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Schaffung einer parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle Parlamentarische Initiative der Geschäftspriifungskommissionen

vom 12. Februar 1990

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir unterbreiten Ihnen den Gesetzesentwurf für die Schaffung einer parlamentarischen Fachstelle für Verwaltungskontrolle als Hilfsinstrument der Geschäftsprüfungskommissionen. Unserem Antrag ist eine vierjährige Vorarbeit vorausgegangen, in der verschiedene Varianten geprüft und verworfen worden sind. Die vorgeschlagene Verstärkung unseres Instrumentariums ist unerlässlich, wenn wir unseren verfassungs- und gesetzmässigen Auftrag weiterhin erfüllen sollen.

Wir beantragen Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

12. Februar 1990

1990-67

Im Namen der Geschäftsprüfungskommissionen Die Präsidenten: Andreas Iten, Ständerat Karl Tschuppert, Nationalrat

40 Bundesblatt. 142.Jahrgang. Bd.I

1065

Geschäftsverkehrsgesetz

Entwurf

Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85 Ziffern l und 11 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine parlamentarische Initiative der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte vom 12. Februar 1990 ') und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Februar 19902), beschliesst: I

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' ·

3

Das Geschäftsverkehrsgesetz ) wird wie folgt geändert: Art. 47sexies (neu) 1 Den Geschäftsprüfungskommissionen steht eine parlamentarische Verwaltungskontrollstelle zur Verfügung.

2 Gestützt auf Einzelaufträge der Geschäftsprüfungskommissionen überprüft die Verwaltungskontrollstelle die Aufgaben der Verwaltung und ihre Erfüllung sowie die Wirkungen des Handelns von Behörden und Verwaltung. Die Kontrolle richtet sich nach den .Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit.

3 Die Verwaltungskontrollstelle hat gegenüber den Dienststellen der Verwaltung die gleichen Rechte auf Auskunftserteilung und Aktenherausgabe wie die Geschäftsprüfungskommissionen. Sie verkehrt direkt mit allen Verwaltungsstellen.

Sie kann mit Zustimmung der Geschäftsprüfungskommissionen Sachverständige beiziehen und ihnen die gleichen Rechte zuweisen.

4 Die Geschäftsprüfungskommissionen koordinieren die Arbeit ihrer Verwaltungskontrollstelle mit jener der übrigen Kommissionen der Oberaufsicht sowie der Kontrollorgane des Bundesrates.

') BB1 1990 I 1065 > BB1 1990 I 1092 3 > SR 171.11 2

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Geschäftsverkehrsgesetz

II

Änderung anderer Erlasse Bundesgesetz vom 19. Dezember 1980') über das Bundesamt für Organisation:

Art. 9 Aufgehoben III 1 2

'

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Es tritt am 1. Oktober 1990 in Kraft.

D SR 172.010.58

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Bericht I

Das Bedürfnis der Geschäftsprüfungskommissionen nach fachlicher Unterstützung

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates hat in ihren Berichten über die Verwaltungsaufsicht (vom 19. Nov. 1986; BB1 198711 718 ff.) und über die Verbesserung der Verwaltungskontrolle im Bund (vom 12. Nov. 1987; BB1 1988 II 665 ff. 748 ff.) dargestellt, welche fachliche Unterstützung sie bei der Beurteilung der Funktionserfüllung durch die Verwaltung benötigt. Sie hat dabei vorgeschlagen, ein Organ zu schaffen, das sowohl dem Bundesrat wie den Geschäftsprüfungskommissionen dienen könnte. Diese Stelle hätte sich nicht nur mit Fragen des effizienten Einsatzes von Organisation und Mitteln der Verwaltung zu befassen, sondern vermehrt mit übergeordneten Fragestellungen zu den Verwaltungstätigkeiten - insbesondere mit der Analyse der Aufgaben selber und der Wirksamkeit der Verwaltungstätigkeit.

Gegenstand der Prüfung wäre je nach Auftrag die Rechtmässigkeit des Vollzugs in seinen Auswirkungen, seine Konformität gegenüber der ursprünglichen politischen Zielrichtung, ferner der Verwaltungsprozess, in dem der Vollzug stattfindet, und schliesslich der Einsatz personeller, technischer und finanzieller Mittel (im Sinne der traditionellen Organisationsüberprüfungen).

Um unter den heutigen Verhältnissen überzeugend wirken zu können, benötigen die Geschäftsprüfungskommissionen neben politischen Kriterien auch fachliche Massstäbe und Beratung. Sie brauchen eine Instanz, der sie Aufträge erteilen können, die über Fragen der Organisationsstruktur und der Geschäftsabläufe hinaus solche der Führung, der Konzepte, der materiellen Aufgabenerfüllung und der Wirksamkeit staatlichen Handelns betreffen. Sie brauchen eine Stelle, die mit der erforderlichen Konstanz und dem nötigen Überblick über die Verwaltung die Zufälligkeit, Oberflächlichkeit und Wirkungsschwäche der parlamentarischen Oberaufsicht überwinden hilft. Die Stelle muss die Optik grundsätzlicher Verwaltungskontrolle teilen, in der Lage sein, selber Aufträge auszuführen, die Geschäftsprüfungskommissionen auf Bereiche der Verwaltung hinzuweisen, in denen eine Abklärung angezeigt erscheint, Vorabklärungen durchzuführen und Inspektionen zu begleiten, sowie nachzukontrollieren, ob und wie den Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommissionen nachgelebt wird.

Hätten die Geschäftsprüfungskommissionen in den vergangenen Jahren bereits über ein solches Instrument
verfügt, so wären verschiedene Inspektionen vermutlich mit höherem Gewinn abgeschlossen worden: - Beispielsweise hätte die seit Jahren hängige Frage der Zusammenlegung der Eidgenössischen Militärpferdeanstalt (EMPFA) mit dem Gestüt in Avenches, die für das Personal eine grosse Belastung darstellt, längst sachlich abgeklärt und zwischen Bundesrat und Geschäftsprüfungskommission bereinigt werden können.

- Die zweite Überprüfung der Lebensmittelkontrolle, welche fünf Jahre nach der Inspektion betreffend die Hormone im Kalbfleisch durchgeführt werden musste, hätte weitgehend der Fachstelle übertragen werden können.

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- Die Inspektion zu den regionalpolitischen Auswirkungen des .Beschaffungsprogramms 1983, die den Bundesrat nicht ganz zu überzeugen vermochte, hätte wirkungsvoller gestaltet werden können.

- Die Analyse des Auftrags der schweizerischen Landesbibliothek sowie der dafür erforderlichen Mittel hätte effizienter angegangen und zur Entscheidungsreife gebracht werden können.

Die Liste Hesse sich beliebig verlängern und könnte insbesondere auch durch Fragestellungen ergänzt werden, die bisher ohne eine Fachstelle gar nicht sinnvoll angegangen werden konnten (z.B. die langfristigen Auswirkungen der Stellenplafonierung).

Eine echte Überprüfung der Aufgaben der Verwaltung auf ihre Notwendigkeit ist den Geschäftsprüfungskommissionen bis anhin nicht möglich gewesen. Bei der Kontrolle der verwaltungsinternen «Aktion Aufgabenüberprüfung in der Bundesverwaltung» hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates dies ausdrücklich festgehalten und eine Verfeinerung der Methoden für die Überprüfung der Verwaltungseffizienz gefordert (Amtl. Bull. N 1985 1049 ff.

1052).

: Schliesslich werden die Anforderungen an die Geschäftsprüfungskommissionen im Anschluss an die Abklärung der Vorkommnisse im Eidgenössischen Justizund Polizeidepartement (EJPD) durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) in doppelter Weise erhöht: Zum einen verlangt die PUK, dass die Einsichtsrechte der Geschäftsprüfungskommissionen verschärft werden, damit Geheimbereiche besser kontrolliert werden können. Zum andern aber verlangt die PUK auch eine umfassende Aufgabenüberprüfung im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle. In ihrem Bericht über Vorkommnisse im EJPD vom 22. November 1989 hält die PUK als eine der wesentlichsten Kritiken z.B. fest, dass die Bedrohungssituation der Schweiz falsch eingeschätzt worden ist und neu beurteilt werden muss. Gefordert ist damit eine Überprüfung der Aufgaben der Bundespolizei durch den Bundesrat und eine entsprechende Kontrolle durch das Parlament.

Wenn in diesem Bereich die parlamentarische Kontrolle verbessert werden soll, erfordert dies eine Verstärkung nach zwei Richtungen: - Die Hilfsmittel der parlamentarischen Oberaufsicht müssen so angepasst werden, dass das Parlament seine Kontrolle auf die wesentlichen Fragen einer Aufgabenüberprüfung ausrichten kann.

- Die Informationsrechte
des Parlamentes müssen so ausgestaltet werden, dass es ein gleichwertiger Gesprächspartner des Bundesrates sein kann.

Die Schaffung einer parlamentarischen Fachstelle für Verwaltungskontrolle, wie sie hier vorgeschlagen wird, dient dem ersten Zweck, die Verstärkung der Rechte der Geschäftsprüfungskommissionen dem zweiten. Dieses Anliegen ist Gegenstand einer Initiative der parlamentarischen Untersuchungskommission (S 89.243 Pa. Iv. Geschäftsprüfungskommission. Bildung einer Delegation).

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Ergebnisse der Abklärungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen ' '

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Verwaltungskontrolle im Ausland

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates hat beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung eine Studie über die Instrumente der parlamentarischen Verwaltungskontrolle im Ausland erstellen lassen, welche mit der hier vorgeschlagenen Fachstelle vergleichbar sind. Das Institut hat sich näher mit den Institutionen in den Vereinigten Staaten, Schweden, Italien, Kanada, Frankreich und Deutschland auseinandergesetzt. Interessante Hinweise ergeben sich teils aus Schweden und Kanada, vor allem aber aus den Vereinigten Staaten: : , In Schweden wählt das Parlament eine Delegation von zwölf Mitgliedern, welche aufgrund eines Verfassungsauftrages die gesamte Tätigkeit der Verwaltungsdienste (mit Ausschluss der Regierungs- und Ministerebene) zu überwachen haben. Ursprünglich wirkten diese Delegierten vor allem als Rechnungsrevisoren. Heute prüfen sie auch, ob die Behörden die Gesetze auf wirksame Weise anwenden, ob die Verwaltungsdienste eine befriedigende Leistung erbringen, ob die bewilligten finanziellen Mittel den vom Parlament vorgegebenen Zielen dienen und ob die Verwaltungsmassnahmen geeignet sind, die gesetzlichen Ziele zu verwirklichen. Die Delegierten befassen sich nicht nur mit Einzelproblemen, sondern auch mit ganzen Aufgabenkomplexen, z. B. der Politik der Asylgewährung oder der Regionalpolitik (schwedischer Name der Institution: Riksdagens Revisorer). Die Institution des Ombudsmanns interessiert hier weniger, weil dieser vom Parlament keinerlei Aufträge oder Weisungen entgegennimmt.

