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Schweizerisches Bundesblatt.

XVI. Jahrgang. 1.

Nr. 15.

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30. März 1864.

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schweiz. Bundesrathe.... an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1863.

Geschäftskreis des Justiz- nnd Polizeidepartements. ^

A. Gesezgebung, Konkordate, Vertrage ...c.

l.

Gesezgebung.

1. Jn das Gebiet der Gesezgebung gehört vor Allem der Entwurs, betreffend Regulirung verschiedener interkantonaler Streitf r a g e n in R i e d e r l a s s u n g s v e r h ä l t n i s s e n , welcher nach mehrsachen Einladungen von Seite der eidgenössischen Rathe .Ende des Jahres 1862 vorgelegt, am Schlusse reiflicher Berathungen jedoch vom Ständerathe verworfen wnrde. Der Nationalrath hat in Folge dessen die Fortsezung der Berathnngen über dieses Gesez fallen lassen, jedoch den Bundesrath am 31. Jnli l 863 eingeladen, zu geeigneter Zeit und in gutfindender Form ueue Antrage über diesen Gegenstand der Bundesversammlung vorzulegen. Da somit diese Angelegenheit früher oder spater wieder zur Verhandlung kommen wird, so kann es nuzlieh sein, daraus aufmerksam zu machen, dass die verschiedenen Botschaften des Bundesrathes und die verschiedenen Kommissionsberichte zn finden sind im Bundesblatt 1862,

Bundesblatt. Jahrg. XVI. Bd. I.

30

322

^

..

.

Band lll, Seite 50.). 1863, Band l, .^e.te 145, l 50, l 55, Band lll, Seite 1-^27, 8.), 329, 575.

Seither ist eine ans dieses Gefez bezügliche Betition eines Bürgers von St. fallen, wohnhast in Basel, an den Bundesrath^ gelangt, worin.

derselbe namentlich darauf dr.ngt, es mochte an der Bestimmung des Art. 4 festgehalten werden , dass alles Grundeigenthum gleiehmässig zu behandeln sei, vb dessen Eigentümer ur oder ausser^ dem Kauton wohne..

Es wurde ind^ss dem^ Betenten geantwortet, er moge sich selbst. direkt an die Bnudesversr.mmluu^ wenden, da der Bundesrath eine bezügliche .^orlage nicht zu machen gedenke.

2.

Eine andere gesezgeberische Arbeit wurde von Herrn Ständerath von Z i e g l e r in der Sommersession ^er Bundesversammlung aus dem Wege der Motion angeregt. Es begeht sich dieselbe auf eine Modisi-

katiou des Bundesgesezes über die ^trafreehtspslege für die eidgeno ssischeu Truppen vom 27. .August 185l. Unterm 28.

Juli 1863 hat der Ständerath beschlossen, es sei der Bundesrath eingeladen, hierüber bis zur Wintersession Berieht und Gutachten einzureichen.

^ie Motion des Herrn pou R e g l e r geht davon aus, dass die Minimalstrasausäze im erwähnten Geseze mit den mildern Ansehauuugen der Gegenwart nicht mehr in einem richtigen Verhältnisse stehen, und dass es daher als angemessen erscheine, einerseits dieselben entsprechend herabzusehen, anderseits aber auch die bloss disziplinäre Behandlung von minder bedeutenden Eigeuthnmsbesehädiguuge.n und Entwendungen. dadurch zu

ermöglichen, dass mit besonderer Rüksieht aus ...lrt. l 66, Ziffer 20 des

erwähnten Gesezes die ^isziplinarstraskompetenz der Oberbefehlshaber, so wie der eidgenossischeu und kantonalen Militärbehörden, erhoht werde.

Nachdem.. diese Motion von dem. Mtlit.^r^ und vou^ de.u Justiz- und Boli^eidepart^..ment geprüft worden , ist .^er Bundesrath zu der Ueber^euguug gekommen, dass keine hinreichenden Gründe vorliegen, ans diese ^lnxegung gegenwärtig weiter einzutreten. Er hat daher beschlossen, es seien im Geschäftsberichte die wesentlicher.. Motive anzufahren, welche ihn zu .diesem Beschlusse geführt haben.

^.iese Motive lie^n in folgendem : Eiue Erhohung der .^traskompeteu^en der einzelnen Ossiziere ist deswe^eu uieht ^vekmässig, weil unsere Mili^offi^ere ohnehin leieht anstehen., grossere Straseu auszusprechen , und weil es gewiss sehr unklug wäre, Strasbestimmnngen auszustellen , vou denen man zum ....^.aus annehmen müsste, dass sie nicht vollzogen würden. Sodann spricht gegen eine allzuhohe .^traskompetenz einzelner Ossiziere auch die Rü.^ieht, dass schwere Strafen, so .bald sie .von dem Willen eines Einzelnen ausgehen, nur allzul..äufig etwas .gehässiges au sieh tragen, wenn sie auch noch so gerecht sind.

323 Was sodann die Herabsezung der Minimalansäze für die Kompetenz der Kriegsgerichte anbetrifft, so mag es allerdings vorgekommen sein, dass z. B. bei einzelnen geringfügigen Diebstählen unter mildernden Umstanden, welche die Motion des Herrn von Ziegler hauptsächlich im ...luge zu haben scheint, selbst der Minimalstrafansaz zu hoch erschienen ist.

Jndessen ist denn doch zu bedenken, dass das Gesez von den sechs l.^üg^ lich auf den Diebftahl vorkommenden Kategorien, Minimalstrasansä^. nur bei zwei Fällen anseht und in allen übrigen nur ein Ma^mnm aufstellt.

Jene zwei Fälle, in welchen der. Richter an einen Minimalansaz gehalten

ist^, sind solgende :

1)^ A u s g e z e i c h n e t e r Diebftahl, wenn der Werth des Gestohlenen nicht mehr als Fr. 40 beträgt : Minimalstrasansaz sechs Monate Gesängniss.

2) Einsamer liebst ah l, wenn der Werth des Gestohlenen Fr. 200 übersteigt : Mmimalst^sansa^ zwei Jahre Zuchthausstrafe.

Unterstellt man nun diese Strafanne einer nähern Brüsung , so wird man sie nicht exorbitant hoch finden, wenn man bedenkt, dass es für die ..Disziplin von hoher Bedeutung ist, wenn der Milize ^.m voraus weiss, dass ein im Militärdienst begangener Diebstahl strenger bestraft wird, als ein im bürgerlichen Leben begangener, namentlich aber wird man den Strafa..saz sür kleinere. aber ausgezeichnete Diebstähle ni.ht für zu hoch halten, wenn man im Ange behält, dass der am häusigsten vorkommende, der Diebstahl am Kamaraden, eine besonders strenge Ahndung verdient.

3. Eine B e t i t i o n des Falliten- und A k k o r d a n t e n v e r e i u s der Kantone Basel^tadt und Basel-Landschaft kann au.h hieher gezählt werden, dahin zielend, dass durch ein Gesez festgestellt werden möchte .

a. es sei jedem ^.chweizerbürger, Fallit oder Akkordant, die freie Niederlassung in der ganzen Schweiz gestattet, b. die^Kreditoren sollen kein Recht haben , auf den spätern Erwerb des Fatliten oder Akkordant^n ^u greisen, er moge wohnen, wo. er wolle, c. das verlorne .^lktivbürgerrecht sei je nach Massgabe der Vers^huldung des Falliments der Betreffenden, und zwar durch Klassifikation, wieder einzuräumen.

Eventuell glaubteu die Betenten , dass wenn die Bundesbehorden^ sich in ^a.hen nicht sur kompetent erachten sollten, wenigstens eine Einladung zur Abänderung der entgegenstehenden Gesezesbestimmungeu an sämmtliche Kantonsbehorden erfolgen könnte.

Die Bundesversammlung ist jedoch am ..^2 l. Jnli 1863 über diese Tagesordnung geschritten. (Bnndesblatt 1863, Bd. lll, S. 267.)

Betition, in Uebereinstimmung mit dem Antrage des Bundesrathes, zur

324 Ueber die Motive der eidgenossischen Räthe liegen keine bezüglichen Berichte vor. Der Bundesrath seinerseits hat in seiner Botschaft daraus hingewiesen, dass über eine ähnliehe Petition der Falliten der Kantone Aargau und Basel-Stadt schon im Jahr 1849 von den eidgenossischen Räthen zur Tagesordnung geschritten worden sei. Die nationalräthliche Kommission habe sieh damals folgendermassen ausgesprochen : man konne über die Frage, ob Falliten unbedingt von den politischen Renten auszusehliessen seien, verschiedener Ansicht sein, gleichwie diese Frage in versehiedenen Verfassungen oder Vergebungen auch verschieden gelost sei ; dagegen halte ste dafür. dass nur e i n e Meinung darüber walten konne,

dass der Bund nicht berechtigt sei, diese Frage einlässlich zu behandeln und in irgend einer Form diesfalls auf die Kantone einzuwirken.

4. Endlich hat der Bundesrath durch einen Beschluss des Ständerathes vom 27. Januar 1863 den Austrag erhalten, die Frage zu beGutachten, ob und welche, die Reknrse an die Bnndesbehorden normirende ..^rundsäze ^u dem Zweke aufgestellt werden konnten, um eine t r o l e r h a s t e A u s b e u t u n g des Rekursreehtes mogliehst ^u verhindern. Die

bezügliche Botschaft des Bundesrathes vom 11. Rovember 1863 (Bundesblatt Bd. lll, S. 824) ist jedoeh in den eidgenossischen Räthen noch

nicht ^ur Behandlung gekommen. Es wird daher hier blos hervorgehoben, dass in Folge näherer Prüfung dieser ^.rage der Bundesrath sich veranlasse fand, in gewissen Fällen, wo einer Partei aus ^..gegründete Weise durch einen Rekurs Kosten. verursacht worden sind , prinzipiell die Entsehädigungspslicht auszusprechen. Jm Lause des^ Berichtjahres ist dieses bereits in mehreren Rekursen geschehen.

H.

^..on.^rdate.

1. Die interessanteste hieher gehorige ^.rage ist unstreitig die vom Rationalrathe am 30. Januar 1862 angeregte, betrefseud die Wünschbarkeit eines s c h w e i z e r i s c h e n H a n d e l s r e c h t e s . Diese Frage nimmt auch in der That immer mehr die verdiente Aufmerksamkeit der wissen-

sehastlichen Welt und des Handels^tandes in Anspru.l..

Der im legten Geschästsberichte erwähnte erste E n t w u r f e i n e s schweizerischen Handelsrechtes ist von Herrn Professor Dr. Muuzinger beendigt worden. Herr Munziuger hat indess selbst gewünscht, dass derselbe vor der Veröffentlichung noch von einem kleinern Eiertenkollegium geprüst werden möchte. Der Bundesrath hat daher zu diesem Zweke unter dem Vorsi^e des Ehefs des eidgeuosstschen Justi^ und Volizeidepartementes und unter Mitwirkung des Verfassers eiue Kommiß

sion niedergesezt und dieselbe mit spezieller Rüksi.l.t auf die Gegensä^

zwischen dem franzosisehen und deutsehen System zusammengese^t aus den Herren Rathsherr Burkhardt^ürstenberger in Basel, Nationalrath Earlin in Delsberg, Brofessor Dr. Fick in Zür.ch und Ständerath

325 F r i e d r i c h in Genf. ^iese Expertenkommission hat ihrer Ausgabe bereits eine Woche in gemeinschaftlicher Berathung gewidmet und ungefähr die Hälfte des Entwurfes durchberathen. ^...ie zweite Hälfte musste in die ersten Monate von 1864 verschoben werden. ^em ganzen Entwurfe werden sodann die von Herrn Professor M u n z i n g e r redigirten Motive beigegeben. Als ein wichtiges Resultat der Berathungen darf hier konstatirt werden, dass die nähere Brüf^ng jener Gegensäze eine Vereinigung nicht nur als möglieh, sondern bei gutem Willen auch als ausführbar erscheinen lasst.

2.

Von Seiten des Standes Aargau ist der Abschluss eines Kon-.

kordates über gegenseitige Verpflichtung zur Unterdrükung der Lot-

t e r i e n u n ^ G l ü k s s p i e l e im Gebiete der Eidgenossenschaft angeregt worden. (Bundesblatt 1863, Bd. lll, Seite 267.) Auf einer diesfälligen Konferenz, an welcher sich die grösste Zahl der Kantonsregierun-

gen unter dem Vorsi^e des Ehess des eidgenössischen Jnsti^- und Bolizei-

departements betheiligten, wurde zunächst die über diese Materie bestehende Gesezgebnng der Kantone zu sammeln beschlossen und eine Kommission zur Ausarbeitung eines Entwurfes niedergeht. ^er von dem Ehef des Justiz- und Volizeidepartemeuts .ausgearbeitete Entwurf hat später die Genehmigung dieser Kommission erhalten und ist nun sämmtlichen KantonsRegierungen mitgetheilt und zur Annahme empsohlen worden. Zugleich hat die Kommission dnr.h ihren Vorstand an die Regierungen derjenigen Kantone, auf deren Gebiet zur Zeit noch ständige Lotterien und Glüksspiele bestehen, eine freundeidgeuossische Einladung erlassen, dieselben im Jnteresse der El^re nu.^ Wohlsahrt des gesammten Vaterlandes mit mögliehfter Besorderuug von sich aus auszugeben. Jm Lause der nächsten ^ommersi^uug der Bundesversammlung wird uoeh eiue Sehlusskonserenz der Abgeordneten der Kantoue stattfinden.

3.

^em Konkordate,

betreffend gegenseitige Z u l a s s u n g e v a n -

gelisch-reformirter Geistlicher in den Kirchendienst (Osfizielle Sammlung, ^Baud Vll, ^eite 174) ist am 7. Januar 1863 der Kanton S chasfhausen (Band ^ll, ^eite 408) und am 5. Juni 1863 anch der Kanton St. G a l l e u für den evangelisch -reformirten Konsessionstheil (Band Vll, ^eite 53l) beigetreten.

4. ferner ist dem Konkordate über B e s t i m m u n g u n d G e w ä h r d er V i e h ha u p tm ä n g e l vom .^. .August 1852 auch der .^taud A p p e u ., e l l .^l usse r r h o d e n am 2.^. Weinmonat 1 863 beigetreten, in der Meiunng jedoch, dass der Art. 5 des Konkordates für ihn nicht verbindlich sein solle. (Band Vll, Seite 652.)

^..ie Regierung des Kantons St. Gallen hat die diessällige Mittheilung nur unter ^em Vorbehalte entgegengenommen, dass es dem Kanton St. Gallen jeder Zeit frei stehe, auch seinerseits unter Anzeige an die mitkonkordirenden Stände von den Bestimmungen des Art. 5 des erwähnten

326 ...

.Konkordates Umgang zu nehmen.

Es ist zu bemerken , dass der Kanton Thnrgau. bei seinem Beitritt im Jahr 1855 diesen Art. 5 auch vorbe..

halten hat (Band V, Seite ..7..^ und dass von Appeseli ...l. R. eine Beschwerde gegen dessen Zulässigkeit, weil im Widerspruehe stehend mit Art. 48 der Bundesverfassung, angehoben worden, welche aber von den Konkordatskantonen noch nicht beantwortet ist.

^ 5.

Der Vorstand einer Konferenz vo.. Abgeordneten der evangelischen Kirchenbehorden der Schweiz, welche im Jnui l 862 in Basel versammelt war, hat im .Auftrage dieser Konferenz an den Bundesrath das Gesuch gestellt, er mochte den A b s eh l u ss e i n e s ^ K o n k o r d a t e s .z w i s eh e n d e n K a n t o n e n b e h n s s V e r e i u f a ch u n g d e r F o r m a l i t ä t e n in E h e s a eh e n und Feststellung gleichmässiger Vorschriften in Anregung bringen.

Die Konferenz hat sich die Mühe gegeben, einen bestimmten Entwurf eines solchen Konkordates nebst den nothigen ^ormularien für die Ausführung desselben ^u gestalten und sie hat gewünscht, dass nach vorläufiger Brüsung dieser Entwurf den Kantonen mitgetheilt werden mochte.

Bei dieser vorläufigen Brüfnng hat der Bundesrath gefunden, dass eine Revision des Konkordates über Eheeinsegnungen und Kopulation^

scheine vom 4. Juli 1820 mit Ra.htrag vom 15. Jnli 1842 (ältere offizielle Sammlung Band ll, Seite 24 ^und Ba..d lll , Seite 204) im ..^..mne der gemachten Vorschläge in der Tl^at Gegenstand näherer l^rwägun^ sein dürste. l^r glanbte deshalb, den Kantonsregierungen eine nähere Brüs..ng des Gegenstandes en.psehlen ^u sollen.

^lus das bezügliche ^einschreiben (Bundesblatt .18^3, Band l, Seite 3.)4) haben indessen noch nicht alle Kautone geantwortet.

Von ^den eingegangenen 18 Antworten sprechen sich 13 für die Teilnahme an einer b^uglichen Konferenz aus.

lll.

Garantie ^^n ^ant^n^uerl^ssun^n.

t . Die G e w ä h r l e i s t u n g der n e u e n V e r f a s s u n g des Kautons B a s e l . . L a u d s c h a f t hat zu keinen erheblichen Bemerkungen Anlass ge^ boten.

(Offizielle Sammlung, Band Vll, ^eite 567.) Ebenso haben die partiellen Revisionen der Verfassungen von Slarga u und U n t e r w a l d e n ob d e m W a l d unbeanstandet genehmigt werden konnen.

(Offizielle Sammlung, Band Vll, .^eite 568 und 570.) Die neue Staatsverfassuug des Kantons L u ^ e r u dagegen hat die Garantie nnr in dem ^inne erhalten, dass diejenigen Bestimmungen derselben, nach welchen die Fähigkeit zur Bekleidung gewisser Remter und die ^timmsählgkeit in de^ ^Versammlungen der politischen Gemeinden vom. Besi^e eines beStimmten Vermögens abhängig gemacht ist, als dem Art. 4 der Bundesversassn..g widersprechend, von der bnn.^esgemässen Garantie ausgeschlossen

^.iu sollen. (Offizielle Sammlung, Band ^ll, ^eite 573.)

327 2. Es enthalten aber noch zwei weitem Kantonsversasfungen ahnIiche Bestimmungen. diejenige des Kantons Hessin, vom 4. Juli 1830,

enthält nämlich in den Art. 1^, 27, 28, 29, 30, 31, 32 Vorschriften,

wonach sowol die aktive ^Stimmberechtigt, als die Fähigkeit, Remter zu bekleiden , an die Bedingung des Bestes eines gewissen Vermögens geknüpst sind. Auch die Verfassung des Kantons A a r g a u , vom 22.

Febrnar 1852, enthält in ^. 8t die Bestimmung, dass die Mitglieder des Geme^inderathes und ihre Ersa^nänner sich über einen Vermögensbesiz von wenigstens 1000 bis 3000 Franken in schuldenfreien Liegensehasten oder zinstragenden Sehuldtiteln auszuweisen haben, worüber die ...^en.einde vor der Wahl entscheide.

Bei A..lass der Vollziehung des Bundesbeschlusses, betreffend die Luzerner.^Verfassung, ist daher verfügt worden (31. Juli 1863), es sei derselbe auch den Regier..mgeu der Kantone A a r g a n und H e s s i n abschriftlich mitzuteilen , und es seien die ledern daranf aufmerksam ^u machen, dass gemäss jenem Besehlusse die vorgenannten Bestimmungen ihrer Kantonsverfafsungen ebenfalls als mit Art. 4 der Bundesverfassung im Widerspruch stehend betrachtet werden müssen , und dass demzufolge Art. 4, Sa^ 2 der Uebergangsbeftimmungen der Bundesverfassung auf Dieselben Anwendung siude. Hieran wurde die Einladung geknüpft, jene Bestimmungen vor der Hand ausser Wirksamkeit zu sezen und gelegentlich zu beseitigen. An die^ Regierung von Aarga.i wnrde noch beigefügt, dass es ihr natürlich freistehe (sosern sie es sür notwendig halte), von den Gemeindexäthen und ihren Ersa^mänuern zur ...Sicherheit für gel^orige Besorgung ihrer Verrichtungen statt des Vermogensausweises eiue Kaution

zu verlangen.

(Bundesblatt 1863, Band lll, ^eite 327 und 328.)

3. Der Beschluss der Bundesversammlung, betreffend Anordnung einer amtlichen S a m m l u n g der in K r a f t b e s t e h e n d e n V e r s a s ^ s u n g e n und der daraus bezüglichen Gewäl^rleistungsbesehlüsse (offizielle Sammlung, Band Vll , Seite 575) hat seine Vollziehung erhalten.

Der Drnk ist beinahe vollendet.

lV.

^man^i^ati^n ^er ^^raetiten.

l. Es sind bekanntlieh nnr w.enige Kantone, die n.it grosser Be.^ harrliehkeit den Jsraeliten die Rechtsgleichheit vorenthalten. So hat die Regierung von Schw^z sieh nicht ents^hliesseu können, jenen zwei frau^fischen Jsraeliten in Zürieh , von denen im legten Geschäftsberichte die Rede ist, den Hausirhandel fernerhin zu gestatten, obschon sür den Rükzug der früher drei Jahre lang ertheilten Bewilligung keine Gründe angeführt werden konnten. Die Regierung von Schw^ beantwortete s.hliessl.ch die Verwendungen des Bundesrathes und der sranzosisehen Gesaudtsehast einfach damiti ,,im Hinblik auf ihre anerkannte Rechtsstellung koune sie sich nieht bewogeu finden, jene Bewilligung aus^u sprechen.^

328 2. Jm Kanton St. Gallen ist nun wirklich ein neues Gesez erlassen worden und mit dem 22. Mai 1863 in Kraft getreten. Rach demselben sind die Jsraeliten so ziemlich den Bürgern christlicher Konsession gleichgestellt. Jn Bezng ans den vorübergehenden ..^erkehr werden schweizerische Jsraeliten den andern ^Schweizern , ausländische Jsraeliten den übrigen Ausländern aus ^em nämlichen Staate gleichgehalten.

Wer aber eigene Haushaltung führen, einen Berns oder ein Bewerbe auf eigene Rechnung treiben will, hat unter Vorlage von Heimat.., .Leumundund Familienschein die Niederlassung nachzusuchen, worüber die politische Bürgerversammlung der betreffenden Gemeinde entscheidet. ^ie Führnng der Geburts-, Ehe- und Sterbe -Register ist den Gemeinderäthen übertragen. ^ie ansnahmsweisen Vorschristen iiber den Aufenthalt, den Verkehr und die Vatentta^en der Jsraeliten sind aufgehoben.

3. ^ie wichtigsten Verhandlungen ton A a r g a n betrossen. ^as im legten vom 15. Mai 1862 ist nämlich am Abstimmung erlegen, indem von 34,435

in dieser Frage haben den Ka..Geschästsberi..hte erwähnte Gesez ll. November I862 einer ^olksStimmen 26,702 für eine ganz-

liche Abänderung des Gesezes sich ausgesprochen haben. Dieses Ereigniss

veranlagte die Vorsteherschaften der zwei israelitischen Gemeinen des Kantons Aargau, Lengnan und Obe.^Endmgen, zur Beschwerde bei dem Bundesrathe. Dieser hat nach Anhornug der Regierung des Kantons Aargau am l l. Februar 1863 Darüber entschieden, und zwar in dem ...^inne . es habe der Bundesbes.hluss v^om 24. September 1856 (osfiz.

Sammlung, Bd. ^, S. 406) in allen Theilen seine Vollziehung zu

erhalten, dagegen sei der Bundesrath mit Rüksicht aus die politische Si-

tnation des Kantons geneigt, mit der Forderung gehöriger Einbürgerung der aargauischen Jsraeliten nach Vorschrist des Bnndesgesezes über die Heimathlosigkeit , bis auf Weiteres zuzuwarten. ^er Grosse Rath des Kautons ^largau erliess nun am 27. Juni 1863 ein neues Gesez, worin .die bestimmten Begehren des Bundesrathes uuberiiksiehtigt gelassen wurden.

Es wurde daher die Regierung des Kantons Aargan sogleich um Mit^ theilung dieses zweiten Gesezes ersncht und mit Botschaft von. 17. Juli

1863 der Bundesversammlung Bericht erstattet. (Bundesblatt l 863, Bd. lll, ^. 212.) Betreffend die Verhandlungen der eidgenossischen Räthe wird aus die verschiedenen Kommissiousberichte im Bnudesblatt ver-

wiesen. (1863, Bd. lll, Seiten 582,586, 5.)3 und 598.) Der hieraus hervorgegangene Bnndesbeschluss vom 30. Heumonat 1863. (Ossiz. Samml.

Bd. Vll, ^eite 585) billigt bekanntlich die Anschauungsweise .des Bundes-

rathes und beauftragt ilm, die Vollziehung des aarganisehen Gesezes vom

27. Juui l863, soweit es mit dem Bnndesbeschlnsse vom 24. Sept. 1856 im Widerspreche steht, zu sistiren und darüber zn wachen, dass der Kantou Aargau den daselbst sesshaften sehweizeris..hen Jsraeliten die Ausübung der politischen Rechte in eidgenössischen und kantonalen Angelegenheiten nieht länger vorenthalte.

J.u Weitern wurde dem Bundesrathe die Brüfnug

32.^ der Heimathrechtssrage und eventuell die Einbürgerung gemäss den Bestimmungen des Bundesgesezes vom 3. Dezember 1850 über die Heimath-

losigkeit zu bewerkstelligen ausgetragen.

Der Bundesrath hat mit Schreiben an die Regierung des Kantons

Aargau vom 3. August 1863 dem ersten Theil dieses Bundesbeschlusses vom 30. Heumonat Vollziehung verschafft und dabei bemerkt, es konne keinem Zweifel unterliegen, dass von Seiten des Kantons Aargau der Bundesbeschluß vom 24. September 1856 gleich einem Kantonalgeseze respektirt werden müsse, dass fomit dessen Vollziehung keineswegs vom Erlass eines neuen kantonalen Gesezes abhängig gemacht u.erden konne.

Den zweiten Theil des erwähnten Bnndesbesehlusses vom 30. Heumonat l 863, die Einbürgerung der Jsraeliten betreffend, hat der Buudes.^ rath im gleichen Schreiben die Regierung des Kautons Aargau ersucht, ihm ihre Re.htsanschanung zur Kenntniss zu bringen, damit eine allseitige Prüfung dieser Frage ermöglicht werde. Zugleich erklärte sich der Bundesrath zu Konferenzen bereit, wenn die Regierung nach erfolgter Samm^ lung des Aktenmaterials eine Besprechung wünsehbar erachten sollte.

J^.folge einer neuen Vorlage der Regierung hat sodann der Grosse

Rath des Kantons Aargau am 28. August 1863 einen Beschluß gesasst

und die Regierung am 1l. September gleichen Jahres eine Verordnung zur Voll.^iehnug desselben erlassen, wodurch der Bundesrath, uachdem er offizielle Kenntniss davon erhalten, am 16. September 1863 in die angenehme ^age sich verseht sah, der Regierung von Aargan seine Besrie^ digung darüber ansspreehen zu tonnen, dass nun anch der Kanton Aargau dem Bundesbeschluße vom 24. September 1856 vollständig uachgekomwen sei.

Jn dem bezüglichen Schreiben vom 1l. September 1863 hat die Regierung des Kantons Aargan auch über die bürgerrechtliche ^tellu^g der Jsraeliten noch Auskunft gegeben und namentlich erosfnet , sie sei durch den Bes.hluss des Grossen Ratzes vom 28. August zu der Erklärung beauftragt . ,,dass den aargamsehen Jsraeliten das aargauische Hei.^ ,,mathrecht in Obereudingen und .Lengnau bereits zustehe.^ Der Bundesrath hat mit Vergnügen von dieser Erklärung Akt genommen und in seiner Antwort konstatirt, es ergebe sieh daraus , dass den Jsraeliten der Besi^ des Kantonsbürgerrechtes nicht mehr bestritten .^erde, so dass einzig noch in ^rage bleiben konne , ob das Ortsbürgerre..ht , wie es je^t de^ Jsraeliten Anstehe, alle charakteristischen Merkmale eines vollen Gemeinde.^ bürgerrechtes enthalte. Um diese Frage direkt näher zu besprechen, hat der Bundesrath den Vorstand des Jnsti^ und Boli^eidepartementes, Herrn Bundesrath Dr. Dnbs, und die Regierung des Kantons Aargau den Herrn Landammann Brentano delegirt.

hat

4. Jn dem bereits erwähnten .Schreiben von.. 11. September 1863 die Regierung des Kantons Aargau noch aus die ^esehräukungen

^30 .hingewiesen, welche die Bundesverfassung (Art. 4l, 44 und 48) den s c h w e i z e r i s c h e n J s r a e l i t e n ü b e r h a u p t in den andern Kantonen, ^nsser ihrem Heimatl.skanton , auserlegt. Hier, bemerkt sie, sollte geRolfen, hier den Grnudsä^.n religioser Toleran^ und bürgerlicher Gleichheit aller S.hweizerbürger die ihnen noch fehlende Geltung im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft zu Theil werden. Sie .glaubt, es sollte dieses ...uf dem Wege eines Konkordats gelingen konnen und erossnet es als einen ansdrüklichen Wunsch und als eine Erwartung des Grossen Rathes des Kantons Aargau , dass , nachdem er der Bnndesa..torität, als Ver-

treterin seiner Mitstande, willig und bundesgetren sich gefügt habe, sie

hinwieder auch ^..m Kanton Aargau bnndesbrüderlich entgegenkommen und den ihm angehorigen Jsraeliten die Wohlthat der freien Niederlassung in der Eidgenossenschaft nicht länger vorenthalten mochten.

Anch das ^entralkomite der Helvetia hat diese gleiche Frage zum ..^e^enftand einer Betition an den Bundesrath gemacht, welche mit den.

