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Bericht der

.Minorität der nationalräthlichen Kommission über die Rekursbeschwerde der Frau Josepha Kammenzind, geb. Jnderbizin, von Schwyz.

(Vom 18. Juli 1859.)

Tit.!

Der Unterzeichnete konnte diese Angelegenheit nicht in der Weife ausfassen , wie die Mehrheit Jhrer Kommission.

Er iunßte sich daher entschließen, Jhnen diejenigen Anträge vorzulegen, welche seiner Anschauungsweise allein entsprechen , und beehrt fich , Jhnen über dieselben folgende Beleuchtung zu geben.

Die Rekurrentin ist mit dem Hrn. Alois Andreas Kammenzind von.

Gersau verehlicht, und wurde unter dem 27. Januar 185() auf ihr Verlangen voii dem bischöflich-basel'schen Kommissariat auf unbestimmte Zeit getrennt. Den 22. Mai 1850 trat fie zur evangelischen Konfession über..

Jhr Ehemann hob inzwischen im Kanton Schiva die Klage auf WiederAufhebung der Scheidung an, und zwar bei dem Eonfistorin.u in Schw...z..

Die Rekurrentin protestate gegen die Zuständigkeit dieses Gerichtsstandes.

Das Eonststorium sprach aber unter dem 1. J..li l 858 dennoch die Wiedervereinigung aus. Die Beschwerde gegen diesen Spruch wurde vom Bundesrathe abgewiesen, ans den Hauptgrund gestützt. weil. im Kanton Schwyz der Gerichtsstand des Ehemannes auch bei paritätischen Ehen als der zuständige angesehen werden müsse.

Es entsteht demnach die Frage : ob die Fraii in einer paritätischen Ehe bei Ehescheidiingssätlen wirklich dem Gerichtsstande des Mannes unterworfen fei oder unterworfen werden dürfe ^ Der Entscheid dieser Frage ist nicht nnr für die Reknrrentin von .Bedeutung , fondern auch für die ganze Eidgenossenschaft prinzipiell von

hoher Wichtigkeit.

Das (Konsistorium in Schwyz hat in seinem Erkenntniß vom 1. Juli 1858 den Grundfass ausgesprochen. daß die Reknrrentin . wenn auch der evangelisch reformirten Kirche angehörend . doch immer iiiiter der geistlichen Jurisdiktion von Schwyz stehe. Es hat also den katholischen kirchlichen Gerichtsstand des Ehemannes für die xefornIirte Fraii unbedingt als .zu-

3 .

.

^

ständig erklär^ Der Bundesrath ist mit dieser Ansicht einverstanden, un.^ wenn die Bundesversammlung den Rekurs abweist, so erklärt sie damit die Richtigkeit dieses Grundsatzes ebenfalls.

Diese grundsätzliche Feststellung des Gerichtsstandes für paritätische Ehen muß dann begreiflich auch für alle paritätischen Ehen der Schweig Gültigkeit haben, indem nicht angenommen werden darf, daß die Bundes..

versa^mlung heute einen Grundsatz als richtig anerkenne und morgen wieder einen entgegengesetzten ausstelle... Die Folge eines solchen Be..

schlusses der Bundesversammlung ist daher für alle bestehenden und für all.^ künstigen paritätischen Ehen von größter Wichtigkeit ; ja, neich der Anffas^ snng des Unterzeichneten muß der Entscheid der Bundesversammlung auch.

für die Eingehnngparitätischer Ehen von großer Bedeutung sein.

Die beiden Konfessionen in der Schweiz haben verschiedene Grnud..^ sätze über die Ehe, über die Trennung und über di^ Auflösung derselben.

Die katholische Eonf.ssion anerkennt keinen Grund, welcher die Auflösung.

des Eheba^des rechtfertigen könnte. Nach dem Begriff der ^he .^s Ka^ tholieismus ist die Ebe unauflöslich. Nur e^ine Nichtigkeitserklärung der^ Ehe giebt der Katholieisnius in gewissen Fällen zu, nicht aber eine Auslösung eines rechtskräftig geschlossenen Ehebandes. Bei den .Protestanten^ ist aber die Auflösung oder gänzliche Trennung einer wirklichen Ehe mög^

lich, wie z. B. in den Fallen des Ehebruches, der böswilligen Verlassung,.

der Verübung eines entehrenden Verbrechens u. s. w.