In Kanada verfügt das Parlament über das Amt eines Generalinspektors mit hoher Autonomie und weitgehenden Untersuchungskompetenzen. Primär obliegt ihm die Finanzkontrolle der Bundesverwaltung, doch beurteilt er über die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Ausgaben hinaus auch idie Wirksamkeit der Verwaltungsmassnahmen. Seine Auskunftsrechte sind unbeschränkt und durch das Recht zur Zeugeneinvernahme abgestützt. Er erstattet dem Parlament jährlich oder aus besonderem Anlass Bericht über seine Arbeit (Name der Institution in Kanada: Vérificateur général/Auditor General).

Daneben verfügt Kanada über sehr stark ausgebaute verwaltungsinterne Kontrollstellen. So ist der Rat des Schatzamtes eine Kommission im Ministerrang mit weitgehenden Zuständigkeiten. Er bestimmt die Ausrichtung der Tätigkeit der
Bundesverwaltung im grossen, übt die Kontrolle über die Verwaltungseinheiten aus und wacht über den Finanzhaushalt. Der Rat ist zuständig, die Zielsetzungen einzelner Verwaltungszweige durch den; Erlass allgemeiner Verwaltungsnormen festzulegen und zu bestimmen, wie die Ergebnisse des Verwal-

'' Nationalräte Seiler Rolf (Vorsitz), Jeanneret, Leuenberger Moritz (ersetzt durch Eggenberg-Thun, dann Brügger), Rutishauser (ersetzt durch Tschuppert); Ständeräte Iten, Zumbühl (ersetzt durch Simmen).

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tungshandelns anhand dieser Normen beurteilt werden sollen (Name der Institution in Kanada: Conseil du trésor/Tresory Board).

Am weitesten entwickelt ist die parlamentarische Verwaltungskontrolle in den Vereinigten Staaten. Das Beispiel ist trotz der ungleichen Grössenverhältnisse besonders interessant, weil die verfassungsrechtliche Struktur hier in wesentlichen Aspekten mit der unsrigen vergleichbar ist (Föderalismus, Gewaltenteilung, Zweikammersystem). Grenzen der Übertragbarkeit liegen freilich insbesondere im Präsidialsystem und in der völlig verschiedenen politischen Kultur.

Besonders ergiebig für die parlamentarische Verwaltungskontrolle ist das «General Accounting Office» (GAO), eine weiterentwickelte Finanzkontrolle in der Hand des Kongresses. Im Gegensatz zu früher prüft das GAO heute auch die Zweckmässigkeit des Verwaltungshandelns und führt Erfolgskontrollen aufgrund von vorgegebenen Zielsetzungen durch. Das GAO handelt im wesentlichen im Auftrag der parlamentarischen Kommissionen und in enger Verbindung mit ihnen. Es prüft für sie die Wirksamkeit der Gesetze im Laufe ihres Vollzuges und erarbeitet Stellungnahmen zu Lösungsvorschlägen im Rahmen der Gesetzgebung. Es stellt in diesem Zusammenhang auch Machbarkeitsstudien zu geplanten Projekten.

Gegenstand der Prüfung durch das GAO sind insbesondere folgende Fragen: Übereinstimmung der Mittel des Vollzuges mit den einschlägigen Gesetzestexten; Angemessenheit der Resultate im Lichte der vom Gesetzgeber festgelegten Ziele ; Möglichkeiten, die gleichen Ziele kostengünstiger zu erreichen ; wirtschaftlicher Einsatz der öffentlichen Mittel; Zuverlässigkeit und Wahrheitsgehalt der Information, die der Kongress erhält.

Die Verwaltungsdienste sind ausnahmslos verpflichtet, dem GAO alle verlangten Auskünfte zu erteilen. Die Mitarbeiter des GAO haben das Recht, Beamte zu befragen, Akten herauszuverlangen. Inspektionen durchzuführen und Berichte oder schriftliche Antworten einzufordern. Die Exekutive kann allerdings die Aktenherausgabe unter Berufung auf das «Exekutivprivileg» verweigern, woraus sich ein Streit bis vor das oberste Gericht der Vereinigten Staaten entwickeln kann.

Das GAO nimmt seine Prüfungen in der Regel selbständig wahr und liefert dem Parlament seine Berichte ab, es kann jedoch auch von Kommissionen als «Zeuge» befragt werden
oder einen Experten an einer Inspektion einer parlamentarischen Kommission mitwirken lassen.

.i Die Kontrolle des GAO beschränkt sich nicht auf nachträgliche Überprüfung von Verwaltungsentscheiden, sondern erstreckt sich auch auf präventive und laufende Verwaltungskontrollen.

Das GAO hat keine Weisungsbefugnisse, sondern kann bloss Empfehlungen aussprechen. Die betroffene Verwaltung ist allerdings verpflichtet, dem Kongress über die getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten. Das GAO veröffentlicht die von der Verwaltung nicht befolgten Empfehlungen.

Die Mitarbeiter des GAO (ungefähr 5100!) unterstehen personalrechtlich einem Sonderstatut, das ihnen die nötige Autonomie sichert.

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Verwaltungskontrolle in den Kantonen

Die kantonalen Parlamente verfügen nicht über Hilfsinstrumente, welche mit der vorgeschlagenen Fachstelle verglichen werden könnten. Dies zeigt sich beispielsweise an den Kantonen Zürich und Bern: Im Kanton Zürich ist, wie Kantonsrat Bachmann, Präsident der Geschäftsprüfungskommission, der Arbeitsgruppe erläutert hat, die Arbeit vom persönlichen Einsatz der Kommissionsmitglieder abhängig. Die Kommission hat kein Sekretariat und keine besonderen Hilfsmittel, um die kantonale Verwaltung zu beaufsichtigen, die immerhin rund 27 000 Beamte umfasst.

Im Kanton Bern wird als Folge der Finanzaffäre die parlamentarische Verwaltungskontrolle verstärkt. Dies geschieht unter anderem durch Massnahmen wie die Schaffung eines Kommissionendienstes (Ratssekretariat), eines Grossratsrevisorates oder durch die Kompetenz der neugeschaffenen Geschäftsprüfungskommission zur Prüfung der Wirksamkeit der Staatsverwaltung und ihrer Massnahmen aufgrund der regierungs- und grossrätlichen Zielsetzungen. Ebenso soll der Regierungsrat auf dem Wege über eine Motion neu beauftragt werden können, die Auswirkungen von Beschlüssen und Erlassen des Grossen Rates zu untersuchen (Programmevaluation).

Wie der Leiter des Projekts EFFISTA in der bernischen Kantonsverwaltung, Herr Hablützel, vor der Arbeitsgruppe dargelegt hat, orientiert sich dieses Projekt in zunehmendem Ausmass an der Wirkungskontrolle und an der Förderung eines Lernprozesses im gesamten politischen System. Herr Hablützel sieht für die moderne Verwaltungskontrolle die neue Aufgabe, Parlament, Regierung und Verwaltung lernfähig zu machen. Kontrolle soll nicht in belehrender Weise Mängel feststellen und Verbesserungen fordern, sondern durch kritisches Fragen den Prozess der Selbstkontrolle auslösen und gelungene Korrekturen belohnen. Neben der Frage: «Tun wir die Dinge richtig?» geht es dabei auch um die Frage: «Tun wir die richtigen Dinge?» Der Regierungsrat des Kantons Bern hat in seinem Zwischenbericht vom 16. März 1988 zum Projekt EFFISTA sechs Leitsätze formuliert, von denen drei in besonderem Mass das Thema Verwaltungskontrolle betreffen: Leitsatz l: Effizienz und Effektivität Regierung und Verwaltung wollen ihre Aufgaben effizient und wirksam erfüllen. Das Ergebnis des Verwaltungshandelns muss den politisch gesetzten Zielen entsprechen und sollte zudem in einem
vernünftigen Verhältnis zum Aufwand stehen. Zu diesem Zweck ist neben der traditionellen Inputsteuerung der Outputorientierung starkes Gewicht beizumessen.

Leitsatz III: Lernfähigkeit und Flexibilität Regierung und Verwaltung sind bestrebt, die Lernfähigkeit des politischen Systems zu verbessern. Die Erfahrungen aus dem Vollzug staatlicher Normen und Programme müssen aufgearbeitet und direkter im politischen Willensbildungsprozess eingebracht werden. Die Strukturen der Verwaltung sind flexibler zu gestalten.

Leitsatz V: Fühmng und Delegation Regierung und Verwaltung versuchen, die immer komplexeren Probleme mit Hilfe einer neuen Führungsphilosophie anzugehen. Es sind dazu mo-

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derne Führungs- und Kontrollinstrumente zu entwickeln. Gleichzeitig müssen die Kompetenzen soweit als möglich nach unten delegiert werden.

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Systemprüfung in der Privatwirtschaft

Aufgrund der Erfahrungen der Allgemeinen Treuhand AG hat Herr Foretti der Arbeitsgruppe die Entwicklung der Systemprüfung in der Privatwirtschaft dargestellt und Schlussfolgerungen für die Kontrolle der Verwaltung gezogen. In den grossen Unternehmungen besteht neben der Finanzkontrolle, die sich mit der Prüfung des rechnungsmässigen Ergebnisses befasst, eine meist getrennte Stelle, die sich mit der Kontrolle und Bewertung der Leistungen der einzelnen Unternehmenszweige, mit der Plankontrolle und mit der Prüfung des Führungssystems befasst. Im Gegensatz zur Ergebnisprüfung geht es hier um qualitative Fragen. Die Systemprüfung bezweckt die Beurteilung von Ursachen und die Verbesserung von Tätigkeiten in der Unternehmung. Neben der Rückschau umfasst sie auch die prospektive Analyse. Ihre Massstäbe entnimmt sie den Prinzipien der Unternehmungsführung. In der Analyse stützt sie sich auf betriebswirtschaftliche Methoden. Im einzelnen überprüft sie Sorgfalt, Richtigkeit und Leistungsfähigkeit der Funktionsbereiche der Unternehmung, die Angemessenheit von Organisationsstruktur, Führungsrahmen und Führungsrhythmus, ferner Umfang und Qualität der entscheidungsorientierten Informationen sowie den Erfüllungsgrad der unternehmungsinternen Standards und der rechtlichen Vorschriften.