Besuche schließt, der Bundesrath mochte seden Aulass benu^en . um diejenigen Kantone, in welchen die bürgerliche Gleichstellung der Juden noch nicht durchgeführt ist, zur Anerkennung dieses Gr.mdsa.^es zn vermögen und salls seinen daherigen Einladungen nicht entsprochen würde, der Buudesversammluug die geeigneten Antrage uuterbreiten.

Der Bundesrath hat in den. bereits s.^l.. 3 erwarten Schreiben an die Regierung von Aargau vom 16. September 1863 auch über diesen Bunkt si^ ausgesprochen. Er stau^ nicht au, zn erklaren, dass er ihren Wunsch für vollig begründet erachte , und dass er mit Vergnügen da^u beitrageu werde, mü auch iu dieser Beziehung dem Grnndsaze der Gleichheit aller Schweizerbürger zur Verwirklichung zu verhelfen. Judess konnte er nicht umhin, bemerklieh ^n niaehen , ^ass ^ie Frage, in welcher ^orm und in welchen. Zeitpunkte weitere Schritte geschehen sollen, einer eingehenden Brüsung bedürfe, zumal durch eine unzeitige Inangriffnahme sehr wichtige anderweitige fehweizerische Jnteressen gefährdet werden konnten.

Uebrigens ist ,^n bemerken, dass die Brüsnng dieser Frage bereits an.geordnet und dem Jnsti.^ und Bolizeidepartement übertragen ist.

5. Wel.he Bedeutung diese Frage a...eh im Verhältniss zuni Auslande hat, ergibt sich daraus, dass die ^w^ite Kaunuer der niederländischen Generalstaaten a^n l 8. Brachmonat 1.^63 dem projektirten ^reuudschasts-, .^iederlaffnngs- und Handelsvertrag gerade mit Rüksieht aus die ^tellnng der Jsraeliten in einigen Kantonen der Schweiz, die Genehmigung nicht

.^rtheilt hat. . (Osfiz. Sammlung, Bd. Vll, ^. 482.)

V.

^...nsntat.^.^erhaltn^e.

Mit ^ote vom 8. Januar 1863 hat der iu Zürich residirende .Konsnl der Vereiuigten-.^taaten von Nordamerika an die Regierung von Zürich die Anfrage gerichtet, ob es ua.h den Dortigen Gesezen den Kon-

331 suln der Vereinigten-.^taaten erlaubt sei, Eidesleistungen abzunehmen, so dass im Falle eines Meineides ein Bro^ess durchgeführt werden konnte.

Dabei bemerkte der Herr Konsul, diese Frage hab.e besonders Be^ng ans das^Verisiziren der Faktoren, indem man ^n wissen wünsche, ob ein Schwei^erbürger, der falsch zum Werthe einer Faktur geschworen, nach hiesigen ...gesezen wegen Meineides verfolgt werden konnte. Schließlich sügte der Herr Konsul noch bei, dass er keine Bestimmung in der nor.^ amerikanischen Gesezgebung kenne, welche den Konsuln der bereinigten^ Staaten .^ie gesezliche Besnguiss zur Eidesabnahme von Andern als Bürgern der Vereiu^te..^taate.. gebe.

Die Regierung des Kautons Zürich hat, im Einverständnisse mit dem dortigen ^bergerichte, diese Ausrage in verneinendem Sinne beantwortet und z.var mit folgender Begründung.

Der^ zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigteu-Staaten von ^rdamerika am 25. Wintermouat 1850 abgeschlossene Freundsehafts- und Handelsvertrag (ofs^. Sammlung der Bundesgeseze Bd. V, Seite 20l u. sf.) erwähnt in Art. 7, der sieh aus die Erneunung von Konsuln und deren Befuguisse bezieht . nichts von einer B^.fuguiss der Konsuln, Angehörige des Landes, in welchen. sie angestellt find, bei Beglaubigung von Fakturen oder andern Urkunden zu eidlicher .Bekräftigung der Wahrheit ihres Jnhaltes anzuhalten. Auch kann ans der in dem zitirten Artikel 7 enthaltenen Bestimmung , dass den nordamerikanischen Konsuln in der Schweiz die gleichen Vorrechte und Befngnisse zustehen sollen, wie denjenigen der am meisten begünstigten Rationen, die in .^rage stehende Berechtigung nicht hergeleitet werden. Denn es ist den Konsuln irgend welches anderen .Staates in der Schweiz durch Staat^vertrag ein solehes Recht nicht eingeräun^t. Ebenso wenig dürfte ^wohl eine sol.he Befngniss der Konsuln, im Jnteresse des von ihnen ver^ treteneu Staates die Angehörigen des Laudes, in d^.u^ sie steh aushalteu, zu eidlicher Bekräftigung über .^en Werth einzuführender Waaren u. dgl.

anzuhalten, ans der allgemeinen volkerreehtliehen Uebuug sieh herleiten

lassen (vergl. ^. B. Klüber, europäisches Völkerrecht, .II. Aufl. ^. 173,

und ^lieaton. elémeats d.^ droit iu..ern^^ou^i, Tome l, p^^. 136 et ^3. ferner Bluntsehli, Staatsworterbneh, Bd. l^. vom Handelskousulate).

Daraus folgt dann von selbst, dass eine Strafklage wegen Meineids nicht mit Erfolg geführt werden konnte, wenn sie sich darauf gründen würde, dass ein Sehwei^erbürger vor dem hiesigen Konsul der Vereinigten Staaten eine unwahre Tatsache wissentlich mit einem Eide bekräftigt habe. Zum Begriffe ^es strafbaren Meineids gehort nämlich nach ^. l 24 des züreherisehen ^trasgese^buch^es, dass ein wissentlich falscher Eid ,,vor ..^ericht oder einer anderen osseutlicheu Behorde^ geschworen werde, und es ^ersteht stch^v^n selbst, dass Eide, welche vor Deiner Behorde oder einen.

Beamten, denen die .Kompetenz zur Abfoxdernug eidlicher Erklärungen

332 nicht Ansteht, geleistet ^würden, nicht mehr strasrechtlichen Schuz finden konnten, als Eide, die Jemand gegenüber einer Brivatperson geschworen

hätte.

Schliesslich wurde daraus hingewiesen, wie sehr es den zürcherischen Sitten und Gebräuchen, die selbst in wichtigen Zivil- nnd Kriminalprozessen den Eid nur ausnahmsweise zulassen, widerstreiten würde, wenn von jedem Aussteller einer Faktnr eine eidliche Belästigung ihrer Riehtigkeit verlangt und so aus fiskalischen Gründen der Eid gewissermassen

zn einem Werkzeuge des alltäglichen Geschäftsverkehrs gemacht würde.

Die Regierung von ^ürich gab dann von der Ausrage und dieser ihrer Antwort dem Bundesrathe Kennt.nss. ..dieser beschränkte sieh daraus, derselben die bezügliche Mittheilung zu verdanken und sie um Raehricht zu ersuchen . wenn dieser Angelegenheit weitere Folge gegeben werden wollte.

Der Betition einer großen Anzahl Schweizer in St. Betersbnrg, Moskau und Odessa, es mochte der Bundesrath den schweizerischen Kon^ suln in Rußland die gleichen Rechte zu verschaffen suchen , wie sie den Konsuln der am meisten begünstigten Rationen in Rnssland ^.stehen, glaubte der Bundesrath nach eiulasslieher Brüsuug zur ^eit keine Folge geben zu sollen.

Dagegen ist bekannt nnd wird unr ergänzeud erwähnt, dass mit dem Kouigreiehe der Riederlande betreffend die Errichtung sehweizeriseher Kon^ sulate in Riederländisch-Jndien ein Vertrag abgeschlossen wurde , der die Genehmigung der eidgenössischen Räthe erhalten hat. (Osfiz. Sammlung

Bd. Vll, Seite 461 und 606.

Vl. Sammlung der ^taut^re^tli^en ..^nt^eide.

Die Ueberse^ung der Sammlung des .^errn U l l m e r ist, der im legten Gesehästsberichte erwähnten Uebereinknust zufolge, durch Herrn Borel kräftig gefordert worden. Der ursprünglich angesezte Termin ist ^war überschritten, alleiu wir hoffen, dass die Uebersezung doch noch vor der nächsten Bundesversammlung beendigt und im Druke erschienen sein werde.

Vll. ^ertra^e nnd .^^nventi^nen mit dem ..^u^Iande.

1. Hieher gehort in erster Linie der von dem Ehes des Justiz- und Bolizeidepartements geleitete ^lbschluss eines ^taatsvertrages zwischen der S c h w e i z und dem Grossherzogthum B a d .en, betretend die gegenseitigen Riederlassuugsverhältnisse, welcher die beidseitige Genehmigung der obersten

333

Autoritäten erhalten hat. (Bundesblatt 1863, Bd. lll, Seite 463, 807, 821 und 1864, Bd. l, Seite 37, 43, 4..) ; Ges.-Samml. Vlll, 1-6.)

2. Sodann hatte das Departement verschiedene in sein Ressort einschlagende Fragen ^n begutachten, welche die Verhandlungen , betretend den Abschluß eines S t a a t s v e r t r a g e s mit F r a n k r e i c h , hervorgerusen haben, z. B. über Gränzbeziehungen , über Riederlassungs - .und Aufenthaltsverhältnisse und ...gebühren, über den Sehu^ des literarischen

und künstlerischen Eigenthums, über die Stellung der Jsraeliten u. s. s.

3. Ein im Kanton St. fallen wohnhafter piemontese (Real) gerieth in Konkurs. Es wnrde ermittelt, dass er in seiner ursprünglichen Heimath noch Vermögen in Liegenschaften bestie, die aber auch verpfändet seien. Die Regierung von St. fallen verlangte nun, dass die Li.^uidation des Vermögensbestandes in Biemont und die Auslieferung des Ertrages an das Konknrsgericht des Kantons St. Gallen bewirkt werden mochte, wogegen die piemontesisehen Kreditoren auch in St. Gallen ihre Ansprüche geltend zu machen hätten.

Der Bundesrath ist jedoch aus dieses Gesuch nicht Angetreten, indem es gegen die Grundsäze des internationalen^ Rechtes verstosse, da keinem Staate zugemuthet werden könne, das aus seinem Gebiete liegende Grundeigentum nach den Gesezen Deines andern Staates liguidiren und die aus diesem Grundeigentum versicherten Gläubiger vor ein fremdes Konkursgericht verweisen zu lassen. Der Bundesrath würde eine derartige Zumulhung eines andern Staates entschieden von der Hand weisen. Der ordentliche Weg sei vielmehr der, dass das Grundeigeuthum am Orte, wo es liege, li^uidirt und die daraus versicherten Gläubiger aus dem Erlöse befriedigt werden. Ergebe sieh dabei ein Uebersehuss von Aktiven, so sei dieser dann in die Masse zu verlangen (welches Verlangen der Bundesrath untersten werde). Ergebe sich ein Ueberschuss von passiven, so mögen die grundversicherten Gläubiger für den ungedekten Theil ihrer Forderungen ebenfalls ihre Befriedigung aus der Masse suchen. Jm Hinblik aus eine in den Akten enthaltene Androhnng von Repressalien machte der Bundesrath die Regierung noch besonders darauf ausmerksam, dass nach Art. 1 des Handelsvertrages mit Sardinien vom 8. Brachmonat

1851 eine Zurüksezung der italienischen Kreditoren nicht zulässig wäre.

4. Ein Bürger aus dem Kanton Glarus starb in Frankfurt a. M.

Seine Verlassenschast wurde nach den Gesezen des Domizils li^uidirt.

Die heimathliche Gemeinde wurde jedoch mit ihrer Ansprache auf Be^ahlung der gesezlichen Todessallsteuer abgewiesen. Die Regierung von Glarus wünschte, dass der Bundesrath jenem Geseze, dem sich alle Gemeindebürger zu unterziehen haben, Rachachtung verschaffe. Er ist jedoch nicht eingetreten, da auf eine diplomatische Verwendung die Behorden von Frankfurt selbst beim besten Willen die Berechtigung nicht hätten, einen privaten zu einer Steuerbezahlung an auswärtige Behorden zu zwingen.

334 5. Ein Bürger des Kanons Basel-Landschast, wohnhast in den Vereinigten-Staaten von Nordamerika, hat, um sein ..^ermogen heranszuerhalten, einerseits aus jenes Bürgerrecht verachtet und anderseits die Erklärnng ausgestellt, dass ex Borger von Nordamerika werden wolle. Der Bundesrath erklärte, die.basellaudschastliche Gemeinde sei nieht verpflichtet, das Vermog^n herauszugeben, ^bis der Betent sich ausweise, dass er wirkl i .h B ü r g e r von Nordamerika sei, da. die blosse Absicht, Bürger werden zn wollen, nicht genüge, indem die nordamerikanischen Geseze auf jene Erklärung hin noch einen längeru Ausenthalt fordern.

6. Michael Anton . ^ c h l i e h t i g aus ...^t. Gerold, in Vorarlberg, war in Urtare, Departement des Donbs, in Frankreich, dom^ilirt, verlobte.

sich dort mit einer Bernerin und erhielt am 22. Januar l 854 vom Maire in Urtare die Christliche Erklärung, dass er den Gesezen Frankreichs behnss seiner Verehelichung Genüge geleistet habe, und dass er, wie seine ^rau und allsällige Kinder, zu allen Zeiten in Urtiere anerkannt werden

und der Rechte als franzosische Bürger. theilhaft seien. Mit Rükficht aus dieses neue Bürgerrecht verlangte und erhielt Schlichtig die formliche Ent-

lass..ug aus dem österreichischen Staatsverbaude. Seine Ehe wurde so^ dann in Urtiere verkündet und in Bo.nerats , aus bernischem Gebiete, vollzogen, wo. dann die neue Familie Eigenthum erwarb und ihr Domizil aufschlug. Jndefsen haben ihr die französischen Behoben sogleich die ^.egitimationsschristeu verweigert, voraus Verhandlungen sieh entsponnen haben, die damit endigten, dass nun die Regierung von Bern die ^amilie nicht mehr abschieben konnte und sieh am 8. Juni 1863 euts.hliessen musste, dieselbe im Kanton Bern einzubürgern. Die franzosische Regiernng sprach sich dahin aus : die Erklärungen des Maire seien bedeutungslos, weil ihm die Eigenschaften mangeln, um einer Berson die .^nalität.

als Franzose zu ertheilen; man werde bloss Franzose durch Geburt und Naturalisation. Die ^on der Regiernug von Bern gegen diese Theorie vorgebrachten Gründe blieben erfolglos, .vorauf sie gegen ^raukreieh spe.^ Bielle Verfügungen erliess, um sieh zu versichern, dass ein frauzosiseher Beamter innerhalb seiner Kompetenz gehandelt habe. sie wies il^re ..Beamten an, weder die Verkündung noch die Eiusegnnug der Ehe eines ^ranzosen ^u bewilligen, bevor er eine osfizielle Erklärung über seiue .Qualität als ^rauzose von der srau^osiseheu Gesandtschast in der Schweig depouirt habe.

Diese leztere erwiderte, es sei damit im Grunde nichts Renes eingeführt, de..n sie. stelle alle Tage derartige Erklärungen ans, worin die ^.treffen-

den Artikel 170, 12 und 1l des Code Napoleon zitirt seien.

7. Die Handelsleute Baumel und.Raboul in Eette, Frankreich, machten ein.. Forderung aus Weinlieferungeu geltend gegen einen Wein-.

negotianten in Beru und klagten sie vor dem Handelsgerichte in Eette ein. Gestuft ans Art. lll des ^..laatsvertrages mit Frankreich. von 1828, verweigerte der Berner die Annahme der Zitation, weil er in Bern zu.

33.^ belangen sei. Das Bericht v.^n Eette verurtheilte ihn jedoch in co.nu..

nia...iam und unter Androhung von ^..rsonalarrest. Dieses Urtheil würde dem Verurtheilten die Möglichkeit ersehwert haben, .mit Frankreich weiter Handel zu treiben. Der Bundesrath liess daher gestüzt ans jenen Staatsvertrag seine diplomatische Verwendung eintreten.

Das srauzosische Ministerium des Auswärtigen antwortete mit Rote vom 24. Mar.. 1863. das Gericht von Eette habe den angeführten Staatsvertrag nicht berechtigt, weil diese Einrede bei der Geriehtsvexhandlung nicht erhoben worden sei. Da der ..^erurtheilte beabsichtige, ^ Appellation zu erheben (.^ fo..^..^ op.^.^liou), so sei der Generalprokurator bei dem kaiserlichen Gerichtshof von Montpellier beauftragt worden, die Richter von Eette einzuladen , sich den Vorschriften des Art. 3 de.^ Vertrages^ von 1828 anzuschließen und in Zukunft de.. Jnhalt diesel Vertrags zu beobachten gemäss den Jnstruktiouen , wie sie in einem. Zirkular des Ministers der J..sti^ vom 25. Mai t 855 enthalten seien. ^

(cf. Ullmer Rr. 628.)

8^. Wiederholte Anstände mit Frankreich darüber, welcher Staat berechtigt sei, die Erfüllung der Militärpflicht von solchen Personen .zu verlangen, die beiden Staaten bürgerrechtlich angehoren, haben beiderseits zu der Ueber^eugung gesührt, dass es wünsehbar sei, dieses Verhältnis durch eine spezielle Vereinbarung zu reguliren. Der Bundesrath, hiezu eingeladen, machte solgenden Vorschlag : ,,Die Schweiz und Frankreich vereinigen sich hinsichtlieh der Militärdienstpflichtigst von Personen , welehe sowohl die sehweizerische als die franzosische Ratnralisation besten, dahin : ,,Es soll die Berechtigung, den Militärdienst oder dessen Ae.^nivalent.^^ zu verlangen, nur je von Einem der beiden Staaten ausgeübt werden.

.,Jm einzelnen Falle erscheint derjenige der beiden Staaten als der berechtigte, iu welchem die betreffende Verson zur ^eit des Eintrittes der

Militärpfliehti^keit ihr gesezliches Domizil hat.

^,Falls aber der Betreffende im genannten Zeitpunkte sein ges^liche.^ Dom^il in einem dritten Staate hätte, ^ so würde die Berechtigung demjenigen der bei^eu Staateu ^ufalleu , in welchem derselbe nach seiner Rükkehr sieh geseztieh domi^iliren würde.

^Sobald die Berechtigung im Spezialfalle nach den vorbe^.ichnete^ Grundsäzen regulirt ist, so hat auch bei naehheriger Veränderung des Domizils der andere ^taat stch jeder weitern J..anspruehuahme der Betrefsenden für Militärpflicht oder deren Ae^.uivalente zu enthalten.^ Raeh neuesten Mittheilungen ist Aussieht vorhanden, dass dieser Vorschlag die Zustimmung der französischen Regierung erhalten werde.

.336 -^. ^nstiz.

1. ..^lt^emein^ nuI. ^tatistil..

^aut dem legten Geschäftsberichte sind 13 Rekurse als pendent aus dem Jahr 1862 aus 1863 übertragen worden.

Jm Laufe des Berichtsjahres sind 123 neue Rekurse eingegangen, ^.lso im Ganzen 136 in Behandlung gewesen, oder l l mehr als 1862

.und 34 mehr als 1861.

Die ^Rekurse sind sämmtlich vom Departement sogleich behandelt .und sodann vom Bundesrathe entschieden worden. Am Schlösse des Jahres blieben in solcher Weise nur ..och 12 pendent, während l24 erledigt worden sind.

Von diesen Rekursen waren 18 gegen Behorden des Kantons Bern, je 17 gegen jene der Kantone Lnzern und Freiburg, 11 gegen Solothurn, je .) ^egen Basel-Landschaft, Aargau und Waadt, je 5 gegen ......hurgau

und Gens, je 4 gegen Uri, Basel-Stadt und St. Gallen gerichtet .....

Dem Gegenstand nach haben 48 Rekurse Riederlassnngsverhältnisse besehlagen, nämlich. Entzng der Niederlassung (l 5), Verweigerung der Niederlassung (8), Steuersragen (8), Vormundschaft (2), Verweigerung

der Heimathschriften (6), Rükhalt der ^egitimationspapiere (6), diverse

Fragen (3), 28 weitere Rekurse betrafen Arrest^ und Gerichtstandssragen.

nämlieh Arrest (7), Gerichtsstand in Konknrssragen (3), bei Alimenta-

^ionsklagen (3), bei Widerklagen (3), bei Jnjurien (3) , bei Eheseheidung und Erbtheilnng (je 1) und 7 Gerichtsstand bei persönlichen oder dinglichen Ansprachen anderer Art. ferner betrasen 5 Rekurse Konfliktsfragen zwischen kantonalen Kompetenzen. Endlich wurde in 15 Rekursen Besehwerde wegen Eheverweigernng geführt, wovon jedoch in 3 nicht eingetreten wurde, weil sie keine gemischten Ehen betrafen. Die übrigen 12 ^ertheilten sich ans die Kantone .^olothnrn 5 (begründet 1, unbegründet

4), Lnzern 4 (begründet 1, freiwillig entsprochen 1, unbegründet 2),

Aargau 3 (begründet 2, in die dritte Besehwerde wurde zur Zeit nicht eingetreten, weil noch nicht alle kantonalen Jnstanzen erschopst waren).

Einige andere Details ergeben sieh ans der sollenden Uebersicht :

Cantone.

.

.

.

.

.

.

.

.

^ c h ^

Ab^

eintreten. welsung.

Be^ .

.^ Bleiben grunde.^ zug ..e. pendent.

Erklärung

Die .Rekurse war en gerichtet gegen ^erwaltungs.^ Gerichts ^ beho .den.

Summa.

^

^ ^

^

^ürich

.

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.

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.

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.

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Bern

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Obwalden .

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Freiburg

.

.

Solothurn .

. . .

Basel^Stadt . . . . .

^ Basel-Landsehast Schafshausen

. . .

. . . .

Appenzelt A. Rh. . . .

St. Gallen . . . . .

Graubünden .

. . .

.^largau .

. . .

Thuraau

.

.

.

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.

.

Tessin ^ .

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Waadt

.

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.

.

Wallis

.

.

.

.

.

.

Reuenburg Gens

.

.

. . . . .

.

.

.

.

.

4 3 2 1 2 1 1 1

1 6 9 2 2 2 1 2 12 7 1 3 1

3 1 1 1

3 2 3 2 1 5

3 24

1 2 68

3 3 1

1

2

2 4

2

1

1

^t I 2 1 2 1

1 1 1

1 1 3

1 1 3 2 2

24

1 8

1 7

11

1 2 2 2 3 4 2

1

5

12

1 3 47^

2 11 17 4 1 3 2 2.

.

.

.

.

11 3 7

1 2 5 3 2 4 ^ 1 2 89

3 18 17 4 3 3 3 2 17 11 4 9 2 t 4 ^ 9 5 2 9 1 1 5 136

^ ^.

^nts.^eide nber ....^n.^endnn^ der ^n.^.e......ersa.snn,^.

I..

R i e d^e r l a s s un g s v e r h ä lt n i s s e.

a. E r w e r b der Niederlassung.

1. Dem Johann . L e r c h , Ziegler, von Wenigen, Kantons Bern, ist von der Regierung des Kantons Aargau die Bewilligung znr Riederlassnng in der Gemeinde R...ken verweigert worden. Zwei Schwestern

desselben haben um die gleiche Zeit Ausenthaltsbewilligu..gen in der gleichen Gemeinde erhalten , die ihnen jedoch wieder entzogen wurden.

Die von Johann Lerch hiegegen erhobene Beschwerde wnrde unterm 1.

Mai 1863 vom Bundesrathe abgewiesen. Die hiebei zur Spra.he gekommenen Gesichtspunkte ergeben steh aus der sollenden Begründung des

Entscheides:

1) Die Beschwerde wegen der Ausweisung der Tochter Lerch kann den Bundesrath noch zu keiner Schlusssassung veranlassen, da dieselbe zuerst im ordentlichen Jnstanzenzug bei der Regierung des Kantons Aargau anzubringen und erst gegen deren abweisenden Entscheid ein

Rekurs an den Bundesrath zulässig ist.

2) Der Entscheid über die Hauptbeschwerde des Lerch wegen Verweigerung der Niederlassung im Kanton Aargau hängt einzig und allein davon ab, ob ihm das Brädikat sittlicher Ausführung (Art. 41, 1, b der Bundesverfassung) zukomme, indem den blossen Zweifeln an seiner Habhastigkeit und Erwerbssahigkeit, gemäss konstanter Bra^is, kein Gewieht beigelegt werden kann, da er im Verarmungsfalle in den Heimathkanton zurükgewiesen werden konnte.

3) Wenn nun Rekurrent behauptet, die für ihn günstigen Zeugnisse von Wenigen und Whnau seien sür den Beweis sittlicher Anfführnng absolut maßgebend , so kann dieser Ansicht ^keineswegs beigetreten werden , sobald anderweitige ..^hatsaehen vorliegen , welche jene Zeugnisse zu eui.krästen geeignet sind.

4) Run aber liegen allerdings solche Thatsaehen vor, einerseits in den 9 Strasurtheilen , welche , obschon im Einzelnen nicht bedeutend , dennoch beweisen , dass Rekurrent im Ganzen mit den Gesezen und Behorden seines Landes sieh nach allen Seiten hin in einem immerwährenden Konflikte befand, wo^u dann noch kommt, dass er auch an seinem nenen Riederlassungsorte sehon damit begann, gegen die Geseze ^ verflossen , und andererseits in den mannigfachen aktenmassigen Belegen eines Wandels , welehem ^um Mindesten das

Vrädikat sittli.her Aussührung nicht zugesprochen werden kann.

2. Der Kleine Rath des Kantons Basel-Stadt hat der Frau eines Faliiten, Ramens Sophie Marie D e lp or te geb. Gold e m an n, von Aarau, und deren Kindern, die Riederlassung nicht bewilligt, weil die Geseze das eigenmächtige Getrenutleben der Ehegatten nicht gestatten und

339 .^etentin über genügenden eigenen Erwerb sich nicht anzuweisen vermöge ; die ihr vom Manne zugesicherte Benfion ...ber prekär und nicht genügend fei.

Der Bundesrath hat den Rekurs der Betentin am 22. Mai 18^3

als unbegründet erklärt, indem

a. in Litt. c des Art. 41 , Ziff^ 1 der Bundesverfassung verlangt wird, dass der Riederlassungspetent zn bescheinigen habe, dass er in bürgerlichen Rechten und Ehren stehe, diese Qualität nun aber der Ehefrau eines Falliten , die mit ihrem Manne in ungeschiedener , wenn auch saktisch getrennter Ehe lebt, nicht ohne Weiteres zukömmt, vielmehr deren bürgerliche Rechtsstellung als eine unklare und ihre Umgebungen möglicher Weise gesährdende bezeichnet werden muss ; b.. es zugleich an dem Ausweis mangelt, dass Betentin durch Vermögen , Beruf oder Gewerbe sich und ihre Famille zu ernähren im Stande sei, da sie im Gegentheil ganz von dem überdiess prekären Verdienste des von ihr getrennt lebenden Mannes abhängig ist.

3. Jn einem ähnlichen Falle der Frau Jeanne Elisabetha Earolina Z w a h l e u geb. Kanneworsf, von Guggisberg, Kts. Bern, hat die Regiernng von St. Gallen den Nachweis von der Betentin dureh die zuständigen Behörden ihres Heimathkantons verlangt, dass sie von ihrem Manne getrennt leben dürfe, indem zugleich die Erklärung des Kirchenvorstandes ihrer Heimathsgemeinde, dass er in dieses Getrenntleben, so viel an ihm liege, einwillige, als ungenügend bezeichnet wurde.

Der Rekurs der Betentin stufte steh vornehmlieh darauf, dass sie allen Erfordernissen des Art. 41 der Bundesverfassung genügt habe, die Regierung von St. Gallen fordere aber mehr, was unzulässig sei. Die

Gesezgebung des Kantons Bern gebe die Möglichkeit nicht, ein anderes Zeugniss beizubringen.

Der Bundesrath hat am 9. Januar 1863 diesen Rekurs abgewiesen, mit sollender Begründung : 1) Es steht lediglieh in Frage, ob die ^t. Gallischen Behörden befugt seien, von einer Ehesrau, die sich selbständig niederlassen will, ^ den Raehweis zu verlangen, dass sie berechtigt sei, von ihrem Ehemanne getrennt zu leben ^ 2) Diese Frage muss bejaht werden, indem Saz 1 des Art. 4l der Bundesverfassung die Berechtigung zu freier Riederlassung offenbar vom Nachweise des Vorhandenseins der Bedingungen einer selbstständigen Existenz abhängig maeht und schon nach Litt. c das Begehren gerechtfertigt ist, dass ein .^iederlassungspetent in zweifel-

hasten Fällen über feine bürgerliche Rechtsstellung die nöthigen Bescheinigungen beibringe.

340 3) Jm vorliegenden Falle .kann nun allerdings in der verklausulirten .

Erklärung des Kirchenvorstandes von Guggisberg eine g e n ü g e n d e Bescheinigung über die bürgerliche Rechtsstellung der Rekurrentin .

nicht erblikt werden.

4) Die Behauptung der Rekurrentin, es sei ihr nach bernisehem Rechte .

nicht moglich, einwandere Bescheinigung beizubringen , selbst wenn ste begründet sein sollte, ändert an der Sache nichts, da die Riederlassung von ihr in St. Gallen nachgesucht wird und somit den Gesezen de... leztern Kantons ^u genügen ist.

4. Die Einsrage eines Kantons, ob einem Schweizerbürger, der früher wegen betrügerischem Bankerott zu vierjähriger Zuchthausstrafe und zum Verluste der bürgerlichen Ehren verurtheilt, in neuester Zeit aber wieder in seine bürgerlichen Ehren eingesezt worden sei , die Niederlassung ertheilt werden müsse, hat der Bnudesrath dahin beantwortet: Da ein Rehabilitier im Falle sei, die in Art. 4l, Litt. c der Bundesverfassung geforderte Bescheinigung über den Besiz der bürgerlichen Rechte und Ehren beizubringen, so könne ihm wegen des srühern Entzuges dieser Eigenschaften die Niederlassung nicht verweigert werden, denn die BnndesVerfassung stelle auf bestehende Zustände ab und es konnten die Bundesbehorden eine weiter gehende Beschränkung der Riederlassungssreiheit nicht gutheissen.

