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Mehrheit der ständeräthlichen Kommission ,. über den Rekurs der Munizipalität von Chigny, Kts. Waadt, gegen den Bundesrathsbeschluß vont 4. November 1867 betreffend Gerichtsstand in .Ehesachen, resp. Giltigkeit der Ehe Rosset-Rochat.

(Vom 8. Juli 1869.)

Lit. l Die von Jhnen bestellte Rekurskommission gibt sich mit Gegenwärtigem die Ehre , Jhnen über die Besehwerde der Gemeinde Chigny, beziehungsweise der Regierung des Kantons Waadt gegen einen Beschlnss des Bundesrathes vom 4. Rovember abhin, in Geriehtsstandsachen besagter Gemeinde gegen Francois Rosset , von ebendaselbst, Bericht zu erstatten. Die Kommission konnte sich diessalls aus einen einstimmigen Antrag nicht vereinten.

Wahrenddem die HH. von Blanta, Ziegler, Ragel, von Hettlingen und der unterzeichnete Berichterstatter die Begründetheit des Rekurses verwerfen, will die Minderheit, bestehend aus dem Präsidenten Dr. Blumer und Roguin, denselben für begründet erklären.

Dem Unterzeichneten liegt es ob, Jhnen die Ansichten der Mehrheit vorzuführen, währenddem die Minderheit sich vorbehalten hat, ihre AuBehauungen in einem gesonderten Berichte Jhnen zur Kenut..iss zu bringen.

Bundesblatt von 18....), Bd. II, S. 383.

955 Das Tatsächliche, welches zu der vorliegenden Beschwerde Veranlassung gegeben, besteht kurz in Folgendem.

1. Mare François Christian Rosset, Bürger der Gemeinde Ehigny , Kantons Waadt , erzeugte mit seiner Richte Julie Louise Rochat,.

Bürgerin von Ero.., ebensalls im Kanton Waadt , ausserehelich einen Knaben, der am 26. April 1861 im Hause des erstern geboren und in die Eivilstandsregistex unter dem Ramen Franz Samuel Rochat eingetragen wurde.

2. Am 17. Oktober 1862 ertheilte der Staatsrath des Kantons Gens dem Rekurrenten das Genfer Bürgerrecht und bald nachher die Bewilligung und den erforderlichen Dispens zur Vereheliehung mit seiner Richte Julie Luise Rochat. Die Verkündung dieser Ehe fand statt in Genf uud in Orbe , als dem legten Wohnorte der Braut ,.

worauf am 3. Januar 1863 durch deu Zivilstandsbeamten der Stadt

Gens diese Ehe vollzogen und der am 26. April 1861 geborne Knabe

legitimirt wurde.

3. Diese neuen Eheleute zogen jedoch bald wieder nach Chigny,.

Kantons Waadt znrück, wo ihnen am 18. April 1865 noch ein Mädchen geboren und unter dem Ramen Eharlotte Julie Dorine Rosset von Genf einregistrirt wurde.

4. Jm Dezember 1865 stellte nun Rekurrent das Begehren um Berichtigung des Eivilstandsregisters in der Weise , dass der im Aprit 1861 geborne Knabe als sein ehelicher Sohn eingetragen werde.

Der Gemeinderath von Ehigny widersetzte sich dieser Aenderung und erhob umgekehrt im April 1866 elue Klage gegen den Rekurrenten, dessen Frau und Kinder, dahin gehend, dass die am 3. Januar 1863 zu Genf vollzogene Ehe der erstern als ungültig zu erklären und dass.

der Geburtsakt des am 18. April 1865 gebornen Mädchens durch die Bezeichnung eines unehelichen zu berichtigen sei.

Die

Beklagten erhoben die Einrede der Jukompetenz der waadt-

ländischen Gerichte, indem über die Gültigkeit der fraglichen Ehe nux die Gerichte des Kantons Genf urtheilen konnen.

Das Eivilgericht des Bezirkes Morges verwarf jedoch die Kompetenzeinrede.

Gegen dieses Urtheil xekurrirten Herr Mare Franz Ehristian Rosset und dessen Frau, sowie Herr Rotar Hugonnet als Vormund ad ho....

des Franz Samuel Rochat und der Eharlotte Julie Doriue Rosset an das Kantonsgerieht des Kantons Waadt. allein dieser Gerichtshof mit

Urtheil vom 20. Februar 1867, verwarf den Rekurs und bestätigte das . erstinstanzliche Urtheil.

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5. Mit Eingabe vom 8. Juli 1867 beschwerte sich Herr Rosset, sowie dessen Frau und Hr. Rotar Hugonnet- Story als Vormund der Binder über das Urtheil des Kantonsgerichtes beim Bundesrathe.