Die Aufgaben der Verwaltungskontrolle umschreibt der Experte wie folgt: - Überprüfung der Aufgaben selber, der Verhältnismässigkeit von Aufwand und Leistung der Verwaltung, des Erfüllungsgrades der Aufgaben, der Zielsetzungen und der Leistungsmassstäbe, die der Verwaltung vorgegeben sind, sowie der Ablauf organisation; - Konzeption und Durchsetzung von Leistungsmassstäben und Zielsetzungen für die Aufgabenerfüllung; - Konzeption und Durchsetzung von Kontrollfunktionen in den einzelnen Departementen ; - Standortstudien und Risikoanalysen; - Entwicklung und Anwendung von modernen Management-Techniken.

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Der Beitrag der Verwaltungswissenschaften

Die Möglichkeiten einer Fachstelle für Verwaltungskontrolle im Bund sind erstmals von Frau Nugent, BFO, im Anschluss an den Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates über die Verwaltungsaufsicht im November 1986 skizziert worden. Im Verhältnis zu den bisherigen Organisationsüberprüfungen soll sich eine Fachstelle für Verwaltungskontrolle mit übergeordneten Fragestellungen, befassen (Überprüfung der Effizienz und Wirksamkeit) und insbesondere die Kontrolle der Rechtmässigkeit der Verwaltungswirkungen, die Kontrolle der Richtung der Verwaltungstätigkeiten anhand der politischen Zielsetzungen, die Kontrolle der Verwaltungsprozesse und die traditionelle Kontrolle der eingesetzten Mittel (Ressourcenkontrolle) umfassen. Im Gegensatz zu 1073

heute soll die Kontrolle nicht nur die Mittel und Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung beschränken, sondern vermehrt auf die Wirkungen der Verwaltungstätigkeiten und ihre Vernetzung abstellen. Die Evaluation der Wirkungen bisherigen Verwaltungshandelns soll auf diese Weise die künftigen Handlungsprogramme beeinflussen.

Zur Verwirklichung dieses Vorschlages sollte die Verwaltung verschiedene Leistungen erbfingen, insbesondere die Formulierung von Leistungszielen (z. B.

Jahresprogramme) für die Verwaltungstätigkeiten, das Aufstellen von Zielen für die Dienststellen der Verwaltung, die Verbesserung des Informationswesens und die Entwicklung eines Kostenrechnungssystems. Für die Überprüfung übergreifender Problemstellungen sind Methoden der modernen Verwaltungswissenschaft einzusetzen.

Das Schwergewicht der Arbeit der Verwaltungskontrollsteile liegt nach diesem Vorschlag in der Überprüfung übergreifender Problemstellungen im Auftrag von Bundesrat oder Geschäftsprüfungskommissionen, doch unterstützt die Stelle dièse auch bei der Vorbereitung, Abwicklung und Auswertung von Inspektionen und betreut Spezialaufträge externer Firmen zu Fragen, zu deren Beantwortung Spezialwissen erforderlich ist.

Teile dieses Vorschlages sind bereits im Rahmen der Projekte EFFI und EFFI-QM verwirklicht worden.

Professor Freiburghaus, Lausanne, hat der Arbeitsgruppe einen Überblick über die Methoden der Evaluation von Verwaltungshandeln aus der Sicht der Politik- und Verwaltungswissenschaft vermittelt. Danach werden grundsätzlich drei grosse inhaltliche Bereiche der Kontrolle des Verwaltungshandelns unterschieden: Die Kontrolle des Verwaltungsmanagements (Überprüfung der Aufbauund Ablauf Organisation), die Kontrolle des Politikvollzugs (Kontrolle der Strategien und der Vernetzungen des Verwaltungshandelns) und die Wirkungskontrolle (Evaluation der Wirkungen und Erfolge einer Bereichspolitik).

Die Managementkontrolle betrifft den Bereich der traditionellen Verwaltungsführung und hat die Organisationsüberprüfung, die Überprüfung des Personaleinsatzes, der Projekt- und Ablaufplanung sowie der Aufgabendurchführung zum Gegenstand. Damit befassen sich die Managementlehre als besonderer Zweig der Betriebswirtschaftslehre und die Verwaltungswissenschaft. Die Vollzugskontrolle beschlägt die Probleme einer zielgerichteten
Koordination der Handlungen einer Vielzahl von mehr oder weniger autonomen Stellen und Fragen der Zweckmässigkeit (Vollzugsstrategien) in diesem Umfeld. Es geht dabei insbesondere um die Prüfung der föderalistischen Verflechtungen, der Rollenverteilung zwischen staatlichen und privaten Funktionsträgern, die Kontrolle der Zweckmässigkeit von Anreizsystemen und die Prüfung der Lernfähigkeit des Vollzugssystems insgesamt. Hier sind die Methoden der Implementationsforschung einzusetzen.

Die Wirkungskontrolle befasst sich mit den Gründen für Erfolg oder Misserfolg einer Politik. Evaluiert werden die Zielerreichung und die Effizienz staatlichen Handelns. Dabei geht es vor allem um die Zielüberprüfung, die Wirkungskontrollen, die Zielerreichungs- oder Effektivitätskontrollen und die Überprüfung der Effizienz. Anzuwenden sind hier die Methoden der Evaluationsforschung.

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:

Der Experte hebt hervor, dass sich die Methoden dieser Wissenschaften gegenwärtig noch in starker Entwicklung befinden. Sie setzen nicht etwa der Verwaltungserfahrung eine «wissenschaftliche Wahrheit» gegenüber, sondern dienen als Mittel, um die Fähigkeit der Verwaltung, zu lernen, zu kommunizieren und Konflikte auszutragen, zu verbessern. Um wirksam zu sein, sollten die Fachleute, welche solche Prozesse in der Verwaltung auslösen und begleiten, einerseits von der betroffenen Vollzugsbehörde unabhängig sein, andrerseits vertrauensvoll mit ihr zusammenarbeiten. Im Auftrag des Parlamentes können sie einen wesentlichen Beitrag zu einer Verwaltungskontrolle leisten, die den Aufgaben des heutigen Staates angemessen ist.

Die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen hat die Frage geprüft, ob vor dem Entscheid über die Schaffung einer Fachstelle für Verwaltungskontrplle noch zusätzliche wissenschaftliche Studien erforderlich seien. Sie hat dazu von zwei Seiten Vorschläge eingeholt (vom Institut de Hautes Etudes en Administration Publique (IDHEAP) in Lausanne und von Prof. Dr. Franz Xaver Kaufmann in Bielefeld, Bundesrepublik Deutschland). Die beiden angefrägten Stellen wären in der Lage gewesen, eine Literaturstudie zum methodischen Angebot der Verwaltungswissenschaften zum Thema Verwaltungskontrolle zu erstellen. Das Lausanner Institut hätte überdies einen Praxisvergleich zwischen ausländischen Stellen der Verwaltungskontrolle durchführen können. Als wenig sinnvoll hat es die Entwicklung abstrakter Modellvarianten für die Lösung in der Schweiz betrachtet. Dazu müssten konkrete Überlegungen unter Beizug von Wissenschaftern durch Ratsmitglieder selber angestellt werden.

Angesichts der Dringlichkeit, mit welcher der Bundesrat Ende 1988 den Themenkomplex der Zukunft des Bundesamtes für Organisation (Schaffung einer Fachstelle für Verwaltungskontrolle, Bildung eines Bundesamtes für Informatik, Zukunft der Beraterfunktion des Organisationsamtes) zu entscheiden gedachte, verzichtete die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissipnen auf eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Abklärungen. Die Arbeitsgruppe war - und ist auch heute noch - aufgrund der gewonnenen Informationen überzeugt, dass die Verwaltungswissenschaften einen nützlichen Beitrag zur Verwaltungskontrolle leisten können. Sie glaubt,
dass die Entwicklung der entsprechenden Methoden in pragmatischer Weise von der Fachstelle selber zu leisten sein wird.

Die ausländischen Beispiele,;wie sie bereits in der rechtsvergleichenden Studie dargestellt worden sind, liefern wertvolle Hinweise für die Ausgestaltung der Verwaltungskontrolle, erfordern jedoch nicht die Entwicklung von Modellvarianten, die über das hinausgehen, was im folgenden dargestellt werden kann.

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Verwaltungsinterne Untersuchungen

Bei der Erarbeitung des Massnahmenkataloges zum Projekt EFFI/QM hat die Firma MC Kinsey ein Teilprogramm über die Verwaltungskontrolle vorgeschlagen. Ziel des Programms wäre die Schaffung einer Fachstelle für Verwaltungskontrolle gewesen, welche sowohl bereichsbezogen als auch aufgabenbezogen Wirksamkeit und Effizienz der Verwaltungstätigkeit hätte überprüfen sollen.

Ihre Hauptaufgaben wären gewesen: Die Identifikation nicht mehr prioritärer 1075

Aufgaben im Rahmen einer rollenden Aufgabenüberprüfung, die Prozesskontrolle, die Kontrolle der Rechtmässigkeit im Sinne der Übereinstimmung des faktischen Zustandes mit den rechtlichen Vorgaben sowie die Richtungskontrolle. Die Fachstelle wäre sowohl dem Bundesrat wie den Geschäftsprüfungskommissionen unterstellt worden.

Der Bundesrat hat es jedoch abgelehnt, dieses Thema der Firma MC Kinsey zur weiteren Bearbeitung zu übertragen. Statt dessen hat er eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers und unter Mitwirkung der meisten Generalsekretäre der Departemente eingesetzt. Die Firma MC Kinsey ist mit den verwandten Themen der Aufgabenüberprüfung beim Bundesamt für Organisation und der Schaffung eines Bundesamtes für Informatik beauftragt worden.

Die Arbeitsgruppe schlägt die Schaffung einer Dienststelle für die Verwaltungskontrolle als Hilfsorgan des Bundesrates vor. Diese Stelle soll sowohl die Wirksamkeit als auch die Wirtschaftlichkeit der gesamten Verwaltungstätigkeit überprüfen, wobei departementsübergreifende Fragen im Vordergrund stehen. Neben den traditionellen Kontrollen der Organisation, des Prozesses und der Ressourcen sowie der Vollzugskontrolle soll die S(telle neu vor allem Fragen der Führung, der Konzeption und der materiellen Aufgabenerfüllung bearbeiten.