. t.. .Entzug der Niederlassung.

5. Der .... taatsrath des Kantons Waadt hat die Ausweisung des ^ Johann S c h a c h e r , von Reunkirch, Kantons Schaffhausen, dadurch begründet: Schacher sei 1854 wegen Betruges zu 12 Monaten Gesängniss und fünfjährigem Verluste des Aktivbürgerrechtes verurtheilt worden. Raeh Ablauf der Gefängnissstrafe habe er in .......avo.^en gelebt und nachdem er eine Waadtländerin geheirathet , die Bewilligung zur Rükkehr in den...

Kanton Waadt nur unter der Bedingung des Wohlverhaltens empfangen.

Run habe er ein kleines Gebäude errichtet, in welchem er geheimnissvoll

nur Rachts bis spät arbeite. Das allgemein akkreditirte Gerucht beschul-

dige ihn , dass er sich zum Schmelzen gestohlener Schmul^saehen ^me^nx pre.^eu^ hergebe. Bei Herrn Laudon in Ou^ . bei welchem er gear^ beitet, habe Schacher zwei Diebftahle verübt. Herr Laudon habe^ sich

aber mit der Rükgabe der Objekte beruhigt. Einen Mitarbeiter habe

Schacher mit einer Eisenstange brutal geschlagen ; die Klage sei zwar eingeleitet, aber gütlich wieder beseitigt worden. Sein älterer Knabe werde auch sehon verschiedener Schädigungen beschuldigt.

Der Bundesrath hat am 18. Dezember 1863 die Beschwerde Schachers begründet gesunden und den Ausweisungsbeschluss aufgehoben.

Gründe : 1) Die von der Reaierung von Waadt zur Begründung der versügten

341 .

^

Ausweisung angeführten gründe .würden allerdings vollständig znr Rechtfertigung dieser Massregel geeignet sein , sofern die angeführten Vergehen gerichtlich konstant wären.

2) Die in Art. 41 , Ziffer 6 der Bundesverfassung geforderten formellen Ersordernisse zur Begründung einer Ausweisnng mangeln jedoch znr Zeit noch.

3) Unter solchen Umständen liegt es in der Bslieht der Bundesbehorden , im Jnteresse der bürgerliehen Freiheit an der strengen Beobachtnng der gesezlichen Ausweisnngsbedingungen selbst da festzuhal.^ ten, wo man naeh moralischer Ueberzeugung das Ausweisungsdekret als berechtigt anzuerkennen geneigt wäre.

6. Bendieht M a u r e r , aus dem Kanton Bern, seit 30 Jahren mit Familie im Kanton Waadt niedergelassen, wurde ausgewiesen. Er beschwerte sieh beim Bundesrathe, da ihm keine Gründe bekannt, noeh mitgetheilt worden seien. Der Staatsrath von^ Waadt produite nun als Beweise zwei Urtheile gegen einen Ehristian Manrer aus den Jahren 1856 und 1862 wegen Holzsrevel und sechs Urtheile gegen einen Sohn des Rekurrenten wegen verschiedener Boli^eivergehen.

Der Bundesrath hat sich in seinem Entscheide vom 25. März 1863 dahin ausgesprochen : 1) Jn F.^e ^er vielfachen Bestrafungen des Sohnes Manrer war die Ausweisung desselben aus den. Kanton Waadt unzweiselhast

^lässig ,

2) Raeh der gegenwärtigen Aktenlage will es aber fast scheinen , es haben die waadtländischen Behorden den Vater und die übrige Familie uni der Vergehen jenes ..Lohnes willen , mitausgewiesen , was sich wohl schwerlich ganz reehtsertigen dürste, sosern eine Ausweisung des erstern allein thnnli..h wäre ,

3) Art. 41 , Ziffer 6 , Lut. h der Bundesverfassung gewährt allerdiugs anch für die Ausweisung des Vaters Maurer wegen der zwei, zwar in längern Zwisehenräumen ersolgten Bussenurtheile wegen Holzfrevels, Anhaltspunkte, s o s e r n die Urtheile w e n i g s t e n s den R e k u r r e n t e n b e t r e s f e n ; 4) Unter solchen Umständen . erseheint zwar der Rekurs nicht als begründet, wohl aber darf der Regierung von Waadt empfohlen werden, vor der Vollziehung der Ausweisung auf ein etwaiges Revisionsgesuch des Maurer hin, die speziellen Verhältnisse der Familie noch etwas genauer prüsen zü lafsen und die Ausweisung nicht weiter als nothig auszudehnen ; daher wurde beschlossen : Es sei der Rekurs unbegründet, wogegen dem Rekurrenten überlassen werde, stch im ^inne der Erwägungen nochmals an die Regierung von Waadt zu wenden.

342 7. Advokat ..Conrad J e g g e , von Sisseln, Kantons Aarg^u, niedergelassen in Liestal, ist durch Beschluss der Regierung aus dem Kanton Basel-Landsehast ausgewiesen und gleichen Tages polizeilich nach Aarau transportât worden, weil er einen slowakischen Maussallenhändler in den Sizungssaal des eben versammelt gewesenen Landrathes .vies, unter der Vorgabe, dort konne er verkaufen.

Jegge rekurrirte hiegegen. Der Bundesrath ist in seinem Entscheide vom 25. November 1863 von folgenden Gesichtspunkten ausgegangen: 1) Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass das hochst incuriose Benehmen des Reknrrenten gegen die obersten Behorden des Kantons Basel^Landschast gehorige Strafe verdient .

2) Wenn sieh die basel^landschastliehen Behorden damit begnügten, den Rekurrenten auf jenen Vorfall hin blos polizeilieh ans dem Lande fortzuweisen, so ist dieser jedenfalls nicht im Falle, sich über gegen ihn ausgeübte allzugrosse Strenge zu beklagen ; 3) Auf der andern Seite muss jedoch bei dieser Bestrafung n a eh dem G e s e z e versalzen werden. augenscheinlich waren aber nach Art. 41, Ziffer 6 der Bundesverfassung, welche allein das sur die interkantonalen Verhältnisse gültige Gesez ist, die Bedingungen für eine polizeiliche Ausweisung nicht vorhanden ; 4) Daher muss, sobald Rekurrent sich über das gegen ihn geübte Verfahren zu beklagen für gnt befunden hat. das Ausweisungsdekret als mit der Bundesverfassung im Widerspruche stehend ausgehoben werden, dagegen sind selbstverständlich die basel-landsehaftlieheu Behorden berechtigt, ein Strafverfahren gegen den Rekurrenten einzuleiten und durchzuführen ; und hat daher beschlossen .

Es sei der Rekurs im Sinne der Erwägung 4 als begründet erklärt und demzufolge der Ausweisungsbefehl^ der Regierung von Basel-^andschast vom 20. Oktober 1863 ausgehoben.

8. Hr. Johann S eh ü r eh, von Büren ^.m Hof, Kantors Bern, hat im Jahr 1858 die Niederlassung im Kanton Freiburg erworben. Er produite ein Zeugniss der Stadtpolizei von Bern vom März 185^, dahin lautend, dass während seinem Aufenthalte in dieser Stadt, seit dem Jahre 1828, nichts Ra^htheiliges von ihm bekannt geworden sei. Es wurde indess ermittelt, dass S.^ürch am 9. September 1843 von dem ^bergerichte der Republik Bern wegen Betrng und Wucher zu einem Jahre Einsperrung, Fr. 850 Busse und Fr. 1200 Entschädigung
verurtheilt worden sei, und dass ein zweites Strasurtheil vom l l. Januar 1845 gegen ihn bestehe, wegen Amtsehrverle^ung und Verleumdung, wodurch er zn 30 Tagen Gesaugensehast und zur Abbitte vernrtheilt wurde. Seit Deinem Ausenthalt im Kanton ^reibnrg wurde Schüreh sechs Mal wegen Uebertretung polizeilicher Vorschriften bestrast. Gestüzt auf diese versate-

.

^

denen Bestrafungen und auf das unrichtige Zeugniss von Bern hat die

Regierung des Kantons Freiburg die .......ederlassungsbewilligung zurükgezogen.

Hr. Schürch beschwerte sich hierüber beim Bundesrathe, weil man aus die Urtheile vor dem Ausenthalte ini Kanton Freiburg nicht zurükkommen konne. Ziffer 6 von Art. 4l der Bundesverfassung fordere eine üble Anfsührung im betreffenden Kanton selbst. Die vorliegenden Bolizeiurtheile seien aber nicht genügend, um gegen einen angesehenen, wohlhabenden, gutbelenmdeten und ans Grnndeigenthum angesessenen Mann in dieser Weise vorzugehen. Es könne kaum^ ein Zweifel fein, dass er büssen sollte für seine Bemühungen zur .^ertheidigung der Rechte der Brotestanten, obsehon diese Rechte von der Bundesversammlung gutgeheißen worden seien.

Der Bundesrath hat diesen Rekurs am 1l. November 1863 als unbegründet erklärt und dabei in Erwägung gezogen : 1) Bei Beurtheilnng des vorliegenden Falles kann rech t lieh bloss in Frage kommen , ob die Regierung von Freiburg durch ihren Ausweisungsbesehluss steh mit der Bundesversassung in Widerspruch gesezt habe .^ 2) Diese Frage muss verneint werden, indem, wenn man auch mit Rüksicht auf die Länge der seit den srüher im Kanton Bern ergangenen Urtheilen verflossenen Zeit, aus jene Urtheile nicht zurückgehen will, seither sechs weitere Bestrafungen wegen Uebertretnngen polizeilicher Forschriften aus dem Kanton Freiburg selbst vorliegen, welche nach dem Wortlaute des Art. 41, Zisser 6 Lut. h der Bun^ desverfassung die Regierung von Freiburg berechtigten, zur Ver^ weisung des Niedergelassenen zu schreiten; 3) Bei dieser formellen Sachlage kann es nicht Sache des Bundesrathes sein, näher darüber einzutreten, ob nicht andere verborgene Motive das Begehren um Ausweisung des Reknrrenten veranlasst haben mogen , jedoch wird es der Aufmerksamkeit der Regierung von ^reiburg selbst nicht entgehen, dass bei der Geringfügigkeit der grossern Zahl jener polizeiliehen Uebertretnngen ihre ..^.ehlnssnahme sehr der Gesahr der Missdeutung ausgesetzt seiu wird, so dass der Bnnd...sratl,. ihr empfehlen mochte, sür den Fall , als .^ehüreh ein

Revisionsgesueh bei ihr anhängig machen sollte, die Vollziehung des

Ausweisnngsbeschlusses in nochmalige Erwägung zu ziehen.

Gegen diesen Entscheid hat Johann Sehüreh auch noch an die Bundesversammlnug rekurrirt. Der Ständerath hat indessen am 16. De-

zember 1863 beschlossen, es sei dieser Rekurs in Bestätigung des buudesräthlichen Beschlusses als unbegründet abgewiesen. Der Nationalrath ist am 22. Dezember 1863 diesem Besehlnsse einfach beigetreten. (Bundes-

blatt 1864, Bd. l, S. 12, 168 und 173-174.)

344 9. Vinzenz Müller ..us dem Danton L^ern, verheirathet mit einer Bürgerin von Lenzburg, war als Handelsmann an letztern.. Orte niedergelassen. Er gerieth 1860 in Konknrs und wurde sodann aus dem Kanton Aargau ausgewiesen, indess seiner Frau und Kindern der Ausent-

halt gestattet blieb. Ans diesem Verhältnisse sind verschiedene Verwick-

lungen hervorgegangen. Müller kehrte beliebig znrück und war^ beschnldigt, dass er Brwate beschimpfe und den Beamten Hohn spreche. Die Regierung befahl, die Vorschriften des Fremdengesezes aus ihn a.^uwenden; allein das genügte nicht, indem er nie acht Tage anhaltend blieb.

Dagegen kam er se zu 5--6 Tagen nur für 1 -2 Tage als Rasender in ^die Gegend, und zwar mit eineni luzernischen Basse versehen, nnter der Vorgabe verschiedener Geschäfte. Jn Folge verschiedener Beschwerden hat nun die Regierung von Aargau beschlossen. Müller fei ans dem Kanton formlich weggewiesen und fei die Vollziehung der Bolizeidirektion ubertra^en. Müller wnrde nun verschiedene Male arretirt, aber anfänglich nur mit der Androhung polizeilichen Transportes entlassen, später wegen Missachtung d..r polizeiliehen Verfügungen verhaftet und bestraft.

Rnn gelangte Müller beschwerend an den Bundesrath, indem er den Kantonen das Recht bestritt, den Bürgern anderer Kantone über den Entzug der Niederlassung hinaus, anch noch das Betreten ihres Gebietes zu verbieten.

Der Bundesrath hat am 15. Mai 1863 diese Beschwerde abge-

wiesen, gestützt ans folgende Gesichtspunkte :

1) Reknrrent gesteht vorerst zu, das Recht zur Niederlassung im Kanton Aargau, gemäss Art. 41, Ziffer 6, Litt. h, verwirkt zu haben.

2) Gemäss der nämlichen Bestimmung der .Bundesverfassung war die Regierung von Aargau auch berechtigt, ihn ans dem Kanton ....egzuweisen, 3) Die Frage, wie weit ein Kanton einem Schwei^erbürger, den er weg^uweisen berechtigt ist, dennoch Niederlassung oder längern oder vorübergehenden Aufenthalt gewähren wolle, ist lediglich Saehe dieses Kantons und kann die Bundesbehorden um so weniger zu einer Einmischung veranlassen, als anerkanntermaßen die Handhabnng der Fremdenpolizei gemäss Art. 3 der Bundesverfassung Kantonalsache geblieben ist.

10. Raehdem die Eheleute L e h m a n n von Riederbüren, Kantons St. Galieu, niedergelassen in Basel, von der Anklage aus Kuppelei geriehtlich freigesprochen waren, hat die Regierung von Basel-Stadt ihnen die Niederlassung entzogen, weil durch die Ergebnisse der Untersuchung Eharakter und Lenmund dieser Familie so sehr kompromittirt erscheinen, dass die Ausweisung durch die Bundesverfassung gerechtfertigt sei.

Die Beschwerde der Eheleute Lehmann ist jedoch vom Bundesrathe

am 2. März 1863 als begründet erklärt worden .

34.^

. 1) Art. 41, Ziffer 6, Lut. b der Vundesversassung ermächtigt die Kantone, durch blosse Verfügung der Polizeibehörden einen Rieden gelassenen auszuweisen, wenn er stch eines unsittlichen Lebenswandels schuldig macht ; 2) Diese Berechtigung der Volizeibehorden ist unzweifelhaft auch dann vorhanden, wenn der unsittliche .Lebenswandel kein strafbares Vergehen enthält und somit kein gerichtliches Strafurtheil nothwendig macht, wie solches Art. 41, ^isser 6, ...usdrüklich dadurch auer-

kennt, dass er die Ausweisung durch gerichtliches Strafurtheil und

diejenige durch ^olizeiversügung wegen unsittlichen .Lebenswandel^.

in Lnl. a und b ganz eoordin.rt; 3) Jedoch besteht für beide Arten der Ausweisung eine gemeinsame Voraussezuug darin, dass die Schuld erwiesen sein muss .^erbis : ,. s eh u l d i g macht ^) ; 4) Wenn nun aber der Richter in einem von den Bolizeibehorden selbst bei ihm anhängig gemachten Falle eine Schuld nieht gefunden und das von der Volizeibehorde gestellte Ausweisungsbegehreu förmlich verworfen hat, so kann es unmöglich in den Befugnissen der Polizeibehörden liegen, hintendrein den ganz nämlichen ^all ihrerseits als sehuldhast zu bezeichnen und demzufolge in einer dem gerichtlichen Urtheile schnurstraks zuwiderlaufenden Weise die Ausweisung zu versügen.

11. Die Regierung des Kantons Solothurn hat dem Friedrich.

S c h ä r e r von Hollstein, Kantons Basel-Landschast, die Niederlassung entzogen, nachdem bekannt worden war, dass er 1857 und 1861 in Basel^tadt ^wei Mal wegen Väderastie bestrast und ausgewiesen worden sei, während seine Heimathgemeinde ihm n a ch der legten Verurtl.^eiluug noch ein günstiges Leumundszeugnis^ ausgestellt hatte, dessen er sieh in Solothur^ bediente.

Ans erfolgten Reknxs hat der Bundesrath am 26. August 1863 die

Ausweisung begründet erklärt und dabei in Erwägung gezogen :

.l) Aus dem Berichte der Regierung von Solothnrn ergibt sich, daß dieselbe bei Bewilligung der Niederlassung an den Rekurrenten durch ein unwahres Zeugniss der Heimathgemen.de getäuscht wurde, unter solchen Umständen war sie allerdings berechtigt, auf die frühere Schlussnahme zurükzul^mmeu und dem Reknrrenten für die Zukunft ^ie Niederlassung zu verweigern.

2) Jndessen rechtfertigt sich unter obwaltenden Umständen die Wegweisung des Reknrrenten auch aus Grund des Art. 4l, Ziffer 6, Litt. b der Bundesversassung vollständig, nachdem die V.^lizeibehörden verdächtigen Umgang desselben mit einer andern wegen naturwidriger Unzucht bestrasten Persönlichkeit beobachtet haben.

Schärer reknrrirte noch an die Bundesversammlung , allein der Ständerath hat am 16. und der Nationalrath am 22. Dezember 186....

^46 in Bestätigung des bunde^räthlichen Beschlusses, diesen Rekurs abgewiesen.

(B.indesblatt 1864, Bd. I, Seite 12.)

12. Der im legten Geschäftsberichte erwähnte Entscheid in Aachen eines Freibnrgers (Therai.da.^ welcher ans einer Gemeinde seines HeimathKantons ausgewiesen worden .oar (Bundesblatt l 863, Bd. l.., Seite 37), ist an die Bundesversammlung gezogen worden. dieser Rekurs ist jedoch ...om Ständerath am 25. Heumonat 1863 und vom Nationalrath am 31. gleichen Monats abgewiesen worden. (Bundesblatt l863, Bd. llI, ^eite 299.)

^.

V e r w e i g e r u n g der ..Iu^weisschrtften durch den ^ e l math..

kanten.

13. Ehristiau W e r m e l i n g e r von Entlebuch, Kantons Ludern, ^var geuothigt, zum Zweke seines ^ Ausenthaltes in Erlaeh, Kantons Bern, ein Zeugniss von seiner Heimathgemeinde zu verlangen. Es w.^de .hm geantwortet, dass er zuerst seinen Heimathsehein einzusenden habe. Er entsprach dieser Aufforderung ; allein nun wurde ihm auch die Rüksendung des Heimathseheines verweigert und die Regierung von Luzern genehmste dieses Versahren, weil Wermelinger bis anhin die Erziehung seiner zwei unehelichen Kinder der Heimathgemeinde zur Last gelassen habe, während nach .^ 21 und 74 des Armengesezes ein solches Benehmen mit Strafe bedroht und durch ^ 20 des Riederlassnngsgesezes die Ermächtigung gegeben^ sei, die Ausstellung eines Heimathscheines zu verweigern.

Der

Bundesrath hat

über die Besehwerde des Wermelinger am

11. März 1863 in Erwägung gezogen.

.l) Wenn die Regierung von Luzern vorerst den.. Bundesrathe, gestüzt auf eine angebliche Brar^is, die Kompetenz znr Behandlung dieser Beschwerde bestreitet, bevor sie den. Grossen Rathe von Lnzern vorgelegt worden sei, so befindet sie sich hierin im Jrrthum, indem die Vrar^is der Bundesbehorden darin ganz fest ist, dass Beschwerden über Verlezung der Bundesverfassung und selbst Nichtbeachtung von blossen Bnndesgesezen, direkt von der obersten kantonalen Ver.waltuugsbehorde an den Bundesrath gezogen werden tonnen (cl.

Ullmer Rr. 356, 358), während dagegen allerdings sür Be^ sehwerden über Verleznng der K a u t o n a l v e r s a s s u n g l.^as von der Regierung von .Luzern bezeichnete Versalien einzuhalten ist.

^2) Die fernere Behauptung der Regierung von Lnzern, dass Art. 4l der Bundesverfassung nur die Beziehungen des Niedergelassenen zu seinem Riederlassungskanton besehlage, während die Regulirnng der Beziehungen des Niedergelassenen zu seinem Heimathkantone Saehe der Kantonalgesezgebung des lezteren sei, steht mit der Auslegung, welche die Bundesversammlung dem Art. 41 dnreh eine Reihe bekannter Entscheidungen, z. B. in Sachen Heizmann, gegeben hat, ebensalls in volligem Widerspruehe.

347 .3) Vielmehr steht als Resultat jener Entscheidungen gegenwärtig bundesrechtlieh fest, dass auch der Heimathkanton seinen Bürgern die freie Niederlassung in audern Kantonen durch das Mittel der Verweigerung von Ausweisschristen u. dgl. nicht verkümmern darf, immerhin vorausgesezt, dass nicht besondere polizeiliche Gründe jene Verweigerung rechtfertigen.

4) Jm Spezialfalle kann daher einzig der Vunkt Stoff zu weiteren Erörterungen geben, ob in der Thalsache, dass Rekurrent in seiner Heimath zwei uneheliche Kinder hat, an deren Unterhalt er keine

Beiträge leistet, und dass die luzernisehe Gesezgebung ein solches

Benehmen mit polizeilicher Strafe bedroht, ein genügender Grund für die Verweigerung der Answeisschristen liege, indem der Bundesrath dabei die Frage, ob die l..zernischen Behorden befugt gewesen seien, einen vom Reknrreuten ihnen im Vertrauenswege eiugesandten Heimathschein eigenmächtig ^urükzubehalten, ausser Betrad t lassen

will.

5) Judess mnss auch jene erste ^.rage zur Zeit verneint werden, weil bis zur Stunde gegen den Rekurrenten kein Strafurtheil ausgefällt worden ist, andererseits aber die Luzerner Behorden berechtigt und verpflichtet sind, die zivilrechtliehen Alimentationsansprüche an den Rekurrenten nach .Massgabe des Art. 50 der Bundesverfassung geltend ^u maehen .

^ und hat daher beschlossen : Es sei die Bes.hw..rde begründet und .verde die Regierung von Luzern eingeladen, dem Reknrrenten den eingesandten Heimathschein und weitere zur Niederlassung nolhige Ausweissehriften zuzustellen.

14. Die lu^er.nschen Behorden verweigerten der in Basel in Arbeit stehenden Maria R o t h von Wohlhausen, Kautons ^uzern, Heimathsschriften, weil sie einem unsittlichen Lebenswandel ergeben uud wegen einer zweiten außerehelichen Riederkuuft vom Gerichte ediktaliter vorgeladen sei, nachdem sie durch die Flucht der Bestrasung sich entzogen habe.

Die hiegegen eingereichte Besehwerde ist am 2.). Mai 1863 abg^ wiesen worden. Gründe .

1) Es kann keinem ^weisel unterliegen, dass Art. 4l der Bundesversassung ^as Re.cht der freien Niederlassung auch dem weiblichen Geschlechte, wie dem männlichen, gewährleistet, und dass ferner, gemäss wiederholten Entscheiden der Bundesversammlung, der Heimathkanton eben so wenig als der Riederlassungskanton dieses Recht durch Verweigerung von Heimathschristen willkürlich beschrän^ ken darf.

2) Dagegen ist diese Gewährleistung keine unbedingte, sondern vielmehr gebunden an das Vorhandensein der in Art. 41, Ziffer 1, bezeichneten Voraussezungeu.

3) Jm Spe^ialsalle. sind nun diese Voraussezungen schon darum nicht

348 vorhanden, weil Rekurrentin in ihrem Heimathkanton in ^olizeiuntersuchung steht, wobei die Frage, ob das betreffende Vergehen verjährt sei, nicht vom Bundesrathe, sondern nnr von dem kompetenten Richter des Kantons Ludern entschieden werden kann.

d.

^ ü k h a t t u n g der A u s w e i s s c h r i f t e n im A u f e n t h a l t s k a n t ^ n .

15. Die Munizipalität der Gemeinde St. Jmmer, Kantons Bern, hat die Legitimationspapiere eines Melchior Schiller, Graveur, von Dardagn..., Kantons Genf, nachdem er sieh in den Kanton Solothurn begeben hatte, zurükbehalten, weil er die Gemein.^sabgaben schuldig verblieben ist. Schiller rekurrirte, weil er an seinem Wohnorte zu belangen und weil überdies der Steneransaz zu hoch sei.

Dieser Rekurs wurde am 17. Juni 1863 als unbegründet abge.viesen, weil .

1) die Frage, ob die für einen Kantonseinwohner ausgesäte Steuera^.ote richtig berechnet sei, die Bnndesbehörden nicht berührt, son. dern in dem von der betreffenden Kantonalgesezgebung vorgeschriebenen Rekurswege von den kompetenten Kautonsbehorden zu erledigen ist, ^ und weil 2) ebenso keine Bundesvorsehriften bestehen , welche die Rükhaltung von Legitimationsschristen von Bersouen verbieten, die einen Kanton verlassen, ohne die öffentlichen Lasten und Abgaben entrichtet zu

haben. (..^iehe Entscheid des Bundesrathes vom 7. April 1856 in

Sachen Vogel; Ullmer Rr. 151.)

16.

Die Regierung des Kantons S c h a s f h a u s e n hat gegen die-

jenige des Kantons Bern Beschwerde geführt, weil diese die Verfügung des Regiernngsstatthalteramtes Burgdorf genehmigt hatte, wodurch die Herausgabe der Legitimationspapiere eines in Burgdorf in Arbeit gestandenen Ulrich Rägeli von Reuhausen, wegen Schulden des Leitern, verweigert w..rde. Rägeli hatte nämlieh seine Schriften bei den. Regiernngsstatthalteramte abgegeben und dafür einen Empsangschein erhalten, der ihm zugleich als Ausenthaltsbewilligung dienen sollte. Diesen Empfangschein übergab er seinen Arbeitgebern, den Herren Schnell und Schneckenburger, welehe hinwieder bei seinen Kostgeberu Gutsprache leisteten und in Folge dessen bezahlen mussten.

Der Bundesrath hat die Besehwerde der Regierung des Kantons Sehasfhauseu am 1.). Oktober 1863 als unbegründet abgewiesen, gestüzt ans folgende Erwägungen : 1) Vorerst kann eine administrative Verfügung gegen die Herreu Schnell und Schneckenburger auf Herausgabe des Ausenthaltsseheines nieht^ erlassen werden, weil offenbar ein zivilreehtliehes Verhältniss (Vfand^ oder Retentionsreeht) in Frage liegt.

2) Ebenso erseheint eine Verfügung von Bundes wegen gegen das Statthalteramt Burgdors auf Herausgabe der Ausweisschrisfen als

34^ unzulässig, weil einerseits dadurch ans indirektem Wege und mit

Beseitigung des Richters die ganze Bedeutung des allfälligen Zivil-

rechtes der .^erren Schnell und Schneekenburger ausgehoben würde, .und weil es andererseits nicht als eine bnndeswidrige Erschwerung .des Riederlassnngsrechtes zu betrachten ist, wenn ein kantonales Gesez im Jnteresse der administrativen Ordnung die Herausgabe der Ausweissehriften an die Bedingung der. Rükerstattung des Auf..

enthältscheiues knüpft, vorausgeht, dass es in der Macht des Reklamanten steht, .sich diesen Schein zu versehasfen und somit selbst das Hinderniss zu heben. (Vergleiche Entscheidungen des Bundesrathes in Sachen Kunz in ^ieterlen. Ullmer Rr. 3l9, und in

Sachen Trüb von Horgen, Bundesblatt 1863, Bd. Il, S. 65.)

3) Wenn die Regierung von Schafshausen für die gegenteilige Ansicht sich auf den Entscheid in Sachen .^.ugentobler beruft, so liegt darin offenbar eine Verwechslung zweier verschiedener Verhältnisse, indem die Bundesversammlung in jenem Falle allerdings entschieden hat, es sei nicht zulässig, dass öffentliche Behorden von Amtes wegen Legitimationspapiere eines Niedergelassenen zurückhalten, bis dessen Brivatsehulden am Orte li^nidirt seien , während im vorliegenden Falle nichts Derartiges stattfindet, z. B. die Herausgabe nicht desswegen verweigert wird, weil Rigeli bei A, B, E u. s. s.

Schulden gemacht, sondern nur desshalb, weil er den als Vsand hingegebenen Empsangschein nicht zur Stelle bringen will.

4) Es steht im Uebrigen der Regierung von Schasshausen, sosern sie die Bestellung von Bsandrechten an von ihr ausgestellten .^egitimationssehristen oder deren Repräsentanten nicht zugeben will, srei, dureh Ausstellung neuer Legitimationsschristen an Rägeli, sofern sie solches für angemessen erachtet, sich selbst zu helfen.

e. .Rechtsstellung der Niedergelassenen.

17. Jn den Gemeinden Eham und Hünenberg, Kantons Zug, besteht eine Krankenkasse für Handwerksmeister und Gesellen, znm Z.veke

der Verpflegung in Krankheitsfällen. Es sind alle Gesellen und Arbeiter

zum Beitritt verpflichtet, mit Ausnahme jener in grossern Etablissements, welche eigene Krankenkassen errichtet haben. Wer sieh weigert, hat Ausweisung von Seite des Gemeindepräsidenten zu gewärtigen. Zwei Knechte des Klosters ^rauenthal, Januar Schwier und Lukas K on r a d , jener von Rheinau, dieser von Sehongau, n..aren ursprünglich der Krankenkasse beigetreten und haben die erste Einlage entrichtet. Sie verweigerten dann aber fernere Einlagen zu zahlen, weil das Kloster seine Angestellten nn^ entgeldlich verpflege. Sie wurden daher rechtlich belangt und dann verurtheilt. Der Vorladung vor den Friedensrichter gaben sie keine ^.olge, und widersezte.. sieh der Vollziehung, was das Einschreiten der Regierung und Busse zur Folge hatte.