. 6. Dieser Beschwerde gegenüber begehrte die ..gemeinde Ehigny Abweisung und der Staatsrath von Waadt schloss sich mit Schreiben vom 18. Oktober 1867 diesem Rechtsgesuch formell und materiell an.

7.

Der Bundesrath entschied .den 4. Rovember abhin: es seider

Rekurs begründet zu erklären, und das Urtheil des Kantousgeriehtes des .Kantons Waadt vom 20. Februar 1867 aufgehoben.

8. Den 19. Februar abhin reknrrirte die Regierung von Waadt gegen diesen Beschluß des Bundesrathes an die Bundesversammlung.

Dieses die Veranlassung und der Gang der Thatsachen , welche daz.... führten, dass gegenwärtig die Bundesversammlung sich mit der Sache zu befassen und einen Entscheid zwischen den widersprechenden Anschauungen abzugeben hat.

Bevor wix indessen Jhnen die Gründe vorführen , welche die Mehrheit Jhrer Eommission bestimmten, dem Beschösse des Bundesxathes beizutreten, wird es indizirt sein, in kurzen Zügen der Gründe und Gegengründe uuter den Bartheien selbst zu erwähnen.

Die Gemeinde Ehigny, beziehungsweise die Regierung des Kantons Waadt, geht im Wesentlichen von folgender Ansicht ans: Bei den Gerichtsverhandlungen sei konstant worden, dass Herr Rosset in den Jahren 1861 und 1862 fortwährend in Ehigny gewohnt und sein Landgut daselbst stets verwaltet , aber dennoch insgeheim ein Domizil in Gens genommen habe, wodurch es ihm moglieh geworden sei, daselbst sich naturalistreu zu lassen. Für die hierauf betriebene Verehelichung habe die Verkuudung weder in Ehigny noch in Vnllleiis..

le Ch.itean, in welker Bsarrei die Ehelente gewohnt haben, stattgesunden, und eben so wenig in Eroy, Bsarrei von Romainmotier, dem Heimathsorte der Frau. Rur durch solche manoeuvres sei es Hrn. Rosset moglich geworden, in Gens sieh naturalisiren zu lassen und seine Richte zu heirathen. Ex habe so sehr die Geseze und Behoxden des Kantons Waadt missachtet, dass er sogar nachher versucht habe, von dem Rechte Gebrauch zu machen, das im Art. 14 des Eivilgesezes einem in der Fremde natnralisirten Waadtländer eingeräumt sei , und welches darin bestehe, innerhalb seehs Monaten von seiner Rükkehr an , das waadtländisehe Bürgerrecht wieder anzunehmen. Dieses Recht sei ihm aber im Jahre 1865 verweigert worden , da er schon im Jahr 1862 zurükgekehrt, jener Termin also längstens verflossen gewesen sei.

Jn materieller Beziehung wurde serner in der Antwort

der Ge-

meinde Chigny der Saz ausgestellt und ausführlich vertheidigt, dass aller-

957 dings in der Regel die Behorden der Heimath des Mannes kompetent seien , die Gültigkeit einer Ehe zu diskutixen ; allein wenn Geseze, welche eine Ehe verbieten, vexlezt worden seien, so seien die Behörden dex Heimath der Frau kompetent, eine solche Ehe bei sich als ungültig zu erklaren. Ueber die Form entscheiden die Geseze der Heimath des Mannes ; allein wenn es steh um verbotene Ehen handle : wegen mangelnder Einwilligung der Eltern , wegen Verwandtschaft oder wegen Mangels des erlaubten Alters, dann habe der Staat, wo die Ehesrau Bürgerin sei , das Recht und die Vflicht , seinem Geseze Achtung zu verschaffen. Dieses Recht müsse hier um so mehr anerkannt werden, als das Bürgerrecht im Kanton Waadt unbefahrbar sei. Der

gleiche Art. 14 des Zivilgesezbuches gebe den nachkommen eines in

dex Fremde uatuxalisirten Waadtlauders die Besugniss, nach eingetretenex Majorennität das waadtläudische Bürgerrecht zu xeklamiren.

Die nach Art. 70 verbotene und ungültige Ehe zwischen Onkel und Richte konnte also in dieser Weise doch die gleichen Wirkungen haben wie eine gültige. Daraus gerade ergebe sich , dass . auch die Konkor-

date vom 4. Juli 1820 und 15. Juli 1842 verlebt seien. Allerdings ziehe eine Verlegung der Konkordate nicht uothweudig die Richtigkeit nach sich ; aber der verlebe Staat se.i frei , nach seiner Souveränetat

zu handeln und die Folgen der Unregelmäßigkeit auf den schuldigen Staat zurükzuw eisen.

