311

#ST#

B

e

r

ich

t

des

französischen Berichterstatters der ständeräthlichen Eisenbahnkommission, betreffend die Konzessionen sur die Alpenbahnen.

(Vom 1 9. Oktober 1869.)

Tit. l Sie sind in dieser außerordentlichen Session dazu berufen, zu entscheiden . ob Sie den von mehreren Kautonen ertheilten Konzessionen für den Bau der St. Got..hard .. Eisenbahn , sowie der Konzession der

.Splügenbahn, die eidgenossische Ratifikation gewähren wollen.

Es liegen Jhnen vor : die Konzessionsakte der Kantone Tessin, Uri, Schwyz. Zug und Lnzern einerseits, und die Konzession des Kantons Graubünden, anderseits.

Der Bundesrath hatte Jhnen bereits in seinem Berichte vom 19. Juli abhin vorgesehlagen, diese Konzessionen zu ratifiziren, und zwar durch eine Reihe von Beschlüssen, welche sämmtlich gleichlautende Bedingungen enthalten. Jn seinem nachträglichen Berichte vom 15. dies bestätigt der Buudesrath seine frühern Anträge mit einigen Redaktionsänderuugen, uud kündigt Jhnen gleichzeitig an , es seien unterm 13. und 14. dies in Bern unterzeichnet worden: 1) ein Schlussprotokoll enthaltend die Beschlüsse der internationalen Konferenz für den Bau der Gotthardbahu . welche im September abhiu und im lausenden Monat Oktober stattgesuudeu hat unter Betheiligung von Vertreteru von Rorddeutsehland, des Grossherzogthums Baden, der Königreiche Jtalien und Württemberg und der Vertreter der Eidgenossenschaft ; 2) ein Vertrag zwischen der Eidgenossenschaft uud dem Königreich Jtalieu, zum Zweke der Bestimmung der Mittel für die Ausführung des Baues Dieser nämlichen Eisenbahn.

312 Diese leztern Aktenstüke sind indess nicht Jhrer Ratifikation unterstellt, indem der Bundesrath erklärt, dass dieselben noch durch Verträge mit den andern, am betreffenden Alpenpasse interessierten auswärtigen Staaten zu ergänzen seien, und dass nene Unterhandlungen mit den Kantonen und den schweizerischen Gesellschaften, welche das Gotthardkomite bilden, zu erfolgen haben.

Sie begreisen gewiss die Verlegenheit, in der sich das Mitglied Jhrer Kommission befindet, welches angesichts dieser Aktenstüke nicht voll-

kommen überzeugt ist, dass in Bezug auf die Gotthardbahu Alles aus's Beste marschire iu der besten der Eidgenossenschaften.

^

Referent weiss, dass die Stimulationen dieser wichtigen internationalen Verträge nicht zum Geg.ustaude Jhrer dermaligen Beratungen, behuss ihrer Genehmigung oder Verwersung, gemacht werden können, sieht sich aber doch uothwendig veranlasst, in allgemeiner Weise deren Tragweite und Bedeutung zu würdigen , da sie Jhnen nun einmal osfiziell untge-

theilt sind uud sein Stillschweigen uuter den gegenwärtigen Umständen als ein Beweis der Zustimmung ausgelegt werden könnte.

Jndem er dies thut , wird er sieh grosser Vorsicht befieissigen , wie sie sich durch die wichtigen nationalen Jnteressen rechtfertigt , welche in dieser Frage engagirt find , er reservirt vor Allem, unbedingt und vollständig, die Zukunst und die definitive Entsehliessung , wenn einmal die angekündigten Verträge Jhrer Sanktion werden unterbreitet werden, gemäss unserm verfassnngsmässigen Bundesrecht.