350 ..^.chwr^ex und .Conrad rekurrirten nun an den Bundesrath, indem sie hervorhoben, dass der Zwang ^nm Veitritt in einen Verein eine Beeinträehtigung der in Art. 5 der Bundesverfassung garantirten personlichen Freiheit sei; die durch die Statuten und ihre je^ige La^e in Aussicht

gestellte Ausweisung sei nach Art. 41 der Bundesverfassung nicht zulässig

und endlich seien sie durch die Statuten selbst vom Beitritte befreit, da das Kloster zu jenen grossern Etablissements zähle, die eigene Bankenkassen haben.

^ Der Bundesrath hat am 29. ..Dezember 1863 hierüber in Erwägung gezogen : 1) Rach Art. 3 der Bundesverfassung sind die Kantone souverän, so weit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist.

2) Run hindert keine Bestimmung der Bundesverfassung die Kantone an der Errichtung obligatorischer Krankenkassen^ 3) Der Grund, dass durch solche Einrichtungen die persönliche Freiheit der Einzelnen beschränkt werde, rechtfertigt ein Einsehreiten des Bundes nicht, da überhaupt durch alle staatlichen Organisationen die personliche Freiheit der Einzelnen beschränkt werden muss.

4) Ebenso kann von einer vorhandenen Verlegung des Gruudsazes der Vereinssreiheit nicht die Rede sein, da die Bundesverfassung nichts davon sagt, dass Assekuranzanstalten dieser oder jener Art nur auf dem Wege f r e i w i l l i g e r V e r e i n e gebildet werden dürseu und es steh im^ vorliegenden Falle eben um einen solchen Verein gar nicht handelt.

5) Dagegen konnte in ^rage gezogen werden, ob blosse Gemeindsbehorden befugt seien, solche Anstalten mit obligatorischem Eharakter ^u errichten, was indessen ^.nächst von den Zugersehen Kantonsbehorden zu entscheiden wäre.

6) Ebenso muss die in den Statuten enthaltene Drohung der Weg-

weisung eines Gesellen im Falle ^der Riehtbezahlung als unzulässig

betrachtet werden, da es den Kantonen keineswegs gestattet ist, die freie Niederlassung weiter, als. die Bundesverfassung solches erlaubt, zu beschränken, und die Einrede der Regierung von ^ug, dass Wegweisnng von Ausenthaltern im freien Ermessen der Kanlousbehorden stehe, durch vielfache Entscheidungen der Bundesbehorden als unbegründet erklärt worden ist, --und sodann beschlossen : Es sei der Rekurs mit Vorbehalt der in den Erwägungen 5 und 6 bezeichneten Verhältnisse als unbegründet erklärt.

351

Il. Gleichstellung der ^ichtk^ntonsbürger.

a. .Jm .^e.ht.

18. Einem Joseph .... tud er aus dem Kanton ..^olothurn, niedergelassen m Freiburg, wurde in Folge Betreibung durch einen bernische..

Kreditoren gepfändet. Seine Ehefrau behauptete jedoch, Eigentümerin der gepfändeten Gegenstände zu sein. Der sreiburgische Richter wies diese Einsprache ab, weil nach Art. 19^) des soiothurnischen Zivilgesetzbuches der Ehemann Eigentümer aller Vermögensstücke seiner Frau werde.

....eztere rekurrirte an den Bundesrath. weil die Forderung nach Art. 50 der Bundesverfassung am Wohnorte einzuklagen und nach Art. 1 des freiburgischen ^ivilgesezbuches das freiburgische Gesez anzuwenden sei.

Dieser Rekurs wurde vom Bundesrath am 13. März 1863 abgewiesen, gestüzt aus folgende Erwägungen : 1) Die Kreditoren des Ehemannes Stnder haben denselben au seinem Wohnorte in Freiburg rechtlich gesucht und somit die Vorschrift des Art. 50 der Bundesverfassung beobachtet.

2) Wenn bei diesem Anlasse die Frage entstand, ob gepfändetes Mobiliar gesondertes Eigenthum der Ehefrau Studer sei, so war diese Frage durch die freiburgisehen Gerichte zu entscheiden , wie denn auch die Reknrrentin selbst nicht behauptet, dass der freiburgische

Richter für Beurtheilung dieser Frage nicht zuständig gewesen sei.

ziehung des in Art. 50 garantirten Gerichtsstandes gerichtet, son-

3) Ju ^.hat nnd Wahrheit ist die Beschwerde keineswegs auf Ent-

dern vielmehr darauf, dass der an sieh kompetente Richter unrichtig geurtheilt, weil er statt des freibnrgischen das solothnrnische Recht zur Anwendung gebracht habe.

4) Dem Bundesrathe steht nun aber bloss die Brüsung der Uebereinstimmung eines kantonalen Urtheils mit der Bundesverfassung zu, während die Entscheidung der Frage, ob die Urtheile auch mit dem im betretenden Kanton geltenden Recht übereinstimmen, nicht sein.^ Sache ist, da er steh keineswegs in der Stellung einer Oberappellationsinstanz befindet.

I.. .^n .^al.exschaft.^lagen.

1.). Landammann und Regierungsrath des Kantons Uri haben Besehwerde erhoben, dass durch .^ 7 des am 23. Febrnar 1862 im Kanton .^uzern in Kraft getretenen ,,Gese^es, betreffend die unehelichen Kinder^ die Artikel 4, 48 und 50 der Bundesverfassung verlezt seien.

Dieser ^ 7 lautet wie folgt .

,,Zur Klagestellung wird die Geschwächt^ aber nur zugelassen, ,,wenn sie wenigstens während den zwei der Riederknnft unmit,,telbar vorangegangenen Monaten im hiesigen Kanton einen ge,,sezlichen Aufenthalt hatte und die Schwängerung ini Kanton

,,erfolgt ist.^

.352 Rach Anhörung der Regierung von Ludern hat der Bundesrath am

^. Aprii 1863 gesunden.

1) Die Gesezgebung über die Baternita^verhältnisse gehort im Allgemeinen der Kantonalsonveränetät zu , daher jedem Kanton freisteht, die Baternitätsklagen in weiterem oder beschränkterem Umsange zuZulassen oder auch gänzlich auszusehliessen.

.....) Die Beschränkung der Vaternitätsklage auf gewisse bestimmte Fälle begründet für diese namentlich noeh kein Vorrecht im Sinne des Art. 4 der Bundesverfassung. da es wohl wenig Gesezge.^mgen geben wird, die nicht grossere oder geringere Beschränkungen jener Klage ausgestellt haben, wie überhaupt Art. 4 der Bundesverfassung auch nicht eine absolute Gleichheit aller Schweizer im Gefez, sondern nur die Gleichheit ^lller v o r dem (gegebenen) Geseze

postulirt.

.3) Dessgleiehen hindert der Art. 50 der Bundesverfassung die Kantone keineswegs, gewisse personliche Ansprachen als unzulässig zu erklären ;

solches ist ja vielmehr bei Spielschulden, Wirthshausschnlden, Ver-

pflichtungen aus unmoralischen Handlungen u. s. s. fast allgemein üblich, wie denn dieser Artikel im Ganzen nieht mit der Ordnung des materiellen Rechts, sondern nur mit derjenigen des Gerichts-

standes sich besasst.

4) Dagegen kann es keinem ^weifel nuterliegen, dass jeder Kanton auch bei Ordnung seiner Baternitätsgese^gebung, sowohl nach Seiten des materiellen Rechts, als nach Seiten des Brozesses, die Vorsehrift des Art. 48 der Bundesverfassung zu respektiren hat, welcher Gleichstellung der Schweizerbürger mit den eigenen Kantonsbürgern verlangt.

^5) Es kommt nnn in der Tl^at im Spezialfalle ernstlich in .^rage,

ob Art. 48 dnrch die zwei in ^ 7 des lu^ernischen Gesezes für die

Zulässigkeit einer Vatersehastsl.lage ausgestellten Bedingungen (im Kanton erfolgte Schwängerung und gesetzlicher Aufenthalt während wenigstens zwei der Riederl.unst unmittelbar vorhergegangenen Mo^naten im Kanton) nicht verlebt sei ^ .6) Zwar scheint allerdings bei bloss äusserlicher Betrachtung eine solche Versassnngsverle^ung nicht vorzuliegen, da der angefochtene Varagraph zwischen Schweizerbürgeriuueu und Luzerueriuueu nicht unterscheidet, sondern die gleichen Bedingungen auch sür die Klagen der Kantons^ bürgeriuuen selbst stellt.

7) Jndess erledigt die blosse Anpassung des Buchstabens des Gesezes an den Buchstaben der Bnndesversassnng die gestellte Frage keineswegs, .ndem im ^taatsrechte noeh weniger als im Privatreehte künstliehe Gese^esumgehungeu gestattet werden konnen . vielmehr dars und soll von den Bundesbehorden gefordert werden, dass jedes Bundesglied sich mit seiner Kautonaigese^gebung in eine w a h r h a s t i g e und r e a l e Uebereinstimmung mit der Gesammtbundesverfassung seze.

353 8)

Wenn dergestalt die Frage au.^ dem Gebiete des formalen Scheines auf den Boden des realen Lebens perfezt und sodann geprüft wird, ob die geschwächte Schweizerbürgerin nicht tatsächlich durch das luzernische Gesez in eine schlechtere Rechtsstellung versezt werde, als die im gleichen Falle sich befindende luzernische Kantonsbürgerin, so muss man bei unbefangener Betrachtung die Beschwerde der Rekurrentin als vollständig begründet erfinden.

9) Namentlich ist, schon was die Bedingung der Beschränkung der Klagen aus im K a n t o n erfolgte Schwängerungen betrifft, abgegesehen von der Renheit und grossen Seltsamkeit dieser Art von Anwendung des Territorialprin^pes, wonach Einwohner für Handlungen, die sie ausser dem Kanton perüben, unverantwortlich sein sollen, während die gleichen Handlungen, im Kanton selbst begangen, zivile Verantwortlichkeit und Bolizeistrasen nach sich ziehen

würden, zu berükfiehtigen, dass hierin eine Bedingung aufgestellt

wird, welche nach der Ratur des Verhältnisses sür die luzernischen Kantonsbürgerinnen r e g e l m ä ß i g , für die übrigen Schweizerbürgerinuen aber nur a u s n a h m s w e i s e zutrifft, so dass also das Klagrecht der Schweizerbürgerinnen schon in der Entstehung unver-

hältnissmässig stärker beschränkt ist, als dasjenige der Kantons-

Bürgerinnen.

10) Aber noch mehr verseht die zweite Bedingung ^gesezlicher Aufenthalt während wenigstens ^vei der Wiederkunft unmittelbar vorhergegangenen Monaten im Kanton) die klagberechtigten Schweizerbürge^ rinnen in Lagen, welche ihnen fast ausnahmslos die Begründung ihrer Rechtsansprüche unmoglieh machen , indem daraus resultirt, dass : a. die ausser dem Kanton Luzern wohnende ...^chweizerbürgerin,^ wenn sie einen Luzerner ^egen Schwächung belangen ^ will, förmlich während mehrerer Monate (zur Sicherheit wohl 3 bis 4 Monate) im Kauton Luzern gesezliches Domizil nehmen und daselbst, sern von der Heimath und dem elterlichen Hanse, die Stunde ihrer Wiederkunft, natürlich mit erhebliehen Kosten, abwarten muss ; h. die im Kanton Luzern wohnhaste Schweizerbürgerin aber gezwungen wird, zu einer Zeit, wo ihre Schande Jedermann ausfällig geworden, und wo es desshalb sür sie doppelt schwer ist, Duldung von Seiten der Bolizeibehorden, sowie Unterkunft uud Arbeit von leiten der privaten zu finden, im fremden Kantone während mehreren Monaten zu verharren und sich wohl oft genug einen g e s e z lichen Ause..thalt zu erkämpfen, während die Luzernerinnen der Regel nach in allen diesen Beziehungen sich in einer Lage befinden, worin ihnen die Erfüllung der Bedingung des gesezlichen Aufenthaltes im Kanton keinerlei ...^ehwierigkeiten verursacht.

Bundesblall.. .^ahrg.X^I. Bd.I.

32

354 11) Vollends liegt in der künstlichen Kombination zweie.. Bedingungen, von denen jede einzeln de.. nicht luzernischen Schweizerbür^erin so grosse Schwierigkeiten verursacht, eine neue außerordentliche Rechtserschwerung.

12) Bei dieser Sachlage erscheint die Beschwerde der Regierung von

Uri als völlig begründet und . es kann angesichts der erheblichen

Gefahren, weiche der angefochtene luzernische Rechts^ustand für alle Rachbarkantone mit stch bringt, auch an deren Legitimation ^..r Erhebung solcher Besehwerden nicht gezweifelt werden ; und b e s c h l o f f e n : Es fei die Beschwerde der Regierung von Uri begründet erklärt und demzufolge der zweite Saz des ^ 7 des lu^ernischen Gesezes, betreffend die unehelichen Binder, vom 3. Dezember 1861, in Kraft getreten am 23. Februar 1862, als mit der Bundesverfassung im Widerspruche stehend, aufgehoben.

c. S t e u e r w e s e n .

20. Hr. Eolestin Elmiger, Arzt, von Reiden, Kantons Luzern, war 1847 bis 1861 aus seinem Heimathkanton abwesend und im Kanton St. Gallen niedergelassen. Bei seiner Rükkunst wurde er für die inzwifchen aufgelaufenen Armensteuern im Betrage von Fr. 290 belangt und

stellte dafür eine Schuldverpflichtung aus, in Raten zahlbar. Als er dafür

belangt wurde, erhob er Einsprache und bewies, dass er im Kanton St. Gallen für den gleichen Zeitraum die Armensteuern habe bezahlen müssen. Seine Einsprache wurde von den lu^ernischen VerwaltungsBehörden abgewiesen, indem seine Einreden gegen die Schuldverpflichtung p..^ de.n ^ivilrichter gehören.

Der Bundesrath hat den Rekurs des Herrn Elmiger, welcher eventuell das Gesuch stalte, dass der Fall dem Bundesgerichte zugewiesen werden

mochte, am 23. Oktober 1863 ebenfalls unbegründet erklärt und dabei in Erwägung gezogen : 1) Reknrrent wäre ursprünglich nicht pflichtig gewesen, für die gleiche Zeit an zwei Orten Armensteuern zu entrichten.

2) Dagegen kann sieh Jemand aueh zur Bezahlung einer Riehtschuld verpflichten, und Rekurrent seheint durch Ausstellung der Obligation vom 1. März 1862 solches gethan zu haben.

3) Wenn derselbe nun dieser eingegangenen Verpflichtung gegenüber Einreden, betreffend ^wang, furcht oder Jrrthum geltend machen will, so hat solches im ordentlichen Rechtswege zu geschehen.

4) Unter solchen Umständen ist eine Einmischung der Bundesbehorden, sei es des Bundesrathes oder des Bundesgerichtes, in dieses znr blosseu ^ivilftreitigkeit gewordene Rechtsverhältuiss unmöglich.

355 21. Eine Beschwerde der Frau Henriette Abt, geb. Schindler, von Brezwil, Kantons Basel-Landschast, deren Vermögen an lezterm Orte unter vormundschastlicher Verwaltung liegt, indess sie in Glarus, zuerst einige Jahre nur als Aufenthalten, dann als Niedergelassene wohnte, ging dahin, dass sie in Brezwil stets ihr ganzes Vermögen habe versteuern müssen und in Glarus in neuerer Zeit ebenfalls. aneh das im Kanton Basel-Landschaft liegende Vermögen hätte versteuern sollen, während sie früher davon befreit worden sei, nachdem sie bewiesen gehabt, dass sie wirklich in Basel^.Landsehast steure.

^aeh Anhörung der beiden Kantonsregierungen hat der Bundesrath diesen Konflikt am ..). Februar 1863 dahin entschieden : 1) Rach Art. 5, Art. 74, Ziffer 16 und Art. 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung sind die Bundesbehörden zur Entscheidung des vorliegenden Konfliktes kompetent, indem die Bundesversammlung schon mehrsach, z. B. in Sachen Dür, dahin entschieden hat, dass nicht bloss die Kantonsregiernngen, sondern auch die Bürger die bundesgemässe Entscheidung eines zwischen mehreren Kantonalgesez-

gebungen faktisch bestehenden Konfliktes zu fordern berechtigt sind,

übrigens im Spezialsalle die Bundeskompetenz von keiner Seite bestritten, sondern ein Entscheid der Bundesbehörden auch von den beiden betheiligten Kantonsregierungen selbst gewünscht wird, 2) Die beiden Kantonsregierungen seheinen ebenso darüber einig zu sein, es solle eine gleichartige Doppelbestenrung der Reknrrentin nicht stattfinden, ^ein Saz, dessen weitere Begründung Angesichts der zahlreichen Entscheidungen der Bundesversammlung überflüssig erscheint ; 3) .^omit bleibt einzig nnd allein in Frage, welchem der beiden Kantone das b e s s e r e Besteurungsrecht zustehe, ob dem Heimathkanton der Rekurrentin, wo deren Vermögen znr Zeit unter vormundsehastlicher Verwaltung liegt, oder dem Riederlassungskanton derselben ; 4) Diese ^rage mnss nnn, im Einklang mit der ganzen neuern Brax^is der Bundesbehörden zu Gunsten des Riederlassungskantons entschieden werden, so weit wenigstens nicht die Besteurnng von Grundeigenthum in Frage steht , was im Fragefalle nicht vorzuliegen

scheint ;

5) Wenn somit grnndsäzlich für die Steuerbereehtigung des Kantons Glarus entschieden werden muss, so kommt dann immerhin in ^weiter Linie in Frage, ob nicht die Gesezgebnng des Kantons Glarus selbst auf dieses ihr zustehende Recht ganz oder theilweise verzichtet habe .

6) Der Entscheid über diese Frage liegt indessen ansserhalb des Gebietes der Bundeskompetenz ; derselbe ist vielmehr Sache der Be-

356 horden des Kantons Glarus, welchen versassungsgemäss die Auslegung der dortigen Steuergeseze zusteht; beseh lossen: Die Berechtigung zur Besteur.mg des bewegliehen Vermögens der Rekurrentin steht während ihrer Niederlassung im Kanton Glarus dem leztern Kanton zu, und es liegt dem Kanton Basel-Landschaft die Berpflichtnug ob, sich während dieser Zeit einer gleichartigen Doppelbesteurung der Rekurrentin zu enthalten.

22. Die g e m e i n d e D ü d i n g e n (G.....^, Kantons Freiburg, hat den Franzosen G u i l l e b e a u d für Steuern an die Baute einer Schule für die katholischen Glaubensgenossen belangt. Er besehwerte sieh darüber, weil er ausnahmsweise behandelt sei, da die Resormirten in dieser Gemeinde eme besondere Schule gestiftet haben und daher für jene nicht besteuert werden. Er gehore zwar wohl der katholischen Religion an, aber seine Frau und namentlich die Kinder, welche die Schule besuchen, bekennen sieh zur evangelischen Religion. Während nun die katholischen Familienväter an die katholische und die Brotestanten an die protestantische Schule steuern, werde er angehalten, an beide zu zahlen.

Der Bundesrath hat am 19. Januar 1863 diese Beschwerde abgewiesen und namentlich dahin sich ausgesprochen, dass sür .^ie Beurtheilnng der Steuerpflichtigst nicht die Religion von Frau und Kindern, sondern diejenige des Familienvaters massgebend sei, indem das entgegengehe Brinzip z. B. bei Erziehung der Kinder aus einer gemischten Ehe in vermiedenen Konfessionen zu wahren Absurditäten führen müsste. Uebrigens sei die protestantische Sehule in der Gemeinde Düdingeu nicht eine öffentliche; die Gemeinde hätte somit nach dem Gesez vom 21. ^ebruar 1854 auch die Brotestanten sür Steuern an die osfentli^hen Schulen der Gemeinde anhalten konnen. Wenn sie nun aus Billigkeitsrükstchten daraus verzichtet habe, so stehe doch nur ihr ^u, über den Umfang dieser Ausnahme zu ntsche iden.

llI. Vollziehung kantonaler Urtheile.

23. Jm Anfange des Jahres 1858 hat sieh in Basel ein Tabakfabrikationsgeschäft unter derFirma ,, T h i e r r y uud K i e s f e r ^ gebildet.

Als Antheilhaber wurden im Ragionenbuch eingetragen : Witwe Magdalena Thierry und Karl Kiesser. Die Gesellschaft hat sich indessen noch im gleichen Jahre ausgelost. Jn dem Auflosuugsvertrage werden die genannten zwei Bersonen als Assoeie und die Herren Bhilemon Kiesfer und Joseph Thierry als Mitinteressirte bezeichnet. Die Liquidation wurde laut Zirkular dem leztern, Herrn J. Thierry. übertragen, woraus die Wittwe Thierry Karl Kieffer und Bhilemon Kiesser in Laufen, Kantons Bern, Niederlassung nahmen.

.^

357 Jm Jahre 1861 hat sodann Hr. Gustav Gengenbach in Basel vor dem dortigen Zivilgerichte eine Klage gegen ,,Thierr^ und Riesser in Liquidation.^ erhoben und verlangt, dass die Repräsentanten derselben : Frau Wittwe Thierry Herr Joseph Thierry, Herr Karl Kieffer und Herr Bhilemon Kieffer unter sammtverbindlicher Haftbarkeit eine Snmme von Fr. 7469 nebst Zinsen an ihn zu bezahlen perpflichtet werden.

Die Zitationen wurden im Geschäftslokal der ^erren Thierry und Kieffer in Liquidation abgegeben. ^r. J. Thierry erschien das erste Mal und nahm die Klage entgegen ohne weitere Erklärung. Später erschien ....iemand mehr. Es wurde dah^r durch Kontumaz-Urtheil dem Kläger sein Klagbegehren zugesprochen.

Als nun die Vollziehung dieses Urtheils gegen die im Kanton Bern wohnhasten Beklagten perlangt wurde, hat der Appellations- und Kassationshos des Kantons Bern s.^in Er^.atur verweigert, weil das fragliche Urtheil nach Art. 50 der Bundesversassung von einem inkompetenten Richter erlassen worden sei, und ^^ m B^ kein Einwohner des Kantons Bern verurteilt werden koun.^ ^ o.^ d^ .^r vorgeladen worden wäre und Gelegenheit erhalten hätte, seine Rechte zu wahren und den dortigen Gerichtsstand zu bestreiten. Uebrigens .vürde aus einer Verurtheilung der Firma noch nicht .^..e p^sonlich.^ Verurteilung der Gesellfchaster folgen und es .^äre d^s Urtheil zuerst gegen die Firma zu poll-

ziehen.

Herr Gengenbach führte hiegegen Beschwerde bei dem Bundesrathe,

welcher am 24. Juli 18.^3, gestitzt auf sollende Gründe:

1) Die ^irma ..^hierr.^ und K i e f f e r hat unzweifelhaft ihr Domizil

in Basel gehabt und es hat dieses Domizil jedenfalls auch fort-

bestanden , als sie in Liquidation überging , so dass die baselschen Gerichte gemäss ^.lrt. ^l) der Bundesversassung zur Beurtheilung pon Forderungen an dieselbe kompetent waren; 2) Ferner erhellt ans den Akten, dass die Firma im Spezialfall^ auch in gehöriger Form Rechtens vor die baselschen Gerichte geladen wurde ; 3) .^omit mnss das Urtheil des Zivilgerichtes Basel, soweit es gegen die Firma Thierry und Kiefser gerichtet ist, als rechtskräftig angesehen werden und hat deshalb in der ganzen ...^chwei^ nach Art. 49

der Bnndesversassnng Anspruch auf ..^ollziehbarkeit ;

4) Daher kann bloss in Frage bleiben, ob das Urtheil auch noch auf Rechtskrast Anspruch machen könne, soweit es die vier persönlich genannten Repräsentanten der Firma betrifft; 5) Diese ^rage muss von vorneherein bejaht werden bezüglich der Bersonen der ^rau Wittwe Thierry uud des Herrn Karl Kieffer, welche laut Ragionenbuch die Firma Thierry und Kieffer bildeten und sich auch durch den Vertrag vom 26. Februar 1858 gegenüber Herrn Gengenbach als solidarisch haftbar erklärt hatten;

358 6) Dagegen muss die Frage verneint werden bezüglich der Person des Herrn Philemon Kieffer, welcher nicht zur Firma gehorte und welcher daher, wenn Anforderungen personlieh an ihn gesteht werden wollen, nach Art. 50 der Bundesverfassung an seinem ordente lichen Wohnsize gesucht werden mnss; beschlossen hat: Es sei die Beschwerde im Sinne der Erwägungen 3 und 5 be-

gründet erklärt. das Erkenntniss des .appellations- und Kassationshofes

des Kantons Bern vom 17. Mai 18.^2, soweit es die Vollziehbarkeit des bafelfchen Urtheils gegen die Firma Thierry und Riesser und deren Repräsentanten Frau Wittwe Thierry und Karl Riesser verweigert hat, aufgehoben, dagegen die Besehwerde im Sinne der Erwägung 6 , soweit jenes Erkenntniss die Vol.lziehbarkeit des Urtheils gegenüber dem Herrn Philemon Kieffer perweigert, als unbegründet abgewiesen.

24. Johann W e n g e r , Müller, in Heitenried, Kantons Freiburg, hat einen Einwohner des Kantons Bern gerichtlieh für eine Forderung belangt und einen Arrest gegen denselben ausgewirkt. Als es f.ch um die Rechtfertigung dieses Arrestes handelte, blieb er aus und wurde dann von dem betreffenden bernischen Richter in contnm.^m zur Bezahlung der Kosten an seinen Gegner verurtheilt. Das Kantonsgericht von Freiburg ertheilte diesem Urtheil sein E^e^natur und der Bundesrath wies

die Besehwerde des Wenger ab (14. September 1863), weil der .^lrt. 50

der Bundesverfassung hier nicht passe und weil er die Einrede wegen nicht gehöriger Vorladung vor dem obern bernisehen Richter hätte anbringen sollen.

IV. Gerichtsstand.

^. De^ Wohn^rte^.

Eduard ...^tocklin und Eomp. in Matran, Kantons Freiburg, erworben und dafür Sequester aus die Mobilien und Guthaben der Schuldner erlangt. Bald nachher gieng alles Vermogen der genannten ..^oeietät durch Kauf an Herrn J a e e o t - G u i l l a r m o d , alt.^taatsrath, in Reuenburg, über und die Soeietät loste sieh aus. Die Herren Boudr... und Jaeeot^.

Guillarmod wurden nun in Prozesse verwikelt, indem legerer den Se^uester aus den in sein Eigenthum übergegangenen Objekten bestritt. Er wurde indess dureh die sreiburgischen Gerichte mit dieser Einsprache abgewiesen, weil gemäss .^lrt. 1435 des Code Civ. der Verkauf der see.uestrirten Saehe Demjenigen nicht zum Rachtheil gereichen soll, dessen Pfand sie geworden sei, und weil die Parteien darüber einig , dass die se^nestrirten ...Objekte die gleichen seien , die Herr ^.tocklin an Herrn Jaeeot verkauft habe.

359 Run ermittelte Herr Boudr^, dass verschiedene der wichtigsten se.^ueftrirten Gegenstände nicht mehr vorhanden feien, und intimixte daher Hrn. Jaeeot, dass er die Fr. 21,000, welche auf den von diesem peräusserten Objekten gehastet haben, von ihm fordere, wogegen er in die Rechte des Kreditors eintreten könne. Bevor jedoch diese Klage zux ge.sichtlichen Verhandlung kam, erklärte Herr Boud.^ die Reform und formulirte die neue Klage dahin, dass Herr Jaeeot^.Guillarmod zu perurtheilen fei, entweder die se.^uestrirten Objekte wieder dahin zu bringen, wo sie gewesen seien und deren Minderwerth zu vergüten, damit Herr Boudr^ feine Betreibung fortseien und darauf sich bezahlt machen könne, oder die Summe von Fr. 21,000, für welche sie se.^uestrirt worden seien, zu bezahlen.

Herr Jaeeot beantwortete diese neue Klage dahin, dass er zufolge des gerichtlichen Urtheils gegen den Sequester keine Einsprache mehr mache, aber dem Kläger überlasse, die se.^uestrirten Objekte zu suchen. Er sei diesem nichts schuldig und da mit der neuen Klage eine persönliche Ansprache bezwekt werde, so sei er nach ^lrt. 5l) der Bundesversassung an seinem Domizil in Reuenburg zu suchen.

Sowohl das Bezirksgericht der Sarine als das Kantonsgericht des Kantons Freiburg, lezteres mit Urtheil vom 13. .^lpril 1863, haben diese Kompetenz-Einrede begründet erklärt.

Herr Boudr^ ergriff noch den Rekurs an den Bundesrath und begründete die Kompetenz der freiburgisehen Gerichte im Wesentlichen damit : Es handle sich hier um Rükerstattung von Bfandobjekten, also um eine dingliche Klage an beweglichen ...Aachen Action reelle mobilere) im Sinne von .^lrt. 21 des Code de pro.^. civile, welche naeh Vorschrift dieses Artikels, da der Beklagte nicht im Kanton Freiburg wohne, da angehoben werden müsse, wo die Sache sich befinde, also bei dem Gerichte des Kreises der farine, wohin Matran gehöre. Das Kantonsgerieht anerkenne dieses auch. Die Unmöglichkeit der Rükerstattung der säsirten Gegenstände sei nicht bewiesen. .^lber abgesehen hievon, sei es doch immer die Bflicht, sie zurük zn erstatten ^ohli^.tion de r.^mt.^rer,, die

das Hau^tobjekt der Klage bilde; die Forderung der ^r. 21,000 sei lediglich ein ...lusfluss dieser .Obligation, die alternativ ins Leben trete, wenn Herr Jaeeot^.Guillarmod die Psänder nicht zurüksehassen könne oder wolle.

