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B erteilt des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die in Lausanne zur Militärsteuer dekretirte Zuschlagstaxe.

(Vom 17. Juni 1876.)

Tit. !

Mit Schreiben vom 3. März 1876 reichte Herr Rudolph Martin,, für sich und Namens 150 Einwohnern der Gemeinde Lausanne,, einen Rekurs bei der Bundesversammlung ein gegen unsern Entscheid vom 21. Januar 1876, womit wir die vom Großen Rathe des Kantons Waadt den Gemeinden bewilligte Zuschlagstaxe zurMilitärsteuer als statthaft erklärt haben.

Dieser Rekurs wurde mit Beschluß beider eidg. Räthe vom 7. März uns zum Bericht überwiesen. Nachdem wir die betheiligten Behörden des Kantons Waadt noch angehört haben, sind wir hiemit im Falle, dem erhaltenen Auftrage ein Genüge zu leisten.

Seit längerer Zeit haben waadtländische Gemeinden, um den stets wachsenden Bedürfnissen zu genügen, sich veranlaßt gesehen,, zu besondern Steuern für Gemeindezweke ihre Zuflucht zu nehmen.

Hiefür war jedoch stets ein Dekret des Großen Rathes nothwendig, welches nur gegeben wurde gestüzt auf eine sorgfältige administrative Untersuchung durch die obern kantonalen Behörden. Gegenwärtig sollen mehr als 190 Gemeinden des Kantons Waadt in dieser Lage sich befinden. Im Jahre 1865 bewilligte der Große Rath der Gemeinde Lausanne, ihre Steuern auf dem Wege einer Zuschlagstaxe-,

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zu den Staatssteuern zu beziehen (centimes additionnels aux impôtsperçus par l'Etat), welches System seither die Regel wurde. Da unter den verschiedenen Staatssteuern auch die Militärsteuer figurirt, so haben mehrere Gemeinden (gegenwärtig 42) vorn Großen Rathe-.

die Bewilligung erhalten, die Centimes additionnels auch mit der Militärsteuer zu verbinden. Anfänglich erhielt die Stadt Lausanne die Bewilligung, per l Franken Militärsteuer des Staates 30 Centimes für die Gemeinde zu erheben. Das diesfällige Dekret des Großen Rathes wurde 1867 erneuert, und im Jahr 1873 ohne Widerspruch, in dem Sinne bestätigt, daß diese Zuschlagstaxe auf 50 Centimes erhöht wurde. Als nun im Herbst 1875 die Gemeinde Lausannebei dem Großan Rathe die Erneuerung des Dekretes von 1873 nachsuchte, wurde bei demselben Einsprache erhoben gegen den Theil des Dekretsentwurfes, welcher die Bewilligung der Centimes additionnels zu der Militärsteuer betrifft; allein der Große Rath schritt am 18. November 1875 hierüber zur Tagesordnung, und ermächtigtein Folge dessen die Gemeinde Lausanne, 50 Centimes auf l Franken.

Militärtaxe zu erheben.

Gegen diesen Entscheid rekurrirten 188 Einwohner von Lausanne an uns mittelst einer Eingabe, datirt Lausanne 20. November 1875.

Sie behaupteten, daß die Zuschlagstaxe zur Militärsteuer den Grundsaz der Gleichheit verleze, welcher nach der Botschaft des Bundesrathes vorn 17. Mai 1875bei Anwendung des neuen Gesezes über die Militärsteuer auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft, walten soll. Die Militärtaxe soll den Charakter einer dem persönlichen Dienste gleichkommenden Leistung an sich tragen. Dieses.

durch das Bundesgesez sanktionirte System werde durch die ausnahmsweise Erhöhung der Militärtaxe in der Gemeinde Lausanne verlezt. Sie stellten daher das Gesuch, das erwähnte Großrathsdekret, als mit der Bundesverfassung in Widerspruch stehend, aufzuheben.

Nach Anhörung des Staatsrathes des Kantons Waadt beschlossen wir am 21. Januar abbin, den Rekurrenten zu erwidern, der Bundesrath könne in den von einzelnen Gemeinden des Kantons Waadt von ihren Steuerpflichtigen bezogenen Centimes additionnels,, basés sur la taxe militaire" keine Militärsteuer erkennen, sondern, es qualifizire sich diese Erhebung als eine Steuer zu Gemeindezweken, allerdings auf der Basis der kantonalen
Militärpflichtersazsteuer. Von diesem Standpunkte aus habe der Bundesrath keine Veranlaßung, auf die Sache näher einzutreten,> da die Kantone in ö, Steuersachen selbstständig seien, so lange sie sich keine Verfassungsverlezungen zu Schulden kommen lassen, was im vorliegenden Falle nicht bewiesen sei. Wollte man aber die Sache als

180 eine Militärsteuerangelegenheit betrachten und behandeln, so hätten die Beschwerdeführer Unrecht, sich auf das neue eidg. Militärsteuergesez zu stüzen, da daselbe noch gar nicht in Kraft sei; noch viel weniger sei es zuläßig, die Botschaft des Bundesrathes zu jenem Gesezesentwurf anzurufen. Die Bestimmungen über den Bezug der Militärsteuer seien bis zum Inkrafttreten des eidgenössischen Militärpflichtersazgesezes Sache der Kantone, soweit nicht Doppelbesteurung in Frage komme. Aus diesen Gründen müsse der Bundesrath den Rekurs abweisen.

Die vorliegende Beschwerde ist gegen diesen Entscheid gerichtet.