J.u vorliegenden Falle sei der Mangel dex

Art , dass er die Rullität der Ehe zur Folge haben konne ;

dieses zu prüfen , seien also die Behorden des Kantons Waadt jeden-

falls kompetent.

Die Begründung der Rekursbeantwortung von Seite des Herrn Rosset, seiner Frau und deren Kinder dagegen besteht in folgendem Gedankengange :

Aus Aulass der Geburt des zweiten Kindes im April 1865 sei der Staatsrath des Kantons Waadt mit der Frage behelligt worden, ob die heimathrechtlichen Verhältnisse des Herrn Rosset in Ordnung seien uud ob die Kinder als eheliche eingeschrieben werden sollen. Dex Staatsrath habe hierauf am 11. Juli und 6. September 1865 eutschieden, Herr Rosset müsse eiue Riederlassuugsbew.illiguug für sich und seine Familie sich verschassen und . die Funktiouen als Gemeiudsbeamter im Kautou Waadt ausgeben , dagegen sei die Ehe im Zivilstandsregister nachzutragen und die Kinder seien als eheliche Genfer Kinder einzusehreiben. Herr Rosset habe sich beeilt, diesen Beschlüssen vollständig nachzukommen. Um so mehr sei er durch das Begehren des Gemeinderathes von Chigny überrascht worden, wonach seine Ehe als

nichtig erklärt werden sollte.

Das Urtheil des Kontonsgerichtes von Waadt, womit es stch Bundes...... Jahrg. XXI. Bd. II.

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958 kompetent erkläre, über diese Frage zu urtheilen, widerspreche den

tikeln 41, 48 und 53 der Bundesverfassung.

Ar-

Die Naturalisation des Herrn Rosset in Genf könne nicht angefochten werden, und da nun der Art. 15 des waadtlandischen Zivilgesezes bestimme : ,,Une femme vaudolse qui épousera un étranger suivra la qnalné de son mari". so sei die Julie Louise Rochat durch die fragliche Ehe Bürgerin von Gens geworden und ans jedem Verbande mit dem Kanton Waadt ausgetreten , zumal die unterlassene Verl.ündung am Heimathsorte auch nach der Ansieht des Kantonsgerichtes nicht

die Ungültigkeit der Ehe zur Folge haben konne. Die jezige Ehesrau

Rosset sei zur Zeit der Eingehung der Ehe majorenn und durchaus frei gewesen, über ihre Verson zu verfügen. Es sei nicht nothig gewesen, dass sie vor der Ehe in Gens sich habe natnralisiren lassen; sie sei durch

.den Akt . der Ehe selbst sosort Bürgerin dieser Stadt geworden. Es handle sich also lediglich um die Ehe eines Genfers , die materiell nach den Gesezen von Gens als Heimathsort und formell ebenfalls nach den Gesezen von Gens als Domizil beurteilt werden müsse.

Der Kanton Waadt habe hiebei weder etwas zu prüfen, noch etwas zu genehmigen.

Wenn man aber dennoch nach der Gültigkeit der quäst. Ehe fragen wolle, so seien es nicht die Gerichte des Kantons Waadt, welche darüber urtheileu köunen, denn gemass Art. .. des Zivilgesezbnches

des Kantons Waadt und nach Art. 3 des Zivilgesezbuches des Kan-

tons Genf seien Statussragen und solche über den bürgerlichen Stand und die persönliche Rechtsfähigkeit nach den Gesezen der Heimath zu beurtheilen.

Auch im Sinne von Axt. 53 der Bundesverfassnng sei für solche fragen der natürliche Richter, dem Riemand entzogen werden dürfe, derjenige der Heimath. Ruu sei aber Herr Rosset nur in Gens heimathberechtigt und er habe die Nationalität im Kauton Waadt uicht mehr aufgefrischt, iudem er die im Art. 14 des Code civil vaudois vorgeschriebene Frist von sechs Monaten ohne einen solchen Sehritt habe ablausen lassen.

Soweit die Rechtsansichten der Barteien.

Nachdem wir nun aus diese Weise die Veranlassung und den Gang der Streitsache vorgesührt, gehen wir über zur eigenen Begründung der Ansicht der Mehrheit Jhrex Kommission, welche aus Bastatigung des .Bundesrathsbeschlusses vom 4. Rovember 1867 lautet.

