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Schweizerisches Bundesblatt XXI. Jahrgang. l.

Nr. 3.

23. Januar 1869.

Kommissionalbericht über die Exerzierreglemente

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Mehrheit der nationalräthlichen Kommission übe den Beschlussentwurf betreffend die Einführung eines neuen Exerzierreglementes für die eidgenössischen Truppen

(Vom 10. Dezember 1868.)

Mit

Tit. l Botschaft vom 6. Dezember 1867 begleitete der Bundesrath

die Vorlage eines neuen Exerzierreglementes, bestehend ans vier AbLeitungen, uämlich der Soldaten-, Kompagnie- und Bataillonsschule und dem Tirailleurdienst, und verlaugte von der .Bundesversammlung die Ermächtigung, diese Reglemente in den Unterrrichtsk..rsen des Jahres 1868 versuchsweise zur Anwendung zu bringen.

Die von Jhnen zur Brüsung dieser Vorlage niedergesezte Kommission nahm keinen instand, Jhnen die Ertheilnng der verlaugten Ermächtigung zu empfehlen. Da der fragliehe Reglements-Entwurf damals nur in einem einzigen Exemplare vorlag, in defsen Besiz die kommission erst während der Simung der .Bundesversammlung gelangt

Bundesblatt Jahrg. XXI. Bd.I.

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90 ^var, so konnte zwar von einer einlasslichen Brüsnug der. umfangreichen Materie keine Rede sein .^ immerhi.. aber n.usste die Kommission anerkennen, dass die damals bereits begonnene Eiusührnng einer neuen Feuerwaffe und die dadurch u^weifelhast gebotene Veränderung der Taktik, die Revision der E^erzierreglemente als eine durchaus ^eitgemässe erscheinen lasse, und da nicht ^u verkennen war, dass die Arbeit es sich zur Ausgabe gemacht hatte, den peränderten Verhältnissen gerecht zu werden, indem sie augenscheinlich aus Vereinsamung der Formen und damit in Verbindung stehende grossere Beweglichkeit hinzielt, so konnte

das diessällige Vorgehen des Bundesrathes nnr gebilligt werden.

Die beiden Räthe traten durch Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1867 der Anschauung Jhrer Commission bei , ^indem dieselben die versuchsweise Einführung der Regiamente in dem Sinne bewilligten, dass im Lause des Sommers die ^praktische Erprobung derselben zum Abschluss gebracht, und dannzumal die gewonnenen Resultate mit den sich noch als wünsehbar^ herausstellenden allsälligen Abänderungen den Kommissionen der beiden Räthe so rechtzeitig mitgetheilt würden, dass die Anträge für definitive Einführung in einer der diesjährigen Sessi onen von der Bundesversammlung behandelt werden konnen.

Anknüpfend an diese vorjährigen Verhandlungen hat daun das schweizerische Militärdepartement in den diessjährigen Rekrutensehnlen nnd Wiederholungskursen sowie in einer Anzahl angeordneter Eadreskursen die ueuen Réglemente versuchsweise anwenden lassen, und auch den Mitgliedern der Kommission Gelegenheit geboten, diese Anwendung aus dem .Terrain selbst beobachten zu konnen. Die Kommission hat von dieser Gelegenheit Gebrauch gema.ht und dabei die befriedigende Ueberzeugung gewonnen, nicht nur ^dass verschiedene Bedenken, welche sich gegen ge^ wisse neue Formen kund gegeben hatten, in der Wirklichkeit wesentlich au Bedeutung verlieren, sondern anch dass das Urtheil von ^ssi^ieren und Mannsehast ^iemlieh allgemein sieh zu Gunsten der neuen Entwürfe gestaltet habe. .

^ie durch deu vorjährigen Bundesbeschluss vorgesehene Mittheilung der durch die Versuche gewonnenen Resultate ist nun iu so weit ersolgt, dass der Bundesrath den Mitgliedern der .kommission kürzlieh d.ie, nun auch in deu Händen der Mitglieder des Nationalrathes befindliehe Botschaft vom 13. November abhiu nebst einer neuen, etwas veränderten Auflage der fraglichen Réglemente zugehen liess ; wir ntüssen indessen bemerken, dass für einmal nnr der deutsche Te^t derselben vorhanden ist, indem die sra.^osische Ausgabe sich noch unter der fresse befinden soll. Diese neue Ausgabe ist im Wesentlichen von dem vorjährigen Eutwurfe wenig abweichend ; mit Ausnahme einzelner Aenderungen in den Kommandowortern hat sich die Revision daraus beschränkt, nebst Redattionsverbesser^ugen die einzelnen Artikel in eine logischere Reihen..