Die Rekurrenten finden denselben nicht logisch. Wenn die K ani o n e sich vornähmen, auch Centimes additionnels zu erheben von denjenigen Bürgern, welche Militärtaxe bezahlen, so würde man ihnen kaum antworten, diese Centimes additionnels seien keine Militärtaxe, sondern eine Steuer zu Kontonalzweken. Die Gem e i n d e Lausanne betrachte sie selbst als eine Militärsteuer.

Die Quittungen, welche der Bezirkseinnehmer dafür ausstelle, beweisen dieses. Die Petenten protestiren nicht, weil es sich um ·eine Steuer zu Gemeiudezweken handle, sondern weil man die Militärtaxe zur Grundlage genommen habe, welche in keiner Weise die Gemeindeadministration berühre. Es sei hier allerdings die Bundesverfassung verlezt, und zwar die Artikel 4 und 18. Es dürften weder die Kantone, noch die Gemeinden weiter gehen, als das Bundesgesez. Eine Lokaltaxe, wie sie die Gemeinde Lausanne erhebe, erscheine als eine Verlezung des Grundsazes der Gleichheit vor dem Geseze. Die Petenten schließen mit dem Gesuche, die Bundesversammlung möge den Entscheid des Bundesrathes aufheben, in dem, Sinne, daß die von der Gemeinde Lausanne erhobenen Centimes additionnels als eine Militärsteuer, welche als solche nur von der Eidgenossenschaft bezogen werden könne, unzuläßig seien.

Der Staatsrath des Kantons Waadt und der Syndik der Stadt Lausanne stellten sich in ihren Antworten auf den Standpunkt, daß die vorliegende Reklamation, indem sie auf das Bundesgesez betreffend die Militärsteuer sich stüze, verfrüht sei. Der leztere wünschte ausdrüklich, der Entscheid möchte verschoben werden bis nach der Referendumsabstimmung über dieses Gesez. Im Falle der Verwerfung bleibe es bei dem bisherigen Zustande des kantonalen Gesezgebungsrechtes im
Steuerwesen. Im Falle der Annahme dagegen werden die Gemeindebehörden von Lausanne in Berathung ziehen, ob die Centimes additionnels auch für das Jahr 1876 zu beziehen seien. Dabei würden sie nicht ermangeln, die veränderte Sachlage in Betracht zu ziehen, welche unstreitig durch das neue Bundes-

181 gesez herbeigeführt werden könnte. Diese Berathung würde früh genug stattfinden, damit, wenn die Abstimmung bejahend ausfallen sollte, die Bundesbehörden noch vor Ende des Jahres ihren definitiven Entscheid fassen könnten. Für das Jahr 1875 sei kein Beschluß nöthig. Im Allgemeinen seien die Petenten nicht gehörig vorgegangen. Entweder klagen sie über Verlezung ihrer verfassungsmäßigen Rechte, dann haben sie an das Bundesgericht sich zu wenden, oder es könne keine solche Verlezung behauptet werden, dann müssen sich die Petenten rnit dem Entscheide des Großen Rathes begnügen.

Unser Beschluß vom 21. Januar befindet sich im Grunde ebenfalls auf diesem Standpunkte, insofern wir davon ausgiengen, daß es lediglich um eine Form der Erhebung eines Theiles der Gemeindesteuern der Stadt Lausanne sich handle, deren Größe und Bezugsart der Cognition der Bundesbehörden so lange sich entziehe, als nicht der Bezug der Militärsteuer durch ein förmliches Bundesgesez unter die Kontrole des Bundes gestellt sein werde. Da dieses noch nicht der Fall ist, so müssen wir auch jezt noch an unserm Entscheide festhalten.

Wenn aber die Bundesversammlung finden sollte, es sei vorherrschend zu entscheiden, ob eine Verlezung des Grundsazes der Gleichheit vor dem Geseze, oder ob eine Doppelbesteurung vorliege, so wäre in beiden Fällen gemäß Artikel 59, Litt, a des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege das Bundesgericht zum Entscheide kompetent, und es könnte dann aus diesem Grunde ein materieller Entscheid von Seite der Bundesversammlung nicht gegeben werden.

Mit diesem Berichte verbinden wir die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 17. Juni 1876.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. I l i .

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Bericht des

Bundesrathes an den hohen Ständerath, betreffend den Ausfuhrzoll von Abfällen zur Papierfabrikation.

(Vom 17. Juni 1876.)

Tit.!

In Betreff des Traktandengegenstandes: A u s f u h r z o l l für A b f ä l l e zur P a p i e r f a b r i k a t i o n hat der Ständerath unterm 9. dies beschlossen: 1. Es wird dem Bundesrathe eine sachbezügliche Eingabe der Schweiz. Papierfabrikanten vom 3. Juni 1876 zur Vernehmlassung mitgetheilt.

2. Es wird an den Bundesrath die Frage gerichtet, ob es gegenwärtig, wo neue Zollverträge mit den uns umgebenden Staaten in nächster Aussicht stehen, am Plaze sei, Aenderungen an dem Zolltarif vorzunehmen.

Hierauf können wir folgenden Bericht erstatten: Die Eingabe der Papierfabrikanten geht dahin, es sei der Zollansaz von Fr. 2 per Zentner für ,,Lumpen (Hadern), leinene und baumwollene, alte Strike und Taue" beizubehalten, resp. wieder herzustellen.

Gegen die vom Bundesrath verfügte Aufhebung dieses Zolles · für die übrigen ebenfalls damit belegt gewesenen Stoffe, wie : ge-

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die in Lausanne zur Militärsteuer dekretirte Zuschlagstaxe. (Vom 17. Juni 1876.)

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29

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01.07.1876

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178-182

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10 009 186

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