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Schweizerisches Bundesblatt.

Xl. Jahrgang. II.

Nr. 41.

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27. August 1859.

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der

Ständeräthlichen Kommission über die vom Bundesrathe zur Nahrung der Neutralität der Schweiz getroffenen Maß.regeln.

(Vom 28. Juli 1859.)

Tit.!

Durch Bundesbeschluß vom 5. Mai 1859 *) haben die Räthe den Bundesrath mit ausgedehnten außerordentlichen Vollmachten behufs Wahrung der schweizerischen Neutralität ausgestattet und demselben gleichzeitig die Pflicht überbunden , in nächster Sizung über ben Gebrauch dieser Voll..

machten zu referiren. Es unterliegen in Folge dessen unserer Prüfung die Botschaften des Bundesrathes vom 1. und 13. Juli .-.-). Ein Haupt.Gegenstand dieser Botschaften bilden die stattgehabten Truppenaufgebote.

Es sind sueeesfive vom 24. April bis den 2. Juni 767l Mann Gruppen aller Waffengattungen (Inbegriffen zwei Geniekompagnien nach St. Moriz und Bellinzona) aufgeboten worden. Von diesen Truppen .wurden 5694 Mann im Tessin, dem bedrohtesten Punkte, etwas später 619

im Wallis und zuletzt 1198 im Engadin zum Schuz der Grenzen verSendet. Zur Zeit sind in Folge der eingetretenen friedlichere Situation .wohl schon alle diefe Truppen entlassen, oder doch auf dem Rückweg in Ihre Heiinath. Der gefammte Kostenaufwand für die Eidgenossenschaft wird nach eingezogenen Erkundigungen eine Million Franken nur um Weniges übersteigen. Die übereinstimmenden Berichte der Kommissionen bei.der Räthe vom 3. und 5. Mai .-.-.-) drückten sich über die bei Truppen*) Siehe eidg. Versammlung, Band VI, Seite 239.

**) ***)

- Bundesblatt v. J. 1859, Band II, Seite 159 u. 213.

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Bundesblatt. Jahrg. XI. Bd. II.

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33 .

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ausgeboten zu beobachtenden Grundsäze folgendermaßen aus: ,, W i r g e b e u u n s d e r U e b e x z e u g u n g hin, d e r B u n d e s r a t h w e r d e fort..^ f a h r e n , T r u p p e n a u f g e b o t e n u r nach M a ß g a b e d e s w i r k l i c h vorhandenen Bedürfnisses eintreten zu lassen, damit die S c h w e i z , w e n n d e r Gang d e r E r e i g n i s s e s i e n ö t h i g e n w ü r d e , uber i h r e m i l i t ä r i s c h e n u n d f i n a n z i e l l e n K r ä f t e i m w e i testen ll ....fange zu v e r f ü g e n , d i e ß , o h n e daß sie sich v o r h e x e r s c h ö p f t , sn v o l l e r K r a f t und aus.s r a s c h e s t e zu thuu v e r 1n ö g e. ^ Jn gleichem Sinne sagt der Bericht der Kommission des Ständexathes: ,,Der B u n d e s r a t h s o l l i m A n f a n g u n d o h n e N o t h nicht V e r t h e i d i g n ngs m a ß r e g e l n in a l l z u g r o ß e n Pro p or..

..ionen a n o r d n e n , s o n d e r n d i e K r ä f t e f ü r .die F o l g e z e i t .sparen.^.

Der Bundesrath hat im Sinne dieser Grundsäze gehandelt. Er war nüchtern und rückhaltend in seiner Handlungsweise und ließ sich zu unuöthiger Jnauspruchnahme der Arbeitskräfte des Volkes und der finanzielten Ressonreen des Landes nicht hindrängen. Die Räthe haben allen Grund , diese maßvolle Haltung anzuerkennen. Mit Vergnügen ^.erwähnt der Bericht Jhrer Kommission gleichzeitig der ausgezeichneten Haltung der ausgebotenen Truppen und ihrer Führer. Behörden , Offiziere und Mannsehaft haben. unbeirrt um vereinzelte hämische Kritik und Beurtheilung ihrer Handlungsweise , den Weg kalter und besonnener Pflichterfüllung gegen das Vaterland im Sinne strenger, unparteiischer Wahrung der Neutralität nee verlassen. Wenn der bundesrät^liche Bericht vom 1. Juli

(Seite 171) sich beklagt. .daß ein kleiner Theil unserer Presse seit

dein Beginne der Krisis nicht müde wurde, die Verfügungen der Bundesbehörden und deren Organe einer schiefen, hämischen und unvateriändi^ sche.n Benrtheilung zu unterziehen und sogar die Behörden der Zweideutigkeit und geheimen Sympathien für eine der kriegführenden Mächte^ zu zeihen, so ist dieses Gebahren allerdings sehr zu mißbilligen, immerhin aber als eine natürliche Frucht der Urtheilsfreiheit für jedes einzelne J n d i v i d u u m in der Republik auch nicht zu hoch zu taxiren ; am allerwenigsten aber wäre es gerecht. wenn inaii die Ausbrüche einzelner Hizköpfe etwa der wackern Bevölkerung eines ganzen Kantons anrechnen wollte.