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folge zu bringen .^ in so weit können wir das heute Vorliegende als eine verbesserte Arbeit erklaren.

^ Wenn nun hente der Bundesrath die definitive Genehmigung dieser Reglemente verlangt und die kommission Jhnen, Tit., ihr Gutachten über den betrefsenden Bes.hlusses-Entwnrs abgeben soll, so sieht sie sich vor.

Allem aus zu zwei Bemerkungen veranlasse. Für einmal müssen n.. i r die Er-...

klarung abgeben, dass bei der Kürze der uns zugemessenen Zeit und bei dem erwähnten Umstand, dass die französischen Reglemente sich noch gar nicht in unfern fanden befinden, es uns nicht möglich wäre, ein .einlassliches auf Einzelnheiten eingehendes Gutachten über die Arbeit abzugeben. Dagegen wiederholt die Kommission unbedenklich die schon in ihrem frühern Bericht abgegebene Erklärung, dass nach ihrem Dasürhalten die Prinzipien, auf welchen diese Réglemente beruhen, im Allgemeinen richtig sind: Vereinfachung der Bewegungen mit möglichster Beseitigung jeder unnü^en ^ormreiterei, natürlicher Anschluß der Elementartaktik au die Bewegungen, wie sie im Felde un.^ vor dem Feinde vorkommen müssten, sind unbestreitbare Vorzüge dieser Arbeit. am ..^lat^ des ^eisttödtenden Formalismus früherer Reglemente finden wir in den gegenwärtigen ein reichhaltiges Material zur taktischen Ausbildung des deutenden Osfizieres, welches geeignet ist, das Bewusstsein zu wecken, dass bei der neuen Taktik auch der Subalterne nicht mehr nur Maschine,.

sondern berufen und verpflichtet sei, mit selbsteigener Jntelligenz zu Er-

reichung des Gesam...tz.veckes beizutragen.

Die zweite .Bemerkung, welche wir unserem Antrage vorauszuschicken haben, ist die, dass nach unserer .Ansicht eine einlässliehe Behandlung von Er^erzierreglementen unmöglich Aufgabe einer grössern Vergebenden Versammlung sein kann ; eine bei den Berathungeu der Kommission ausgesprochen.. Meinung ging noch weiter: nach derselben sollten solche Reglemente überhaupt den Mathen nicht vorgelegt, sondern einsaß der definitiven Genehmigung des Bundesrathes unterstellt werden. Jmmerhin war man darüber einig, dass es selbst wenn die ^eit es gestattet haben würde, durchaus unthunlieh wäre, ^ie, Tit., mit einer Kritik über die

einzelnen Abschnitte o.^er Artikel zu behelligen. Es liegt in der Ratur

der Sa ehe, dass in jeder, aus Offizieren zusammengefegten Kommission nber einzelne funkte abweichende Ansichten zu Tage treten werden :^ auch in dem ^choosse Jhrer Kommissiou haben sich im Verlaus der Be- ^ rathung Meinungsverschiedenheiten kund gegeben; allein an der Ansicht festhaltend, dass es weder in der .^...sgabe noch im Wunsche Jhrer h.

.Versammlung liegen könne,^ mit der Erörterung controverse.: Detailsragen.

behelliget zu werden, glaubten .^ir um so eher von seder einlässliehen Behandlung einzelner .Artikel absehen zu sollen, als es sich nach unserem Dafürhalten ohnehin ^nr Stunde noch nicht um eine definitive und abschliessliehe Ratifikation der vorliegenden Réglemente handeln kann, und unser S.^lussantrag demnach ein verschiebender fein wird.