Der Bundesrath hat jedoch am 2. Dezember 1863 diesen Rekurs abgewiesen und den Reknrrenten als verpflichtet erklärt, den Rekursbeklagten angemessen zu entschädigen.

Gründe : 1) Vorerst könnte in Frage kommen, ob es überhaupt zulässig sei, die Gerichte eines Kantons, welche sich in .Anwendung ihrer kantonalen Geseze zur Beurtheilung eines Rechtsstreites inkompetent

^0 .

.

erklart haben , von Bundes wegen zu dessen Beurtheilung anzuhalten^ .

.

2) Ein ^Bedürfniss zu solchem Kompetenzzwange liegt jedenfalls s.... lan^

mcht vor , als dem Kläger die Möglichkeit gegeben ist , vor einem

andern Richter seine Klage anbringen zu tonnen, wie denn auch die Bundesverfassung zwar gegen unbefugte Kompetenzanmassung Schuzbestimmungen enthält, aber sieh nirgends veranlasst gefunden hat, in umgekehrter Weise gegen Kompetenzablehnungen massgebend einzuleiten.

3) Jnsbesondere passt der angerufene Art. 53 der Bundesverfassung auf diesen Fall gar nicht, da dieser Artikel, welcher überhaupt das Verbot der Ausstellung verfassungswidriger Gerichte im Auge hat, ausdrüklich nur von einer ,, E n t z i e h u n g ^ des verfassungsmässigen

Gerichtsstandes spricht, somit vom Gegentheil desjenigen Verhältnisses, das hier in ^rage kömmt.

4) Jedoch ist, auch abgesehen von dieser formellen Rechtsfrage, die Beschwere materiell ebensowenig gerechtfertigt, da die vom Rekurrenten angestellte Klage, wie die freiburgischen Gerichte mit Recht erklärt haben, nach der ganzen Sachlage nichts Anderes als eine person liehe Klage ist.

5) Rekurrent suchte zwar durch die Wahl einer alternativen Form der Klage diese ihre innere Ratur zu verdeken.

6) Diess kann ihm jedoch nichts helfen, da selbst die erste Alternative, deren Objekt vom Rekurrenten als (.^^i^... de remt.^rer charakterisirt wird, einen vorherrschend personlichen Eharakter hat, während vollends über die. persönliche Ratnr der Klage in der zweiten Alternative kein Zweifel walten kann.

7) Daher kann, so lange Reknrrent seine Klage nicht direkt gegen die Befizer der von ihm beanspruchten .Aachen richtet, seiner Klage ein dinglicher Charakter nicht zuerkannt werden und der Rekursbeklagte

bleibt vollständig berechtigt, den Schuz des .^lrt. 50 der Bundes-

versassung gegen alle künstliehen Klagkombinationen, welche seine ...erfassungsmässigen Reehte beeinträchtigen, in .Anspruch zunehmen.

8) Die weitern Behauptungen des Rekurrenten, dass der Rekursbeklagte im Kanton Freiburg domizilirt sei und dass er sich vor dem freiburgisehen Riehter in den Streit eingelassen habe, erscheinen naeh den Akten als nicht begründet; es war im Uebrigen Sache des sreiburgischen Richters, über diese Anbriugen zu entscheiden, welche die Bundesbehorden weiter nicht berühren, da sie keine Oberappeilationsinstanz sind.

26. Ein Herr Guhl in Romanshorn bedrohte brieflich den Herrn Ral.hsherr Adalrieh .Benziger in Einsiedeln mit einer Forderung aus

^

361 einem Vferdetauseh. Dieser ledere trat nun vor dem Bezirksgerichte Einfiedeln als provokant auf, weil er ersterm nichts schuldig sei und erhielt am 28. Februar 1863 ein sogenanntes Vrovokationsnrtheil, wodurch dem Hrn. Guhl eine peremtorische Frist von 4 Wochen angesät wurde, um seine Forderung an den provokanten gerichtlich geltend zu. machen, bei Rechtsperluft. .^.r. Gnhl reknrrirte hiegegen an den Bundesrath und führte aus, er werde allerdings seine Forderung vor Bezirksgericht Einsiedeln einklagen müssen, aber der Zahlungstermin sei noch nicht eingetreten; wenn jedoch der Brovokant eme Ansprache an ihn zu machen Willens sei , so habe er ihn nach Art. .^l) der Bnndesversassung an seinem. Wohnorte, im Danton Thurgau. zu belangen.

Mit Beschluss vom 10. April 1863 hat der Bundesrath diese Besehwerde abgewiesen. mit folgender Begründung.

1) Rekurrent bestreitet selbst nicht, dass er gemäss Art. 50 der BundesVerfassung pflichtig gewesen wäre, seine Anforderung an Herrn Benziger vor dem Bezirksgerichte Einsiedeln einzuklagen, ^ 2) Wenn ihn nun das in der Hauptsache kompetente Gerieht aufsorderte, seine behaupteten Rechtsansprüche vor ihm anzubringen, so zog es ihn (den Forderer) keineswegs vor einen verfassungswidrigen

Gerichtsstand.

3) So lange das Brovokationsversahreu nicht künstlieh einen in der Hauptsache verfassungswidrigen Gerichtsstand schaffen will, was durch Art. 340 der schwedischen Brozessordnung ausgeschlossen ist, stehen der Anwendung desselben überhaupt keine Bundesvorschriften im Wege. (Vergleiche mehrfache Entscheide des Bundesrathes, na-

mentlich Bundesblatt von 1861 Bd. I, S. 346.)

Herr Guhl rekurrirte noch an die Bundesversammlung, wnrde jedoch unterm 2l .^24. Juli 1863 ebenfalls abgewiesen. (Bundesblatt von 1 863

Bd. llI, S. 647 und 651.)

27. Jm Dezember 1861 hat das Zivilgericht von Basel

über den daselbst niedergelassenen Georg B er linge r von Reiuaeh, Kan. tons Basel-Landschaft, den Konkurs erkannt. Berliner war Uebernehmer des Rohbaues der Kaserne in Lieftal und hatte aus dem bezüglichen Vertragsverhältnisse noch ein Guthaben bei der Regierung von Basel-.Landfchaft. Dieses Guthaben wurde nun von verschiedenen Seiten in Anspruch genommen. Einerseits sollte es als akkordmässig bedungene Garantie für gehörige Ausführung der Arbeit dienen, anderseits hatten Lieseranten von Baumaterialien ^e.mefter darauf ausgewirkt und endlich re.^uirirte die Regierung von Basel-Stadt gestuft aus das Konkordat vom 7. Juni 1810 dessen unbeschwerte Anshingabe an die Konkursmasse. Die Regierung von Basel^andschaft weigerte si.eh dessen, woraus jene von Basel^ Stadt Beschwerde erhob.

362 Der Bundesrath erklärte am 10. Juni 1863 diese Besehwerde als unbegründet, gestüzt auf folgende Erwägungen: 1) Die Regierung pon Basel-Landschaft bestreitet im Grunde, ihrem Bauunternehmer Berlinger noch etwas zu schulden, beziehungsweise sie anerkennt diese Schuld zur Zeit nicht als eine liquide, sondern macht deren Anerkennung von gewissen, gegenwärtig noch illi.nüden,

Bedingungen abhängig.

2) Wenn nun die Vertreter der Konkursmasse von der umgekehrten^ Ansicht ausgehen, es sei die Regierung von Basel^Landschaf.. schon jezt Schuldnerin der Masse, so bleibt ihnen nichts übrig, als dieselbe gemäss Art. 50 der Bundesverfassung vor den Gerichten von Basel-Landschast zu belangen und den. Streit durch diese e.uscheiden zu lassen, da keine Rede davon sein kann, dass die natürlichen Gerichtsstandsverhältnisse sieh ändern, wenn der Anspreeher eine

Konkursmasse ist. (Vergleiche Bundesblatt von 1854, Band H, Seite 59.)

28. Die Firma Jakob Schneeli und Sohne in Wallenstadt,

Kts. St. Gallen, hatte auf Ende April 1860 ihre Liquidation angezeigt. Jm Mai gleichen Jahres erhob Herr Andreas Hartmann in Ehur gegen eine Firma ,,Schneeli und Söhne^ eine gerichtliche Klage auf Bezahlung von Fr. 2500 für Holzlagerung und machte dem Gerichte die Anzeige, dass die von ihm beklagte Firma bestehe aus Meinrad Schneeli in Ehur, Major Kaspar .^chneeli in Walleustadt und Jakob Schneeli in Zürich. Es wurden daher diese drei personlich vor das Gerieht zitirt. Hier plaidirten sie die Jnkompetenz der Graubündner Gerichte, wurden jedoch mit ihrer Einrede abgewiesen, weil die Firma Jakob Schneeli und Sohne in Wallenstadt nicht mehr e^istire und die per-

sonlich belangten Anthetlhaber nach Art. 79, 80 und 226 der Zivil-

prozessordnung des Kantons Graubünden die Einrede der Jnkompetenz schon vor Vermittleramt hätten vorbringen sollen , allein da sie diese Einrede unterlassen, so haben sie das Fornm anerkannt und daher auch aus Anwendung des Art. 50 der Bundesverfassung verachtet.

Die Beklagten rekurrirten zunächst an das Obergerieht, sind aber hievon abgestanden, dann proseguirti sie den Rekurs an die Regierung des Kantons Graubünden, um von dieser nach Art. 226 der ZivilprozessOrdnung das Forum bezeichnen zu lassen. Leztere entschied jedoch im Sinne des Gerichtes. Run gelangten ste mit einem Rekurse an den Bundesrath, welcher in seinem Beschlusse vom 11. September 1863 den Rekurs begründet gesunden und den Rekurrenten das Recht anf EntSchädigung zugesproeheu hat und zwar mit solgender Begründung: 1) Unter der Firma Schneeli und Sohne in Wallenstadt, Kts. St. Gallen, hat eine Kollektivgesellsehaft bestanden, deren Theilnehmer Majox Kaspar Schneeli in Wallenstadt, Meinrad Schneeli in Ehur und

363 Jakob Schneeli in Zürich waren. demzufolge waren personlich...

Ansprachen an diese Gesellschast am Domizil derselben in Wallensta dt einzuklagen.

2) Jndess war es einem Gläubiger auch unbenommen, statt der Firma einzelne Gesellschafter rechtlich zu belangen, wobei ein so Beklagter

seine Einreden gegen die Einzelnfchuldpflicht por dem Richter geltend

machen mochte; aber in diesem Falle stand dem so belangten einzelnen Gesellschafter gemäss Art. 50 der Bundesverfassung das Reeht zu, zu verlangen, dass er vor seinem natürlichen Richter gefüeht werden müsse.

3) Der Kreditor Hartmann, resp. dessen Konkursmasse, .haben im vorliegenden Falle weder den einen noch den andern dieser natürlichen Wege eingeschlagen, indem derselbe weder die Firma, noch die ^ einzelnen Gesellschafter an ihren ordentlichen Wohnsizen belangte, sondern unter dem Ramen ^chneeli und Sohne^ eine, wenn mit der genannten Firma gleichen Ramens nicht identische, dann gar nicht er^istirende ^ersonlichkeit vor dem bündnerischen Friedensrichter

als Beklagte in^ Recht fasste.

4) Aus den ..^rozessverhandlungen ergibt sich zwar, dass der Kläger mit diesem selbstgemachten Ramen eine passive Streitgenossenschaft bezeichnen wollte, zu welcher die obl^ezeichneten drei Gesellschaftsmitglieder gehoren sollen.

5) Allein abgesehen davon, dass es auf der Hand liegt, dass die neue

künstlich gebildete Einheit, welche an die Stelle der natürlichen

Einheit der Firma gesezt werden will, eigens bloss geschahen worden ist, um die Vorschrift des Art. 50 der Bundesverfassung zu umgehen, so ist jene künstliche Kombination auch darum werthlos, weil jedenfalls kein Beklagter sich eine solche passive Streitgenossenschaft gefallen zu lassen braucht, wenn er dadurch in seinen verfassnngsmässigen Rechten beeinträchtigt wird. (Vergleiche Entscheid

des Bundesrathes in Sachen Blatter, Bundesblatt von 1863, Band ll, Seite 54 u. ss.)

6) Demzufolge waren die Rekurrenten nicht gehalten, als Schneeli und Sohne vor dem bündnerischen Friedensrichter zu erscheinen, und es kann sieh daher nur noch fragen, ob deshalb, weil sie selbst vor Bezirksgericht Blessur die Kompetenz der Gerichte des Kantons Graubünden in dieser Sache angefochten, sie damit deren Kompetenz anerkannt haben.

7) Diese Frage muss jedoch verneint werden, da nach feststehender Praxis der Bundesbehorden die Anseehtung der Kompetenz eines Richters nicht als Anerkennung derselben gilt, wie auch jedem Beklagten freisteht, vor Anrusung des Schuzes des Bundes für seine konstitutionellen Rechte, zuerst die kantonalen Rechtsmittel zu ersehopsen, ohne dass daraus etwas zn seinen Ungunsten gefolgert werden kann.

364

8) Auch die anfängliche Ergreifung eines unpassenden Rechtsmittels, des Rekurses an den Regiernngsrath und der Rükzug des Rekurses an das Obergericht, so wie die lange Verzogerung des Handels, ändert an jener rechtlichen Sachlage nichts, sondern kann nnr den Richter veranlassen, bei der Kostens- und Entschädigungsfrage hierauf Rüksicht zu nehmen.

b. Gerichtsstand der g e l e g e n e n Sache.

29. Jm Januar 18^3 haben die Erben der Witwe Marti in Altendors, Kts. Schw.^. an den Franzosen Hrn. Gustav Rensch von Rippoldsweiler, die .Liegenschaft zur Johannesburg bei Altendorf, um die Summe von Fr. 1.),00l) verkaust. Herr Renseh war zur Zeit des

Kaufabschlusses in Rappersch.^l , Kts. St. Gallen, wohnhast, ist dann aber nach Gvrenbad, Kts. Zürich, übergesiedelt. Schon von Rapper-

schweil aus hat er gegen d^ Gultigkeit des Kauses Einsprache erhoben, worauf die Erben Marti vor Vermittleramt und Bezirksgericht Lachen eine Klage rechtshäugig machten, dahin gehend, dass der Kauf als rechtsverbindlieh anzuerkennen sei. .^err Reusch verweigerte aber, vor den schwierigen Gerichten ans diese Klage sieh einzulassen, indem sie als eine personliche Klage naeh Art. .^l) der Bundesverfassung an seinem Wohnorte zu beurtheilen sei. Das Bezirksgericht von Lachen erklärte jedoch seine Kompetenz als forum rei si^ begründet und verurtheilte

in .^ntnin.^..^ den Beklagten ^ur Ersüllung des Klagpetitums.

Jm Ramen des Herrn Rensch beschwerte sich Herr Fürsprech Ottiker in We^ikon gegen dieses Urtheil unter Berufung aus den Staatsvertrag mit Frankreich von 182^ und auf frühere Entscheide des Bundesrathes

in andern ähnlichen Fällen. (Ullmer Rr. 253 und 254.)

Der Bundesrath hat mit Besehlnss vom 16. Oktober 1863 den

Rekurs begründet erklärt, das angefochtene Urtheil ausgehoben und dem Rekurrenten angemessene Entschädigung .^n Seite der Rekursbeklagten zugesprochen.

Gründe : 1) Es kommen im vorliegenden Falle weder Art. 50 der Bundesversassung, noch der Staatsvertrag mit Frankreich über gegenseitige Niederlassung vom 30. Mai 1827, welchem der Kauton Schw^ nicht beigetreten ist, zur Anwendung, sondern der von der gesammten Eidgen osseuschaft abgeflossene Staatsvertrag mit Frankreieh, betretend verschiedene nachbarliche, gerichtliche und polirei-

liehe Verhältnisse vom 18. Jnli 1828.

2) Art. 3 dieses Vertrages sehreibt vor, es soll in personliehen und Handelsstreitigkeiten^ der Kläger gehalten sein, seine .^aehe vor dem natürlichen Richter des Beklagten zu betreiben, dagegen soll, wenn die Streitsache ein liegendes Gut betreffe, dieselbe vor dem Gericht desjenigen Ortes verfolgt werden, wo jenes Eigeuthum gelegen sei.

365 3) Die Frage nun, ob die Klage im Spezialsalie einen personlichen oder einen dinglichen Eharakter habe, muss gan.. unzweiselhaft im erstern Sinne entschieden werden. da eine Klage, welche den Beklagten bloss zur Anerkennung eines Vertrages nothigen will, den Eharakter einer rein persönlichen Klage hat. (Entscheid in Sachen

Krattinger. Ullmer Rr. 253.)

4) Was schließlich d.e formellen Einreden betrisst, mangelnde Legiti-

mation des Advokaten. Mangel eines festen Wohnsi^es des Rekurrenten und frühere Einlassung vor den schwierigen Gerichten, so kann aus solche kein Gewicht gelegt werden, da an der Legitimati on des Anwaltes allen Umstanden nach mit Grund nicht gezweifelt werden kann, des Rekurrenten Wohnsiz im Kanton Zürich durch die eigenen Zitationen der sch.v.^erisehen Gerichte festgestellt ist und die angebliche Einlassung des Rekurrenten vor den schw.^Arischen Gerichten ein anderes Rechtsgeschäft betraf und unter Voraussezungen ersolgte, welche .keinen .^ehluss aus dessen absolute Unterwersung unter die schwierigen Gerichte zulassen.

30. Die Firma Jakob Schneeli und Söhne in Wallenstadt, bestehend aus den Herren Meiurad Sehneeli in Ehur, Major Kaspar Schneeli in Wallenstadt und Jakob .^chneeli in Zürich, hatte den s. g. Segliaser.^Wald im Kanton Graubünden zum Abholzen gekauft.

Nachdem Kaspar Schneeli in Konkurs gekommen, wurde dieser Wald unter Mitwirkung des Konkursgerichtes im Mai 1862 an eine öffentliche Versteigerung gebracht. Das Gantprotokoll bezeichnet Herrn G e o r g Schneeli-Waser in Zürich als Käufer und die Herreu Meinrad Schneeli in Ehur und Jakob Schneeli in Zürich als Bürgen für den Kaufpreis.

Rachdem Herr Georg Schueeli..Waser einen Theil des Waldes hatte abholzen und aus einen Lagerplaz bei Reichenau führen lassen, hat Herr Meinrad ^chneeli gestüzt aus einen zwischen ihnen früher bestandenen Soeietätsvertrag behauptet, er sei Miteigentümer an dem fraglichen Holze, während Herr Georg .^chneeli dieses bestritt, weil dieser Spezialsoeietätsvertrag aufgehoben sei. Daraus ging eiue grosse Zahl gegenseitiger gerichtlicher und aussergerichtlieher Jnsinuationen hervor, ans denen dann die Frage sich abloste, welche Gerichte über das angesprochene Miteigeuthum zu urtheilen haben. Herr Meinrad ...^chneeli vertheidigte die Kompetenz der Graubünduer Gerichte, weil seine Klage eine dingliehe sei. Die Regierung von Granbünden eutsehied auch für diese Ansicht.

Herr Georg ^chneeli beschwerte sieh dagegen, weil die Klage nur anf Ersaz entzogenen Gewinnes gehe, also eine persönliche sei, wofür er an seinem Domizil in Zürich belangt werden müsse.

^ Während diesen Verhandlungen hat auch Herr Jakob Sehneeli seinerseits vor dem Vermittleramte Lungnez, in dessen Kreis der Segliaser Wald liegt, gegen Herrn Georg S.hneeli eine Klage aus ,,Miteigenthum

366 am Walde Seglias^ eingeleitet. Legerer bestritt auch für diefe Klage die Kompetenz der Graubündner Gerichte, allein die Regierung von Granbünden entschied ebenfalls für das forum rei ..^t.e.

Herr Georg Schneeli führte in beiden Richtungen Beschwerde bei dem Bundesrathe.

Er wurde jedoch mit Beschlnss vom 23. .November 1863 abgewiesen und zur Entschädigung der Rekursen angehalte.., ans folgenden Gründen: 1) Der Entscheid über die vorliegende Beschwerde hängt einzig von der Frage ab, ob die gegenüber dem Rekurrenten geltend gemachten Rechtsansprüche die Ratur von persönlichen Ansprachen haben.

2) Die Ratur einer Klage bestimmt sieh nun bloss durch den Jnhalt

des Klagpetitnms. indem die Frage, ob das Betitnm selbst be-

gründet sei oder nicht, alsdann Sache der richterlichen Beurtheilung ist.

3) Hievon ausgehend erseheinen die Klagen der Brüder Meinrad und Jakob Schneeli nicht als personliche, sondern vielmehr als ding-

liche, da die Klagpetita ans Miteigentum und Mitbestz an dem streitigen Holze, somit aus dingliche Rechte an demselben gerichtet find.

4) Die weitere Frage, auf welchen Rechtstitei sich der Miteigentumsanspruch stüze, hat für den vorliegenden Entscheid keine Bedeutung, da die Ratur der Klage nicht durch die Ratur dieser Reehtstitel bestimmt wird.

5) Es ist ebenso für den Entscheid der Bundesbehörden ganz gleichgültig, ob das Streitobjekt eine bewegliehe oder eine unbewegliche Sache sei, indem auch die Klage aus Miteigentum und Mitbestz an einer beweglichen Sache einen dinglichen Eharakter hat nnd die an jenen Unterschied sieh knüpfende Frage über den. Gerichtsstand im Jnnern des Kantons Graubünden die Bundesbehörden nick,t berührt.

6) Dem Gesagten zufolge findet Art. 50 der Bundesverfassung für

den vorliegenden Fall keine .Anwendung, wie denn die rek^rrirten Se.^uestrirungen und Verbote augenscheinlich nnr die Rat.^.r von Massregeln zur Si^erung des Streitobjektes hatten, wobei im Uebrigen die Frage, ob solche Massregeln nothwendig waren, nieht Saehe bundesräthlieher Brüsung sein kann.

c. Gerichtsstand der Widerklage.

31. Joseph E i s e n e g g e r in Obernzw^l, Kts. St. Gallen, hat gegen Beter Z e h n d e r in Ettenhausen, Kts. Thnrgau, vor dem zuständigen Friedensriehteramte zu Mazingen, Kts. Thurgau, eme Forderung von ^r. 80 Rp. 5.) eingeklagt. Zehnder opponirte eine Gegenrechnung von Fr. 357 Rp. 90. Bei der Verhandlung vor dem Friedensrichteramte anerkannte Zehnder die Forderung des Eisenegger, worauf der Friedensrichter über lettere Forderung den Brozess an das Bezirks-

.^

367 Bericht Frauenfeld wies, ohne jenes ersten Verhältnisses zu ermähnen.

Das Bezirksgericht Frauenseld, dessen Kompetenz von Eisenegger bestritten wurde, urtheilte, es liege keine Widerklage ...or, der Beklagte (Eisenegger) musse daher an seinem Wohnorte im Kanton St. Gallen belangt werden.

Das Obergerieht des Kantons Thurgau aber entschied sur das Gegentheil, da die Klage nur irrthümlich in der Weisung nicht ausdrüklich als Widerklage bezeichnet sei, indem Zehnder die Forderung des Eisenegger im gleichen Vorstande anerkannt habe, da über seine Gegenansprache verhandelt worden sei. Dem Wesen nach liege somit eine Widerklage vor, für welche der Gerichtsstand der .^auptklage kompetent sei, obschon die Hanptklage nicht zur richterlichen Beurtheilung gelange.

Jn seinem Rekurse behauptete Eisenegger, die Widerklage, d. h.

die exce.^tio compensatioms müsse ausdrüklich erhoben werden,^ denn nach allgemeinen Rechtsgrundsäzen .oirke die Kompensation nicht ipso jure..

fondern nur ope .^.eptioms. Wenn diese .^..c.^tio versäumt werde, wie hier, so müsse ihr Objekt in Form einer selbstständigen Klage, die wieder den allgemeinen Regeln über den Gerichtsstand unterworfen sei, geltend gemacht werden.

Der Bundesrath hat mit Beschluß vom 11. Mai 1863 das Urtheil des Obergerichtes des Kantons Thnrgau ausgehobeu und in seinen Gründen dahin sich ausgesprochen .

.^ Ein Beklagter ist berechtigt, einer personliehen Klage eine Widerklage vor dem gleichen Richter entgegenzusehen und nachdem solches geschehen ist, bleibt der Riehter sur die Hauptklage fortwährend für die Widerklage zuständig. selbst wenn die Hauptklage im .^ause des Prozesses fallen gelassen würde.

2^ Dagegen hat die Einführung einer Widerklage immerhin zur nothwendigen Voraussetzung , dass die .^.anptklage wenigstens einmal vor dem Richter anhängig gewesen sei; eine Voraussetzung, die im Spezialsalle nicht vorhanden ist.

3^ Auch das Obergericht des Kantons Thurgau musste in seinem Entscheid^ diese .^hatsaehe anerkennen. glaubte jedoch den vorhandenen Mangel mit allerlei Gründen künstlich suppliren zu konnen. allein es kann auf Argumentationen dieser Art in Fällen, wo verfassungsmassige Rechte in Frage stehen, nicht eingetreten werden; dazu liegt auch um so weniger ein Bedürsniss vor, als, wie das Obergericht ganz richtig bemerkt, Rekurrent sich doch an den thnrgauischen Richter wenden muss, wenn er vom Rekursbeklagten etwas will.

4^ Unter solchen Umständen verstosst das reknrrirte Urtheil gegen die Bestimmung des Art. ......) der Bundesverfassung.

32. Herr Jakob Holzer, Wirth in Urtenen, Kts. Bern, hat den Johann Ulrich Büttigkofer, angeblich Wirth zum Schlüssel in Freibnrg, für Fr. 75..) Rp. ^ rechtlich belangt und aus alles Getränke,

^8 Vieh, Mobilien ^. in dieser Wirthschast Sequester ausgewirkt. Er stand hiebei im Glauben, Büttigkofer habe ^ie Wittwe Jungo geb. Viller, Wirthin zum Schlüssel, geheirathet und sei na...h Berner-Recht Eigenthüme.. der se.^uestrirten Gegenstände geworden. Lettere protestate jedoch und erhob vor den sreiburgisehen Gerichten Klage für Aushebung des Arrestes und für Entschädigung im Betrage von Fr. 400.

Nachdem Herr Holzer die Citation erhalten hatte, bewilligte er die Aushebung des .^e^uesters, da es ihm nicht gelungen sei,^ den Beweis

für die Verehlichung heimbringen. Dagegen bestritt er die Bsli.ht ^u Schadenersaz und verlangte, dass die diessfällige Klage an seinem Domizil

anzubringen sei.

.

^

Die sreibnrgis.l.eu Gerichte haben jedoch diese Einrede verworfen und

der Bundesrath hat am 2. März 1863 den Rekurs des Holzer abgewiesen mit folgender Begründung.

1) Rekurrent bestreitet die materielle Konne^ität des von der Reknrsbeklagten erhobenen Entschädigungsansprn.hes mit der von ihm erhobenen Klage grundsäzlieh nicht, dageaen stellt er die Behauptuug auf, es sei zur Zeit der Einführung jener Widerklage vor dem

sreiburgischen Richter die Hauptklage schon erledigt gewesen und es

habe somit von diesem Momente an wieder die verfafsungsmässige Regel des Art. 50 der Bundesversassnng Blaz greifen müssen.

2) Es fragt sich also lediglich, ob diese faktische Behauptung des Rekurrenten richtig sei , zumal in der That im Falle der Richtigkeit derselben auch der daraus gezogene ^chluss . werden müsste.

als

richtig

anerkannt

3) Jndess erhellt aus den Akten die Unrichtigkeit dieser faktischen Behauptung klar, indem Rekurrent am 2.). Oktober 1862 den Abstand von der Hanptklage erklärte. während aus der andern Seite die Gegenpartei ihre Forderung am 24. Oktober vor dem Friedensriehter geltend gemacht hatte, von diesem Weisung an das Gericht ausgefertigt und vom Präsidenten des Bezirksgerichtes der Sarine am 28. Oktober in Sachen verfügt worden war, .ans welchen Dateu klar hervorgeht, dass die Widerklage zu einer Zeit anhängig gemacht wurde, als die Hauptklage noeh unerledigt war.

33. Herr J. J. Sträuli, in Wädensweil, Kantons Zürich, hat in St. Gallen gegen Hrn. Mathias Tobler von Straubeuzell eine Jnjurienklage erhoben, mit dem Begehren um Satisfaktion und Kostenersaz. Hr. Tobler seinerseits erhob zwei Widerklagen . die eine ebenfalls wegen Jnjurieu, wofür auch er .Satisfaktion verlangte , die andere gieng dahin, dass Hr. Sträuli zu verurtheilen sei, ihm ein Guthaben von Fr. 150 laut Ausrechnung vom 8. Mär^ 1861 sammt Zins zu bezahlen. Herr

Sträuli beftritt jedoch die Kompetenz der St. Gallischen Gerichte bezüg-

lieh der zweiten Widerklage, indem Art.

50 der Bundesverfassung hier

36^ zur Anwendung komme. Die erste Jnstanz genehmigte diese Anschauung, die zweite Jnstanz dagegen hat sie ^verworfen. Dieses leztere Urtheil stüzt sich darauf, dass nach Art. 11 des ..^t. Gallischen Zivilprozesses dem Beklagten das Recht zustehe, am Forum der Klage jede Widerklage anAnheben, für den Begriff der Widerklage werde nach St. Gallischem Recht keine materielle Kongruenz mit der Hauptklage gefordert.. Art. 50 der Bundesverfassung begründe nur soweit das allgemeine Forum des Domizils, als nicht durch prozessualische Handlungen ein anderes Forum anerkannt worden sei,. durch Anhebung einer Klage vor einem andern Forum werden jedoch alle damit verknüpsten prozessualischen Konsequenzen adoptirt.

Herr Stranli suchte die Kassation dieses Urtheils nach ; allein die

Kassationsbehorde des Kantons St. Gallen hat mit Urtheil vom ..). April 1863 dieses Begehren als .unstatthaft erklärt.