A. Die in der Absehliessuug begrissenen internationalen Verträge betreffend den Bau der Gotthar.^bahn enthalten wesentliche Abweichungen vom Bundesgeseze vom 28. Juli 1852 über den Bau v.^u Eisenbahnen auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft. sie stehen in offenbarem Widerspruche mit verschiedenen Bestimmungen dieses Gesezes und mit unsern seit mehr als 16 Jahren konstanten Uebungen. sie treiben uns mit vollen Segeln in eine neue Eiseubahnprä^is hiuein.

Um diese Behauptuug zu rechtsertigen , genügt es , auf folgendes hinzuweisen. .

a. dass die Eidgenossenschaft , als Ob^.rbehörde intervenirend , die Konzessionirung einer Eisenbahnlinie im Kanton Tesfin von sich aus besehliesst , welche Linie von den .Behörden dieses Kantons nicht kon^edirt, vielmehr, in einer Spezialbeftimmung des Kon-

zesfiousaktes vom 16. Mai 1868 (Art. 5), der bereits durch Bundesbeschluss vom 14. Dezember 1868 (l.^. .^1.^ genehmigt

ist, als Konkurreuzlinie ausgeschlossen wurde ; dass die Eidgenossenschaft intervenir^, um den Bau einer Brül.e über den Rhein bei Basel zu beschlossen , behufs VerBindung der schweizerischen Eeutralbahn mit dem Bahnne^e des Grossherzogthums Baden ,

313 dass sie sich verpflichtet , ihr Möglichstes zu thun , damit die Zugangslinien zum Gotthard im Sinne einer Abkürzung korrigirt werden, und insbesondere um den Bau eines Bahnftüks zu erwirken, welches den Umweg über die Station Altstätten vermeidet .^

b. dass die Eidgenossenschaft sich verpflichtet, durch ihre Genehmigung ^

die Organisation des Betriebs der Gotthardbahn zu garantireu, iu G^.mässheit der Bestimmungen des Protokolls und in ununterbrochener Eolneidenz mit den Bahnen von Deutschland und Jtalien ,

dass sie sich verpflichtet , mit Rüksicht aus das gemeinsame

Jnteresse den Verkehr zwischen Deutschland und Jtalien mögliehst zu erleichtern , und dafür zu sorgen , dass auf der Gotthardbahn eine moglichst regelmässige, bequeme, rasche und wohlfeile Beforderung von Bersonen , Waaren und Bostgegenständen stattfinde, ..e. ^e.

Alle diese Garantien und Verpflichtungen von Seite der Eidgenoffensehaft müssen nothwendig zur Folge haben ein Verlasseu der Stellung einer unparteiischen und neutralen Gewalt, angesichts der in verschiedenen Theilen der Schweig bestehenden, dem Gottharduuternehmen entgegengesehen Jnteressen. Der Bundesrath wird gehalten sein, die Gotthardinteressen zum Sehaden der entgegengesehen Jnteressen ^u be.^ sehüzen. Von dieser Stellung bis zu derjenigen eines Vorrechts und Monopols zu Gunsten des zentralen Alpenpasses ist nur ein Sehritt, welcher wohl bald gethau werden wird, was doch nicht geschehen kann, ohne Rechte zu verleben, welche in einem bedeutenden Theile der Eidgenossensehast erworben worden sind.

Wir hatten die Sache immer so verstanden, die Bundesb..horden, als wachsame Hüter aller Jnteressen der versehiedeuen Theile der .Schweiz, sollten angesichts der ..^onkurren^ oder des Autagouismus dieser Juteressen unabhängig bleiben, und die Rolle von Schiedsrichtern beibehalten, um .^onfli^te zu vermeiden und so viel wie moglich allen Ausorderungen Genüge zu leisten.

Wir meinten , die Bnndesbehorden sollten , im Hinblik auf die formlichen Bestimmungen des Gesezes von 1852, sich enthalten, Verpflichtungen ^u übernehmen , die noch nicht von den Kantonen ratifizirt sind, denen man allein die Kompetenz ^..erkennt , Eisenbahnkonzessionen.

zu ertheilen . und sie sollten ihre Stellung als Vermittler gegenüber den auswärtigen Staaten wahren, ohne ihre Sanktion den Verpflichtungen zu ertheilen , die von den aus die Anssührnng der Gotthardbahn hinarbeitenden schweizerischen Gesellschaften eingegangen wurden.. .

