem nachhaltigen Ertrag vorgehend, den beabsichtigten Schutz zum nächsten Wirthsphaftszweck haben nnd namentlich anch den Holztransport in diesem Sinne ordnen sollen.

Diese Wirthschaftsordnungen unterliegen der Genehmigung der Kantonsregierung und des Bundesrathes.

Art. 23. In Bannwaldungen dürfen ohne Bewilligung der Kantönsregierung keine Holzschläge gemacht werden.

Die Bestimmung des Art. 21, daß die Bannwaldungen weder veräußert noch vertheilt werden dürfen ohne Bewilligung der kantonalen und eidgenössischen Forstbehörden, bedarf im Hinblick auf die Bedeutung der Bannwaldungen keiner weitern Begründung.

Es ist einleuchtend, daß auch über die Bannwaldungen Wirthschaftsordnungen erstellt werden müssen; die Wirthschaftsordnungen der Bannwaldungen würden aber von denjenigen der übrigen gemeinen Waldungen dadurch grundsätzlich abweichen, daß der beabsichtigte Schutz als nächster Wirthschaftszweck in's Auge gefaßt und der nachaltige Ertrag erst in zweiter Linie zur Geltung kommen würde, während der letztere bei den andern Waldungen der hauptsächlichste Wirthschaftszweck bildet. -- Wenn z. B. ein Bannwald zum Schutz einer Ortschaft gegen Steinschläge dient, so darf der Bestand nicht gelichtet werden, auch wenn der normale Holzvorrath des Waldes dieß erlauben würde ; eine Lichtung kann erst eintreten, wenn die Gefahr durch Schutzbauten oder durch Heranziehung eines neuen Waldbestandes beseitigt werden kaiin ; in solchen Fällen ist nicht der Ertrag des Waldes maßgebend, sondern der Schutz, welchen derselbe der Ortschaft bietet. (Bannwald in Ursern).

Die Bestimmung von Art. 23 bedarf [keiner weitern Erklärung.

Bundesblatt. 28, Jahrg. Bd.I.

41

584

IV. Unterstützung der Aufforstungen und Verbauungen in Bannwaldungen durch Beiträge des Bundes.

Art. 24. Der Bund unterstützt durch Beiträge ohne Unterschied des Waldeigenthümers : 1) die Aufforstungen und Verbauungen in den ausgeschiedenen Bannwaldungen (Art. 13), soweit dieselben zur Sicherung des Areals und seiner normalen Bestockung nothwendig sind, mit 30--50 °/o der Kosten ; 2) die Anlage neuer Bannwaldungen (Art. 14) mit 50--75 °/o der Kosten.

Bei der Berechnung werden nur die eigentlichen Kultur- und Verbauungskosten, sowie in besondern Fällen die Kosten einer außerordentlichen Leitung und Beaufsichtigung der Arbeiten berücksichtigt.

Für Nachbesserungsarbeiten sind nur dann Beiträge zu bewilligen, wenn dieselben ohne verschulden des Waldbesitzers nothwendig geworden sind.

Für kleinere Aufforstungen oder für Aufforstungen von gewöhnlichen Schlägen werden keine Beiträge verabfolgt.

Art. 25. Der Bundesrath wird durch eine besondere Verordnung das Verfahren bestimmen, welches von Seite der Betheiligten bei der Anregung, Projektirung, Ausführung und Sicherung solcher Werke zu beobachten ist.

Der Grundsatz, daß der Bund die Verbauungen und Aufforstungen unterstützen werde, ist in Art. 24 der neuen Bundesverassung enthalten. Betreffend das Maß der Unterstützung hat der Bundesbeschluß vom 21. Juli 1871 bestimmt, daß der Beitrag für das einzelne Werk ia der Regel den Dritttheil der Kosten nicht übersteigen soll, daß aber der Bundesrath in außerordentlichen Fällen und bei großer Dringlichkeit an solche Arbeiten auch einen höhern Beitrag leisten kann.