Run aber beschwerte sich

Hr. Sträuli beim Bundesrathe, dnrch dessen Entscheid vom 12. August 1863 das Urteil der zweiten Jnstanz, sowie dasjenige der Kassationsbehorde ausgehoben und bezüglich der Forderungsklage des Hrn. Tobler die Gerichte des Kantons Zürich als kompetent erklärt worden find. Der Bundesrath gieng hiebei von folgender Anschauung aus : 1) Vorerst ist die Einrede, es habe Rekurrent durch seine Einlassung vor dem St. Gallischen Richter sein Recht zur Beschwerde bei den Bnndesbehorden verwirkt, unstichhaltig , weil nach feststehender Brax^is die B e s t r e i t u n g der Kompetenz eines kantonalen Richters nicht als A n e r k e n n u n g der Zuständigkeit desselben betrachtet wird, selbst wenn aueh in einem diesfälligen Streite vorerst alle kantonalen Jnstanzen ersehopst wurden.

2) Sodann wird vom Rekurrenten die Zuständigkeit des St. Gallisehen Richters zur Beurtheilung der Widerklage auf Ehrverlezung

nicht bestritten.

3) Daher bleibt nur in Frage , ob Jemand dadurch , dass er einen Andern injurirt, auch^ noch das Recht erlange, den Jnjurienklager seinem natürlichen Richter (Art. 50 der Bundesverfassung) mit Bezug aus andere Rechtsstreitigkeiten zu entziehen.

4) Diese Frage muss von vorneherein verneint werden , weil sie mit dem ^undamentalsaze alles Rechts in Widerspruch steht , wonach Riemand ans einer unrechtmässigen Handlung Rechtsvortheile sur sieh in Anspruch nehmen dars.

5) Unter solchen Umständen muss die Regel des .^lrt. 50 der Bundes.versassung ^entscheidend bleiben, und es erscheint eine weitere Erorterung der Frage, inwiefern sür Zulässigkeit von Widerklagen eine gewisse Konne^ität erforderlich sei, im vorliegenden Falle gan^

überflussig.

Bundesbl..^. Jahrg. ..^I. ^d.I.

^

33

370 d.

G e r i c h t s s t a n d für

.^hes.heidu^.^lagen.

34. Der bischosliche Gerichtshof in ^reibnrg hat mit Urtheil vom 3. Februar 1863 zwischen den in Ag.^, Kantons Freiburg, niedergelassen nen Eheleuten Katharina geb. W i t t w e r , Klägerin, und Mareel D e s p o n t , Beklagten, von Bioie^Orjulaz , Kantons Waadt, die Ehe..^ fcheidung ausgesprochen. Der Beklagte ist auf die erste Vorladung er.^ schienen und hat friedliche Zusammenweisung gewünscht. Am zweiten Termin erschien er ebenfalls, bestritt aber die Kompetenz des bischoflichen Gerichtshofes. Bei dem dritten Termine blieb er aus , worauf in con..

tnmac.^m das Scheidungsgesuch der Klägerin ^.gesprochen wurde.

Bezüglich der Kompetenzsrage sprach der Gerichtshof sich dahin ans : Despont konne als Waadtländer dem geistlichen Gerichtshofe sich nicht entziehen, weil der Kanton Waadt zur Dioeese Lausanne gehore, Despont selbst in Freiburg sein Domizil habe, also auch hier sein natürlicher Gerichtsstand sei und weil er endlich beim ersten Termin diesen Gerichtsstand anerkannt habe.

Mareel Despont führte beim Bundesrathe Beschwerde und führte

aus: Das bischofliche Osfizium sei ein Ausnahmsgericht, dessen Urtheil somit eine Verlegung des civil des Kantons Freibnrg monialverhaltnisse für jede seze geregelt werden sollen.

Art. 53 der Bundesverfassung. Der Code bestimme zwar in Art. 53 , dass die Matrider beiden Konfessionen durch besondere GeAllein für das geistliche Gericht bestehen diese

gesezlichen Regeln no.h nieht. Das Urtheil sei daher genothigt, auf das kanonische Recht im Allgemeinen sich zu berufen, während dieses in der Schweiz niemals anerkannt worden sei. Als Waadtländer stehe er in fragen des ^ivilstandes nur unter dem Richter seiner Heimath, wie die Gesezgebung des Kantons Waadt, das Konkordat vom 6. Juli .1821 und der Entscheid des Bundesrathes in Sachen Lamboss... vom 29. De^ember 1861 (Bundesblatt von 1862, Bd. ll, ....... .^ 242) anerkennen.

Der Entscheid des Bundesrathes vom 15. April 1863 geht dahin.

in Erwägung : 1) E.^ steht jedem Kanton frei, die Beurtheilung der Ehescheidungs-

fälle mit Vorbehalt der Buudesgesezgebnng über die gemischten

Ehen, .^er weltlichen oder geistliehen Gerichtsbarkeit zu übertragen ; desshalb kann, wenn der Kanton Freiburg diese ^..lle der geistlichen

Gerichtsbarkeit zutheilt oder i.berlässt, nicht die Rede davon sein, dass er damit ein Ausuahmsgericht im Sinne des Art. 53 der Bundesverfassung aufgestellt habe ,

...^ Ebenso hindert .^e B....d^verfa^g keinen Kautou, für derartige ^älle innert den f.hon bezeichneten Schranken das kanonische Re^t als massgebend ausdrüklich oder stillschweigend ....zuerkennen; 3) Desshalb kann im vorliegenden Falle ^r Umstand, ^ in Freiburg das regelu^ssige geistliche Gericht nach kanonischem Recht über

.^

371 die Ehesache des Rekurrenten erkannt hat, an sich keinen Stoff zur Beschwerde bieten , sondern es bleibt einzig in Frage, ob ein frei-

burgisches Gericht berechtigt gewesen . sei , eine Ehescheidungsklage waadtländischer Angehöriger zu erledigen^ 4) Run ist der Kanton Freiburg dem eidgenossischen Konkordate vom

6. Juli 1821 , wonach in Fällen gänzlicher Ehescheidung oder

zeitliche... Trennung zwischen schweizerischen Niedergelassenen die kompetente richterliche Behörde des Heimathkantons des betreffenden Ehemannes zu entscheiden hat, nicht beigetxeten, sondern hat sich dazumal sein Hoheitsrecht gegen alle auf seinem Gebiete niedergelassenen Schweizerbürger vorbehalten ; es muss desshalb , so lange

nicht durch eidgenössisches Recht diese Verhältnisse einheitlich geord-

net werden , dem Kanton Freiburg sreistehen , Scheidungsurtheile zwischen den ans seinem Gebiete Niedergelassenen auszufällen.

5) Eine ganz andere Frage jedoch ist die, ob solche Urtheile auch gegenüber dent Heimathkanton des betretenden Ehemannes oder dritten Kantonen, als rechtskrästig voll^iehbar wären .^ 6) Ueber diese lettere Frage ist aber zur Zeit noch nicht weiter einzutreten, weil ein Konflikt in dieser Richtung noch nicht vorliegt; b e^s eh l o s s e n : Es sei die Beschwerde mit Vorbehalt der in Erwägung 5 bezeichneten Frage als unbegründet zur Zeit abgewiesen.

e. G e r i c h t s s t a n d f ü r AIlm e n t a t . i v n s k l a g e n .

35. Das Amtsgericht Wangen, Kantons Bern, hat den Jakob B u r k h o l t e r von Buehegg, Kantons Solothurn, wohnhast in der Gemeinde Vsaffnau, Kautons Luzern, in contumaciam vernrtheilt, an die Anua Maria Schneeberger von Ochlenberg , Amtes Wangen, Kantons Bern, wohnhast zu Brittnau, Kantons Aargau, wegen einer angeblieh aus dem Gebiete des Kantons Aargau stattgefunden^ Schwängerung als ,,gesezliehe Leistungen^ zu bezahlen : Fr. 2^ Kindbettkosten, Fr. 30 halbjährliche Beiträge an die Erziehung des Kindes, nebst Fr. 75

Entschädigung an die Heimathgemeinde der Klägerin und Fr. 96. 25 Bro-

zesskosten.

Burkholter adressirte an den Appellations- und Kassationshof des Kantons Bern eine Riehtigkeitsklage, wurde jedoch abgewiesen, weil nicht die Formen der Appellation beobachtet worden seien und für eine Kassation keine Gründe vorliegen.

Auf erfolgte Beschwerde Burkholters hat der Bundesrath (am 26. Ok-

tober 1863) das Urtheil des Amtsgerichtes Wangen aufgehoben, weil die

Klage nach Art. 50 der Bundesverfassung am Wohnorte des Beklagten angebracht werden müsse und eine Brorogation nicht stattgefunden , da Beklagter sich nicht eingelassen habe. Dagegen ist der Bundesrath aus

372 das Besuch, däss auch da.^ Urtheil des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern ausgehoben werden mochte, nicht eingetreten, weil dieser Gerichtshof den Rekurrenten nur ans formellen gründen und zwar mit vollem Recht, abgewiesen habe, da er, wenn er vor dem bernischen Riehtex in irgend welcher Art sein Recht habe verfolgen wollen, die bernischen Vrozessvorsehristen hätte beobachten sollen.

36. Die Beschwerde des ^ Joseph E o u c h e m a n pon Gletterens, Kantons Freiburg , wohnhast in Miss^, Kantons Waadt. welcher durch Urtheil des Bezirksgerichtes von Murteu verpflichtet worden war, ans die gegen ihn angehobene Baternitäts- und Alimentationsklage der Bhilomena Brogin von Miser^, Kantons Freiburg, vor dem Gerichte in Murten sich einzulassen, ist durch Entscheid des Bundesrathes vom 23.^ Januar 1863 abgewiesen worden.

Gründe : 1) Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Gerichte des Kantons Freibnrg kompetent und zwar allein kompetent sind, den Status eines unehelichen Kindes in einem Vatersehastsprozesse zwischen beiderseitigen freiburgischen Kantonsangehorigeu zu bestimmen.

2) Somit bleibt lediglieh in Frage, ob der im Kanton Waadt wohn-

haste Vaterschastsbeklagte zu verlangen berechtiget sei, dass die Alimentationsklage von der Statusfrage abgetrennt vor dem waadtländischen Richter angebracht werden müsse.

3) Diese Frage ist zu verneinen, indem nach der Ratur der Sache

und nach der sreiburgischen Gesezgebung (Art. 22..) de.s Zivilgesez-

buches) diese beiden Klagen durchaus konne^ sind, während in dem vom Rekurrenten angerufenen Entscheide des Bundesrathes Bundes-

blatt von 1860 Bd. Il, Seite 16-20) dieses Verhältnis. gerade in ..mtgegengesezter Weise vorlag.

... Gerichtsstand für

.^n^.rien.

37. Alexander Bise in St. Aubin, Kantons ^reiburg, hat bei dem

Bundesrathe Besehwerde geführt gegen ein Urtheil des Bolizeigerichtes des Be^

zirkes Valerne, Kantons Waadt, vom 16. Februar 1863, wodurch er wegen der von David B l a n e , Wirth in Missh, Kantons Waadt, eingeklagten Verleumdung, ungeachtet seiner Protestation gegen die Kompetenz des Gerichtes , in contumaciam zu einer Busse von Fr. 50, zu einer Eutschädiguug von Fr. 100 an den Kläger und zur Bezahlung der Kosten verfällt worden sei.

.

Der waadtländische Richter hat seine Kompetenz darauf bastrt , dass

die eingeklagte Verleumdung ans dem Gebiete des Kantons Waadt stattgesunden habe, dass Art. 263 des Code pe^l Verleumdungen als strafbare Vergehen erkläre und dass somit das fornm dehcti commit znständig sei.

373.

.^er Bundesrath ging in feinem Bes.hlusse vom 8. April 1863 von folgenden Gesichtspunkten aus : 1) Durch mehrfache Entscheidungen der Bundesbehörden (vergleiche namentlich Entscheid der Bundesversammlung in Sachen Hausser,

Bundesblatt von 1863, Bd. I, Seite 471) sind Jnjurienkiagen,

welche bloss vom freien Willen des gekränkten abhangen und di.^ zunächst aus Satissaktion und nur aeeessorisch aus Strafe gerichtet sind, als persönliche klagen bezeichnet worden, welche gemäss Art. 50 der Bundesverfassung am Wohnte des Beklagten angebracht werden müssen ; 2) Vor dieser Bestimmung der Bundesverfassung müssen die entgegengesezen Vorschristen der Gesezgebung des Kantons Waadt zurüktreten , 3) Somit waren im Spezia.lsalle die wa.adtländischen Gerichte zur Beurteilung der gegen den im Kanton Freiburg domiziiirten Rekurrenten erhobenen Jnjuxienklage nicht kompetent, und es erscheint daher der Rekurs als begründet; und h a t d a h e r b e s c h l o s s e n .

Es sei der Rekurs begründet und das Urtheil des ..^olizeigeriehtes des Bezirkes Veterlingen vom 16. Februar 1863 ausgehoben.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Regierung des Kantons Waadt, als auch David Blane an die Bundesversammlung rekurrirt.

Du^.ch Entscheid des Ständerathes vom 11. Juli und des Nationalrathes vom 29. Jnli 1863 ist der Rekurs begründet erklärt und der Beschluß des Bundesrathes aufgehoben worden.

Die verschiedenen Kommisfionsberiehte :.e. befinden sieh im Bundes-

blatt von .l 863 Bd. lll, Seite 257, 263, 265, 626, 628. Für Begrü^dung des ...lushebungsbeschlusses lautet einzig der Antrag der Mehrheit

der ständeräthlichen Kommission (loc. cit. p. 626). Derselbe lehnt sieh im Wesentlichen au einen Beschluss des Bundesrathes vom 23. April 1856 in Sachen Sekretan, welcher in Ullmer staatsrechtliche Vra^is

Rr. 280 abgedrukt ist. Der molliche Einwurf, dass der gegenwärtige

Entscheid im Widerspruche stehen dürste mit demjenigen der Bundesversammlung vom 20^3. Januar 1863 in Sachen Hausser (Bundesblatt von 1863 Bd. l, ..^eite 471 und Bd. H, Seite 63) wird in dem erwählten Antrage der ständeräthlichen Kommissionsmehrheit als unbegründet zurükzuweisen versucht, weil die solothurnisehe Gesezgebung, welche im Falle Hausser in Frage gestanden, die Jnjurie ganz anders auffasse, als diejenige des Kantons Waadt. Jn Solothurn bilde die Strase bloss einen ....^eil der Genugtuung und es trage die Genugthuungsforderung einen rein zivilrechtlichen Eharakter aa si^.h ; sie erscheine dort als eine persönliche Zivilansprache.

Die Regierung des Kantons Waadt ihrerseits hat in der Rekurs-

374 schrift den Standpunkt der Gesezgebung des Kantons Waadt mit folgen den Wortencharakteristrt: ^ll est de fan, que dans la légation vaudo^e l'mjure simple ^pas plus qne la diffamation ne sont poursuivies d'offre, et q...ie l'on ^a donné à l'iiijuri^ le droit de ne pas meure la histice en mouv.^ ^ment pour un semblable délit. ^ 38. Herr Arnold B r r ^ n e r in Zofingen hat in das Tagblatt der Stadt St. Gallen eine Vnblikation eingerükt, welche den Herrn Albert Müller, Arzt ..n Uzna^.h, Kantons St. Gallen, veranlage, gegen ihn eine Strafklage wegen Verleumdung vor dem Gerichte zu St. Gallen anznheben. Herr Br.^ner bestritt die Kompetenz der St. Galler Gerichte und reknrrirte an den Bundesrath. Lezterer hat jedoch am 18. Dezember 1863 diese. Beschwerde abgewiesen, einerseits weil die Gerichte des Kantons St. Gallen berechtigt seien, die aus dem Gebiete dieses Kantons verübten ^ergehen zu beurteilen und zu bestrafen, und andererseits, weil gemäss dem Entscheide der Bundesversammlung in Saehen Alexander Bise (oben Rr. 37) diese Regel auch für Strafklagen wegen Ehrverlezungen massgebend sei.

Herr Br.^.er hat diesen Entscheid an die Bundesversammlung re-

kurrirt. (Bundesblatt von 1864, Bd. l, Seite 181.)

3..). Herr Anton Ludwig O lg i a ti in Ehur ist von Herrn Fr^..

Streisf-Jenm.. in Glarus bei den Gerichten des Kantons Glarus wegen Jnjurie, die in Glarus stattsand, zur Strafe und Satisfaktion eingeklagt worden. ^.r. Olgiati bestritt die Kompetenz der Glarner Gerichte und sah sich zum Rekurse an den Bundesrath veranlasse Mit Beschluss vom

31. Juli 1863 wurde er jedoch abgewiesen.

Gründe : 1) Es handelt sieh im vorliegenden Falle um eiue vor dem Bolizeigerieht ^u erorternde Jnjurieuklage , deren Zwek in erster Linie auf

Sehnz der gekränkten Ehre gerichtet ist, wenn aneh gleichzeitig ein Begehren aus Entschädigung damit verbunden wird, wesshalb denn auch Klagen wegen^ Ehrverlezung nach den meisten Gesetzgebungen,

sowohl b^im Gerichtsstand des Wohnortes des Beklagten, als beim

Gerichtsstand des .^.rts , wo die Jnjnrie stattfand , angebracht werden konnen.

2) Daher steht von Bundeswegen der Kompetenz der Gerichte von

Glarus nichts entgegen , sobald hergestellt ist , dass die Jnjurie

im Kanton Glarus stattgefunden hat. (.^iehe Entscheidung des Bundesrathes in Sachen Beseantini (Ullmer Rr. 28l)) und den Entscheid der Bundesversammlung in Aachen des Alexander Bise (oben Rr. 37).

^

375 V. A r r e st.

40. Der im legten Geschäftsberichte (Bundesblatt von 1863 Bd. II, Seite 65, Rr. 36) erwähnte Heinrich T r ü b von Horgen hat inzwischen seine Beschwerde erneuert, weil die Sachlage in zwei Richtungen sich verändert habe. Einerseits habe er geheiratet und von der Heimathsgemeinde die Bewilligung dazu erhalten. ohne dass man ihm jezt einen Familienheimathschein geben wolle. Andererseits sei er in Konkurs gekommen, wodurch das von Schlosser Goll behauptete Pfandrecht konsumirt worden sei.

Rach Anhörung der Regierung von Zürich hat der Bundesrath am

16. Oktober 1863 das Gesuch um Revision des Entscheides vom 26. Sep-

tember 1862 abgewiesen, weil einerseits die Beurtheilung der Frage, inwieweit ein bestehendes Faustpsandverhältniss durch den nachfolgenden Konkurs verändert werde , nicht Sache des Bundesrathes , sondern der Gerichte ist, und weil andererseits die Frage, ob nicht in Folge der Verheirathung des Trüb ein neuer Heimathschein für die gesammte Familie ausgestellt werden könne, zwar vom Gemeinderathe Horgen verneint worden ist, Reknrrent jedoch den ordentlichen kantonalen Jnstanzenzug in dieser Beziehung nicht erschöpft hat, was in vorliegendem Falle um so eher gefordert werden kann, da die Regierung von Zürich selbst disponirt zu sein scheint, dem Begehren des Reknrrenten von sich aus entsprechen zu wollen.

41. Eine Wittwe B r a n d e n b e r g e r aus dem Kanton Zürich, wohnhast in .^ehasshausen, hat verschiedene Guthaben an zwei ihrer ^ohne im Kanton Zürich abgetreten und ist einige Tage nachher in Konkurs gekommen. Jm Verlause der gegen sie eröffneten Untersuchung wegen bezüglichen Falliments hat die Konknrsbehorde denjenigen Betrag mit Arrest belegt, welchen der Agent der Brüder Brandenburger einkassirt hatte.

.Lettere beschwerten sich bei dem Bundesrath, wurden jedoch (26. August 1863) abgewiesen, weil die Rekurrenten ihr Eigenthum an dem mit Arrest belegten Vermögen nachzuweisen hätten und diese Eigenthumsanspraehe vor den Behörden des Kantons .^.ehafshausen, wo diese Vermögensstüke liegen, geltend gemacht werden müsste.

42. Die Regierung pon St. Gallen hat die Militär-Bension des Wilhelm H a n s e l m a n n in Oberegg, Kantons Appenzell A. Rh., welche ihm durch Vermittlung der St. Gallischen Militärbehörden ausbe^ahlt wird, nachdem im Kanton Appenzell der Konkurs über ihn eröffnet worden war, auf Gesuch eines einzelnen Kreditoren, mit Arrest belegt.

Aus seine Beschwerde hat der Bundesrath (17. Juli ^863) dahin sieh ausgesprochen., dass kein Grund vorliege, die von einem fremden Staate kommende Vension anders zu behandeln, als andere Vermögensftüke ; der Arrest sei daher gerechtfertigt. Dagegen dürfe das Objekt nicht einem einzelnen Kreditoren, sondern müsse naeh Art. 3 des Konkordates von

37^ 1804 bestätigt 1818 (alte off. Samml. Bd. I, Seite 284) der ganzen Schul.denmasse zukommen.

3. ^ntf^de nber .^nmeudnn^ der ^unde^aese^e.

B u n d e s g e s e z b e t r e f f e n d die g e m i s c h t e n Ehen.

(Reue off. Samml. Bd. lI, Seite 130 und Bd. Vll, Seite 126.)

43. Es ist bereits in der Einleitung zu dieser Abtheilung des Gefchäftsberichtes angedeutet worden, dass zehn Beschwerden wegen Verweigerung gemischter Ehen zu förmlicher Entscheidung gelangt sind, und ^war allein nur aus den Kantonen Solothurn, Luzern und Aargau. Sechs dieser Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen und vier begründet erklärt. Von den erstern sechs gelangten vier auch noch an die Bundes versammlung, durch deren Entscheid jedoeh sämmtliehe Bundesrathsbeschlüsse

bestätigt worden sind. Es sind dieses die Rekurse des Friedrich .L am p art

von ..^chbach, Kantons Luzern (Bundesblatt von 1864, Bd. I, Seite 135), Jakob Scheibler von Walterswil, Kautons Solothnrn (Bundes-

blatt 1864, Bd. l, Seite 131), Joseph Ris von Etzikon, Kantons Sotothnrn (Bundesblatt 1864, Bd. l, ^eite 143) und August Uebelhardt von Welschenrohr Kantons ^olothurn (Bundesblatt l 8.^4, Bd. l, Seite 139). Das Detail dieser Beschlüsse ergibt sich aus den Kommissionsberichten, welche an den bezeichneten Orten .n. finden sind.

Von den vier Entscheiden des Bundesrathes, wodurch bezügliche Rekurse begründet erklärt worden sind, ist nur einer, und zwar durch die Regierung des Kantons Aargau, an die Bundesversammlung gezogen worden. Es betrifft dieses den Entscheid in Saehen Johannes S ta u s fer v.^n Riederhallw.^l, Gemeinde Seengen, Kantons Aargau, dessen wesent-

lieher ^hatbestand aus dem Kommissionsbericht (Bundesblatt 1864, Bd. l, Seite 157) zu entnehmen ist.

44. Jm Einzelnen werden folgende Säze von mel.r allgemeiner Bedeutung. herausgehoben, die im Lause des Berichtsjahres in Aachen gemischter Ehen aufgestellt worden sind : 1) Der Bundesrath ist kompetent, Beschwerden über Hinderung geunschter Ehen in Behandlung zu ziehen und zu entscheiden.

Ein diessälliger Zweifel ist von der Regierung von Luzern in Sachen Lampart abermals ausgeworfen, allein von der Bundesversammlung verworfen worden.

2) Der Bundesrath ist auch dann zum Entscheide kompetent , wenn der kantonale Entscheid in Form eines gerichtlichen Urtheils gegeben wurde. (.^iehe den Fall Staufser.)

.3) Jn Art. 3 des Bnndesgesezes vom 3. Dezember 1850, betreffend die gemischten Ehen. ist der Grundsaz enthalten, da^ die Bewilii^

377.

gung zum Abschlusse gemischter Ehen nicht verweigert werden könne, sobald gegen eine solche Ehe sonst keine geglichen Ehehindernisse bestehen. und es hat somit der Bundesrath ohne weiteres Eintreten auf konfessionelle Verhältnisse im Spezialfalle jeweilen nur zu untersuchen, ob nach der Gesezgebnng des betreffenden .^ant.ons gesezliche Hindernisse bestehen.

Alle im Berichtsjahre ausgefällten Entscheide des Bundesrathes

und namentlich auch jene fünf, welche an die Bundesversammlung rekurrirt wurden, gehen von diesem Brinzipe aus, das durch Genehmigung sämmtlicher fünf Beschlüsse die Sanktion erhalten hat.

4) Es ist die Ansicht irrig, als habe ein Ehestandskandidat gewissermassen Ausweise zu leisten, dass er zur Ehe b e r e c h t i g t sei. Speziell nach solothurnischer Gesezgel.mng steht das Recht zur Verehelichung jeder volljährigen Berson zu, wenn nicht besondere gesezliche Hindernisse im Wege stehen. (Entscheid betreffend Scheibler vom

6. Juli 1863.)

5) Jm Gegentheil gewährt ^. .)..) des ^ivilgesezbuches des Kantons Solothnrn. den Eltern und Gemeinden, volljährigen Kindern gegenüber, nur ein beschränktes Ein s p r a c h s t Recht und es liegt naturgemäss den Einsprechen der Beweis für ihre Einsprache ob, wobei vage Zweifel und Besürchtungen keinerlei Werth haben, sondern nur bestimmte Thatsachen und Verhältnisse in Erwägung kommen können, welche den sittlichen Eharakter oder die ökonomischen Kräfte der Brautleute zur Führung eines selbstständigen Haushaltes in

Zweifel zu ziehen geeignet sind. (Scheibler.)

6) Dabei sind natürlich ni.^t bloss die ..Verhältnisse im Momente des Eheabschlusses zu berükstehtigen. Daher kommt allerdings in Frage, ob der Vermogensbesiz oder die Erwerbssähigkeit Aussieht aus Dauer haben, oder ob nicht schon jezt äussere oder innere Gründe vorhanden seien , welche die Möglichkeit einer andauernd selbstständigen

Existenz gefährden. (Ris, 14. .September 1863.)

7) Auch ^. 1 Litt. .^ des aargauischen Gesezes überlas Eheeinspruchsrecht vom 2.). Hornung 1860 sagt im Eingange deutlich, dass der Mangel an haushälterischem Sinne e r w i e s e n sein müsse. (Stausser,

15. Juli 1863.)

8) Dasselbe Gesez des Kantons Aargau gestattet die Einsprache von Seiten der Gemeindsbehorden in Fällen von erwiesenem M a n g e l an Fleiss oder haushälterischen.. Sinne ; aber es verlangt keineswegs .^om Ehekandidaten selbst einen positiven Raehweis über vorhandenen Fleiss oder haushälterischen Sinn. Dieses lettere Verfahren erscheint, weil mit dem Geseze in direktestem Widerspruch stehend,

nicht als zulässig und es müssen daher die daraus gestüzten Urtheil^

von den Bundesbehorden wenigstens in allen denjenigen Fällen, in

378 welchen denselben eine Kognition zusteht, aufgehoben werden, wobei der Einwurs, dass dadurch eine Ungleichheit in der Rechtssprechung entstehe, kein Hinderniss für die Bundesbehorden sein kann, da die kompetenten kantonalen Behorden nicht gehindert sind, auch ihrerseits Massregeln zu treffen , welche in den übrigen Einspruchssällen eine dem Wortlaute des ...Gesezes entsprechendere Gexichtspra^is einzuführen geeignet find. (Brodle, 30. Rovember

1863.)

.9) Das Gesez des Kantons Luzern über Ehebewiiligungen vom 1l. März 1835 gestattet die Verweigerung der Ehe nur dann , wenn eine b e g r ü n d e t e Besorgniss obwaltet, dass die Verlobten mit ihrer ^amilie der Heimathsgemeinde zur. Last fallen werden, indem sie

^l.ein hinlängliches eigentümliches Vermogen oder in Abgang des-

selben keinen hinreichenden Verdienst haben . es schreibt also nicht nothwendig Vermögensbesiz vor, sondern begnügt sich auch mit hin-

reichendem Verdienste der Verlobten. Billiger, 19. Oktober 1863.)

4. ^ntf.^eide nl.er ...^nwen^un^ der ^..^...rd...^.

I. K o n k o r d a t b e t r e s s e n d die E f f e k t e n e i n e s Falliten.

(Alte oss. Sammlung Bd. l, Seite 285.^, 45. Ueber die ledige Ester S trübin von Liestal, Kantons Basel.Landsehast, als Bäkerin niedergelassen in Basel-Stadt, ist naeh vollendeter Betreibung der Konkurs erofsnet worden. Die Konkursbehorde reklamirte daher das in destai unter gese^licher (Geschlechts-) Vormundschaft befindliche Vermogen zur Massa und bestand vor den Gerichten in Liestal einen Bro^ess, in welchem sie ihre Klage begründet hat wie folgt : Ester Strübin sei seit 1818 in Basel niedergelassen und habe nach Ableben ihrer Eltern den Bäkerberns fortgesezt. Der Vormund selbst habe den Ankauf der Liegenschaft mit Bäkerrecht sammt Gerätschaften dureh Unterzeichnung der Verträge genehmigt. Man habe in ^iestal überhaupt den ganzen Ge-

schästsbetrieb der ^trübin gekannt und stillschweigend gutgeheissen.

Die

Berichte von Basel^Laudsehast haben jedoch diese Klage abgewiesen, weil der Vormund nie belangt worden und das Konkursurtheil sür ihn nicht rechtsverbindlich sei.

Die Regierung von Basel-Stadt erhob nun Beschwerde bei dem Bundesrathe unter Berufung einerseits darauf, dass der in einem Kanton richtig ergangene Konkurs im ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft attraktiv wirke und andererseits aus deu Entscheid der Bundesversammlung in

Sa.hen Louise Amone geb. Blanel. (Bundesblatt von 1861, Bd. H, .^eite 753 und 1862, Bd. ll, Seite 240.)