Die erste Folge.. des vom Konsistorium in Schwr^z aufnestelten Gerichtsstandes für paritätische ^en ist .als..^ daß die protestantische Ehefrau.

in aiten Fällen, wo sie nach ihrer Eonsession die Aufhebung des Ehebandes verlangen tonnte, dieses Rechtes beraubt ist, indem sie mit einei^ solchen Klage vor d^in katholischen geistlichen Ehegerichte nicht gehört wer^ den kann , weil dieses eine gänzliche Aufhebung .des Ehebandes nicht anerkennen darf. Durch Eingehung einer paritätischen Ehe .muß daher die .reformate Ehefrau auf ihr .konfessionelles Eherecht in den wichtigsten Punkten verzichten. Sie .kann. von der protestantischen Konfession dabei auch nicht geschützt werden , weil ihr keine Klage bei dem evangelischen Ehegericht...

gestattet wird.

Die beiden Konfessionen gestatten aber auch eine t e m p o r ä r e .

Scheidung. Sie stellen aber die Gründe derselben verschieden und selbst..

ständig aus.

Ebenso gestatten fie eine A u s l ö s u n g der temporär^ Scheidung und die W i e d e r v e r e i n i g u n g der Ehegatten. Aber auch.

darüber stellen sie verschiedene Gründe nach ihren abweichenden konfessionellen .Anschauungen auf. Bei der einen Eonsefsion kann ein Grund die Wiedervereinigung einer getrennten Ehe rechtfertigen, welcher bei der andern Konfession die Trennung der .^he bewirkt.

.^lneh in diesen Fällen inuß die protestantische Ehefrau auf die Eherechte ihrer. Confession verzichten, weil sie dein Gerichtsstande des Mannes unterworfen ist.

Der .Unterzeichnete findet, daß, wenn das Wesen der paritätische^ l^he in diesem Sinne aufgefaßt wird, im Grunde keine paritätische Ehe.

^70 ^besteht, weil, wenn der Mann Katholik ist, die protestantische Frau die .Eherechte ihrer Eonfesston , und wenn der Mann Protestant ist , die ka.tholische Frau die Eherechte der ihrigen verliert. Jn frühern Zeiten dürste ^as Wesen der paritätischen Ehe da und dort in diesem Sinne aufgefaßt worden sein. Jch nehiue aber an, daß die Bundesversammlung beim Erlasse des Gesetzes über paritätische Ehen für die ganze Schweiz von der Ansicht ausgegangen sei, paritätische Ehen im wahren Sinne des Wortes ^ls zuläßig zu erklären, also paritätische Ehen. in denen es jedem Ehehatten möglich bleibe, auch während der E^e ganz seiner Eonsefsion anzugehören und alle Rechte derselben zu genießen. Nach meiner Anschauung ..darf daher eine protestantische Ehefrau in einer paritätischen Ehe die Ehe.

.rechte ihrer Konfession nicht verlieren. Für sie müssen die Gründe für ^Wiederanflösnng der Ehe aiich gegen ihren katholischen Mann Gültigkeit ..haben , und ebenso umgekehrt.

Würde der Gerichtsstand des Ehemannes für paritätische Ehen allgemein .eingeführt. so wäre die zweite Folge davon, daß diese E.^en nicht begünstigt, sondern möglichst beschränkt würden; denn in ^Zukunft niüßte jede Ehefrau einer paritätischen Ehe zuni Voraus wissen, daß sie die Eherechte ihrer Eonfesston verliert und somit nicht mehr ganz protestantisch ..oder ganz katholisch in der paritätischen Ehe bleiben könnne. Nach und ..nach müßten bei starrem Festhalten dieses Grundsatzes paritätische Ehen.

^ux Unmöglichkeit werden ; denn nicht nur der Verlust der konfessionellen .Rechte der Ehefrau wäre damit verbunden, sondern es würde eine solche .geradezu der Willkühr ihres Mannes anheimgestellt.