Für die Aufforstungen und Verbauungen, welche die Erhaltung bereits bestehender Waldungen zum Zweck hat, beantragt die Kommission Beiträge von 30--50°/o der Kosten, übereinstimmend mit Art. 29 der bundesräthlichen Vorlage; bei der Anlage neuer Bannwaldungen glaubte sie aber höher gehen zu sollen, mit Rücksicht auf den Umstand, daß in diesen Fällen zu den Aufforstungs- und Verbauungskosten noch die Kosten der Grunderwerbung hinzukommen, an welche der Bund keinen Beitrag leisten kann.

Die Bestimmungen der letzten drei Sätze des Art. 24 haben den Zweck, die Kosten zu begrenzen, welche bei der Berechnung der Bundesbeiträge berücksichtigt werden können.

Nach Art. 25 wird eine Verordnung des Bundesrathes das Verfahren bestimmen, welches von Seite der Betheiligten bei der

585 Anregung, Projektirung, Ausführung und Sicherung solcher Werke zu beobachten ist.

V. Strafbcstimmungen.

Art. 26. Widerhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes werden mit Buße belegt, wie folgt: 1) Unbefugte "Waldausreutungen (Art. 8, 1. und 2. Alinea) mit Fr. 200 bis 400 per Hektar und der Verpflichtung zur "Wiederaufforstung des ausgereuteten Grundstückes innerhalb Jahresfrist ; 2) Unbefugte Veräußerung oder Vertheilung von gemeinen Waldungen oder von Bannwaldnngen (Art. 12 und 21) mit Fr. 100 bis 200 per Hektar; 3) Unterlassung der Wiederaufforstung von Schlägen und Blößen (Art. 11, letztes Alinea) innerhalb der von den kantonalen Forstbehörden aufgestellten Frist mit Fr. 50--100 per Hektar, sowie Aufforstung der betreffenden Flächen durch die kantonalen Forstbehörden auf Kosten des Waldeigenthümers ; 4) Unbefugte Holzschläge: in Privatwaldungen (Art. 11) mit Fr. l--4, in gemeinen Waldungen (Art. 15 und 16) mit Fr. 2--8 und in Bannwaldungen (Art. 23) mit Fr. 3--12 per Stör (Festmeter) des geschlagenen Holzes; 5) Unterlassung der Vermarkung (Art. 8, letztes Alinea) innerhalb der ' von den kantonalen Forstbehörden aufgestellten Frist mit Fr. 5--40 ; 6) Mißbräuchliche Nebennutzungen (Art. 10) mit Fr. 5--80.

Die Kantone werden gegen Forstfrevel die nöthigen Strafbestimmungen aufstellen.

Die Strafen werden durch die kantonalen Gerichte ausgefällt und durch die kantonalen Verwaltungsbehörden vollzogen.

Bei den Widerhandlungen, welche eine Bemessung der Bußen nach dem Flächeninhalt zulassen, wie bei Waldausreutungen, unbefugten Veräußerungen oder Verkeilungen und Unterlassung von Wiederaufforstungen wird beantragt, das Minimum und das Maximum der Buße wie 1 : 2 zu bestimmen. Bei den Holzschlägen wird beantragt, die Bußen nach dem Ster (Festmeter) des geschlagenen Holzes zu bemessen, und da bei dieser Kategorie von Widerhandlungen die mildernden oder erschwerenden Umstände viel bedeutender ins Gewicht fallen, als bei der ersten Kategorie, so wird zwischen Minimum und Maximum ein Verhältniß von Ì : 4 vorgeschlagen, mit einer Steigerung, jenachdem der unbefugte Holzschlag in einer Privatwaldung, gemeinen Waldung oder Bannwaldung stattgefunden hat. Bei den Widerhandlungen, wie Unterlassung der Vermarkung, oder bei mißbräuchlichen Nebennutzungen kommen alle denkbaren Fälle von geringerer oder vermehrter Schuld vor, so daß es geboten ist, ein kleines Minimum der Buße aufzustellen, aber gleichzeitig auch dem Richter die Befugniß ein-

586 zuräumen, in gravirenden Fällen auch schwere Strafen zu verhängen.