Der Bundesrath sprach sich in seinem Beschlusse vom 13. April 1863 im Sinne der Behorden von Basel.^Landsehast dahin aus.

379 1) Bei Entscheidung des vorliegenden Rekurses müssen zwei Fragen wohl auseinander gehalten werden, welche hier vielfach vermischt auftreten, rechtlich aber nicht zusammen gehören, nämlich : a. die allgemeine Rechtsfrage , ob bei einem gegen einen Bevormundeten ausgefällten Zivilurtheile oder bei gegen ihn verhängtem .Konkurs ohne weiteres auf dessen in einem andern Kanton unter vormundschaftlicher Verwaltung stehendes Vermögen gegriffen und ex^uirt werden konne.^

b. und die mehr tatsächliche Frage, ob nicht im Spezialfalle der Vormund und die Vormundschaftsbehorden den selbstständigen Geschäftsbetrieb des Vögtlings gebilligt und damit das in ihren

Handen befindliche Vogtgut engagirt habend 2) Was die allgemeine Rechtslage betrifft, so muss sie verneint werden, indem, falls auf vormundschaftliehes werden will, der Vormund zuerst ins Recht zu rufen Rede davon sein kann , dass ein gegen den Mündel

gefälltes Urtheil gegen den Vogt er^uierbar fei.

ohne weiteres Gut gegriffen ist und keine einseitig aus-

3) Weder Art. 4.... der Bundesverfassung, noch das Konkordat über das Konknrsrecht in Fallimentsfällen ändern hieran etwas, da eben zuerft ^u beweisen wäre, dass solche Urtl.eile und Konkurse gegen den Mündel dessen Vogt verpflichten, ein Saz, dessen Besahung (beiläufig bemerk^ dem ganzen Jnstitute der Vormundschaft allen Werth benähme.

4^ Die zweite Frage dagegen kann im Spezialfalle mit allem Grund ausgeworfen werden ; allein die Benrtheilung derselben sällt gemäss Art. 50 der Bundesverfassung in die Kompetenz der Gerichte des Wohnortes des Vormundes.

46. Das Handelshaus J f e l i n und ^tähelin in Basel hat im Konkurse der ^irma Wohler u n l.. Eomp. in Wohlen, Kantons Aargau, eine Forderung von ^r. 84,443 angemeldet und dafür das Faustpfandrecht angesprochen an drei Gültbriefen, die ihm von den Konkursiteu ^nr Sicherung eines jeweiligen Kontokurxent-Guthabens behändigt worden sind. Die Ansprecher haben die Titel dem als Konknrsriehter handelnden Bezirksgerichte Bremgarten. vorgelegt und dabei verlaugt, dass sie sür ibre Forderung in die zweite Klasse der Gläubiger ausgenommen und a...f den Erlos ihrer Faustpfänder, so weit dieser Werth reiche, für allfälligen Verlust aber in ^ie sechste Klasse (Kurrentforderungen) angewiesen werden mochten. Auf Verlangen der Gläubiger sind die Faustpfänder versteigert worden und bei der Kollokation hat der Abgeordnete des Konkursgeriehtes da... von jenen gestellte Begehren gutgeheissen. Allein der Kurrentgläubiger, Herr Christian Halter in Mellingen, protestate dagegen, weil das Vfand.^

recht ungültig sei, indem nach Art. 565 und 567 des aargauisehen bür-

gerlichen Gese.,bnches für einen unbegrenzten Kredit kein Pfandrecht errichtet werden konue. Die Herren Jfelin und Stähelin haben unter Be-

380 rusung ans da.^ einschlägige .Konkordat vom 7. Juni 18l0 und 8. Juli 1818, dem Aargau und Basel beigetreten seien, die Befugniss der aargauischen Gerichte, über die Gültigkeit des Pfandrechtes zu entscheiden,

bestritten. Es hat sich aber das Bezirksgericht Bremgarten für kompetent erklärt und es ist dieses Zwisehenurtheil von dem Obergeriehte bestätigt

worden. ..dieses ledere Urtheil stü^t sich namentlich daraus, dass nach ^. 2 des zitirten Konkordates, wenn eine Konkursmasse, oder ein Vertreter oder einzelner Gläubiger derselben , Rechtsansprüche eines in einem andern Kanton wohnenden Kreditoren bestreite, ein solcher Streit nur unter der Voraussetzung vor dem Richter der gelegenen Sache geführt werden müsste, als jene Rechtsansprüche im Gebiete dieses andern Kantons und unter der Herrschaft und unter dem Schuze seiner Geseze entstanden und deshalb der Beurteilung des dortigen Richters unterworsen wären. Diese Voraussezungen tressen aber im vorliegenden ^alle nicht zu, weil das streitige Bsandrecht im Kanton Aargau und aus hier gelegene Sachen errichtet worden sei.

Aus erfolgten Rekurs der Herren Jselin und Stähelu. hat der Bundesrath am 23. Januar 1863 dieses Urtheil aufgehoben und seinen

Entscheid begründet wie solgt : 1) Art. 1 des Konkordates vom 8. Jnli 1818. welchem die Kanone

^argau und Basel beigetreten sind, stellt im Jnteresse der Einheit des Konkurses den Grundsaz auf. dass alle einem Falliten zuge..horigen Effekten in die Hauptmasse fallen sollen, mogen solche liegen, wo sie wollen, unbeschadet jedoch der darauf haftenden Rechte und

Ansprüche des Jnhabers.

2^ Jn lezterer Beziehung bestimmt sodann ^..lrt. 2 des Konkordates, es solle bei der Beurtheilung von Eigenthnms- oder Bfandansprachen an solchen Effekten, die in einem andern Kanton liegen, die Fallimentsmasse ihre behauptenden Rechte vor dem kompetenten Richter desjenigen Kautons geltend machen, in welchem die Effekten sieh befinden.

3) Da nun im vorliegenden Falle die Fallimentsmasse der Firma Wohler und Komp. in .^hat und Wahrheit die unbeschwerte Herausgabe von jener Firma zugehorendeu Gültbriefen verlangt und die Gültigkeit des von den Rekurrenten behaupteten Faustpfandrechtes bestreitet, so war dieser ...Streit nothwendig vor dem Richter von Basel als demjenigen, wo die Fauftpsandeffekten lagen, anszutragen.

4^ Die weitere Frage sodann, ob und welche Rechte der Besiz des Pfandes bei der Verkeilung der Fallimentsmasse gewähre, untere liegt unzweiselhast dem Entscheide des aargauischen Konkursriehters.

5) Das rekurrirte Urtheil des aargauischen Obergeriehts verstosst stch jedoch gegen diese Grundsä^e. indem es die bezeichneten zwei Ver-

hält.nsse vermischt, daher ist dasselbe gemäss Art. 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung anzuheben.

..^

381

6) Endlich stellt sich die nachtragliche formelle Einrede, es haben die .

Rekurrenten durch Einlassung vor dem aargauischen Richter aus ihre ursprünglichen Rechte verzichtet, in jeder Beziehung als unbegründet heraus.

Gegen diesen Beschluss xeknrrirte Herr H a l t e r noch an die BundesVersammlung, allein der. Ständerath hat unterm 13. Juli 1863 diesen Rekurs abgewiesen, resp. den Beschluß des Bundesrathes bestätigt. Der Nationalrath ist diesem Entscheide am 2.^. Juli 1863 ebenfalls beige-

treten. Die bezüglichen Rapporte befinden sich im Bundesblatt von 1863, Band Hl, Seite 161, 166, 32..), 639 und 643.

Il.

K o n k o r d a t ü b e r v o r m u n d scha s t l i ch e u n d B e vogtungsverhältnisse.

(Alte offizielle Sammlung, Band H, Seite 34.)

47. Ein Joseph Zipfel, Bürger von Herznaeh, Kts. Aargan, niedergelassen in Freiburg, hat in seinem legten Willen verfügt, fein einziger drei Jahre alter Knabe soll bis zu seiner Volljährigkeit unter freiburgische ..^ormundschast gestellt sein und verbleiben.

Die Regierung des Kantons Aargau sah sich veranlagt, gegen die hieraus entsprungenen Anstände mit der Regierung des Kantons ^reibnrg Beschwerde zu führen. Der Bundesrath sprach sich in seinem Besehlnsse

vom 12. August 1863 dahin aus:

1^ ^ür den vorliegenden Fall sind einzig die Bestimmungen des Konkordates vom 15. Juli 1822 (alte offizielle Sammlung, Bandll, ..^eite 34), dem die beiden streitenden Kantone beigetreten find, entscheidend.

2^ Dieses Konkordat enthält in Ziffer 2 die .^usdrükliche Bestimmung, dass die Wahl des Vormundes und die Aufsieht über dessen Verwaltung u. s. f. der Regel nach dem Kanton zustehe, dem der Niedergelassene bürgerlieh angehort hat.

3^ Die Ausnahmen von der bezeichneten Regel, so weit sie die Rechte des Riederlassungskantons fairen, sind in den Ziffern 3 nnd 4 des Konkordates enthalten.

4) Demgemäss fällt die Vormundschastsbereehtignng dem Kanton Aargan zu, da der verstorbene Zipfel ihm bürgerlich zugehorte und keine der in Ziffer 3 und 4 vorgesehenen Ausnahmen vorliegt.

5^ Wenn sreiburgischer ^eits behauptet werd^u will, die Sachlage

habe sich durch das Testament Zipfels verändert, so ist diess nicht

richtig, weil die Disposition eines Vrivaten in Materien, die dem Staatsrechte angehoren und durch Staatsverträge regulirt sind, nichts ändern kann.

6) Jndess bleibt es ^en freiburgisehen Behorden, wenn fie ans jenem privatrechtliehen Titel vormnndschastliche Rechte ableiten zu konnen

382 glauben, unbenommen, nach erfolgter Uebergabe der Vormundschaft ihre Rechtsansprüche vor den kompetenten aargauisehen Behorden anzubringen, welche dann darüber endgültig zn entscheiden haben; und hat daher beschlossen: Die Regierung von Freiburg wird eingeladen, nach Massgabe des Konkordates vom 15. Juli 1822 der Regierung von Aargau die weitern vormnndschaft^ichen Versügungen über die Familie und das Vermogen des Joseph Zipfel von Herznach zu überlassen.

Als ^ w e i t e r Fall kann noch hieher gezählt werden, der oben unter Rr. 45 aufgeführte Entscheid in Sachen der Ester Strübin.

lll.

K o n k o r d a t ü b e r B e st i m m u n g und G e w ä h r

der Viehhauptmängel.

(.^eue offizielle Sammlung, Band IV, Seite 210.)

48.

Am 28. April 1862 hat Herr Bernhard Loeb, Pferdehändler

in Wifslisburg, Kts. Waadt, dem Herrn Joseph Stockli, Wirth, in Freiburg, ein Vferd verkaust, das er am Tage vorher von Veter Doleires in Oleires, Kts. Waadt, angekaust hatte. Am folgenden Tag, den 29. April, wurde das Vferd krank und verendete. Die am 1. Mai vorgenommene, in gehöriger Form angeordnete Expertise, bewies das Vorhandensein verschiedener konkordatsmässiger Gewährsmängel. Raehdem dieser Sektionsbefnnd am 19. Mai dem Herrn Loeb mitgetheilt worden, ist

Herr Stockli im August klagend gegen ihn ausgetreten. Am 1. August 1862 fand der Sühneversueh vor dem Friedensrichter in Wifslisburg statt und am 29. September 1862 deponirte Herr Stockli auf der Gerichtssehreiberei von Wisslisburg seine Klage. Herr .Loeb hat hieraus dem Herrn Doleires Streit verkündet, welcher sich in den Vrozess einliess und gegen die Klage die Einrede der Verjährung opponirte. Es wurde ihm diese Einrede wirklich zugesprochen, Herr Stöckli wurde abgewiesen und jede Partei musste die Hälfte der Kosten bezahlen. Dieses Urtheil

stüzt sich auf Art. 15 des waadtländischen Gesezes vom 22. Mai 1858

über die Gewährsmängel, wonach die Währschaftsklage in 42 Tagen verjährt. Herr Stockli suchte Kassation dieses Urtheils zu erwirken, indem er aus das Konkordat über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel sieh beries und ausführte, das waadtländis.he Gesez habe nicht eine kürzere Frist für die Verjährung dieser Klage stiren konnen, als diejenigen des gewohnlichen Prozesses und Zwilreehtes, ohne den Angehorigen der Konkordatskantoue ein Reeht zu entziehen, welches das Konkordat ihnen sichere, und das die Waadtländer in den andern Kantoneu geniessen. Der Kassationshof des Kantons Waadt hat jedoch diese Beschwerde verworsen.

Herr ^.tockli rekurrirte nun an den Bundesrath. Ebenso erhob auch Herr Doleires Besehwerde gegen die ihm auferlegten Brozesskosten.

^

383 Der Bundesrath hat jedoch am 3. Jnni 1863 beide Beschwerden abge.wiesen und in seinen Gründen dahin sich ausgesprochen : 1^ Es handelt sich bei Benrtheilung des Hauptrekurses um die Frage, ob die durch die Gesetzgebung des Kantons Waadt statuiate Frist von 42 Tagen für Anhebung der Währschastsklagen dem Kontor^ date über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel, welchem die Kantone Freiburg und Waadt beiderseits beigetreten sind , zuwiderlause .^ 2^ Diese Frage nnn mnss verneint werden, da jenes Konkordat zwar nach der prozessnalischen Seite hin allerdings Vorschristen über die Feststellung des Thatbestandes und Sicherung der Beweise, dagegen über die davon verschiedene Materie der Klagverjährung keinerlei Vorschriften enthält.

3) Unter solchen Umständen steht es jeden. Kanton frei, diese Materie nach eigenem Ermessen zu ordnen , wie denn der Kanton Waadt an seinen Beitritt noch ganz ansdrüklieh diesen Vorbehalt geknüpft hat; dabei muss aber jeder Kanton nach Art. 48 der Bundesver^.

sassung die Schweizerbürger wie die eigenen Kantonsbürger behandeln, welche Bestimmung gerade die Garantie zu gewähren geeignet ist, dass ein Kanton keine ve^atorischen Bestimmungen ausstellen werde , wogegen aber der Kautonssremde auch nicht prätendiren darf, günstiger als der Kantonsbürger selbst behandelt zu werden.

4) Die in Frage stehenden Urtheile der waadtläudisehen Gerichte sind endlieh dem Geseze ganz entsprechend und deren Rechtskraft lasst sich daher mit Grund nicht anfechten.

5^ Betreffend den Rebenrekurs des Beter Doleires über die Kostenssrage , so ist der Bundesrath nicht kompetent , in diese Sache sieh einzumischen , da er sich nicht in der Stellung einer .Appellationsinstand befindet.

IV.

K o n k o r d a t über die V e r h ö r e und E v o k a t i o n von Zeugen.

(Alte ofs. S. Bd. I, Seite 296.)

(Reue oss. S. Bd. lll, Seite 161, Art. 23.)

49. Die Regierung des Kantous Thurgau hat gegen diejenige des Kantons Uri in folgendem Falle Beschwerde geführt: Ein Johann Georg Kappelhoser in Häusern, Kantous Thurgau, stand wegen Betruges m Kriminaluntersuchung, indem er beschuldigt war, der Katharina Sehwesex

in Bs^u die Hälfte des .Looses Rr. 23,379 für die 105. Geldlotterie des Kantons Uri verkauft und nachdem er gewusst, dass auf dieselbe ein Gewinn von Fr. 1000 gesalleu sei, unter falschen Vorwäuden dasselbe wieder sich angeeignet und ein anderes halbes Loos dagegen zurükgelassen zu haben. Die Vertheidigung des Kappelhoser veranlasste den Untersuchuugsri.hter, durch Vermittlung des Verhoramtes des Kantons Uri der

.^84 dortigen Lotteriedirektion zunächst verschiedene Fragen vorzulegen , über welche dieselbe Auskunft gab. Jn spätern Re.^usitorialien dehnte .......s Verhoramt des Kantons Thurgau sein Begehren dahin aus, dass die ^otteriedirektion einen Buchauszug abgeben mochte, aus welchem zu ersehen wäre, mit welchen einzelnen Loosen und wie viel der Angeschuldigte in der 105. Lotterie gewonnen habe, und in welcher Weise sein Soll und Haben ausgeglichen worden sei. Hierüber nun verweigerte die Lotterie.^ direction jede Auskunft und wurde bei dieser Weigerung durch die Regiexung des Kantons Uri unterste.

Die Regierung des Kantons Thurgau berief sich in ihrer Beschwerde daraus, dass die Weigerung der Herren Muheim und Sohne gleichbedentend sei mit der Weigerung, personlich Zengniss abzulegen, wozn s.^e nach den durch Art. 23 des Bundesgesezes über die Auslieferung von Ver-

breehern vom 24. Juli 1852 bestätigten ^. 1..) und 20 des Konkordates

vom 8. Juli 18l8 angehalten werden konnten. Die Frage über die Notwendigkeit eines Zeugnisses zu entscheiden , stehe allein dem Verhorrichter zu, welchem die Hauptleitung der Untersnchung übertragen sei.

Der Bundesrath hat diese Anschauungsweise nicht genehmigt, sondern in seinem Entscheide vom 11. März 1863 dahin sich ausgesprochen:

1) Art. 19 des Konkordates vom 8. Juni 1809, bestätigt den 8. Jnli 1818 (Alte Oss. S. Bd. I, Seite 296) schreibt vor, dass in Strassachen Angehorige eines andern Kantons, von denen die Ablegung von ^engnissen verlaugt wird, diese der Regel nach ^vor ihrem natürlichen Richter abzulegen haben, und dass nur ausnahmsweise die persönliche Stellung der Zeugen verlangt werden dürfe, welche dannznmal ohne erhebliche, der ansuchenden Regierungsstelle anzuzeigende Gründe niemals verweigert werden solle.

2) Dieser Artikel ordnet indess nur das prozessualische Verfahren bei der Ablegung des Zeugnisses, ohne über die ^rage der materiellen Zeugnisspslicht Bestimmungen zu enthalten, woraus pon vornherein

folgt, dass die Regulirnng dieses Verhältnisses jedem Kanton überlassen bleibt.

.3) Dabei entscheidet selbstverständlich die Gesezgebung des Kautons , welchem der Zeuge angehort, wie denn gewiss kein Kanton,

-

welcher z. B. die Geistlichen sür das Beiehtgeheimniss , Advokaten und Aerzte sür den Jnhalt von Konsultationen, Verwandte im Verhältniss zu andern Verwandten von der Zeugnisspslicht im eigenen Kanton befreit, - angehalten werden kann, diese Personen ^.r Zeugnissablegung in Strafprozessen zu nothigen, die in einem andern Kanton geführt werden, dessen Gesetzgebung solche Ex^emptiouen nicht zulässt.

4) Ebensowenig als die Gesezgebuug des re.^uirirenden Kantons, haben dessen Untersuchungsbehorden über die Zeugnisspflicht eiues auswärtigen Zeugen zu entscheiden, sondern es ist auch diefer Entscheid

38^ Sache der .Behorden des re.uurirten Entons, welche überhaupt ja auch einzig und allein im Falle sind, der Weigerung des Zeugen gegenüber den nöthigen Zwang anwenden zu können.

5) Jedoch sind nach Art. 4^ der Bundesverfassung die Kantone gehalten, bei Entscheidung der Frage der Zeugnisspflicht ganz die gleichen Grnndsäze in Anwendung zu bringen, wie bei Strasuntersuchungen, die im eigenen Danton geführt werden.

6) Run ist für die Beurtheilung der Frage, ob im vorliegenden Falle die Regierung von Uri den Art. 48 der Bundesversassung verlezt habe, das nöthige Aktenmaterial noch nicht vorhanden, indem näm-

lieh zur ^eit nur das klar ist, dass die Regierung von Uri sich

weigert, die Lotteriedirektion zu nöthigen, einen allgemeinen Buchauszug über ihren Verkehr mit einem thurgauischen Kollekteur be-

züglich der 105. Ziehung vorzulegen , was in der That auch für die vorliegende Untersuchung keinerlei Bedürsniss ist, während dagegen noch nicht klar ist, ob sie sich auch weigern würde, weiteres Zengniss erheben zu lassen , wenn die allerdings für die Untersuehung wünsehbare spezielle Verifikation der vom Jnkulpaten im Verhor vom 2. Dezember ^862, Antwort 20, gemachten Angaben begehrt würde.

7) Somit kann die Beschwerde znr Zeit nicht als begründet angesehen werden, jedoch bleibt für den zwar unwahrscheinlichen Fall , als die Regierung von Uri die Erhebung weiterer spezieller Zeugenerklärungen aus ganz bestimmt formulirte Fragen ablehnen sollte,

ohne sieh dureh ihre Gesezgebung hiesär hinlänglich legitimiren zu

können , der Regierung von Thnrgau das Recht zu weiterer Besehwerde offen.

V.

Vereinbarung einiger K a n t o n e über V e r p f l e g u n g v o n Armen.

50. Zwischen den Regierungen von Zug und Aargau ist unterm 22. März und 2. April 1855 anf dem Korrespondenzwege vereinbart worden, dass wenn ganz unbemittelte Angehörige des einen Kantons auf dem Gebiete des andern sterben , die B egräbniss kosten im Kanton Zug von der Gemeindsarmenpflege , im Kanton Aargau ebenfalls von den Lokalbehorden, zu tragen seien, ohne dass sie von den Heimathsbehörden zurükgesordert werden dürfen.

^ie Regierung von Aargau beschwerte sich nun darüber , dass die Gemeinde Baar und die Regierung von Zug sieh weigern, die Arzt- und Krankenkosten sur einen in Rheinselden sieben Tage ärztlich verpflegten und dann gestorbenen Bürger von Baar zu befahlen, indem dieselben die Ansicht aufstellen, dass unter den in der Uebereinknnft vorgesehenen Begräbnisskosten auch die Krankheitskoften inbegrisfen seien. Sie. die Re^

Bunde.^bIatt. .^ahrg.X^I. Bd.I.

34

386 ^ierung von .^largau, glaube aber, die erwähnte Uebereinknnst (sowie eine gleiche mit Bern und Freiburg) beziehe sich allein nur aus die Kosten der Beerdigung. .Von den Verpflegungs- und Arztkosten sei nie eine Rede gewesen. Die Vflicht der Unterstüzung und des Unterhaltes armer Kranker habe von jeher^und^in allen interkantonalen Verhältnissen der Heimath obgelegen.

Jn ihrer Antwort bemerkte die Regierung von Zug , es sei die erwähnte Uebereinkunst im Kanton Zug stets in dem Sinne vollzogen worden , dass die betretende Gemeinde nebst den eigentlichen Beerdigungskosten auch die vorher entstandenen Kosten für Verpflegung habe tragen müssen.

Der Bundesrath hat sich hierüber in seinem Beschlnsse vom 11. März 1863 ausgesprochen wie folgt: 1) Vorerst kommt in Frage , ob dem Bundesrathe die Kompetenz zustehe, bei Streitigkeiten ^veier Kantone über den Ersaz von Aus^.

lagen, die ein Kanton zu Gunsten von Bürgern des andern Kan^ tons gemacht hat, massgebend einzuschreiten.

2) Ein solches Einschreiten des Bundesrathes wäre nach Art. 90 Ziff. 2 der Bundesverfassung nu^ dann gerechtsertigt, wenn nachgewiesen werden konnte, dass eine Bestimmung der Bundesverfassung oder Bundesgese^gebung oder ein Konkordat zwischen den betreffenden Kantonen verlebt worden sei ; die beschwerdesührende Regierung wusste jedoch selbst keine solche Bestimmung namhaft zu machen.

3) Wenn in Ermanglung dessen die Regierung von Aargau sich auf die im Korrespond^wege zwischen Zug und Aargan zu Stande ge-

kommene sogenannte Reziprozitätsübereinkunst vom 22. Mär^2. April

1 855 stüzt, so ist hierüber ^n bemerken : a. dass erstlich eine solche Uebereinkuust , die eineu blossen ^nodus vivendi begründet, mit einem sormlichen, gesezliehe Rat^r an sieh tragenden Staatsvertrag (Konkordat) nicht verwechselt werden dars und jedenfalls ein Schluss von dem Bundesinterventionsrecht zu Gunsten der Konkordate aus eine gleiche Jnterventionsberechtigung auch ^u Gunsten aller übrigen Verabredungen ^vischeu ^wei Kantonen unzulässig ist.

h. dass fürs zweite jeue Uebereinkunst bezüglich der ebenfalls von Aargau geforderten Beerdigungskosten gerade gegen die aargauischeu Ansprüche lautet , indem sie das sogenannte territorialprinzip proklamirt und somit jeden Kanton verpflichtet, die ans seinem Gebiete entstehenden Beerdigungskosten an sich selbst zu tragen; dass betreffend sodann die Vergütung vorhergegangener Verpflegungsl.osten dem Bundesrathe ebenfalls keine Vorschrift bekau..t ist, welche den Heimalhkanton rechtlich uvthigeu würde, solche auswärts erlaufenen Kosten zu vergüten, wobei im Wei-

387 tern der Bundesrath die Frage nicht zu untersuchen hat , ob Billigkeitsrüksichten nicht den Kanton Zug zu einem entgegengeselten Verfahren hätten bestimmen dürfen.

5.

L

...^n.^.endan^ d.er ^ant^n^ner^^un^en.

F r e i h e i t der G e m e i n d e v e r w a l t u n g .

51. Der im Geschäftsberichte für1858(Bnndesblatt 1859, Bd.I, S. 385 ff.) erwähnte Streit in Aachen der Mehrheit der Genossengemeinde G e r s a u , Kantons ^chw.^, betreffend freies Verfügungsrecht über Korporationsvermogen, ist wieder an den Bundesrath gelangt und nun definitiv entschieden worden. Durch den dort erwähnten Bes^.luss vom 1. Februar 1858 hat der Bundesrath das nähere Eintreten ver-

weigert, bis die nach Art. 11 der Verfassung des Kantons Sehwi.z hier

zulässige Beschwerde bei dem Kantonsrath, als oberster Kantonalbehörde, auch noch stattgefunden habe.

Diese Besehwerde wurde prose.^uirt, allein der Kantonsrath hat sie am 18. Juni 186l als unbegründet abgewiesen. Es erfolgte daher ein neuer Rekurs, welcher nun vom Bundesrathe am 20. April 1863 desinitiv abgewiesen wurde, aus folgenden Gründen : 1) Es ist vom Bundesrathe lediglich die grundsäzliche Frage zn entscheiden, ob nach der Verfassung von Schw^ den Korporationen absolute Dispositionsbefugniss über das Korporationsgut zustehe, beziehungsweise ob nicht die Verwaltungsbehörden befugt seien, Eingriffe in das ^tammgut einer Korporation zu hindernd 2) Rach den allgemein anerkannten und in ber Ratur der Sache begründeten Rechtsgrunds^en ist den bloss zeitlichen Repräsentanten einer juristischen Berson die freie Disposition über deren Stammgut, beziehungsweise die beliebige Schwächung oder Aushebung des leztern, nicht gestattet, da dasselbe für die dauernden Zweke der Korporation dienen soll.

3) Rnn kommt in ^rage, ob die Verfassung von Schw^z etwas diesem natürlichen Rechtsverhältniss Widersprechendes verordnet habe^ 4) Diese Frage mnss verneint werden, indem umgekehrt in ^ 20 derselben die vorbezeiehneten Grundsäze ausdrüklich bestätigt werden ; da die Verfassung den Korporationen nur nebst der Unverlezlichkeit

des Eigenthums die Verwaltung desselben und die Besugmss, die

Art und Weise der Benuzung und der Verwaltung ihrer Güter selbst zu bestimmen, zusichert.

5^ Demnach haben die Verwaltuugsbehorden des Kantons Schw.^z durch Aushebung von Beschlüssen über Verkeilung der Korpora-

tionsgüter Gersau lediglich einen verfassungswidrigen Eingriff dieser

388 Corporation in ihr Stammgut abgewehrt, wozu sie auch ohne Spezialmandat verpflichtet waren durch ihre allgemeinen beschwornen Pflichten, die Verfassung des Kantons zu handhaben.

6) Jm Uebrigen verpflichtet ^ 133 der Verfassung die Bezirksräthe noch ausdrüklich zur Ueberwachung der Erhaltung der Gemeindeguter, woraus von selbst folgt, dass sie gegen Zerstreuung derselben einzuschreiten haben, wobei die Behauptung, dass unter dem ^amen ,,Gemeinden^ die Korporationsgemeinden als blosse privatrechtliehe Korporationen nicht inbegrifsen seien , ^iner Widerlegung nicht be-

dürftig ist.

7) Schliesslich Berührt die Frage , ob im Spezialsalle ein sormlicher Eingriff in das Stammgut oder eine blosse Rn^nng des lederen vorliege, die Bundesbehörden nicht, sondern es ist diese von den Kantonalbehorden allein zu entscheiden.

52. E... bestand bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in der Stadt Luzern e^n Ursulinerinnenkloster, welches zum Zweke der Erziehung der weiblichen Jngend gestiftet worden war. Jn Folge eines Dekretes vom 23. April 1798 wurde dieser Fond von der helvetischen Regierung

eingebogen. Ein Gesez vom 3. April 1799 regelte die Art und Weise,

wie die Gemeindegüter aus den ^ationalgütern auszuscheiden seien und gestuft aus dieses Gesez wurde am 3. Rovember 1800 zwischen dem Finanzminister der helvetischen Republik und den Deputaten der Gemeindekammer der Stadt Ludern ein Vertrag abgeschlossen, welcher den Ursnlinersond der Gemeinde Lnzern zuwies, jedoch mit der nähern Bestimmung, dass derselbe .mit Berechtigung seiner Stiftung und Bestimmung unter Aussicht des Staates für eine Tochterschule verwendet werden solle.