92 Wir begründen diesen Antrag kurz mit folgenden Momenten : Durch Bundesbeschluss vom t..). Juli vorigen Jahres ist der Bundesrath beauftragt worden, die .Revision des Gesezes über die MilitärOrganisation vom 8. Mai 1850, sowie die Kontiugeuts^....^ vom 27.

. August 1851 mit Beforder..ug an die Hand ^u nehmen. es ist bekannt, dass das schweizerische Militärdepartement bereits in so weit diesem Anstrage nachgekommen ist, dass ein diesssälliger Vorschlag dem Bundesrath zur Berathnng vorliegt. Dieser Entwurf bez.veckt sehr wesentliche Aenderungen, namentlich auch in der Organisation der taktischen Einheiten, indem eine Verminderung des Orderbestandes und das gänzliche Fallenlassen der Unterscheidung ^wischen Jäger^ und Eentrumkompagnien vorgeschlagen wird . ohne Zweifel wird zwar nach dem gewohnliehen Gang der Dinge dieser Entwurs, bis er alle Stadien der Berathuug hinter sieh hat, noch mancherlei Veränderungen erleiden, al.leiu mit .^ewissheit .ist vorauszusehen, dass das ueue Militarsela organische Aenderungen bringen wird, welche möglicherweise eine Revision verschiedener militarischer Reglemente zur Folge haben müssen . würde namentlich die oben erwähnte veränderte Organisation der taktischen Einheiten beliebt, so wäre die unabweisbare ^olge davon eine Aendernng verschiedener Bestimmun^en der vorliegenden E^erzierreglemente. Angesichts dieser Eventualität nun will es Jhrer .kommission scheinen, dass eine definitive Ratifikation dieser Reglement^ iu diesem Augeublick nicht nur nicht geboten sei, sondern beinahe als eine voreilige bezeichnet werden müsste .

für weit korrekter hält sie ein Vorgehen in der Weise, dass querst die Basis aller militärischen Zuordnungen, das organische Gese.^, erlassen resp. revidirt, und dann erst die daraus herfliessenden Reglemente definitiv festgestellt werden. Wir machen in dieser Beziehung noch aus einen besondern wesentlichen Punkt aufmerksam. Hand in ^aud mit der iu den nenen Reglementen gebotenen Vereinfachung der Bewegungen geht die Roth^ wendigkeit und das Bestreben, den einzelnen Mann taktisch zu bilden, die taktischen Einheiten werden nicht mehr als blosse Maschinen betraehtet, welche nur in ihrer Gesammtheit nach dem Willen und aus das Kommando ihrer Offiziere haudeln , man verlangt auch von dem ein^elneu Soldaten ein gewisses Verständniss der Bewegungen
. eine rein meehanische .^rullerei kann nicht mehr genügen ; um das vorgesetzte Ziel ^u erreichen, kann aber die bisher für den Jnfanteristen so kurz zugemessene Jnstruktions^eit nicht mehr genügen . mit Recht schlägt demnach. der neue Entwurf einer militärischen Organisation eine Verlängerung des Unterrichts vor.

Wird diese Verlängerung bewilliget werden ^ ..^.o sehr wir es hoffen, haben wir dennoch dafür keine Gewißheit; uud doch hängt von dieser ^.rage der Ersolg ab, welchen man sieh von den neuen E^erzierreglementen mit Recht verspricht. Wir müssen also auch darin einen Grund mehr finden, den Erlass des organischen Gesezes, in welchem

93 die^ für den Unterricht ^u verwendende Zeit festgesetzt werden wird, vorausgehen zu lassen, bevor wir die davon abhangigen Reglemente abschliesseu.

Fügen wir diesen Betrachtungen noch solgende bei : Mit den taktischen Grundsätzen, welche unsern neuen Ex^erzi erreg lementen zu Grunde liegen, hat in dem Feldzuge in Böhmen die prenssisehe Armee den Sieg davon getragen , .dass infolge dessen die andern Armeen ihre alten Reglemente revidirten und die preußischen Grundsätze

adoptirten, ist natürlich . dass auch die Militärbehörden der Schweiz nicht

gezogert haben, den veränderten Verhältnissen nach Möglichkeit gerecht zu werden, kann nur gebilligt werden. Allein unzweifelhaft ist die Verwerthung der durch die Kriegsereignisse vom Jahr t 866 gegebenen Lehren noch nicht zu ihrem Abschluss gelangt^ auch Breussen hat dabei seine Ersahrnngen gemacht, und sowohl dieser Staat selbst als auch andere werden dieselben zu weitern Fortschritten benutzen . bereits erblicken wir in verschiedenen Richtungen Bestrebungen, der Taktik der Jnfanterie neue Elemente znzuführen, und alles deutet daraus hin, dass die durch das neue Bewasf^

nungssystem herbeigeführte Entwicklung der Taktik noch nicht ihr Ende erreicht hat.