' ' .

Die Strafbestimmungen gegen Forstfrevel, die Ausfüllung der Strafen und deren Vollziehung bleibt vollständig Sache der kantonalen .Behörden.

VI.

Schlussbestimmungen.

Art. 27. Der Bundesrath wird eine Vollziehungsverordnung erlassen, um den Geschäftsverkehr zwischen dem Bundesrath und den Verwaltungsbehörden der Kantone zu ordnen.

Art. 28. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestim mungen des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Die Art. 27 und 28 geben zu keinen Bemerkungen Veranlassung.

B e r n , den 17. Dezember 1875.

Im Namen der Kommission des Ständerathes, Der Berichterstatter: J. Weber (Bern).

N o t e . Seit dem Austritte des Herrn Weber ans dem Ständerathe (Ende 1875) besteht die ständeräthliche Kommission aus den Herren Hold.

Keller.

Schauer.

Kopp.

t Hoffmann.

Siehe nachfolgenden zweiten Kommissionalbericht nebst neuen Anträgen.

587

Zweiter Bericht der

ständeräthlichen Kommission über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei iin Hochgebirge.

(Vom 7. März 1876.)

Ihre Kommission hatte bereits in der letzten Dezembersitzung einen Entwurf eines eidg. Forstgesetzes ausgearbeitet und Ihrer h.

Behörde vorgelegt. Das bezügliche Referat der Mehrheit wie auch der Minderheit wurde ebenfalls vorgetragen und die allgemeine Diskussion begonnen, jedoch bei dem unmittelbar bevorstehenden Schluß der Bundesversammlung abgebrochen und auf die Märzsitzung deren Fortsetzung vertagt.

Mittlerweile trat in Folge Austritt des Referenten aus der Behörde eine Veränderung in der Komposition Ihrer Kommission ein, welche eine nochmalige Berathung des Entwurfes nöthig machte.

Ihre Komrnission versammelte sich daher am 10. Februar abhin in Bern, und ergab es sich, daß eine Umarbeitung sowohl in grundsäzlicher wie auch in redaktioneller Beziehung nöthig werde, um den nunmehrigen Ansichten der Kommission zu entsprechen, die sich inzwischen aus den Berichten sämmtlicher der Gesetzeszone angehörenden kantonalen Forstverwaltungen präciser gestaltet hatten, als es früher der Fall war.

Eine gänzliche Umarbeitung des Entwurfes war das Resultat dieser Kommissionssizung, und wurde derselbe namentlich in re-

588 daktioneller Beziehung von der am 4. März nochmals besammelten Kommission festgestellt, wie Ihnen heute vorliegt.

Es wird dem gegenwärtigen Referenten, nachdem im Dezember bereits die allgemeinen Gesichtspunkte erörtert worden, nur obliegen, in kurzen Zügen Ihnen die Gründe anzugeben, aus welchen die obberichtete Umarbeitung des ersten Kommissionsentwurfes erfolgte, und was überhaupt N e u e s in gegenwärtige Vorlage aufgenommen wurde.

I. P r i v a t w a l d u n g e n . Die bundesräthliche Botschaft betont schon, daß die Grundbesizrechte, resp. die Privatrechte nur im Falle daß das S t a a t s wohl dieß gebieterisch verlangt, beschränkt werden dürfen.

Bei der ersten Durchberathung des Gesetzes hatte Ihre Kommission hierüber sich bereits in erschöpfender Weise ausgesprochen.

Eine damalige Mehrheit schloß sich den Gutachten des schweizerischen und bernischen Forstvereins an, während die Minderheit den Anschauungen des Bundesrathes beipflichtete.