^.er Ausbruch der Feindseligkeiten nahe an unserer Grenze brachte dem Bundesrathe eine Anzahl heikiex Fragen zur. Entscheidung. wie sie für einen dem Kriegsschauplatz n.rhe liegenden neutralen Staat nicht ausbleiben können und deren sachliche ruhige Erörterung und Erledigung niit den

kriegführenden Mächten volle Objektivität und Unbefangenheit des Urtheils^ in die Schranken ruft (Seite 164-167 der Botschaft vom 1. Juli). Zu solchen Fragen zahlen wir das Betreten des neutralen Bodens durch abgeschnittene oder zersprengte Truppentheile der kriegführenden, die Schifffahrt auf Gewässern, die an das im Kriege begriffene Land stoßen u. s. w.

345 Die der Kommission vorgelegten Akten geben Zengniß davon, daß die .Pfiiehtenstellung des neutralen Staats in dieser Beziehung von den krieg^ führenden Mächten nicht immer ganz identisch aufgefaßt wurde.

Die Schwierigkeiten , über solche Fragen zu einer raschen und allseitig befrie^igenden Lösung zu kommen, wurden hier indessen offenbar durch die kleine Zahl der in Frage kommenden Männschaft sehr geebnet. Der Bundesrath ^hat in verhältnismäßig kurzer Zeit, und zwar unter Uebereinstimmung aller Theile, angemessene Arrangements zu vermitteln gemußt, die unfern Rechten nichts vergaben, ohne daß durch strengen Doktrinarismus die Lösung ver^zögert oder verunrnöglicht worden wäre. Deßhalb würde es auch weni^..

srominen, die in den Verhandlungen griindsäzlich allerdings ungelöste Frage, ob ein neutraler Staat, wenn keine solche besondern Arrangements möglich würden . jede beliebige Zahl von Truppen , und vielleicht auf Jahre hinaus, im Lande überwachen und nähren .müßte, hier hintennach etwa zu zukünftigem Verhalten in Erörterung zu nehmen. Es wäre sicherlich gan.^ unfruchtbar, einen Do^inar-Katechismus über das Völkerrecht der NeuOralen aufstehen zii wollen. Jn allen Situationen diefer Art .wird gesunde Auffassung der Spezialverhäitnisse und sicherer Takt immer die Hauptsache macheu müssen ; und sollten diese Eigenschaften den Behörden fehlen , so würde sie auch ein anerkannter Eodex kaum ersezen.

Wir würden Unrecht thnn, wollten wir nicht bei.^diesem Anlaß^in unserni Berichte der würdigen, wahrhast neutralen und wahrhaft humanen Aufnahme mit Anerkennung gedenken.,. die die schweizerische Bevölkerung deu

militärischen Flüchtlingen beider Theile gleichmäßig .zu Theil werden ließ.

Daß Sympathien und Antipathien hiebei wesentlich in den Hintergrund traten, um nur der Gastfreundschaft und der Humanität Raum zu lassen, ist ein erfreulicher Beweis der fehr vorgeschrittenen politischen Urtheilsreife unfers Volks.

Ueber die ^Verhältnisse des Kriegsdienstes von Schweizern im Anslande und allfällig hiegegen zu treffende gesezliche Vorkehren kann fi.ch die Kommission hier zu keinen Erörterungen veranlaßt sehen, zumal hierüber eine Spezialvoriage des Bundesrathes an die Räthe gesonderte Veranlassung bietet. ^as ai.^er in Jtalien zur Beschwichtigung der durch diese Verhältnisse aufgeregten ungünstigen Stimmung gegen unsere Landsleute .ab Seite des Bundesrathes gethan wurde, verdient unsere Anerkennung, und war ganz besonders deßhalb w o h l g e t h a n , weil es r e c h t z e i t i g

gethan worden ist. Hoffen wir, daß diese Schritte die öffentliche Mei-

^u.ng Italiens zu einer richtigen und gerechten Beurteilung der Verhältuisse sühren wird.

Die Kommission vermerkt mit Vergnügen. daß sich der Bundesrath von den Ausfuhrverboten D e u t s c h l a n d s nicht l.^at allarIniren lassen, und auf das Ansinnen, ein Gleiches für die Schweiz zu thun, nicht eingegangen ist.

Ueber die Verhandlungen mit Sardinien wegen der neutralisirten Ge^ .^ietstheile verbreitet sich die Botschaft des Bundesrathes nicht einläßlich.