Nach meiner Anschauung würde^ es sich im gegenwärtigen Jahrhundert für die Bundesversammlung übel ausnehmen, wenn sie einen solchen Be.griff der paritätifchen Ehe aufstellen wollte. Ja, die Bundesversammlung .vom Jahr 1859 würde weit hinter diejenige zurücktreten vom Jahr l 850.

Unter dem 2. Dezember 1850 hat nämlich die Bundesversammlung beim ^Erlaß des B..^desgesetzes über gemischte Ehen den Grundsatz ansge..

sprochen : ,,Die Eingehung einer gemischten Ehe darf weder für die Ehe.,,gatten, noch für die Kinder, noch für wen immer, Rechtsnachtheile irgend ,,welcher Art nach sich ziehen...

Durch diesen Grundsatz hat die Bundesversammlung von 1850 also
.unzweideutig ausgesprochen, daß jeder Ehegatte einer paritätifchen Ehe .von seinen konfessionellen Rechten nichts verliere. und daß die konfessionellen Eherechte jedes Ehegatten einer paritätischen ^ Ehe in der ganzen Schweiz .geschützt werden müssen. Nach diesem Bundesgesetze kann nnd soll daher der katholische Ehemann in der paritätischen Ehe ganz katholisch und die protestantische Ehefrau gauz protestantisch bleiben. Nach diesem Bundes..

.gesetze ist es daher rechtlich unmöglich, daß der protestantischen Ehefrau in einer gemachten Ehe dle wichtigsten Eherechte ihrer Konfession . als .z. B. die Rechte auf gänz.iche Aufhebung des Ehebandes vernichtet wer.den dadurch, daß sie dem Gerichtsstande des katholischen Ehemannes unter..

.worfen wird.

371 Es ist allerdings richtig, daß die Bundesversammlung im Jahre 1850 unterlassen hat, Bestimmungen übex die Scheidung der paritätischen Ehen und iiber die Wiedervereinigung derselben aufzustellen. Aus dieser Lücke darf .aber nach meiner Ansicht nicht gefolgert werden, daß trotz des Art. 7 des^ genannten Bundesgesetzes bis zur Ausfüllung dieser Lücke es rechtlich zu.lässig sei, dem einen paritätischen Ehegatten die Rechte seiner Konfesston zu entziehen oder zu vernichten. Diese Folgerung stünde im Widerspruch mit dem einfachen Menschenverstand^ Wenn es beim Bestande der jetzigen Gesetzgebung nämlich dem einen Ehegatten nicht möglich ist, seine Rechte geltend zu machen , so folgt daraus nicht , daß die Staatsbehörden befugt seien, diese Rechte selbst zu vernichten oder vernichten zu lassen. Es kann ^daraus nur folgen , daß die Ausübung dieser Rechte zur Zeit eingestellt ^bleiben und daß die Behörden bei .dem Vorkommen solcher . Fälle Veranlassung nehmen sollten , die Lücke auszufüllen.

^ Jch verwerse also den Gkündfatz. d..ß bei gemischten Ehen der Gerichtsstand, des Mannes auch für die Frau als der zuständige anerkannt werden müsse. Jch gehe vielmehr von der Ansicht^ aus .. daß in Festhaltung der Bestimmung des Art. 7 des angeführten Bnndesgesetzes über gemischte Ehen die Rechte beider Ehegatten aufrecht erhalten werden müssen ,

und zwar in ganz gleicher Weise für beide Ehegatten. Es ist dieses mög..

lich, wenn bei S c h e i d u n g s k l a g e n der Gerichtsstand des klagenden Theiles, es mag die Frau oder der Mann klagen, als der zuständige anerkennt wird. Nur wenn dieser Gerichtsstand ausgestellt und festgehalten^ wird, können di.. konfessionellen Eherechte beider Ehegatten auch aufrecht erhalten werden. . Bei einer Klage auf Ehescheidung handelt es sich nämlich darum, ob der klagende Theil nach den Grundsätzen seiner Konfesston