Damit werden die Richtungskontrolle sowie eine auf Zielkonformität und Aufgabenüberprüfung angelegte Wirksamkeits- und Effizienzkontrolle eingeschlossen. Nach Auffassung der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe kann diese Dienststelle nur dann effizient, koordiniert und selbst auch wieder kontrolliert arbeiten, wenn sie einer einzigen Behörde direkt unterstellt ist. Diese Behörde muss der Bundesrat sein. Die Arbeitsgruppe würde es begrüssen, wenn die Dienststelle auch ausschliesslich für den Bundesrat tätig wäre, weil sich dann für die Umschreibung von Zuständigkeit und Verantwortung keine Probleme stellen würden. Mit Rücksicht auf den Informationsbedarf des Parlamentes fragt sich die Arbeitsgruppe jedoch, ob die Dienststelle nicht auch gewisse Bedürfnisse der parlamentarischen Kontrollinstanzen abdecken könnte. Sie schliesst diese Möglichkeit nicht im vornherein aus, sieht aber die Möglichkeit eines reibungslosen Einsatzes nur dann gegeben, wenn allfällige Abklärungsbegehren parlamentarischer Instanzen
stets dem Bundesrat überwiesen und von diesem der Verwaltungskontrollstelle in Auftrag gegeben werden. Dies würde ein vorgängiges Gespräch zwischen Bundesrat und Parlament über Umfang und Zielrichtung des Auftrags gestatten.

Die Firma MC Kinsey setzt bei der Weiterbearbeitung der ihr übertragenen Teilaufgaben voraus, dass eine Fachstelle für Verwaltungskontrolle im Sinne ihrer ersten Vorschläge geschaffen wird. Insbesondere weist sie dieser Stelle auch die zentralen Kontrollfunktionen im Bereich der Informatik zu.

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Erwägungen der Geschäftsprüfungskommissionen zur Aufgabe der demokratischen Verwaltungskontrolle

Zu Beginn und Ende ihrer Abklärungen hat die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen je eine Aussprache mit Delegationen des Bundesrates 1076

durchgeführt. Dabei sind gegen die Schaffung einer - allenfalls für Parlament und Bundesrat gemeinsam arbeitenden - Fachstelle für Verwaltungskontrolle Bedenken eingewendet worden, die auf Missverständnissen beruhen. So wird Verwaltungskontrolle einseitig auf den Inhalt der Dienstaufsicht des hierarchisch Vorgesetzten im Rahmen seiner Führungsverantworturig beschränkt, oder es wird das Verhältnis von Parlament und Bundesrat auf die Summe der je zugeteilten Entscheidungskompetenzen zu einzelnen Staatsgeschäften reduziert und die Zuordnung dieser Einzelkompetenzen zu einer staatlichen Gesamtverantwortung vernachlässigt. Dies macht es erforderlich, hier einige grundsätzliche Erwägungen zur demokratischen Verwaltungskontrolle anzustellen, d. h.

zum Verständnis von Kontrolle als Staatsfunktion in der Demokratie.

Sinn und Inhalt der parlamentarischen Verwaltungskontrolle hängen stark vom Staatsverständnis ab, das zugrunde gelegt wird. In Lehre und Praxis werden vor allem zwei Standpunkte vertreten. Der eine fusst auf einer rechtsstaatlichen, der andere auf einer demokratischen Argumentation: Nach liberaler Tradition hat der moderne Staat in Abgrenzung zum feudalistischen Ständestaat die Aufgabe, personenbezogene Staatsmacht durch die Herrschaft des Gesetzes zu ersetzen, das heisst, Machtausübung durch ihre Bindung an den allgemeinen und abstrakten Rechtssatz zu neutralisieren. Das Parlament ist jene Instanz, welche politische Macht in Rechtsregeln fassen soll, die Freiheit und Eigentum der Individuen in gleicher, optimaler Weise sichern. Die Rechtsetzungsfunktion des Parlaments wird auf dièse Weise rechtsstaatlich begründet. Nach dem Rechtsstaatsgedanken vertritt die Legislative den Standpunkt des Rechts gegenüber der Exekutive, welche jenen der Politik wahrnimmt. Entsprechend dient die Gewaltenteilung primär der Begrenzung der Regierungsgewalt durch die Gewalten der Rechtsetzung und Rechtsprechung. Verwaltungskontrolle dient der Nachprüfung der Frage, ob Regierung und Verwaltung sich an diese Begrenzung gehalten haben.

Dieses Bild entstammt und entspricht vor allem demjenigen der konstitutionellen Monarchie deutscher Prägung. Die Volksvertretung wahrt danach die Interessen der Bürger gegenüber dem Monarchen, indem sie diesen auf Rechtsstaat, Gesetz und Budget verpflichtet.

Der rechtsstaatlichen
Begründung steht die demokratische Begründung von Parlament, Gewaltenteilung und Verwaltungskontrolle gegenüber: Das Parlament dient hier nicht nur den Rechten der Bürger, die es gegenüber der politischen Macht vertritt, sondern ebenso dem Gemeinwohlinteresse, das es im Namen (und unter Mitwirkung) aller zu formulieren hat. Das Parlament ist selber politische Macht und hat Teil an den Funktionen der Staatsleitung und Regierung. Entsprechend dient die Gewaltenteilung nicht nur der Machtbegrenzung im Dienste der individuellen Freiheit, sondern auch der Herstellung eines demokratisch begründeten Zusammenspiels der Institutionen der Staatsleitung.

Verwaltungskontrolle ist aus dieser Sicht eine Form des Zusammenwirkens der Gewalten auf der Grundlage demokratischer Legitimation.

Geschichte und Verfassung unseres Bundesstaates weisen deutlich auf eine Verbindung der beiden Gedankengänge. Werden somit rechtsstaatliche und demokratische .Begründung gleichermassen beigezogen, um die Aufgaben der parla-

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mentarischen Verwaltungskontrolle innerhalb der Staatsleitung zu umschreiben, dann erhält die Parlamentsaufsicht den Charakter einer Tendenzkontrolle mit Präventivwirkung für die Regierungs- und Verwaltungsaufgabe. Das Demokratieprinzip verlangt diese Kontrollform als die der konkreten Kompetenzordnung angemessene Art demokratischer Partizipation in jenem Teil der Regierungsuhd Verwaltungsaufgabe, der in die primäre Verantwortung der Exekutive gelegt ist. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt von der Parlamentsaufsicht die Geltendmachung und Durchsetzung von Verantwortlichkeiten der Exekutive in ihrer Machtausübung gegenüber dem Bürger, wo dieser selber keine durchsetzbaren Rechtsmittel hat. Parlamentarische Kontrolle soll die Lücke füllen, die nach unserer Kompetenz- und Verfahrensordnung zwischen dem Bereich der demokratischen Mitbestimmung durch die Allgemeinheit und jenem der rechtsstaatlichen Teilnahme des Einzelnen am Verwaltungsverfahren besteht.

Unsere Staatsorganisation kennt einerseits eine möglichst klare Kompetenzordnung, die den einzelnen Gewalten im Staat konkrete Entscheidungsbefugnisse zuteilt, anderseits eine Zuordnung dieser Funktionen zur Staatsleitung. Diese ist eine gemeinsame Verantwortung von Parlament und Bundesrat. Die Mitwirkungs- und Entscheidungskompetenzen der einzelnen Behörden sind im Verhältnis dazu Mittel zur Erfüllung der gemeinsamen Staatsaufgabe. Diese erfordert ein vielfältiges Zusammenspiel von Bundesversammlung und Bundesrat.

Es reicht yon der Planung über die Gesetzgebung und die Führung des Finanzhaushaltes bis zur Verwaltungskpntrolle - und schliesst überall sowohl ein Miteinander wie ein Gegeneinander der beiden Gewalten ein.

Demokratische Verwaltungskontrolle erfordert in diesem Zusammenhang die Mitwirkung jeder der beiden Gewalten, je von ihrem Standpunkt und aus ihren Kompetenzen heraus. Notwendigerweise ist die Rolle des Parlaments in diesem Bereich auf Mitsprache beschränkt: auf ein Gespräch unter den Gewalten. Gegenstand dieses Gesprächs ist die Frage, ob Bundesrat und Verwaltung ihre Aufgabe erfüllen,; das heisst die Rechenschaftsablage über die Ausübung der Exekutivkompetenzen. Für die parlamentarische Kontrolle ist dabei nicht die einzelne Leistung oder der einzelne Fehler wichtig, sondern die daraus allenfalls erkennbare Richtung der Verwaltungspraxis. Dabei
geht es auch nicht um «Eingriffe» auf der Ebene der Entscheidungskompetenzen: Parlamentarische Verwaltungskontrolle spielt sich nicht im Teilschritt «Entscheidung» des staatlichen Handelns ab, sondern in jenem der «Rückkoppelung». Die Verantwortung für die Lehren, die daraus gezogen werden, richtet sich nach der konkreten Kompetenzordnung: Das Kontrollgespräch mündet aus in selbständige Entscheide von Bundesrat oder Parlament, je in ihrem Zuständigkeitsbereich/Es ist aber ein wichtiges Element der Koordination dieser partiellen Staatsfunktionen zu einem Ganzen.

Die doppelte Bedeutung von Kontrolle im rechtsstaatlichen und im demokratischen .Sinne wird im Begriff des Kontroll-Gesprächs ausgedrückt: Politische Verwaltungskontrolle ist einerseits die Forderung nach Rechenschaft über die Ausübung der übertragenen Zuständigkeiten, anderseits demokratisches Gespräch über die Erfüllung von Staatsaufgaben. Im einen Teil ist natürlicherweise eine Spannung zwischen Parlament und Bundesrat angelegt, im andern eine Gemeinsamkeit in Zielsetzung und Optik. Diese Gemeinsamkeit der Optik von

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Bundesrat und Parlament sollte im Rahmen der Tendenzkontrolle vermehrt zum Zuge kommen. Die fachliche Unterstützung der parlamentarischen Verwaltungskontrolle auf grundsätzlicher Ebene soll eine Gesprächsgrundlage schaffen, auf der Bundesrat und Parlament sich vermehrt über Ziel, Sinn und Mittel der Staatsverwaltung verständigen können.