Diese Minderheit ist zufolge veränderter Komposition Ihrer Kommission inzwischen zur Mehrheit geworden, ja es herrscht gegenwärtig hierüber vollkommenen ebe r e i n s t i m m u n g, nachdem den Bedenken der im Forstwesen fortgeschrittenern Kantone des in gegenwärtigem Entwurfe allein berührten Gebietes dadurch Rechnung getragen worden, daß (Art. 5, Alinea 3) es ihnen freigestellt sein soll, die Vorschriften über die Schuzwaldungen auch auf sämmtliche Privatwaldungen des eidg. Forstgebietes auszudehnen.

Ihre Kommission anerkennt zwar in vollem Maße die Gesichtspunkte, welche den gedachten Forstvereinen und hervorragenden Forstmännern die Erstrekung des eidg. Forstgesetzes auf die gesammte, demselben unterworfene Forstzone wünschbar, ja unerläßlich erscheinen ließen; sie mußte sich aber überzeugen, daß nicht allein die große Mehrzahl der betreffenden Kantone einer solchen Bestimmung des Entschiedensten entgegentreten würde, sondern auch, daß eine solche durch die Bundesverfassung selbst nicht gerechtfertigt wäre.

Art. 24 der Bundesverfassung verbindet nämlich die W a s s e r b a u - und Forstpolizei im Hochgebirge in der Weise, daß der ,,Bund die Korrektionen der Quellengebiete unterstüzen und dienöthgien ,,schüzenden Bestimmungen zur Erhaltung dieser Werke, und der schon ,,vorhandenen Waldungen aufstellen soll." Wir glauben hierin den Rahmen zu erblicken, in welchem sich das eidg, Forstgesetz zu bewegen

589 hat: Der Staatszweck kann nur die Sicherung des Hochgebirgs vor Entwaldung und Verwilderung sein, damit die Sammelgebiete der Flüsse, ·deren Hochwasser zu unheilvollen Katastrophen für das ganze Land führen können, sowohl durch künstliche als natürliche Hülfe in denjenigen Stand gebracht oder darin erhalten werden, welcher letztere solcher Gefahren enthebt. Es erschiene daher für das eidg. Forstgesetz nicht angemessen, wenn es sich auf Gebiete erstreckte, in welchen eine Verfolgung obigen Staatszweckes nicht mehr zu erkennen ist, und dürfte namentlich ein Eingreifen in privatrechtliche Verhältnisse am wenigsten gerechtfertigt sein, sofern dieselben, wenn auch innerhalb der allgemeinen eidg. Forstzone liegend, zu Erfüllung des, vorliegendes Gesetz begründenden Staatszweckes nicht mehr beitragen als jedes andere, in diese Zone gar nicht fallende Waldgebiet. Es verlangt somit schon die Gleichberechtigung eine Auseinanderhaltung derjenigen Waldgebiete, welche dem von Verfassung und Gesetz vorgesehenen Staatszweck zu dienen haben, von denjenigen, welche hiedurch nicht berührt werden.

Bei der großen Parzellirung solcher Privatwaldungen, wie sie in vielen Kantonen angetroffen wird, wäre es eine ebenso große und bei den gegenwärtig und für lange Zeit noch äußerst beschränkten persönlichen und materiellen Mitteln der meisten Hochgebirgskantone unmögliche und undankbare Aufgabe, diese Kräfte hierauf zu zersplittern. Die großen und wohlgeordneten Kantone, denen durchaus unbenommen bleibt, auch in dieser Beziehung ihre Forstverhaltnisse zu regeln, können für die Verhältnisse der sich nicht in dieser glüklichen Lage befindenden Mehrheit der übrigen Hochgebirgskantone gewiß nicht maßgebend sein.

Es liegt aber auch in diesen bestehenden V e r h ä l t n i s s e n selbst die deutlichste Mahnung für die gesetzgebenden Behörden, nicht weiter zu gehen, als in der Verfassung strikte vorgeschrieben ist.