schuldig sei , die Pflicht eines Ehegatten weiter zu erfüllen. Jst der klagende Theil die Frau, und gehört diese der protestantischen Konsefsion an, so kann üder ihre ehelichen Pflichten nur das protestantische Ehegericht entscheiden, weil die Scheidungsgründe der protestantischen Konfeffion. wie berührt, ganz andere sein können, als die der katholischen Konfession ,. und weil nur das protestantische Ehegericht verpflichtet ist , die Scheidungs.gründe der evangelischen Konfession anzuerkennen und anzuwenden. Das

katholische Ehegericht kann dieses unmöglich. Es ist ihm untersagt, die Scheidungsgründe , welche nach protestantischem Eherecht die Auflöfung des Ehebandes begründen, anzuerkennen. Es handelt sich aber auch einzig .und allein um die Pflichten des klagenden Ehegatten. Nach der Natur der Scheidungsklage wird vom beklagten Theile keine Leistung verlangt ; ihm steht nur das Recht zu , die vorgebrachten Beweise für die Scheidungsklage anzufechten.

Bei Klagen auf W i e d e r v e r e i n i g u n g einer temporär getrennten .Ehe muß hingegen der Gerichtsstand des beklagten Theiles als der zustän^ige anerkannt werden. Es handelt sich bei dieser Klage um die Pflicht ^es Beklagten , ob nämlich der Beklagte schuldig sei . seine Pflicht als Ehegatte wieder zu erfüllen. Weil die Gründe für Wiedervereinigung

Bundesblatt. Jahrg. XI. Bd. II. ^

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^72 einer Ehe, wie ebenfalls berührt, wieder verschieden sein können zwischen^.

.den beiden Konfessionen, so kann natürlich nur der Eh^erichter derjenige^ Konfession eine solche Klage untersuchen und entscheiden, welcher der be-

klagte Theil angehört, weil nur dieser Richter pflichtig ist, diese Grünte

zü respektiren und in Anwendung zu bringen.

^Nach^dieser Anschauungsweise würde sich der Gerichtsstand immer nach der Konfession desjenigen Ehegatten richten, urn dessen Pflichten entweder für die Fortsetzung der Ehe oder für die Wiedervereinigung derselben es fich handelt. Nur. bei Festhaltung dieses Gerichtsstandes ist es möglich , die konfessionellen Eherechte beider Ehegatten aufrecht zu erhalten oder zu.

verhüten, daß der eine derselben sie zu Gunsten des andern ausgeben oder verlieren muß.

Jch kehre zurück zu dein vorliegenden Rekurse. Die Rekurrentin ist vom katholischen Ehegericht in Schw.^z zu ihrem Manne zurückgewiesen, d. h. es ist die temporäre Scheidung zwischen ihr und ihrem Manne aufgehoben worden ; die Rekurrentin wurde dabei dem katholischen geistlichen Gerichtsstände unterworfen. Dadurch sind die evangelischen Eherechte der Rekurrentin aufgehoben oder vernichtet worden. Liest man die eingebxachten Rekursschriften, so könnte ein evangelisches Ehegericht vielleicht nicht^ nur Gründe finden, welche eine Wiedervereinigung nicht zulassen, sondern.

sogar eine gänzliche Aushebung der Ehebande begründen dürften. Der Rekurrentin ist also ihr eigener konfessioneller Gerichtsstand durch den..

Spruch des Konsistoriums in Schw.^z zur Unmöglichkeit gemacht und grund^ sätzlich für immer vernichtet worden. Es ist ihr Vielleicht auch ^die Möglichkeit genommen worden , eine gänzliche Auflösung des Ehebandes zu erzielen. Wenn die Rekurrentin aber als protestantische Kirchengenossin an-.

erkennt werden muß, was wirklich allseitig der Fall ist, so darf ein Er..

lenntniß eines katholischen Ehegerichtes, wodurch ihr protestantisches Ehe^ recht vernichtet wurde , von der Bundesversammlung nicht anerkennt werden , weil eine solche RechtsverkümInerung oder Rechtsanfhebung bei dem Bestand des Art. 7 in dem Bundesgefetze über gemischte Ehen vom 3. Dezeinber l .^50 unzulässig ist.