B. Die in der Abschliessung begriffenen internationalen Verträge enthalten endlich sehr bedeutende finanzielle Verpfliehtuugen von Seite

314 der Eidgenossenschaft : vorab eine Subvention von 20 Millionen Franken.

Ob diese Verpflichtung ohne Garantie und ol^ne Verantwortlichkeit für die Zukunft übernommen sei, dies sagen uns die bekannt gewordenen Akten und Protokolle nicht mit hinlänglicher Klarheit. Die Vertreter des Bundesraths haben uns indess versichert, es konne der Eidgenossensch..st keine daherige Verantwortlichkeit zuwa.hsen. Dieser Umstand ist wesentlich ^ wir müssen ihn als festgestellt (^q.ns) betrachten , sowohl gegenüber den als Vertragsparteien fignriren^. auswärtigem Mächten, als gegenüber der Gesellschaft, welche si.^ für das Gotth..r...unter..el^men ko..stituiren soll. Verhielte sich die Sache anders, so konnten wir nicht..

genug eiue^ solche Verpflichtung, eine solche Verantwortlichkeit bekämpfen, .welche zur Folge halte, die Jateresse.. eines grossen .theils der Schweiz schwer zu verlern.

Diese Subvention von 20 Millionen Franken darf in keinem Falle, direkt oder indirekt, die Bundeskasse belasten, und es wird sich der Bundesxath hierüber vor den Kammern auszuweisen haben.

C. Endlich haben diese internationalen Verträge zur Folge , die Eidgenossenschaft aus immer gegenüber auswärtigen Staaten, von denen sie Subsi^ien empsängt, zu verpflichten . sie legen ihr auf , Rechenschaft zu geben über die Ausführung der Arbeiten, über die Ergebnisse des Betriebs der Gotthardlinien ; sie ^eben diesen Regierungen das Recht, Reklamationen bei den Bun^esbehordeu zn erheben, sich vielleicht in gesährlieher oder ve^atorischer Weise in ^ie ^eri.ehrs^ und Transitverl^ältnisse, in die ..Verwaltung unserer Dosten und unserer Transportmittel, .in die Fragen der Eisenbahntarife ^einzumischen.

Es ist dies , man muss gestehen , eine Aussicht , welche nicht mit Besriedigung aeeeptirt werden kann, und es wird der Bundesrath nothwendig deren Tragweite dureh ^eiter^ Erklärungen abzuseh^ächen und den eidgenossisehen Räthen beruhigende Versiehernngen zn geben haben ; denn wir erklären es . wir konnten zu solchen Verpflichtungen zu Gnusten ausländischer Regierungen nicht Hand bieten.

Diese kur^e Auseiuanderseznng wird hoffentlich Jl^re ganze Aufmerl.saml.eit ans den Jnhalt der Jhnen mitgetheilten diplomatischen Aktenstül.e hinlenken und Sie veranlassen, mit uns die formellsten Vorbehalte zu machen sür den Zeitpunkt, wo .^ie, diese Akten
behufs Jhrer Ratifikation vor sich habend, im ^alle sein werden , dieselben eudgultig zu erorteru und zu würdigen, mit voller Kenntnis^ aller vorausgegangenen Umstände und Verhandlungen.

B e r n , den 1.^. Oktober 1869.

^ul^ .^o.^uin, Ständerath.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des französischen Berichterstatters der ständeräthlichen Eisenbahnkommission, betreffend die Konzessionen für die Alpenbahnen. (Vom 19. Oktober 1869.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1869

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

47

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.11.1869

Date Data Seite

311-314

Page Pagina Ref. No

10 006 320

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.