Da es sich vorliegend um die Jntervention des Bundes gegen das Vorgehen waadtlandischer Behorden handelt, so ist vor Allem ans die Kompetenz des Bundes zu untersuchen, und um die Kompeteuzsrage zu lösen , muss man darüber klar sein , um was es sieh eigentlich handelt.

959 Run besteht der Streit zwischen den Kautonen Genf und Waadt zur Stunde nicht darüber , ob die von Francois Rosset mit Louise Rochat abgeschlossene Ehe eine gültige sei, oder nicht. oder ob die in dieser Ehe erzengten Kinde.... ehelich oder unehelich seien . sondern darum, w e r über diese Fragen zu entscheiden habe, ob die Waadtländer oder die genfer Gerichte. Die Frage dreht sich deshalb um einen streitigen Gerichtsstand zwischen zwei Kantonen . oder wenn mau lieber will, um die Frage, welches in der vorwürsigen Angelegenheit der natürliche

Richter sei.

So die. Frage gestellt uud ausgesagt, wird es keinem Zweifel unterliegen tonnen, dass angesichts des Art. 53 der Bundesverfassung die Bundesbehörden kompeteut sind, den Streitsall auszusagen ; abgesehen vom Axt. 7.., Ziff. 16 der gleichen Bundesverfassung, welcher Streitigkeiten zwischen Kantonen ausdrüklich in die Kompetenz der Bundesversammlung verweist.

Jst aber diese Kompetenz begründet, mnss der Bund die Frage entscheiden , so geht die .Anficht Jhrer Kommissionsmehrheit dahin : die Gerichtsftandsrage müsse, abgesehen von materiellen Gründen, wesentlich ans formalen Gesichtspunkte.. gelost werden. Die Frage der Ungültig-

keit der Ehe dars nicht präsumirt werden, sowenig als die Gültigkeit, da ia gerade über diese Frage der Richter angerufen werden will. Die Ge-

meinde Chigny dagegen nimmt au .. Die .Ehe sei mit Rüksicht auf

d...s Konkordat vom 4. Juli 1820, welchem Waadt und Genf beigetreten, und nach den Bestimmungen des Waadtläuder Zivilgesezes,

das eine Ehe zwischen Onkel und Richte absolut verbietet, uugültig,

bis sie von einem Gerieht als gültig erklart sei, deshalb sei Louise Rochat nie Geuserin geworden , und deshalb auch sei ihr Gerichtsstand für Statussragen immer noch d-s Gericht ihrer Heimath , d. h. das waadtläudische.

Jn dieser Auffassung und in diesem Herbeiziehen der materiellen Frage in die .Losung der Gerichtsstandsrage liegt die irrige .Auffassung der Rekurrenten.

Die Ehe, wir wiederholen es, dars vorliegend weder als gültig, noch als ungültig vorausgeht werden , und dann bleibt sür die Eutscheidnug des Gerichtsstandes nur der faktische Zustand (oder als Aualogou angewendet: der Besiz) einzig massgebend.

Als faktischer Zustand tritt uns aber eine Ehe entgegen.

Jn Gens ging die .Trauung vor sich , sie wnrde in die Zivilstaudsregister eingetragen ; sie hat bereits 6 Jahre augedauert, Kautou uud Republik Genf erkennen sie als eine solche au , noch mehr: uieht nur Rosset, auch s e i n e F r a u und Kinder siud in Gens vou den öffentlichen Gewalten als Genfer Bürger anerkannt, und haben den Behördeu von Chigny

960 gegenüber sich durch Deposition der Riederlassungsschrifte.n als solche

ausgewiesen. Aus diesen faktischen Verhältnissen folgt, dass für

diese Bersonen jener Gerichtsstand zur. Anwendung kommt und gilt, welcher diesen Verhältnissen adäe.uat ist , d. h. derjenige im Kanton Gens, welcher der faktischen Heimath wie dem faktischen Domizil

entspricht.

Die mehr, als Uebuugen saz : dass haben.

Schlussfolgernng rechtfertigt sich nämlich vorliegend um so sie den in beiden Kantonen bestehenden Rechtsgrnndsäzen und entspricht. Jn beiden Kantonen gilt unbestritten der Grundüber Statusfragen die Gerichte der Heimath zu entscheiden