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Erwogene Lösungsvarianten

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Überblick

Die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen hat zwei grundsätzliche Modelle und je verschiedene Untervarianten geprüft: - Zum einen kann für das Parlament eine eigene Stelle geschaffen werden, die im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen (ev: der Kontrollkommissionen) arbeitet. (Hier ist denkbar, dieser Stelle ein eigenes gesetzliches Statut zu verschaffen, das ihre Stellung gegenüber der Verwaltung umschreibt, oder sie im Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen zu integrieren); der Bundesrat kann daneben für seine Bedürfnisse eine ähnliche Stelle errichten.

- Zum andern kann für Parlament und Bundesrat eine gemeinsame Stelle geschaffen werden, der gesetzlich eine ähnliche Unabhängigkeit verliehen wird, wie der Eidgenössischen Finanzkontrolle (hier ist denkbar, ein selbständiges Amt bei der Bundeskanzlei oder in einem Departement mit Querschnittsaufgaben zu schaffen, oder eine Abteilung bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle zu errichten, die direkt mit den Geschäftsprüfungskommissionen verkehrt).

Sowohl die gemeinsame Arbeitsgruppe wie die beiden Geschäftsprüfungskommissionen haben sich zuerst aus sachlichen Gründen für eine gemeinsame Fachstelle ausgesprochen. Da die Einwände der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte den Bundesrat bewegen haben, auf die vorbereitete Botschaft zu verzichten, haben sich die Kommissionen nun für die Schaffung einer parlamentseigenen Stelle entschieden.

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Gründe für eine gemeinsame Fachstelle

Auf den ersten Blick scheint sich für die Stärkung der Verwaltungskontrolle die Schaffung zweier getrennter Fachstellen für Bundesrat und Parlament aufzudrängen. Diese Auffassung ist zum Teil auch von Seiten des Bundesrates in den Gesprächen mit der Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen vertreten worden: Die Vorstellung von Kontrolle als Bestandteil der Führung verleitet zur Forderung, der 1 Bundesrat müsse über ein eigenes Kontrollinstrumentarium verfügen; der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung legt nahe, dem Parlament Kontrollmittel in die Hände zu geben, die von der Exekutive völlig unabhängig sind. Eine Stelle, die beiden Gewalten gemeinsam dient, weckt den Verdacht einer Verwischung der Verantwortlichkeiten und einer Verletzung der Gewaltenteilung. Denn die Aufsicht, die der Bundesrat nach 1079

Artikel 102 Ziffer 15 BV über die Geschäftsführung aller Beamten und Angestellten der Eidgenössischen Verwaltung ausübt, ist wesensverschieden von der Oberaufsicht des Parlamentes nach Artikel 85 Ziffer 11 BV über die eidgenössische Verwaltung: Die Aufsicht des Bundesrates ist Ausfluss seiner Verantwortung für das Handeln der Beamten und daher unmittelbar mit Entscheidungskompetenzen und Weisungsbefugnissen gekoppelt. Demgegenüber bezieht sich die Oberaufsicht des Parlamentes nicht auf die Personen, sondern auf die von ihnen wahrgenommenen Staatsfunktionen und besitzt eher den Sinn von Rückmeldungen aus der Praxis zuhanden der gesetzgebenden Behörde und der Öffentlichkeit. Aus dieser Unterschiedlichkeit wird gerne ein Primat der Aufsicht des Bundesrates gegenüber der subsidiären Oberaufsicht des Parlamentes abgeleitet. Daraus wird beispielsweise gefordert, dass eine Fachstelle für Verwaltungskontrolle festgestellte Schwächen nicht den Geschäftsprüfungskommissionen, sondern nur dem Bundesrat mitteilen dürfe.

Diese Betrachtungsweise ist insofern richtig, als sie den Bereich der Dienstaufsicht der Ämter und Departemente über die ihnen unterstellten Beamten betrifft. Hier sollen aber die departementsinternen Kontrollkonzepte zum Spielen kommen, welche die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates in ihrem Bericht über die Verwaltungsaufsicht vom 19. November 1986 verlangt hat (BB1 1987II 718 ff 729). Im Rahmen dieser vorgelagerten, internen Verwalturigskontrolle müssen Kontrollinstrumente eingesetzt werden, die in den Geschäftsablauf integriert sind und «ausschliesslich in der Hand der verantwortlichen Linieninstanzen liegen». Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates hat hierzu in ihrem Bericht über die Verbesserung der Verwaltungskontrolle vom 12. November 1987 (BB1 1988 II 665 ff 750) erklärt, an dieser Kontrolle interessiere sie primär die Gewähr, dass sie auf hinreichende und zweckmässige Weise stattfinde. Die Kommission könne sich darauf beschränken, sich nachträglich danach zu erkundigen oder inspektionsweise abzuklären, wie die Kontrollen bei einem Geschäft gespielt haben. Die Geschäftsprüfungskommissionen wollen an dieser Führungskontrolle nicht teilnehmen.

Die Kontrolle, die der Bundesrat hingegen über die Departemente ausübt, ist nur noch zum Teil eine solche Führungskontrolle,
und dieser Teil ist, soweit er in die Abwicklung der einzelnen Sachgeschäfte integriert ist, durch das Mitberichtsverfahren unter den Departementen weitgehend abgesichert (soweit auch hiefür beim Bundesrat ein Bedürfnis nach dem Beizug der Fachstelle für Verwaltungskontrolle besteht, könnte dem Bedürfnis nach vertraulichem Einsatz dieses Hilfsmittels durch eine Ausnahme von der Aktenherausgabepfiicht gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen Rechnung getragen werden).

Darüber hinaus steht dem Bundesrat über die Departemente jene politische Verwaltungskontrolle zu, die Teil der gemeinsamen demokratischen Kontrollfunktion von Regierung und Parlament ist. Hier übt er seine Rolle als verantwortliche Regierung im Zusammenspiel mit der Legislative im Hinblick auf die gemeinsame Staatsleitung aus. Politische und insbesondere demokratische Verwaltungskontrolle stellt auf dieser Ebene einen Lernprozess im Zusammenwirken der Staatsfunktionen dar und ; dient der Stärkung der Problemlösungskapazität der staatlichen Behörden insgesamt. Soll diese Funktion gestärkt werden,

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dann muss sie abgestimmt werden auf die Bedingungen unseres politischen Systems, das die Auseinandersetzung unter den Gewalten auf Konkordanz und nicht auf Konfrontation hin auslegt.

Die Erfahrungen, die mit der gemeinsamen Institution der Eidgenössischen Finanzkontrolle gemacht worden sind, sprechen für den Versuch mit einer ähnlichen Struktur für die Verwaltungskontrolle. Die Grundsätze der Unabhängigkeit und der Transparenz der Arbeit der Eidgenössischen Finanzkontrolle im Verhältnis zu Finanzdelegation wie Bundesrat haben diese Kontrollstelle wirksam davon bewahrt, von der einen oder anderen Seite grundsätzlich in Zweifel gezogen zu werden. Bei geeigneter Verfahrensregelung ist die gleiche Erwartung auch gegenüber der Verwaltungskontrollstelle begründet.

Die Geschäftsprüfungskommissionen haben freilich stets klargemacht, dass sie nicht zu jeder Bedingung bereit wären, sich mit dem Bundesrat in eine Fachstelle zu teilen. Vorbild müsste die Stellung der Eidgenössischen Finanzkontrolle bilden, die sich durch Unabhängigkeit und Doppelfunktion für beide Gewalten kennzeichnet. Die Geschäftsprüfungskommissionen müssten einen direkten und gleichwertigen Zugang zur Fachstelle haben. Würde diese nicht nur administrativ, sondern auch funktional dem Bundesrat allein unterstellt, so dass die Geschäftsprüfungskommissionen den Dienstweg über den Bundesrat einschlagen müssten, würde die Benützung der Fachstelle so schwerfällig, dass das Hilfsmittel nicht mehr gebraucht werden könnte. Ein Instrument, das von Weisungen der Exekutive abhängt, würde ferner bei kritischen Aufträgen der Geschäftsprüfungskommissionen in einen Loyalitätskonflikt geraten, der für keine Seite tragbar wäre. Das Recht des Bundesrates, Umfang und Zielrichtung der Aufträge der Geschäftsprüfungskommissionen mitzubestimmen, würde zudem die Aufsicht vom Beaufsichtigten abhängig machen. Das Kontrollgespräch unter den Gewalten würde dadurch verzerrt, dass der Bundesrat Art und Umfang der Information bestimmen könnte, die die parlamentarische Kontrolle sich beschaffen dürfte. Der Einsatz der Fachstelle als Hilfsmittel von Inspektionen und zur Nachkontrolle von Ergebnissen von Inspektionen würde vereitelt.

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Gründe für eine parlamentseigene Fachstelle

Gestützt auf die vorstehenden Begehren der Geschäftsprüfungskommissionen entwarf die Bundeskanzlei im Winter 1988/89 im Auftrag des Bundesrates Botschaft und Beschlussesentwurf zu einem Gesetz über eine gemeinsame Fachstelle für Verwaltungskontrolle. Im kleinen und grossen Mitberichtsverfahren zeichnete sich eine weitgehende Einigung auf eine Lösung ab, die die beidseitigen Bedürfnisse abgedeckt hätte. Der Bundesrat selber behielt sich einen Entscheid noch vor, bis die Stellungnahmen der Geschäftsprüfungskommissionen und der Finanzdelegation vorlagen. Während die ersteren den Entwurf grundsätzlich begrüssten und nur Detailanträge stellten, erhob die letztere grundsätzliche Einwände.

Die Finanzdelegation bestritt zwar nicht die grundsätzliche Berechtigung des Begehrens der Geschäftsprüfungskommissionen nach einem Ersatz für die wegfallende Unterstützung durch das Bundesamt für Organisation. Sie bezweifelte

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aber in erster Linie die Verfassungsmässigkeit einer gemeinsamen Fachstelle von Bundesrat und Geschäftsprüfungskommissionen mit dem Hinweis auf die Kompetenzordnung und auf die unterschiedlichen Rollen von Exekutive und Legislative im Bereich der Aufsicht. Sie stellte ferner fest, dass sich die Kriterien der Verwaltungskontrolle teilweise mit solchen deckten, die auch in \der Finanzaufsicht Verwendung fänden, z.B. Wirksamkeit und Effizienz. Sie befürchtete, damit könnten deren Aufgaben betroffen werden. Zur Verhinderung solcher Überschneidungen schlug sie daher vor, auf die Schaffung einer Fachstelle für Verwaltungskontrolle zu verzichten und deren Aufgaben durch einen Ausbau ihres eigenen Hilfsmittels, der Eidgenössischen Finanzkontrolle, unter dem Titel «Controlling» abzudecken. Begründet wurde diese Lösung mit dem ganzheitlichen Charakter von Finanzaufsicht und Geschäftsprüfung. Die Finanzdelegation machte diesbezüglich jedoch keine Zusicherungen gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen, sondern schloss lediglich die Möglichkeit nicht aus, dass die Eidgenössische Finanzkontrolle bei entsprechender Anpassung der Rechtsgrundlagen auch Aufträge der Geschäftsprüfungskommissionen abdecken könnte.