Die Bundesversammlung ist vielmehr pflichtig, in Anwendung dieses Bnndesgesetzes, die konsessionellen Eherechte jedes.

paritätischen Ehegatten zu schützen, weil die Ehegatten einer protestantischen ^ Ehe gar keine Rechte, von welcher Art immer, verlieren dürfen.

.^enn die Bundesversammlung nach dem Antrage des Unterzeichneten einfach ausspricht, daß das Erkenntniß des Konsistoriunis von Schwv.z vom 1. Juli 1858 als kraftlos
angesehen werden müsse. so bleibt für die Re^.

kurreiitin und ihren Ehemann der frühere Zustaud. Beide Theile find.

.alsdann nicht als gänzlick.. gefchieden und die Ehe nicht als aufgelöst zu betrachten.

Der Rekurrentin bleibt es alsdann noch immer unmöglich, die Klage auf gänzliche Trennung oder auf Auflösung des Ehebandes im Kanton Schw.)z anhängig zu inachen und darüber entfcheiden zu lassen, weil im Kanton Schwyz zur Zeit ^ein protestantisches Ehegericht besteht, und weil auch kein Gesetz ein protestantische^ Ehegericht anderwärts als

373 kompetent erklärt. Ebenso kann der Ehemann der Rekurrentin seine Klage auf Aushebung der Scheidung nicht anhängig machen, und zwar aus dem gleichen Grunde. Jhm bleibt nichts anderes übrig, wenn er seine Ehefrau wieder haben will , als solches auf dem Wege der Minne zu vers.ichen.

Dabei dürfte er aber andere Gründe geltend machen. als er in seiner Verantwortungsfchrist an die Bundesversammlung aus einander gesetzt hat, wenn nämlich seine Ehefrau wieder Zutrauen und Neigung zu ihm fassen soll.

Der Rekurs niuß um so mehr als begründet erklärt werden, als die konfessionellen Eherechte der Rekurrentin als verfassungsmäßige Rechte er..

scheinen, indem der Art. 7 des wiederholt angerufenen Biindesgesetzes nur als eine Ausführung des Art. .44 der Bundesverfassung erscheint.

Wenn gleich der vorliegende Rekurs der einzige Fall ist, welcher seit dem Jahre 1^5.0 vor der Bundesversammlung aus die Lücke in dein Gesetze über die paritätischen Ehen aufmerksam macht , so muß er doch als hinlänglich betrachtet werden. um diese Lücke auszufüllen, indem es sich einerseits uni die bedrohten konfessionellen Eherechte einer protestantischen Schweizerin handelt. und anderseits das Prinzip über Scheidung und Wie..^ ^ervereini^gung paritätischer Ehen, wie schon angedeutet, von zu hoher Wichtigkeit ist , als daß dasselbe im Ungewissen belassen werden dürste.

Wenn aber die Bundesversammlung von .1859 die paritätischen Ehen wie diejenige vo.i l 850 begünstigt, und nicht verhindern ^i^ so wird sie das Gesetz über Eingehung paritätischer Ehen dahin vervollständigen müssen, daß sie auch die Griindfä^e und Normen sestfetzt, wie diese Ehen wieder getrennt und aufgehoben werden können. Jch habe mir erlaubt, der h.

Versammlung au^ darüber einen Vorschlag vorzulegen, keineswegs in der Absicht jedoch, uni Jhnen .beliebt zu machen, sogleich in die Beratung desselben einzutreten, sondern um einerseits das Verfahren, welches dnrch Annahme der Grundsätze dieses Antrages für den Entscheid des Rekurs-

falles prinzipiell aufgestellt würde, näher zu bezeichnen, und anderntheils

die Versammlung zu veranlassen, diese Frage mit dem Vorschlage zur .nähern Erda^rung u.^d Begutachtung an den Bundesrath zu überweisen.

Jch füge zur Beleuchtung dieses weitern Vorschlages n^r wenige Bemerkungen bei.