Wir begnügen uns, hier nur darauf hinzuweisen, daß die Aufgabe des Bundes auch bei dem von uns vorgeschlagenen engern Wirkungskreis des Gesetzes auf Jahrzehnte hinaus eine außerordentliche ist, und er sich daher für die erste Période seiner Wirksamkeit durchaus auf das Notwendigste beschränken m u ß , was die Erfüllung obigen Staatszweckes erheischt.

In einer bedeutenden Zahl der von diesem Gesetze betroffenen
Kantone liegt das Forstwesen zur Zeit noch gänzlich darnieder ; es.

fehlen die allernothwendigsten Bedingungen zu einer auch nur einigermaßen diesen Namen verdienenden Forstwirtschaft, und ist gerade hier selbstverständlich das Waldareal in bedauerlichstem.

590 Rückgänge. In einer andern Gruppe von Kantonen Sehen wir allerdings die Anfänge zu bessern forstlichen Zuständen, und nur ganz wenige Kantone sind es, welche aus eigener Kraft eine den heutigen Anforderungen entsprechende Forstverwaltuiig besitzen.

Wohn wir nun sehen, wie lange Jahre es dauerte, bis diese letztern hiezu gelangten, oder wie lange die erstem bereits hiehach streben, und wie wenig, trotz altedem, noch heute die Spuren früherer Verwahrlosung verwischt worden sind, SO erhalten wir ein sehr deutliches Bild von der Zukunft dés eidg. Forstgesetzes, das seine ganze Kraft offenbar vof Allem dahin verwenden muß, wo noch gar nichts oder höchst Unbedeutendes in der Forstwirtschaft geleistet wird und von wo gerade die größte Gefahr eigentlicher Landeskalamitäten herkommt. Da wei'den wahrlich doch nur nach und nach, im Verlaufe von Jahrzehnten, sich die segensreichen Wirkungen der bedeutendsten Anstrengungen manifeStiren, und Wäre es unklug, wenn man aus theoretisch allerdings ganz richtigen Gründen eine Zersplitterung der Kräfte befürworten wollte. Wir erinnern nur daran, daß die zu Ausführung dieses Gesetzes unumgänglich nothwendigen Beamtungen großenteils erst noch geschaffen werden müssen etc.

U n k l u g wäre es aber auch, durch zu weit gehende regeln das U e b e l w o l l e n und die U n z u f r i e d e n h e i t der betreffenden Bevölkerung zu provôziren. Ohne ein wohlwollendes Entgegenkommen derselben wird das eidg. Forstgesetz eine s'ehr beschränkte und mit den verwendeten Mitteln in keinem Verhaltniß stehende Wirksamkeit haben können. Dieses Uebelwollen wird aber unausbleiblich sein, sobald sich die Bevölkerün'g des Hochgebirgs in ihrer E x i s t e n z bedroht sieht, welche bein'ahe ausschließlich auf die Viehzucht, resp. die Alp- und Weidwirthschaft basirt ist. Die bestehenden, zum Ruin der S chu t z Waldungen und damit schließlich zur Verarmung des Landes selbst führenden Nutóungsverhältnisse m ü s s e n zweckmäßig geregelt werden ; aber man hüte sich, diese Maßnahmen weiter auszudehnen als sie absolut nothwendig sind.

Soll nicht der' gegenwärtige Betrieb der Alpwirthschaft großen Theils in Frage gestellt werden^ so kann die Beweidung der Mittelberge, Maiensäße, Voralpen, sowie die Benutzung der Schheefluchten in den Hochalpen selbst nicht mit einem Schlage abgeschafft werden,
wie die Entwürfe der Forstvereine etc. verlangen, sondern sie kann nur Hand in Hand mit der als Aequivalent dienenden Verbesserung; und intensivem Bewirtschaftung dieser Distrikte gehen. Die sofortige Absehließung der Waldungen von jeder Nebennutzüng, resp.

vom Weidgange, sollte daher vorerst nur da eintreten, wo wirkliche

591 Gefahr im Verzüge ist und wo durch Verbauungen und Aufforstungen sofort derselben vorgebeugt werden muß; namentlich aber wäre der Weidgang des Kleinviehs, der Ziegen und Schafe, in allen Schutzwaldungen U v.

zu unterdrücken.