Die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen prüfte diese Einwände und befand sie nicht für. stichhaltig. Als reines Informationshilfsmittel ist eine gemeinsame Fachstelle verfassungsrechtlich unbedenklich. Zudem ist zu beachten, dass, - im Gegensatz zur Finanzaufsicht - die übrige Oberaufsicht des Parlaments mit keinerlei Entscheidungskompetenzen ausgestattet ist und somit die Kompetenzordnung nicht verletzen kann: Es gehört wesentlich zur Geschäftsprüfung, dass sie zwar fast uneingeschränkte Einblicksrechte, aber keine Entscheidungsbefugnisse hat. Ihre Wirkung erfüllt sich bereits darin, dass der Bundesrat in Kommission und Parlament den Gebrauch seiner Kompetenzen begründen muss. Damit dies in einem offenen und sachlichen Gespräch geschehen kann, müssen er und die Geschäftsprüfungskommissionen möglichst über gleichwertige, zuverlässige Informationsgrundlagen verfügen. Die geplante Fachstelle soll den Geschäftsprüfungskommissionen nur dazu dienen, einen wesentlichen Teil der erforderlichen Informationen zu beschaffen. In dieser Hinsicht decken sich trotz unterschiedlicher Rolle die Bedürfnisse
von Bundesrat und Parlament. Wollte man ferner versuchen, «Überschneidungen» im Wirkungsbereich von Geschäftsprüfungskommissionen und Finanzdelegation zugunsten der letzteren zu verhindern, so müsste man nicht die Schaffung der neuen Stelle, sondern den Bestand der Geschäftsprüfungskommissionen in Frage stellen. Seit jeher haben die beiden Kontrollkommissionen das gleiche Verwaltungshandeln unter zum Teil überlappenden Gesichtspunkten - zu denen Wirksamkeit und Effizienz gehören - geprüft. Wie die Finanzdelegation in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht festhält, findet deshalb eine enge und kontinuierliche Absprache statt und die Zusammenarbeit spielt gut. Die befürchtete Überlappung ist daher weder neu noch schädlich. Der ganzheitliche Charakter der parlamentarischen Oberaufsicht verlangt keineswegs, dass die Regierungsund Verwaltungsaufgaben allein aus dem Blickwinkel der Finanzen gewürdigt werden. Dadurch würde vielmehr ein - zwar zentrales - Mittel der Aufgabenerfüllung zum Angelpunkt der gesamten Staatsführung gemacht. Verfassung und Gesetz haben demgegenüber eine Vielfalt der Blickwinkel dadurch sicherge-

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stellt, dass sie Finanzaufsicht und allgemeine Oberaufsicht auseinanderhalten und zwei verschiedenen Kontrollkommissionen anvertrauen.

Die gemeinsame Nutzung der Eidgenössischen Finanzkontrolle durch Finanzdelegation und Geschäftsprüfungskommissionen ist von der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats der Finanzdelegation schon 1986 vorgeschlagen worden. Erforderlich wäre gewesen, dass dafür eine besondere Abteilung mit direktem Verkehr zu den Geschäftsprüfungskommissionen geschaffen worden wäre. Dies wurde damals von der Finanzdelegation entschieden abgelehnt.

Heute kommt hinzu, dass die Finanzdelegation den Aufgabenkreis der Eidgenössischen Finanzkontrolle nicht im Sinne der Verwaltungskontrolle, sondern in jenem des «Controlling» ausweiten will: Im Gegensatz zur geplanten Fachstelle, die ausdrücklich nachträgliche Kontrolle ausüben soll, würde die Finanzkontrolle offenbar Zweckmässigkeitsfragen präventiv und begleitend - das lieisst unter Einflussnahme auf den Geschäftsgang - zu prüfen haben. An einem solchen Führungsinstrument könnten sich die Geschäftsprüfungskommissionen aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum beteiligen. Auch die Finanzdelegation hat in ihrem vorletzten Tätigkeitsbericht betont, es würde nicht der schweizerischen Konzeption der Firianzaufsicht entsprechen, wenn die Eidgenössische Finanzkontrolle vor der Inangriffnahme neuer Aufgaben und vor der Ausführung bestimmter Projekte in Aktion treten müsste, um sich zur Zweckmässigkeit des Handelns der Verwaltung zu äussern.

Die Verantwortlichkeit der Regierung für ihr Handeln gegenüber dem Parlament erfordert nach Ansicht der Geschäftsprüfungskommissionen eine klare Trennung von Kontrolle und Controlling. Die Absichten der Finanzdelegation vermögen daher die Bedürfnisse der Geschäftsprüfungskommissiönen kaum abzudecken.

Der Bundesrat hat von den beiden dargestellten Meinungsäusserungen Kenntnis genommen. Die Haltung der Finanzdelegation hat ihn bewogen, darauf zu verzichten, dem Parlament die vorbereitete Botschaft vorzulegen. Am 31. Oktober 1989 hat er beschlossen, für sich eine eigene Dienststelle für Verwaltungskontrolle zu schaffen. Die dazu erlassene Verordnung vom 11. Dezember 1989 sieht vor, dass die Dienststelle im Auftrag des Bundesrates die Ziele und Aufgaben der Verwaltung anhand von Verfassung und Gesetz überprüft
sowie den Vollzug, die Wirkung, die Wirksamkeit und die Effizienz der Verwaltungstätigkeit kontrolliert. Der Bundesrat hat damit auf seiner Ebene das geforderte Kontrollinstrument bereits geschaffen.

Die Geschäftsprüfungskommissionen haben daher einstimmig beschlossen, das Modell einer parlamentseigenen Fachstelle weiterzuverfolgen. Dieses hat schon immer einigen Kommissionsmitgliedern besser zugesagt, da es die Gefahr oder auch nur schon den Anschein - einer Abhängigkeit der parlamentarischen Aufsicht von der kontrollierten Regierung beseitigt. Zudem entfällt der Anlass zu verfassungsrechtlichen Argumenten gegen diese Lösung, die nur noch den Geschäftsprüfungskommissionen ein zeitgemässes Hilfsmittel zur Erfüllung ihres Verfassungsauftrags verschaffen will. Da keine Neuerung im Verhältnis zwischen den politischen Behörden des Bundes geschaffen, sondern nur Bisheriges verstärkt wird, dürfte sich auch weniger Angst vor neuen Überschneidungen in-

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nerhalb der parlamentarischen Verwaltungsaufsicht erheben. Es wird deutlicher erkennbar, dass die Koordinationsaufgabe unter den Kontrollkommissionen nicht verändert wird und die bisherige bewährte Praxis fortgesetzt werden kann.

Die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte hat denn auch von der Absicht der Geschäftsprüfungskommissionen, sich eine eigene Fachstelle für Verwaltungskontrolle zu schaffen, Kenntnis genommen und das Bedürfnis nach einem solchen Hilfsmittel grundsätzlich anerkannt.

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Verstärkung des Sekretariats auf dem Budgetweg

Die Kompetenzen der Geschäftsprüfungskommissionen sollen durch die Schaffung der Fachstelle nicht erweitert werden. Umfangmässig erfassen sie ohnehin den gesamten Verantwortungsbereich des Bundesrates. Auch die Kriterien sind umfassend, da sie sich nach allen Vorgaben ausrichten, die Verfassung und Gesetz dem Bundesrat für die Erfüllung seiner Aufgaben setzen. Einzig die Entscheidungsbefugnisse sind stark, die Informationsrechte in gewissem Masse eingeschränkt. Die gleichen Grenzen sollen aber auch für die Fachstelle gelten.

Diese könnte daher auch bloss als Teil des Sekretariates der Geschäftsprüfungskommissionen ausgestaltet werden. Sie müsste ihre Erhebungen dann auf Artikel 11 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1988 über die Parlamentsdienste (SR 172.210.161) stützen, wonach der Sekretär im Auftrage der Kommissionen oder ihrer Präsidenten Erhebungen durchführt (Abs. 2 Bst. e).

Zur Begründung dieser Variante liesse sich die Auffassung vertreten, dass ein Kommissionsauftrag automatisch auch die zu seiner Erfüllung erforderlichen Rechte auf Auskunfterteilung und Aktenherausgabe an das Sekretariat übertrage. Bisher hat dies in der Praxis nie Schwierigkeiten verursacht, doch waren die Erhebungen des Sekretärs stets nur von geringem Umfang und trugen den Charakter von Vorbereitungen für geplante Sitzungen der Sektionen oder Kommissionen. Die Arbeit der Fachstelle würde daher, wenn sie sich bloss auf die Pflichten des Sekretariats abstützen sollte, eine extensive Auslegung des gesetzlichen Pflichtenheftes des Sekretariates erfordern, die im voraus mit dem Bundesrat vereinbart werden müsste.

Heikler wäre der Beizug von Experten durch die Fachstelle, der unerlässlich ist, wenn Wirkungsanalysen in den weitverzweigten Tätigkeitsfeldern der Bundesverwaltung durchgeführt werden sollen. Ohne gesetzliche Grundlage müssten die Experten nicht nur stets von den Geschäftsprüfungskommissionen selber ausgewählt und beauftragt werden, sie könnten ihre Arbeit auch nur erfüllen, wenn die zuständigen Departementsvorsteher dazu ihre Einwilligung gäben und die Verwaltung ihnen gegenüber vom Amtsgeheimnis befreiten. Der Bundesrat ist aber dazu heute durch keine Gesetzesbestimmung verpflichtet.

Aus diesen Gründen wäre eine formlose Fachstelle für Verwaltungskontrolle innerhalb des Sekretariats der Gesehäftsprüfungskommissionen
in wesentlichen Belangen von der zu kontrollierenden Regierung abhängig. Wollte man auf pragmatische Weise Erfahrungen sammeln, ohne neues Recht zu setzen, müsste vom Bundesrat im voraus die Zusicherung erwirkt werden, dass er die Rechte der Geschäftsprüfungskommissionen nach Artikel 47quater des Geschäftsver-

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kehrsgesetzes (GVG; SR 171.11) und nach Ziffer 622 der Weisungen vom 29. Oktober 1975 über die Auskünfte, Akteneinsichtgewährung und Aktenherausgabe (BB1 7975 II 2155) auch der Fachstelle und ihren Experten gewähre, soweit diese im Auftrag einer Geschäftspriifungskommission oder eines ihres Präsidenten handelten.