Der ganze Vorschlag beruht, wie es fi.ch beini ersten Ueberblick zeigt, auf den gleichen Grundsätzen, welche bei Behandlung d..s Rekur^falles auseinander gesetzt worden sind. Nur die Frage bedarf einer besondern Beleuchtung . wie es komme , wenn z. B. ein katholische^ Ehegericht eine temporäre Scheidung aus kurze oder unbestimmte Zeit ausgesprochen hat ; ob nämlich der evangelische Ehegatte, wenn er glaubt, entweder Gründe

für eine längere Scheidung oder für gänzliche Aushebung des Ehebandes

zu haben .

an den Spruch des katholischen Ehegerichtes kommen müsse.

Meine Ansicht ist dießsalls die, daß .der .evangelische Ehegatte in einen.

solchen Falle an den Sprnch des katholischen Ehegerichts nicht gebunden sei, fondern daß ihm gestattet roerden .musse. vor dem evangelischen Ehe..

374 gericht auf längere Scheidung oder auf gänzliche Aufhebung des E^ebandes^ zu klagen. Nur auf diese Weise können die gegenseitigen konfessionellen Rechte der Ehegatten ungeschmälert aufrecht erhalten werden. Es ist ein^ natürlich^ Fol^e, daß der Spruch des katholischen Ehegerichtes aus Scheidung sür kürzere D.iner feine Kraft verlieren muß . wenn nachher da..I protestantische El.^egericht eine Trennung aus längere Zeit ausspricht ^ und ebenso . daß der Spruch des katholischen Ehegerichtes auf unbestimmte Zeit feine Kraft verliert, wenn das protestantische ^...eg.richt in der Folge er-.

.kennt. daß das Eheband gänzlich aufgelöst sei. Eine scheinbare Ungleich-

heit kann bei diesem Verfahren nur dann vorkommen, daß eine gänzlich..

Scheidung nur für den protestantischen Theil vollkommene Gültigkeit hat , und daß hingegen nach katholischen Gr^n.^sä^en dem katholischen Ehegatten

auch bei der ganzlich.n Scheidung nicht mehr gestattet wird , sich wieder zu verehelichen. Jndessen ist dieses nur eine scheinbare Ungleichheit,^ weil den katholischen Ehegatten das Recht der ..^iederverehelichu.rg auch vor der Ein^ehiing der paritätischen Ehe nicht zugestanden ist. Es hat dainit derselbe durch die gänzliche Scheidung sein konfessionelles Eherecht feiner Konsession verloren.

Scheinbar könnte dein zweiten Vorschlage des Unterzeichneten auch die Einwendung entgegengestellt werden , daß dem Bunde die Besugniß kaum zustehen dürste, ein Ehegericht außer dem Wohnorte des .Ehegatten als zuständig zu erklären ; allein auch dieser Einwand wäre nicht haltbar. ^i.^ der Bund nämlich befugt war, festzusetzen, daß bei Eingehung einer paritätifchen Ehe die Brautleute. wenn der Pfarrer des Wohnortes die kirchliche Einsegnung verweigern wiirde, sich bei einem Geistlichen einer andern Gemeinde, r.spektive der andern Konfession trauen lassen mögen , so muß ihm die gleiche Befiig^iiß auch zustehen . die Scheidung bei .einem anderen Gerichte als dem des Wohnortes nachzusuchen. Nach dem ^. 44 der Bundesverfassung ist die Bundesversammlung überhaupt nicht beschränkt, beliebige Bestimmungen festzusetzen . weiche sie für Ausrechthaltung der öffentlichen Ordnung unter den Konfessionen für notwendig oder zweckmäßig erachtet. Die Feststellung der Grundsätze über Scheidung oder ^iedervereinignng paritätischer Ehen bildet aber doch gewiß ein Kapitel der öffentlichen Ordnung unter den Konfessionen, und zwar ein Kapitel, für welches der Bund so lange und überall zu sorgen pflichtig ist, als iind wo die Kantone dieser Sorge sich entheben.

Jndein ich die Ehre habe, Jhnen hiemit meine Anträge zu über..

reichen, schließe ich meinen Bericht mit der vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 18. Juli 1859.

Die Minderheit der Kommission :^ ^. ^ .

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Bericht der Minorität der nationalräthlichen Kommission über die Rekursbeschwerde der Frau Josepha Kammenzind, geb. Inderdizin, von Schwyz. (Vom 18. Juli 1859.)

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01.09.1859

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368-374

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