5

Geleitet von diesem in Verfassung upd bestehenden Verhältnissen begründeten Gesichtspunkte, hielt Ihre Kommission es vor allen Dingen für unerläßlich, den Begriff der Schutzwaldungen überhaupt festzustellen, über welchen hinaus bei PrLvateigentlium das Gesetz gar nicht, bei ö f f e n t l i c h e n Waldungen aber nur soweit schreiten soll, als dies [deren ungeschmälerter Bestand und nachhaltige B e w i r t s c h a f t u n g verlangt.

Dieser Begriff von Schutzwaldungen nach Artikel 4 unseres Entwurfes ist aber ein so ausgedehnter, daß wahrlich eine Lücke im Gesetze nicht zu befürchten ist, wenn auch die in denselben nicht hineinfallenden Privatwaldungen dadurch nicht berührt werden.

1) Es fallen demnach alle Waldungen über einer gewissen, noch festzusetzenden Höhenlinie aus k l i m a t i s c h e n Gründen in das Gebiet der Schutzwaldungen.

2) Ebenso auch die Waldungen u n t e r dieser Höhenlinie in Gegenden, wo ein genügendes Waldareal nicht mehr vorhanden ist, sowie auch 3) wo überhaupt durch Reutung eine dauernde Verschlechterung des Bodens und Klimas zu befürchten stünde.

Daß aber die e i g e n t l i c h e n Schutzwaldungen in einer weit näheren Beziehung zu der Bestimmung der Bundesverfassung stehen und daher in erster Linie ins Auge gefaßt und vom Gesetze berücksichtigt werden müssen, versteht sich nach dem Gesagten von selbst ; es betrifft dies die eigentlichen Quellengebiete der Flüsse, wo vermöge bereits vorhandener Runsen, Unterwaschungen, Rutsche, die Gefahr der Ueberschwemmung bereits seit Langem vorhanden und ein Umsichgreifen dieser Gefahr in progressivem Maße zu befürchten steht.

Nach dieser grundsätzlichen Erledigung der Frage über die konstitutionelle Tragweite des zu erlassenden Gesetzes muß dasselbe sich mit der Eintheilung und Bewirthschaftung des der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Gebietes befassen. Sie finden die hierüber geeignet scheinenden Bestimmungen in den Art. 7--9 und 23.

Da gegenwärtig keiner der betroffenen Kantope über eine genügende Anzahl wissenschaftlich gebildeter Forst-, respektive eigentlicher Wirthschaftsbeamten verfügt, ja sogar in mehreren .Kantonen gar keine solchen zu finden sind; da auch das Personal

S92 der unumgänglich erforderlichen Unterbeämten sehr mangelhaft und mancherorts gar nicht bestellt ist, so erscheint es zur Durchführung des Gesetzes als erstes unumgängliches Postulat, diesem Mangel abzuhelfen.