Es ist dabei allerdings richtig, dass bei Eingehung der vorwürfen Ehe das durch das angeführte Konkordat geforderte Ausgebot am Heimathorte der Braut nicht stattfand, und demnach dadurch, dass die Ehe dessenungeachtet in Gens vor sich ging, von Seite der Behorde des lezteren Kantons eine Konkordatverlezuug vorfiel. Allein dieser Umstand hat aus die Entscheidung der Gerichtsstandsrage um so weniger

einen entscheidenden Einfluss , da falls , wie oben gezeigt , die

faktischen Verhältnisse den Ausschlag geben , der genserische Richter dann angerufen werden mag, um den Eiusiuss dieser Formverlezung auf die Gültigkeit der Ehe zu prüfen ; und anderseits es doch sehr im Zweifel steht, ob eine solche Formverlezung geeignet sei, eine sonst gültige Ehe, namentlich nach einem fünfjährigen faktischen Bestand ungültig zu erklären, und ob dieses nicht vielmehr nur das Recht geben würde, -

Art. 7 des allegirten Konkordates --- sür allsälligen Schaden jene, welche das Konkordat verlezt, zu belangen.

Wir wissen wohl, diese unsere Ansicht steht im Widerspruch mit einem Bundesbes.hluss vom Jahre 1858, in der Schmidlin - Ziegler'schen Ehesache, de dato 22. und 28. Henmonat (Buudesbl. 1858 H, pag.

405) , sowie mit demjenigen in der Ehesache des Reganelly-Rebeaud ; allein dieser Beschluß konnte sür die Mehrheit der Kommission, angesiehts der vollendeten Ueberzeuguug von der Richtigkeit ihrer obeuentwikelten Ansicht, unmöglich in der Weise bindend sein, dass sie nur deswegen, weil .jener Beschluß, und zwar im Ständerath nicht bei der ersten Behandlung, endlich so ausfiel, auf ihre gewounnene Ueberzeugung vernichten konnte. Die gesetzgebenden Räthe der Schweiz hielten sieh zudem nie unbedingt durch frühere Entscheide gebunden, sondern suchten immer, selbst geänderten, aber innerlich gesunden Anschauungen gerecht zu werden. Hiefür bildet unstreitig die Bundespraxis über Anwendung des Gesezes über die gemischten Ehen den schlagendsten Beweis. Ehedem forderte mau den Nachweis, dass konfessionelle Gründe bei Eheverweigerungeu mitgewirkt, heute untersucht der Bund jeden derartigen Fall materiell, und präsumirt das Unterlausen konfessioneller Gründe bei

961 jedem derartigen Entscheide. Sodann ist nicht zu verkennen, daß, wenn auch der vorliegende Streitsall mit jenen vom Jahre 1858 in recht-

licher Beziehung grösstentheils ähnlieh ist, alle andern änsserlichen Um-

stände in ganz außerordentlicher Weise dipexgiren. Jm Falle SchmidlinZiegler handelte es sieh in Wirklichkeit um ein Geldgeschäft. Die alte reiche Batrizierin von Schasshausen wollte einen jungen, etwas leichtsinnigen Mann zum Gemahl. und dieser die alte aber reiche Matrone, wohl des Geldes wegen, zur Frau. Beide waren bei Anhebung des Streites kaum geheirathet, besagen keine Kinder, und hatten wohl auch keine in .Aussicht. Vorliegend stehen wir einer Ehe gegenüber, welche bereits süns Jahre besteht; deren Folge zwei Kinder sind.

Wird der Rekurs begrüudet erklärt , so gilt diese fünfjährige Ehe als ein Jneest, und die Kinder als unehelich. Jnnert den Marken des

Kantons Gens gilt die Ehe als gültig, und einige Stunden weiter als ein gesezwidriges Kombinat. Wir führen Alles das an, nicht um die

rechtlichen Anschauungen der Kommissionsmehrheit zu unterstüzen, aber um zu zeigen , unter welchen Einflüssen jene Entscheide im Jahre 1858 zu Staude gekommen.

Und hiermit, Herren Ständeräthe, schliessen wir unseren Berieht, indem wir Jhuen vorschlagen, den Rekurs im Sinne dieser eutwikelten Rechtsansichten , welche theilweise mit der Motivirung des Beschlusses des Bundesrathes nicht übereinstimmen, abzuweisen.)

Bern, den 8. Jnli 186..).

Die Kommissions - Mehrheit : I.)r. t.on planta.

von Hettingen.

Ziegler.

Nagel.

Weber (Luzexn), Berichterstatter.

Angenommen . Ständerath 9. Juli, Nationalrath 22. Juli 1869. ^

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Bericht der Mehrheit der ständeräthlichen Kommission, über den Rekurs der Munizipalität von Chigny, Kts. Waadt, gegen den Bundesrathsbeschluß vom 4. November 1867 betreffend Gerichtsstand in Ehesachen, resp. Gültigkeit der Ehe Rosset-Rochat. (Vom 8. ...

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11.09.1869

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