Jhre kommission hält demnach dafür, dass .man gut thun werde, die neuen Exerzierreglement^ noch nicht als eine vollendete und abgeschlossene Arbeit zu erklären , dieselbe wünscht nicht e.in P r o v i s o r i u m , welches Niemanden Zutrauen einflosst^ aber weit weniger erspriesslich für das Vertrauen und deu Geist der Milizen würde es ihr erscheinen, wenn die eidgenössischen Räthe durch definitive Sanktion dieser Regleinente denselben deu Stempel einer bleibenden Vorschrift ausdrücken, dann aber ^urch die Verhältnisse genöthiget würden, diese Vorschrist vielleicht schon nach einem oder ^wei Jahreu wieder abzuändern. Diese öfteren Aenderun^en machen bösen Willen bei Offizieren nnd Soldaten, und es wird daher klug sein, solche nach Möglichkeit ^n vermeiden. Dadurch dass ^ie zwar die förmliche und definitive Ratifikation nicht aussprechen, dabei^ aber uiehts desto weniger die Vollziehuugsbehörde ^ur Auwendung der Regleu^ente ermächtigen, beurkunden ...^ie sowohl gegenüber dem Bundesrath als den schweiz. Milizen, dass ^ie zwar ^ie Prinzipien, auf welche dieselben gebaut sind, als die richtigen anerkennen, allein den moglichen Aeuderungen bei Revision ^ der Militär^rgauisatiou nicht vorgreisen wollen.

Gestützt aus alle diese Betra.htungen beantrag^ Jhueu demnach die.

Kommission in ihrer Mehrheit, zu beschliessen .

Der Bundesrath ist ermächtiget, die mit seiner Botschast vom 13..

November 1868 vorgelegten Ex^rzierreglemente in Anwendung zu bringen, minder Einladung, dieselben später zu geeigneter Zeit, mit Be-

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nuzung derjenigen Ersahrnngen, welche in der Zwischenzeit gemacht werden, der Bundesversammlung zur definitiven Genehmigung vorzulegen.

B e r n , den 10. .Dezember 1868.

Ramens der Mehrheit der Kommission : ...l. Ascher, Berichterstatter.

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standeräthlichen Militärkommission über die definitive Einführung der neuen Exerzierreglemente fur die Infanterie.

(Vom 16. Dezember 1868.)

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Unteren 18. Dezember 1867 hat die h. Bundesversammlung aus eine bezügliche .Vorlage des Bundesrathes die provisorische E.nführnng neuer Exerzierreglemente der Jnsanter.e in den. Sinne beschlossen, dass v o r der d e f i n i t i v e n Annahme derselben im Laufe des Sommers die praktische Erprobung bei den Trnppen vorgenommen werden so.l,

damit allsällig sich nothig erzeigende ..llbanderungeu vor der d e f i n i t i v e n Genehmigung durch die Bundesversammlung noch stattfinden konuen.

Mit Botschaft vom 13. Rovember abhin berichtet uun der Bundesrath über den Verlauf dieser Erprobung und beantragt den eidg. Räthen, die bezeichneten Réglemente zu genehmigen und definitiv einzuführen.

Der Nationalrath, dem für dieses Geschäft die Brior.tät zustand, kommt jedoch auf den Antrag seiner Kommission zu der Schlussnahme, es seien diese Reglemente nur provisorisch zur Anwendung zu bringen, mit der

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Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission über den Beschlusses-Entwurf betreffend die Einführung eines neuen Exerzierreglementes für die eidgenössischen Truppen (Vom 10. Dezember 1868.)

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23.01.1869

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