Die nähere Umschreibung des Auftrages der Fachstelle und der anzuwendenden Kriterien sollte klar festgehalten und für die betroffene Verwaltung erkennbar sein. Dies könnte allerdings statt auf gesetzlicher Ebene auch in den Reglementen der Geschäftsprüfungskommissionen geschehen und versuchsweise durch ein veröffentlichtes Pflichtenheft ersetzt werden.

Generell würde der Verzicht auf eine gesetzliche Verankerung der Fachstelle einen Verlust an Gewicht und Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung bedeuten. Eine Gefahr für die Qualität der Arbeit entstünde, wenn aus der Integration in das Sekretariat Schlussfolgerungen für die Besoldung des Leiters und der Mitarbeiter der Fachstelle gezogen würden : Eine doppelte Hierarchie unterhalb des Sekretärs der Geschäftsprüfungskommissionen würde es erschweren, Personal zu finden, das den hohen Anforderungen der komplexen Aufgabe gerecht werden kann.

Mit Rücksicht auf die fehlende dauerhafte Grundlage könnte bei dieser Variante nicht auf die Rechte der Geschäftsprüfungskommissionen nach dem BFO-Gesetz verzichtet werden. Dieses könnte daher noch nicht aufgehoben werden.

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Gesetzliche Verankerung der Fachstelle

Überwiegen die Gründe für die gesetzliche Verankerung der neuen Fachstelle, so bestehen zwei Möglichkeiten: Ein eigenes Gesetz für die Fachstelle oder eine Ergänzung im Geschäftsverkehrsgesetz. In beiden Fällen genügt eine kürzere Regelung, als für eine gemeinsame Stelle von Parlament und Bundesrat nötig gewesen wäre.

Wird die Fachstelle in das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen integriert, so kann die Ergänzung des GVG um einen Artikel genügen. Dessen notwendiger Inhalt ist: - die Stellung im Sekretariat, - die Umschreibung des Auftrages, - die Rechte auf Auskunftserteilung und Aktenherausgabe, - das Recht zum direkten Verkehr mit den Verwaltungsstellen, - das Recht auf Beizug von Sachverständigen, denen gegenüber der Verwaltung die gleichen Rechte zustehen, wie der Fachstelle: Die Pflicht zur Koordination der Tätigkeiten mit der Finanzdelegation, der Finanzkontrolle (und den Kontrollorganen des Bundesrates) kann in der Gesetzesregelung ausdrücklich oder stillschweigend enthalten sein.

Soll die Fachstelle einen eigenen Dienst innerhalb der Parlamentsdienste bilden, der nur funktional den Geschäftsprüfungskommissionen und ihrem Sekretär unterstellt wird, so kann die Regelung sowohl im Geschäftsverkehrsgesetz 1085

wie in einem eigenen Verwaltungskontrollgesetz vorgenommen werden. Sie muss im wesentlichen den gleichen Inhalt haben, wie im Falle der Integration der Fachstelle in das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen. Hinzu kommen allenfalls: - die Stellung als Auftragnehmer der Geschäftsprüfungskommissionen (und möglicherweise auch anderer Kommissionen), - die Wahlart des Leiters und seiner Mitarbeiter.

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Variantenwahl: Gesetzesrevision

Die blosse Stellenvermehrung beim Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen und die Aufstockung der Expertenkredite wäre ein unzureichender Ausdruck der angestrebten Neuerung. Im Budget sind bloss die Konsequenzen aus der Schaffung der Fachstelle zu ziehen. Diese benötigt eine gesetzliche Grundlage, damit ihr Auftrag gegenüber der Verwaltung umschrieben ist, sie über die nötigen Informationsrechte verfügt und dabei auch Experten einsetzen kann.

Die Fachstelle versuchsweise auf dem Budgetweg einzuführen, wäre nicht angebracht. Auf diese Weise bestünde die Gefahr, dass dauerhafte Stellen geschaffen würden, deren sinnvolle Verwendung nicht gesichert wäre. Der Fachstelle würden die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Aufbau fehlen.

Schliesslich geht es hier um einen bedeutenden Beitrag zur Kontrollfunktion des Parlamentes, zu dem dieses einen Grundsatzentscheid treffen sollte.

Hingegen verzichten wir darauf, ein eigenes Verwaltungskontrollgesetz zu schaffen und darin Einzelheiten zu regeln. Ein besonderes Kontrollgesetz wäre nur nötig geworden, wenn eine gemeinsame Fachstelle für Parlament und Bundesrat geschaffen worden wäre. Nun geht es bloss um die Errichtung eines neuen Teils der Parlamentsdienste. Die parlamentseigenen Organe sollten aber im Geschäftsverkehrsgesetz, das alle parlamentseigenen Fragen zu lösen hat, verankert werden.

Bei einer Regelung im Geschäftsverkehrsgesetz genügt die Ergänzung durch einen Artikel. Würde hingegen ein eigenes Bundesgesetz geschaffen, so müsste dieses in Anlehnung an das Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzkontrolle in vier bis fünf Artikeln Vorschriften über die Stellung und die Aufgaben des Dienstes enthalten, die Auftragserteilung regeln und für die Informationsrechte die Vorschriften des Geschäftsverkehrsgesetzes wiederholen oder darauf verweisen. Die Lösung über das Geschäftsverkehrsgesetz scheint daher einfacher.

Die vorgeschlagene parlamentarische Verwaltungskontrollstelle ist eine Antwort auf spezifische Unzulänglichkeiten in der Arbeit der Geschäftsprüfungskommissionen. Sie ist daher auf deren Bedürfnisse zugeschnitten und sollte daher als deren eigener Hilfsdienst ausgestaltet werden. Dies schliesst nicht aus, dass die Geschäftsprüfungskommissionen ihr Instrument im Rahmen der Koordination mit den übrigen Kommissionen der Oberaufsicht für deren Bedürfnisse zur Verfügung stellt, falls sich solche zeigen sollten.

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Erläuterungen zum Gesetzesentwurf

Absatz l , Für die Stellung der parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle sind an sich mehrere Lösungen denkbar: - Sie kann den Geschäftsprüfungskommissionen als selbständiger Dienst unmittelbar unterstellt werden. Sie steht damit organisatorisch auf gleicher Stufe wie das Kommissionssekretariat. Dafür sprechen die gesetzliche Selbständigkeit der Stelle und ihr Auftrag, der materiell über die Funktionen eines Sekretariates hinausreicht. Die Arbeitsabläufe in den Kommissionen werden aber kompliziert, wenn die Kommissionen und Sektionen für einen Teil ihrer Arbeit mit der Verwaltungskontrollstelle, für den Rest mit dem Sekretariat zusammenarbeiten müssen. Da die Verwaltungskontrollstelle stets nur Teilaspekte erfassen kann und den persönlichen Einblick der Geschäftsprüfungskommissionen in die Verwaltung nie ersetzen soll, besteht die Gefahr, dass so ein Teilbereich aus dem koordinierten Arbeitsprozess der Inspektionen herausgebrochen wird.1 - Eine zweite Lösung ist die Integration des Sekretariates in die Verwaltungskontrollstelle unter Schaffung einer Personalunion von Sekretär und Stellenleiter. Dadurch wird aber der Anschein erweckt, als decke die Stelle sämtliche Dienstleistungen ab, die für die Geschäftsprüfungskommissionen erbracht werden müssen. Dies trifft nicht zu. Vielmehr werden auch weiterhin bei der Prüfung des Geschäftsberichtes und bei Inspektionen der Verwaltung die bisherigen Dienste erforderlich sein. Während die Verwaltungskontrollstelle nur einen Ausschnitt aus den Aufgaben der Geschäftsprüfungskommissionen erfasst, ist das Sekretariat jene Dienststelle, die den Gesamtüberblick wahrt.

- Eine dritte Lösung ist die Unterstellung des neuen Dienstes unter das Sekretariat, wobei nicht dieses, sondern die Kommissionen Auftraggeber sind.

Diese Lösung ist unter dem Gesichtspunkt optimaler Strukturen der Parla.mentsdienste die einfachste. Sie schafft eine klare Regelung der Zuständigkeiten und erleichtert die Koordination. Sie entspricht den Grundsätzen der Einheit von Aufgaben, Kompetenzen und Mitteln sowie der klaren Verantwortung auf allen Stufen. Der gesetzliche Auftrag der Verwaltungskontrollstelle wird dieser die nötige fachliche Selbständigkeit garantieren. Der Nachteil dieser Lösung liegt darin, dass der Leiter der Stelle besoldungsmässig nicht gleich hoch eingereiht werden kann,
wie der Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen. Da der Bundesrat für den Leiter seiner eigenen Verwaltungskoritrolle die Überklasse vorsieht, wird nach Möglichkeit für eine Gleichstellung zu sorgen sein.

Bei allen drei Varianten muss sichergestellt sein, dass es die Geschäftsprüfungskommissionen sind, die über die Stelle verfügen. Dies ist mit Absatz l hinreichend geklärt. Die organisatorische Stellung der Verwaltungskontrollstelle innerhalb der Parlamentsdienste hingegen gehört nicht ins Geschäftsverkehrsgesetz, sondern in den Bundesbeschluss über die Parlamentsdienste. Wir bereiten eine entsprechende Anpassung dieses Erlasses vor.

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Absatz 2 Die Stelle soll dem Parlament bei der Ausübung der politischen Verwaltungskontrolle die nötige fachliche Unterstützung leisten. Sie dient dazu, das Gespräch unter den Gewalten über den Sinn und den Erfolg der Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung auf eine stufengerechte Ebene zu heben. Sie soll dazu beitragen, die Lernfähigkeit von Behörden und Verwaltung zu fördern.

Die Stelle hat zur Aufgabe, Themen der Verwaltungskontrolle nach fachlichen Massstäben und mit methodischem Vorgehen für die ganze Bundesverwaltung zu bearbeiten. Sie wahrt dabei die Optik grundsätzlicher Fragestellungen und die Distanz eines Beobachters, der für das Ergebnis der einzelnen Aufgabenerfüllung keine Mitverantwortung trägt. Ihre Aufgaben lassen sich wie folgt gliedern: - Aufgabenüberprüfung Anhand der Verwaltungspraxis prüft die Verwaltungskontrollstelle Bundesaufgaben auf ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit und Übereinstimmung mit übergeordneten Zielsetzungen, wie sie in Verfassung und Gesetzgebung sowie in der Legislaturplanung oder anderen Leitlinien von Parlament und Bundesrat festgehalten sind.