Wenn nun namentlich neben Anstellung wissenschaftlich gebildeter Forstbeamten zur Leitung der Wirthschaft der einzelnen Forstkreise eine bedeutende Anzahl von Unterbeamten nothwendigerweise in Funktion zu treten hat, so ist es wohl selbstverständlich, daß dieselben in den betreffenden Kantonen selbst herangebildet werden müssen. Darüber herrscht in allen uns bekannt gewordenen Entwürfen und Anträgen kein Widerspruch. Wohl aber ist die Frage kontrovers, wie diese Bildung zu erzielen sein soll. Nach Anschauung Ihrer Kommission sollte hierin eine gewisse Einheit erstrebt werden, indem der Bund für die L e h r e r bei den in den Kantonen abzuhaltenden Forstkursen selbst sorgte, ihnenihre Instruktion ertheilte und sie wenigstens theilweise auch besoldete. Bei dem Mangel an geeigneten Lehrkräften könnten manche Kantone selbst bei bestem Willen von sich aus nicht den Anforderungen entsprechen, die an einen solchen Unterricht für das untere Forstpersonal gestellt werden müssen; es fehlte an Uebereinstimmung in Lehrmethode, Lehrmitteln, und selbst in der unumgänglich notwendigen Lehrzeit, und würde sicherlich bald der Unterschied in den einzelnen kantonalen Forstverwaltungen grell genug zu Tage treten, wonach gerade die bisher zurückgebliebenen Kantone aus Mangel geeigneten und die nöthige Fachbildung besitzenden Personals auch fortan ihr Forstwesen im alten Schlendrian beließen, während die bereits mit gebildeten und zur Leitung von Forstkursen befähigten Oberbeamten versehenen Kantone diesen Uebelstand freilich nicht empfinden würden.

Zur gleichmäßigen Organisation und Leitung unter Oberaufsicht und theilweiser Unterstützung des Bundes sollten daher, in Berücksichtigung dieser Verhältnisse, auch die bereits in dieser Hinsicht organisirten Kantone ohne Zögern die Hand bieten.

III. Ich übergehe hier alle materiellen Bestimmungen unseres Entwurfes über die Bewirtschaftung der im eidg. Forstgebiet liegenden Waldungen, nachdem Ihnen hierüber bereits früher Bericht erstattet wurde, und bemerke nur, daß etwelche Abweichungen vom frühern Entwurfe aus der sub I auseinandergesetzten Verschiedenheit der
Ansichten über die Tragweite, resp.

Wirkungskreis des Gesetzes selbst hervorgehen, und mit unserer Anschauung in logische Beziehung gebracht werden mußten.

Hierüber werden wir bei der artikelweisen Berathung zu weitern Auseinandersetzungen Gelegenheit haben.

593 Neu ist in unserm Entwurfe nur der Art. 31, welcher 'den Bundesrath beauftragt und ermächtigt, bis zur v o l l e n D u r c h f ü h r u n g des Gesetzes diejenigen Maßnahmen zu treffen, welche für die eigentlichen Schutzgebiete von absolnter Dringlichkeit erscheinen.

Bei der sichern Aussicht, daß die Organisation mancher kantonalen Forstverwaltungen, und mithin die dadurch allein ermöglichte Durchführung des eidg. Forstgesetzes nur langsam ins Leben treten, und noch Jahre bis dahin verstreichen werden, während g e r a d e in diesen bisher in hohem Grade verwahrlosten Forstgebieten sofortige Schutzarbeiten und nicht minder sofortige Einstellung unzuläßiger Nutzungen Gebot der höchsten, interkantonalen öffentlichen Interessen sind -- muß ein solches Provisorium geschaffen und kann in dieser Beziehung auch vom konstitutionellen Standpunkt keine Einrede dagegen erhoben werden.

Indem wir, unter Vorausschickung dieser die Grundlage unseres Entwurfes bedingenden Anschauungen der Berathung Ihrer hohen Behörde unterbreiten und einstimmig befürworten, schließen wir diesen zweiten allgemeinen Bericht.

B e r n , den 7. März 1876.

Namens der Kommission des Ständeraths, Der Präsident:

Hans Hold.

594

Umgearbeiteter (II.) Entwurf der ständeräthlichen Kommission, vom 10. Februar und 4. März 1876.

# S T #

Bundesgesez betreffend

die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 24 der Bundes Verfassung 5 nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Dezember 1875, beschließt: I. Oberaufsicht des Bundes und eidgenössisches Forstgebiet.

Art. 1. Der Bund hat das Oberaufsichtsrecht über die Forstpolizei im Hochgebirg.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Erster Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge. (Vom 17.

Dezember 1875.)

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Bundesblatt

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Jahr

1876

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.03.1876

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535-594

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