^46 Die der Kommission zur Einficht übermittelten Akten zeigen , daß erhe^ liche Differenzen in der Anschauungsweife beider Staaten bestehen, und da^ man namentlich über die rechtlichen Vorbedingungen einer Besezung nichts

einig geht. Da indessen die Angelegenheit noch in Unterhandlung liegt.

und der Bundesrath stch eine einläßliche Erörterung dieser Angelegenheit auf später vorbehält, so wäre es kaum paffend, bei diesem Anlaß in die Sach^.

genauer einzutreten, und dieß um so weniger, als aus dem Bericht der.

Herren Abgeordneten an den Bundesrath hervorgeht. daß dieselben vo^.

dem gleichen Gesichtspunkte ausgehen, welche in der Versammlung de^ Räthe im Mai prävalirt haben und der Bundesrath entschlossen ist, de.^ Schweiz nichts von den Rechten zu vergeben , die ^ihr die Verträge sichern.

^Die kriegerische Situation hat in dieser Richtung der Schweiz zur Z..ii^ immerhin so viel eingetragen, daß durch die Erörterung der Frage bei deI.^ Großmächten. welche die 15er Verträge garantirt haben, unsere An-.

schauung, daß nämlich jene Verträge der Schweiz in dieser Veziehuug nur ein R e c h t gegeben, nicht aber eine Pflicht überbunden haben, zur vollem Anerkennung gelangt ist.

Die lezte Botschaft des Bundesrathes vom 13. Juli konstatirt di^ seithex noch bestimmter hervorgetretene friedliche Situation, und zur Zeit können wir in der That den Frieden als gesichert erachten. Der Bundesxath hat deßhalb Veranstaltung getroffen, alle Truppen nach Hause z..^ entlassen; die Waffensequestration ausgehoben; den außerordentlichen Aus.^ fuhrzoll aus Pferde aufgehoben; kurz, in allen Theilen d.en Zustand vo^ der Kriegsgefahr wieder hergestellt. Unter diesen Verhältnissen müssen di^ außerordentlichen Vollmachten des Bnndesbeschlusses vom 5. Mai dahin..^ fallen.

Wir nehmen an , daß selbst für neue Ausgaben , die noch nicht in Exekution begriffen oder nicht eine notwendige Folge vorangegangener Schlußnahmen sind, wenn sie noch gemacht werden wollen, arts^ denI gewöhnliehen Wege Kredit nachgesucht werden muß. Zu folchen Auslagen^.zählen wir z. B. die Errichtung eines Zeughauses in Bellenz un^ den Bau einer ^..Nilitärstraße von Earaffo nach Gorduna (Seite 177 de..^ Botschaft des Bundesrathes vom 1. Juli 1859).

Jm Hinblick aus die leichte und glückliche A r t , in der unser Vatex.^ land abermals eine für dasselbe gefahrdrohende Situation befeitigt steht ...

bleibt uns übrig, dem die Ehre zu geben, der die Geschicke der Völker

lenkt.

Jhre Kominission stellt Jhnen einmüthig den nachstehenden Antrag:.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme der Berichte des Bundesrathes vom 1. und 13. Jul^ 1859 über die zur Wahriing der Neutralität der Schweiz in Folge Schluß^.

nahme der geiezgebenden Räthe vom 5. Mai 185..) getroffenen Maßregel^

b e schl i e ß t :

347 1) Das in Ausführung des B.undesheschlusses vom 5. Mai 1859 eingehaltene Verfahren des Bundesrathes. ist in allen Theilen gutgeheißen..

. 2) Die im erwähnten Bundesbeschluß dem Bundesrathe ertheilten...

außerordentlichen Vollmachten werden hiermit als erloschen erklärt.

3) Die in Folge des Difp. 5 jenes Beschlusses stattgehabten Wahlen der Bundesversammlung fallen außer Wirksamkeit.

4.. Mittheilung dieser Schlußnahme an den Bundesrath. *)

Bern, den 28. Juli 1859.

Die Mitglieder der Kommission :.

S. Appeler, Referent.

.Paumgartner.

Werro.

J. Winkler Riggenbach

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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes

(Vom 24. August 1859.)

Die königlich preußische Gesandtschaft in der Schweiz wünscht in ihrex.

Note vom 6. dieß , daß zwischen ihrer Regierung und den eidgenössischen Ständen eine Uebereinkunft in Betreff der gegenfeitigen Befreiung der Handelsreifenden von Patenttaxen zu Stande kommen möchte. Der Bundesrath , dessen Vermittlung von der gedachten Gesandtschaft nachgesucht wurde , erließ daher an sämmtliche Kantonsregierungen folgendes Kreisschreiben : ..

Tit.

.

,, Die königl. preußische Gesandtschaft hat niit Note vom 6. v. Mts..

deu Wunsch ausgesprochen, mit der Schweiz ein Abkommen für gegenseitige Befreiung der Handelsreifenden von Patenttaxen zu vereinbaren,.

.) Obiger Antrag ist von beiden .Käthen angenommen und zum Beschluß erhoben worden.

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27.08.1859

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343-347

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