- Kontrolle der Aufgabenerfüllung Anhand der übergeordneten Aufgabenumschreibung prüft die Verwaltungskontrollstelle in erster Linie die Konzepte der Ämter und Dienststellen der Verwaltung, anhand derer diese ihre Arbeitsweise orientieren. Sie prüft dabei vor allem den Einsatz des Instrumentes der Führung durch Zielsetzung oder Zielvereinbarung. Gestützt darauf kontrolliert sie, ob das Verwaltungshandeln den Zielen entspricht. Ferner befasst sie sich mit der Verwaltungsführung, der Organisation und dem Geschäftsablauf sowie dem Einsatz der Mittel der Verwaltung (Prozess- und Ressourcenkontrolle).

- Evaluation der Wirksamkeit staatlichen Handelns Schliesslich prüft die Verwaltungskontrollstelle die Erfolge und Nebenwirkungen der Verwaltungstätigkeit in Gesellschaft und Wirtschaft auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlich und politisch vorgegebenen Zielen und Aufgaben staatlichen Handelns; hierzu gehört auch die Evaluation der Gesetze und Verordnungen anhand ihrer Wirkungen (Zielkonformität der Wirkungen).

Die verschiedenen Teilaufgaben sind eng miteinander verknüpft. Insbesondere bedingen sich Aufgabenüberprüfung und Wirksamkeitskontrolle gegenseitig.

Die Kriterien der Verwaltungskontrolle richten sich nach Artikel
4 des Verwaltungsorganisationsgesetzes (SR 172.010), der dem Bundesrat die Leitung der Verwaltung nach den Grundsätzen der Rechtmässigkeit, der Zweckmässigkeit und der Leistungsfähigkeit vorschreibt. Das Erfordernis der Rechtmässigkeit richtet sich dabei auf die Verwaltungspraxis in einem Bereiche insgesamt (der Einzelfall dient dabei nur als Beispiel) und auf die tatsächlichen Wirkungen des Gesetzesvollzuges. Die Zweckmässigkeitskontrolle prüft die Ausrichtung der Verwaltungstätigkeiten auf die gesetzlich und politisch umschriebenen Zielset-

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zungen (Richtungskontrolle). Die Kontrolle der Leistungsfähigkeit schliesslich erstreckt sich auf die Eignung und Wirtschaftlichkeit (Effizienz) von Verwaltungsorganisation, Verwaltungsprozess und Mitteleinsatz.

Die Verwaltungskontrollstelle ist ein Dienstleistungsbetrieb für das Parlament.

Sie arbeitet nur im Auftrag, das heisst im Rahmen eines genehmigten Jahresprogrammes oder von zusätzlichen Einzelaufträgen. Der Begriff «Einzelaufträge» in Absatz 2 macht einerseits klar, dass die Verwaltungskontrollstelle keine generelle Ermächtigung zur Durchführung von Kontrollen erhalten kann und damit an die konkreten Bedürfnisse der Geschäftsprüfungskommissionen gebunden bleibt. Anderseits wird klargestellt, dass es Sache des Auftraggebers sein wird, im Einzelfall festzulegen, in welcher Breite die Aufgaben der Verwaltung vom Überprüfungsauftrag miterfasst werden sollen, beziehungsweise in welcher Tiefe auch Zweckmässigkeitsfragen zu verfolgen sind.

Das Leistungsprofil der Verwaltungskontrollstelle lässt sich folgendermassen skizzieren : - Die Stelle beschafft sich einen Überblick über Aufgaben, Strukturen, Arbeitsweise und Wirkung der Verwaltung, indem sie im Rahmen ihrer Arbeitsprogramme in bestimmten Bereichen Querschnittsanalysen vornimmt; sie vermittelt ihre Kenntnisse den Geschäftsprüfungskommissionen; - im Rahmen der Jahresplanung sowie aus besonderem Anlass weist sie die Geschäftsprüfungskommissionen auf Bereiche und Themen der Verwaltung hin, in denen eine Abklärung angezeigt erscheint ; - im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen führt sie Analysen im Sinne der vorstehenden Aufgabenbeschreibung durch ; -' im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen trifft'sie Vorabklärungen zu ihren Inspektionen; - nach Bedarf begleitet sie die Arbeit der Geschäftsprüfungskommissionen; - aufgrund ihres Arbeitsprogramms oder eines Einzelauftrages prüft sie nach, ob in der Verwaltung den Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommissionen nachgelebt wird; - zur Erfüllung ihrer Aufträge entwickelt sie unabhängig von der Verwaltung fachliche Massstäbe und Methoden der Verwaltungskontrolle.

Absatz 3 Auf Gesetzesstufe muss festgehalten werden, dass die Verwaltungskontrollstelle und die von ihr beigezogenen Sachverständigen gegenüber der Verwaltung die gleichen Informationsrechte besitzen wie die Geschäftsprüfungskommissionen.
Die Ausübung dieser Rechte ist an den Umfang der Aufträge gebunden, die die Geschäftsprüfungskommissionen jeweils erteilen.

Im Rahmen dieser Aufträge richten sich Auskunftserteilung und Aktenherausgabe nach der Regelung für Inspektionen der Geschäftsprüfungskommissionen.

So ist die Verwaltung gegenüber der Verwaltungskontrollstelle gemäss Artikel 47iuater Geschäftsverkehrsgesetz und Ziffer 622 der Weisungen des Bundesrates über die Auskunftserteilung und Aktenherausgabe unter Vorbehalt gegenteiliger vorgängiger Anordnung des Bundesrates generell verpflichtet, die gewünschten Auskünfte zu erteilen und Akten herauszugeben. Die gleiche Ver-

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pflichtung gilt gegenüber den von der Stelle beigezogenen Experten, soweit deren Auftrag dies erfordert. Die Experten sind ihrerseits der Geheimhaltung unterstellt. Der Verkehr zwischen den Geschäftsprüfungskommissionen und der Stelle unterliegt keinerlei Beschränkungen.

Absatz 4 Die Koordination muss insbesondere zur Dienststelle für Verwaltungskontrolle des Bundesrates sichergestellt werden. Die Entscheidungskpmpetenzen über Inhalt und Zeitpunkt der Aufträge liegen dabei je endgültig bei den Geschäftsprüfungskommissionen, beziehungsweise beim Bundesrat. Im übrigen soll aber nach Möglichkeit eine optimale Zusammenarbeit der beiden Stellen gesucht werden.

Mit dem Bundeskanzler ist bereits vereinbart worden, dass für beide Dienste von ihren jeweiligen Auftraggebern Jahresprogramme erstellt werden und dass diese im voraus zwischen Bundesrat, Geschäftsprüfungskqmmissionen und Finanzdelegation, beziehungsweise zwischen den beiden Verwaltungskontrollstellen und der Eidgenössischen Finanzkontrolle abgesprochen werden, um Doppelspurigkeiten möglichst zu vermeiden. Ähnliches wird auch für Einzelaufträge ausserhalb der Jahresprogramme gelten. Es ist nicht auszuschliessen, dass Aufträge der einen Instanz durch zusätzliche Gesichtspunkte oder Fragestellungen einer der anderen Behörden ergänzt werden könnten. Ebenso kann im Einzelfall schon bei der Auftragserteilung oder nachträglich vorgesehen werden, dass das Ergebnis einer Überprüfung zu gegebener Zeit den anderen Behörden übermittelt wird.

Die Verordnung des Bundesrates über eine Dienststelle für Verwaltungskontrolle sieht denn auch in Artikel 6 vor, dass bei Aufträgen und im Rahmen von Jahresprogrammen der Dienststelle «die Tätigkeiten der parlamentarischen Kontrollorgane und der Eidgenössischen Finanzkontrolle zu berücksichtigen» sind. Damit sollte sich die notwendige Koordination gewährleisten lassen.

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Personelle und finanzielle Auswirkungen

Um ihrer vielschichtigen Aufgabe gerecht werden zu können, muss die parlamentarische Verwaltungskontrollstelle zwei Bedingungen erfüllen: Sie muss eine Gruppe von sehr gut qualifizierten Mitarbeitern aus verschiedenen Fachdisziplinen umfassen, und sie muss eng mit Spezialisten der verschiedenen Themenbereiche, die zu untersuchen sind, zusammenarbeiten.

Insbesondere die Wirksamkeits- oder Aufgabenanalysen werden in der Regel in einem Dreiecksverhältnis zwischen Verwaltungskontrollstelle, externen Experten und federführendem Bundesamt abzuwickeln sein. Die Ergebnisse müssen sich aus einem konstruktiven Lernprozess zwischen der Praxiserfahrung der Bundesämter, dem Fachwissen der Experten und dem Gesamtüberblick der Fachstelle entwickeln.

Die Fachstelle sollte daher mindestens einen bis zwei Betriebswirtschafter, Juristen, Verwaltungswissenschafter und Politologen sowie das nötige Sekretariat umfassen. Sie kann daher nicht weniger als fünf Stellen zählen. Für den; Beizug 1090

von Experten dürfte ein Kredit von 500 000 Franken pro Jahr angemessen sein.

Das Parlament bestimmt diesen Umfang auf dem Weg über den Voranschlag der Parlamentsdienste.

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Verfassungsmässigkeit

Eine Gesetzesänderung ist erforderlich, wenn dadurch die Unterstützungsfunktion des Bundesamtes für Organisation gegenüber der Bundesversammlung und den Geschäftsprüfungskommissionen ersetzt werden soll (Art. 9 des Bundesgesetzes über das Bundesamt für Organisation).

, Staatsrechtliche Bedenken sind nur gegen die Schaffung einer gemeinsamen Fachstelle von Bundesrat und Parlament geltend gemacht worden (vgl. Ziff. 33).

Die Schaffung-eines zusätzlichen Hilfsmittels der Informationsbeschaffung ist durch die Kompetenz der Bundesversammlung zur Oberaufsicht über die eidgenössische Verwaltung (Art. 85 Ziff. 11 BV) gedeckt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Schaffung einer parlamentarischen Verwaltungskontrollstelle Parlamentarische Initiative der Geschäftsprüfungskommissionen vom 12. Februar 1990

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