Dieser Vertrag ist durch die am 14. September 1803 ausgefertigte Urkunde, betreffend die Aussteurung der Stadt Luzern, einfach bestätigt worden.

Die Verwaltung aller ^onds und Anstalteu ..e., welche durch die erwähnten Urkunden der Stadt Luzern zugeschieden worden find, blieben bis in den Anfang der 1830er Jahre in der Hand des Verwaltung^ xathes der Stadt, als der einzigen ortsburgerlicheu Behorde.

Dagegen theilte ein Befchluss der Bürgergemeinde vom 12. Rovember 1820, welcher vom Kleinen Rathe am 16. Januar 1822 genehmigt wurde, das gefammte Dotationsvermogen der ...^tadt in G e m e i n d e g u t und K o r p o r a t i o n s g u t . Die Armengüter und Stiftungen wurden dem lezteren einverleibt, jedoch mit Ausnahme der Fonds des JesuitenKollegiums und der Ursulinerinnen, welche wegen ihrer Bestimmung für öffentliche Erziehung dem Gemeindegut zugesehieden wurden.

Das organische Gesez vom 3. Juli 1831 stellte neben den Ortsbürgergemeinden die Einwohnergemeinden wieder her, sowie da, wo Kor-

389 porationsgüter sich befanden, auch Korporationsversammlungen und Verwaltungen. Als Organ der Einwohnergemeinde der Stadt Luzern wurde

der Stadtrath hingestellt, während an die Spize der Ortsbürgergemeinde

ein Armen- und Waisenrath gesezt wurde. Die Verwaltung der Fonds des ehemaligen Jesuitenkollegiums und der Ursulinerinnen wurde dem leztern übertragen, welcher sie bis in die neueste Zeit behielt.

Am 4. Juni 1862 hat aber der Trosse Rath beschlossen, es sei die Verwaltung des Schul- und Kirchenfonds der ehemaligen Ursulinerinnen dem Armen- und Waisenrathe abgenommen und dem Stadtrathe übertragen.

Ueber diesen Beschluss führte der Armen- und Waisenrath bei dem Bundesrathe Beschwerde, welcher sie am 8. April 1863 mit folgender Begründung abgewiesen hat : 1) Bei der Beurtheilung der vorliegenden Beschwerde müssen zwei Verhältnisse, die zwar gleichnamig, aber ^wei ganz verschiedenen Rechtsgebieten angehorig sind, wohl auseinander gehalten werden.

2) Es gehort nämlich das Recht ans die Verwaltung eines Gutes,

als ein Ausflnss und Theil des Eigentumsrechtes, ganz der Sphäre des Vrivatreehts an und tritt daher überall von selbst ein, wo der Besiz von Eigentum nachgewiesen ist, und fehlt nur da, wo der Eigenthümer selbst sich dessen begeben hat.

3) Jm vorliegenden Spe^ialsalle nun steht der Gemeinde Luzern offenbar solches Eigenthum au dem Ursulinerfond und damit also auch das Recht aus die Verwaltung desselben zu, mit der Berechtigung, gegen jede .Antastung desselben den Sehuz des Richters anzurufen, wenn es z. B. den .^taatsl.^horden einfallen sollte, die Verwaltung

des Gutes an sich ziehen oder dieselbe einem beliebigen Dritten

übertragen zu wollen.

4) Eine gan^ andere Frage ist dann aber die, wem im Jnnern der zu dieser Verwaltung berechtigten Versonlichkeit das Verwaltungsrecht zukomme, beziehungsweise im konkreten Fall, welchem von den zwei Hanptorganen der Gemeinde Ludern, dem Gemeinderath oder dem Armen- und Waisenrath, oder, wenn man lieber will, welcher von den beiden Körperschasteu der nach aussen einheitlichen aber nach innen geschiedenen Gemeinde, der Einwohner- oder der Ortsbürgergemeinde das Verwaltungsrecht zustehe.

5) Die Regulirung der Verwaltung eines offentliehen Gutes in dieser zweiten Richtung gehort nun offenbar umgekehrt der Sphäre des öffentlichen Rechts an, das die verschiedenen Organe einer Gemeinde schafft, denselben ihre Kompetenzen und Bflichten anweist und deren Rechte gegen einander abgränzt.

6) Wenn die Rekurrenten dieser rechtlich klaren Sachlage gegenüber einwenden, es sei ihnen dnreh eine Reihe von Urkunden das Ver-

390 .

.

I .

.

waltungsrecht an dem streitigen Fond formlieh privatrechtlich zugesichert worden, so erscheinen diese ihre Behauptungen, so weit sie

über das in Erwägung 2 und 3 bezeichnete Reehtsverhältniss hinausgehen, als gänzlich unhaltbar, indem

a. dur.h die Sondernngskonvention vom 4. Wintermonat 1800, sowie durch die Aussteurungsurkunde der Stadt Luzern vom

14. Herbftmonat 1803 nur die Reehte der Stadt Luzern gegen-

über dem Staate, h. durch die Ansscheidungsakte vom 16. Januar 1822 nur die Rechte der Gemeinde Ludern gegenüber der Korporationsgenossensehast privatrechtlich geordnet wurden, während eine formliche Aussehetdung der Eigenthums- und daherigen Verwaltungsrechte zwischen Einwohner- und Ortsbürgergemeinde bis auf den heutigen Tag nicht stattgefunden hat, und überhaupt nicht in den Tendenzen der luzernischen Gesezgebnng zu liegen scheint, da diese sich damit begnügt, die Verwaltungsbesugnisse zwischen den verschiedenen Gemeindekörpern und ihren Organen zu sondern.

7) Wenn schliesslich die Rekurrenten ans den Grossrathsbeschlüssen vom

22. Dezember 1831 und 7. September 1855, wodur.h die Orga-

nisation des Armen- und Vormundschaftswesens der Ortsbürgerfchaft der Stadt Ludern mit Zutheilnng der Verwaltung des Ursulinerfonds an den Armen- und Waisenrath genehmigt wurde, privatrechtliche Ansprüche auf diese Verwaltung sür sieh ableiten wollen, so gerathen sie mit ihrem eigenen Raisonnement in Widerspruch, indem sie dem Grossen Rathe der Jahre 1831 und 1855 eine Kompetenz beilegen, die sie dem Grossen Ratl..e von 1862 bestreiten, während es gewiss keinem Zweifel unterliegen kann, dass der Grosse Rath durch nichts gehindert war, aus frühere Beschluß revidirend zuzukommen, wenn ihm dieselben bei näherer Prüfung unzwekmässig erschienen.

8) Rach dem Gesagten erscheinen die Beschwerden der Reknrre..ten über Verlegung der ^ 10 und 1^ der luzernischen. .^antonsverfafsu^, welche die Unverlezbarkeit des Eigenthums und die Trenuung der Gewalten sanktioniren, als unbegründet, da .der Grosse Rath von Ludern sich ganz innerhalb seiner Stellung als Repräsentant de.^ offentlichen Rechts bewegt, ^und weder Vrivateigenthnm verlebt, noch in die richterliche Gewalt eingegriffen hat; dem zu ^olge ist auch auf das weitere Begehren der Rekurrenten , die Streitfrage dem Bundesgeriehte zur Entscheidung ^.. überweisen, nicht weiter einzntreten.

Run reknrrirte der Armen- und Waisenrath auch uoch an die Bnndesversammlung, allein beide Räthe haben die diesssällige Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesrathes abgewiesen, der Ständerath am .^3.Jnl.i,

^

391

der Nationalrath am 28. Juli 1863. (Bundesblatt 1863, Bd. III,

S. 172, 176 und 643.)

H. .Konflikte k a n t o n a l e r . K o m p e t e n z e n .

53. Die Burgergemeinde Ellighausen, Kts. Thurgan, hatte behauptet, dass die ^rage, ob sie Eigen thümerin des bis in neuere Zeit der Schule über.lassenen Lokales sei, oder ob es der Schulgemeinde gehöre, nach der thurgauisehen Verfassung von der Regierung zu entseheiden sei. das vom Obergeriehte zu ihren Ungunsten gefällte Urtheil sei daher, weil pon inkompetenter Stelle erlassen, aufzuheben. Der Bundesrath hat am 4. März 1863 diese Besehwerde abgewiesen, weil die angerufenen Art. 81 und 85 der thurgauischen Verfassung voraussehen, dass das Eigenthum ^ einer Gemeinde an demjenigen Gute, um dessen Verfügung es sieh handelt, klar und anerkannt sei, während die Frage, ob ein Vermögensstük einer Burgergemeinde oder einem dritten rechtlich zugehöre, im Streitfalle richterlicher Ratur sei, nachdem nun die oberste richterliche Jnstanz entschieden habe, müsse dieser Entscheid als .rechtsgültig anerkannt werden, und es könne von einer weitern materiellen Brüsung nicht mehr die Rede sein, da der Bundesrath nicht in der Stellung einer Oberappellationsinstanz sieh befinde.

Die Gemeinde Ellie.hausen rekurrirte noch an die Bundesversamm..

lung. Es haben indess die beiden Räthe. der Ständerath am 9. Juli

1863 und der Nationalrath am 21. Juli gl. J., den Rekurs abgewiesen und den Beschlnss des Bundesrathes bestätigt. (Siehe die Kommissions-

berichte Bundesblatt 1863, Band Ill, Seite 621, 623 und Beschluss, ^eite 267.)

54. Der Besehluss des Bundesrathes vom ..). September 1863 auf die

Beschwerde der jurassischen Mitglieder des Grossen Rathes des Kantons Bern, betreffend das Dekret dieses Grossen Rathes, dass die Versassuug kein Hindern^ sei, das neue Gesez über die Einkommensteuer aueh aus den Jura auszudehueu, wird hier einfach zitirt, da er bereits

in e.^.nso im Bundesblatt 1863, Band Ill, Seite 603 abgedrukt ist.

lll.

W a h l - u n d S t i m m r e eh t.

55. Am 22. Februar 1863 fanden im Kanton Hessin die Wahlen der Deputaten in den Grossen Rath statt. Jm Kreise Tesserete wurde das Wahlresultat erst am folgenden Tag eröffnet, wobei das Bureau erklärte, es seien nur zwei Wahlen zu Stande gekommen, betreffend die dritte Wahl haben sieh auf die beiden Kandidaten gleich viel Stimmen vereinigt und die Fortsezung der Wahl sei verschoben. Herr Rotar A n t o n i n i in ingaggia beschwerte sich jedoeh beim Staatsrath und perlangte, dass die Gleichheit der Stimmen annullirt und dass er als gewählt erklärt werde. Der Staatsrath ordnete einfach eine neue Wahl.

3^ an und beschloß, dem Grossen Rathe auch diese nebst andern WahlBeschwerden vorzulegen. Bei der neuen Wahl unterlag Herr Antonini, und der Grosse Rath genehmigte diese Wahl.

Herr Antonini führte nun Beschwerde beim Bundesrath, weil die zweite Wahl nicht eine Foxtsezung der ersten gewesen und dessh^lb die Vorsehest sür Publikation einer neuen Wahl hätte beobachtet werden müssen, was nicht geschehen sei. Die Anordnung einer neuen Wahl hätte überhaupt unterbleiben sollen , bis über seine Beschwerde vom Grossen Rathe entschieden gewesen wäre.

Der Bundesrath hat am 1o. .^lpril 1863 diese Beschwerde abgewiesen, mit folgender Begründung: 1, Die Entscheidung über Besehwerden gegen kantonale Wahlen ist Sache der betreffenden kompetenten Behorde des Kantons, und es erscheint ein Rekurs nur dann begründet, wenn durch den Entscheid der kantonalen Behörden Rechte perlest wurden, welche durch die Bundesversassung gewährleistet find (vergleiche Entscheid der Bundesversammlung vom 1^. Juli 1855, ossizielle Sammlung, Band V,

Seite 135).

2^ .^un hat im vorliegenden Falle der Grosse Rath nach vorheriger Vrüsung der Besehwerde des Rekurrenten die von ihm angefochtene Wahl anerkannt, daher kann es. selbst wenn der Grosse Rath dabei das Wahlgesez des Kantons unrichtig ausgelegt hätte, nicht in der Kompetenz der Bundesbehörden liegen, diesen Entscheid aufznheben, da der Grosse Rath eines Kantons der einige rechtmäßige Jnterpret der Kantonalgeseze ist, so lange nicht durch einen solchen Entscheid versassungsmässige Rechte verlebt werden.

3^ Uebrigens kann im gegenwärtigen Falle nicht einmal von einer Verlegung des Wahlgesezes, geschweige denn der Verfassung, die Rede sein, da der Staatsrath mit vollem Recht eine Wahlverhandlung, bei welcher wegen gleicher Stimmenzahl beider Kandidaten ein bestimmtes Resultat sich nicht ergeben hatte, als eine unvollendete erklarte und demgemäß naeh Vorschrift des Gesezes deren baldmogliehste Fortsezung anordnete.

4^ Wenn Rekurrent behauptet, es hätte der Staatsrath zuerst den Entscheid des Grossen Rathes über den von ihm eingereichten Rekurs abwarten sollen, so befindet er sich hierin in vollem Jrr-

thum, da es im Gegentheil im Recht und in der Bflicht des

Staatsraths lag, die Wahlverhandlungen bis zum Schlusse durehführen zu lassen, da eine chieanose Opposition mittels der Theorie des Rekurrenten die volle Komposition des Grossen Rathes durch Einlegung von Rekursen beliebig verhindern könnte, was um so weniger zugelassen werden darf, als der Grosse Rath ja in der Folge sich über einen eingelegten Rekurs noch frei entscheiden kann, wie diess auch im vorliegenden Falle geschehen ist.

^

56. Hr. Advokat Earlo E ont i in Lugano hat ans der Einladung des Bundesrathes an die Regierung von Tessin, betreffend die Aushebung des Wahlzensus (Bundesblatt 1.^63, HI, 328) Anlass genommen, in eme^ Betition an den Bundesrath das ..Besuch zu stellen, dass auch die Bestimm mung der tessinisehen revidirten Versassung vom 1. März 1855, betreffend den Aussehluss dex Geistlichen vom Wahlrechte, aufgehoben werden mochte.

Der Bundesrath ist bekanntlich aus diese Betition nicht eingetreten und Eonti hat hierüber. bei der Bundesversammlung Beschwerde geführt.

Da die Angelegenheit somit hinlänglich bekannt ist, so wird hier bloss

noch herausgehoben, dass der Entscheid des Bundesrathes vorzugsweise darauf sich stüzte, dass diese Frage bei Genehmigung der betreffenden Ar-

tikel der Tesfinex Verfassung bereits einlässlich geprüft und von der Bun-

desversammlung dahin entschieden worden sei, dass der Aussehlnss dex

Geistlichen von der Bundesverfassung gestattet .sei. (Bundesblatt 1855, H, 447 n. 470.) Auch haben die Verfassungen von Freiburg , Solo^

thurn und Lnzern, welche sämmtlich die Geistlichen vom aktiven Wahlrecht ausschliessen, die Gewährleistung des Bundes erhalten.

Die Bundesversammlung ist über die Beschwerde des Hrn. Eonti, welcher sieh nachträglich noch eine grosse Zahl Tessiniseher Geistlicher angeschlossen hat, zur Tagesordnung geschritten und zwar der Nationalrath

am 19. und der Ständerath am 23. Dezember 1863. (^iehe Bundesblatt 1863, HI, 803^ 1864, I, 1 u. 12).

Die oben berührte Betition gab dem evangelischen Bsarrer Bachtold in Meris.hansen, .^ts. Schaffhaufen, Anlass, an die Bundesversammlung das weitere Betitnm zu stellen, dieselbe mochte die Geistlichen auch für wählbar in den Nationalrath und in den Bundesrath erklären, ihnen demnach von Bundeswegen das passive Stimmreeht einräumen.

Jm ...^inne der Art. 64 und 84 der Bundesversassung ist die Bundesversammlung gleichzeitig mit der Betition Eonti aueh über diese Betition zur Tagesordnung geschritten. (Bundesblatt 1864, l, 8, 12.)

57. Jm Oktober 1862 hat in den meisten Gemeinden des ^ts.

.Luzern eine Abstimmung über die Frage stattgesunden, ob eine Revision der Verfassung stattfinden sollet Es entstand Darüber in der luzernischen Bevölkerung einige politische Bewegung , aus welcher eine grosse Zah l von Beschwerden an die Regierung hervorgieng, sei es wegen Revision der Stimmregister einzelner Gemeinden oder wegen Riehtabhaltung von Revisionsgemeinden, oder sei es wegen Bxüfung des gesammten ..lbstim-

mungsresultates ... Auf einen diesssälligen Bericht der Regierung hat

der Grosse Rath beschlossen, es habe nicht die absolute Mehrheit der stimmfähigen Bürger die Vornahme einer Verfassungsrevision begehrt.

Der von 25 Mitgliedern des Grossen Rathes gleichzeitig gestellte Antrag, dass die Regierung eine Gesammtrevision der Stimmregister vorzunehmen

habe, blieb in Minderheit.

394 Hieraus nahmen 20 Mitglieder des Grossen Rathes Anlass, sich an den Bundesrath zu wenden und, gestuft aus Art. 5 der Bundesverfassung, den Schuz der verfassungsmäßigen Rechte zu verlangen. Rach Anhörung de.. Regierung von Ludern hat der Bundesrath am 13. Febrnar 1863 diese Beschwerde als materiell unbegründet abgewiesen, aus folgenden Erwägungsgründen :

1) Rach Art. 5 und Art. 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung ist der Bundesrath unzweifelhaft berechtigt, Besehwerden von Bürgern eines Kantons über Beeinträchtigung ihrer versassungsmässigen Rechte zu prüfen und nach ^ 2.) ff. der iuzernischen Verfassung gehort. unter diese ledern auch das Recht der Volksinitiative zur Verfassungsrevision uud der Volksentseheidung über dieselbe. somit steht dem nähern Eintreten ans die Beschwerde nichts entgegen.

2) Wenn es auch etwas ungewöhnlich ist, dass nicht die zunächst betheiligten Gemeinden oder Brivaten Beschwerde bei den Bundesbehorden erhoben haben, so können dennoch aneh die Rekurrenten

als Bürger und Mitglieder des Grossen Rathes von Luzern, als

zur Erhebung von Beschwerden legitimn.t betrachtet werden , da allerdings ein den ganzen Kanton beruhendes Recht und Jnteresse in Frage steht.

3) Dagegen fragt es sich in materieller Beziehung, ob aus das von den Rekurrenten gestellte Vegehren , es solle die Regierung von Lnzeru zu einer allgemeinen Untersuchung der Stimmregifter und entsprechenden Berichtigung des Abstimmungsresultates vom 31. Oktober v. Js. angehalten werden, eingetreten werden könnet 4) Diese Frage muss verneint werden .

a. weil die Sorge sür richtige Stimmregister zunächst Sache der Kantone ist und die Bundesbehörden nur da einschreiten bereehtigt sind , wo ihnen durch bestimmte Fakta nachgewiesen werden kann , dass ein oder mehrere bestimmte ..^timmregifter

unrichtig geführt sind, dadurch ..erfassungsmässige Re.^hte beein-

trächtigt werden und die Kantonalbehörden verweigert haben, den speziellen saehbezüglichen Beschwerden gerecht zu werden .

b. .weil naehgewiesenermassen die Regierung von Ludern von sich aus sehon die einzelnen spezialisirten Besehwerdepunkte der Rekurrenten und zwar zum Theil zu ihren Gunsten erledigt hat und die weitere, auf statistische Berechnungen gestüzte, Anzweiffung der Richtigkeit der Zisfer der Stimmfähigen denn doch.

unmoglich hinreichenden Grund zu einer so e^eptionellen Bundesiutervention bieten kann, zumal der Bericht der Regierung

ganz gute Erklärungsgründe sür das ans den ersten Blik aller-

dings anormal erscheinende Verhältniss anführt und die Ziffer der Stimmfähigen gar nicht ausser Verhältniss steht mit derjenigen anderer Kantone.

395 c. weil nicht einmal vom Standpunkte der Zwekmässigkeit aus eine Röthigung zu einer solchen Verfügung vorliegt, indem voraussichtlich das Resultat der Abstimmung vom 31. Oktober dadurch jedenfalls keine entscheidende Veränderung erleiden würde, für die Zukunft aber den Rekurrenten unbenommen

bleibt. während der öffentlichen Auflegung der Stimmregister

in allen Gemeinden durch ihre Varteigen offen Verifikationen anzuordnen und nöthigensalls dann den Weg der Beschwerde zu betreten.

^. Polizei.

I.

^lln.emeine^.

1 . Der öffentliche Verkauf von Schmähschriften obseönen Jnhalts, die kaiserliche Familie von Frankreich betreffend, hat zu verschiedenen Rekiamationen namentlich bei den Polizeibehörden von Genf und Basel ver^ anlasst. Das polizeiliche Einschreiten, wie es an beiden Orten erfolgte, war schon aus dem Standpunkte der Sittenpolizei gerechtfertigt.

Jm Uebrigen hat der Bnndesrath seine Stellung in Fragen dieser Art grunds.^lich dahin präzifirt : wenn auch ^ur Unterdrükung unsittlicher Vamphlete mitzuwirken sei, so könne doch gegen Schriften oder Zeichnungen, welche nicht diesen Eharakter an fich tragen, sondern mehr eine, wenn auch bittere, oppositionelle Kritik enthalten, polizeilich nicht eingeschritten werden.

Für die strafrechtliche Verfolgung eines Erzeugnisses der Bresse, wodurch ein sremdes Volk oder dessen Regierung besehimpft werde , sei die in Art. 42 des Bundesgesezes über das Bnndesstrafrecht vom 4. Februar

1853 (lll, 404) geforderte Zusicherung des Gegenrechtes nöthig.

2. Uel.er die Behandlung derartiger Vorgänge hat die Regierung

von Basel - ^tadt ohne Zweifel richtig dahin sich ausgesprochen : wenn

solehe öffentlich aufgestellten Schriften sieh gegen die Sittlichkeit verflossen,

so sei der Aussteller der kantonalen Strafkompeten^ unterworfen. Wenn aber solche Schriften sieh als eine Besehimpfung eines sremden Souveräns e.ualifiziren, so versalle der Betreffende nach ^. 42 und ^3 des zitirten Bundesgesezes der Kompetenz des Bnndesstrafrechtes und es stehen in diesen Fällen den Buudesbehörden die nöthigen Sehritte zn.

ll.

^...liti^l.e ...stn.^tt.n.^e, ^.^ertenr^ ^.

3. Die italienische Regierung hat sich wiederholt zu Beschwerden veranlasst gesehen, dass von der Schweiz aus die Desertion aus den Reihen der italienischen Truppen begünstigt werde, durch Ausnahme der Deserteurs und besonders durch Hilfe zur Auswanderung. Der Bundesrath sprach sich dahin aus : er werde stets dazu Hand bieten . förmlichen Verleitungen zur Desertion italienis.her Soldaten oder Konseriptionspfii.htiger,

396 die von der Schweiz aus stattfinden sollten , entgegenzutreten. Dagegen sei er nicht in der Lage, solche Versonen, die von sieh aus das italienische Reblet ....erlassen haben, um durch die Schweiz hindurch sich nach andern Ländern zu begeben, polizeiliche Hindernisse in den Weg legen zu konnen.

Massregeln zur Verhinderung des Austrittes von ^Deserteuren und Kon-

seriptionspflichtigen seien Sache der italienischen Regierung und keineswegs Sache der Nachbarstaaten. Es konne deshalb die Schweiz der italienischen Regierung eben so wenig als andern Regierungen gegenüber Verpflichtungen der bezeichneten Art übernehmen.

4. Durch die wiederholten Bemühungen des Bundesrathes hat sich endlich das k. bayerische Ministerium veranlagt gesehen, den politischen Flüchtling Friedrich Behlen ans Frankenthal, welcher in Folge seiner

Verurtheilung zum Tode geisteskrank und seit 1852 auf Kosten der Eid-

genossensehast verpflegt wurde, der Gnade des Konigs ^u empfehlen. Ex wurde wirklieh begnadigt und dann in eine bayerische Jrrenanstalt abgeliefert. --. Es^ war dieses der lezte und seit langer Zeit der einzige poli-

tische Flüchtling unter direkter eidgenössischer Besorgung.

^

397 III.

^u^lieserun^n.

A. Statistik der von der Schweiz bei auswärtigen Staaten nachgesuchten Auslieferungen :

Anzahl

Ausge- Blieben Abschlage.

Jndi- lieferte. unentdekt.

viduen.

der

Kantone.

Zürich

.

.

.

.

.

Bern . .

Freibnrg .

Basel-Stadt St. Gallen Graubünden Aara-n ^

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Thurgau

.

.

.

.

.

Tessin

.

.

.

.

.

Waadt

.

.

.

.

.

Reuenburg Genf .

5 2 1 3 1 1 1 3 2 1 1 .^

. . . .

.

24

5 1 1 1 3.

1 1 1 1 1 1 17

1^

-

1 1

1

Bendent.

-

1

-

1 -

3

1

8 1 2 1 1

3

1

17

3

1

3

Staaten, von welchen diese ^..lusliefernden verlangt wurden.

Baden

.

.

.

.

.

Bauern Frankreich . . . .

Hessen ^Landgxaflich) .

Jtalien . . . . .

Vreussen . . . . .

Württemberg . .

1

1

.^

.^

12 1 5 1 1

24

3 1

3

3.)8

B. Statistik der durch die Schweiz an auswärtige Staaten bewilligten Auslieferungen :

Anzahl der

Staaten.

Jndi-

Ausgelieferte.

Jtalien

.

Rafsan .

Oesterreich Breussen .

Württemberg

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Bendent.

bene.

piduen.

Bauern . . . . .

Frankreich . . . .

Hessen, Grossherzogthum

UnZnrükgeblie- nahmen.

entdekt

2 15 3 15 1 8 1 2

1 4 2 4 3 1 1

3

47

16

16

1 8 1

3 2

.^

2

^1 2 1 13

Kantone, pon welchen diese Ausliefernngen verlangt wurden.

Zürich

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.^

1

.

^

Bern

.

..^olothnrn . . . .

Basel -Landschaft . .

Schasshausen . . . .

Thurgau

.

.

.

.

.

Hessin

.

.

.

.

.

Waadt

. . . . .

Wallis

.

Reuenburg Gens

.

.

.

.

.

. . . .

.

.

.

Schweig, allgemeine

.

.

1 1 1 1 18 .^ .^ 1 14 2 ^

47

^

1 1 ^

1 4

1 .^

8

.^

^

^

16

1 2^ 16

-

4

-

2

13

399 5. Die im legten Geschäftsberichte berührte Vra^is zwischen der Schweiz und Frankreich, wonach der Auslieserungsvertrag von 1828 in gewissen Richtungen extensiv zu interpretiren ist, hat von der franzosischen Regierung in einem neuern Falle die nähere Vräzisirnng dahin gesunden, dass sie der Auslieferung überall da kein Hindern^ entgegenstellt, w.^ Handlungen vorliegen, die nach der franzostschen Gesez^ebnng als Ver.brechen (crmi.^ .^ualifizirt seien. Aus diesem Grunde wurde im Spezialfalle (Kindesaussezung) die Auslieferung verweigert, weil es ein in den internationalen Beziehungen unabänderlich beobachtetes Vrin^ip sei, dass keine Regierung die Auslieferung wegen Handlungen bewilligen müsse, die von ihrer eigenen Gesezgebnng als blosse Vergehen (deln.^ erklärt seien.

Run bedrohe aber der Art. 349 ff. des Code pénal die Kindesaussezung nicht mit entehrenden Strafen, und es werde diese Handlung nur dann zum Verbrechen, wenn der Tod oder gefährliche ..^örperverlezung eingetreten sei.

6.

Aus dem gleichen Gesichtspunkte und unter Anerbietung der

Reeiproeität für analoge Fälle, hat die kaiserliehe Regierung die Ausliefernng eines .Commis, der seinem Herrn zirka 100,000 Fr. unterschlagen hatte, nachgesucht und bewilligt erhalten.

7. Die gleiche Unterscheidung zwischen crime und deht, als massgebend sür die Auslieferung, ist auch von .^eite der italienischen Regiexung gemacht worden, in einem Falle wegen Unterschlagung von Vferd und Ehaise. Sie verweigerte die Auslieferung, weil diese Handlung weder nach italienischen noch nach schweizerischen Gesezen den Charakter eines Verbrechens ^erime) an sieh trage, sondern denjenigen eines einsaehen Vergehens. Dass der Staatsvertrag nicht Anwendung finde, darüber war man beiderseits einverstanden.

8. Jn einem ^pezialfalle wurde grnudsäzlich anerkannt, dass der Ausgelieferte, wenn er gerichtlich eines mildern Vergehens schuldig erklärt wird, als jenes ist, das seine Auslieserung bewirkte und vertragsmässig bewirken mnsste, demjenigen Staate wieder zur Versügung gestellt werden

soll, der die Auslieferung bewilligt hat, der sie aber moglieher Weise nicht

bewilligt haben würde, wenn es sieh nur um das geringere Vergehen gehandelt hätte. Jn dieser Weise ist die sranzosische Regierung in Aachen des Franzosen Jules F a r g e a u d verfahren, welcher wegen des Verbrechens des betrügerischen Bankrottes verlangt und ausgeliefert, dann aber in Folge der Untersuchung bloss des Vergehens des einsaehen Bankrottes angeklagt wurde. Ju ^olge dessen hat nämlich die französische Regierung dem Bundesrathe mit Rote vom 23. Rovember 18.^3 mitgetheilt, dass die Auslieferung als uieht geschehen betrachtet, und Fargeaud an die ^chweizergränze zurükgeliefert werden müsste, wenn es schwerer.scher Seits verlangt würde. Er habe jedoch selbst gewünscht, in Frankreich zu bleiben und der Beurtheiluug wegen des erwähnten Vergehens

400 sich zu unterziehen. Der .Bundesrath wurde daher angefragt, ob er keine Jnkonvenienz in der Fortsezung des gerichtlichen Versahrens erbli^.e und dem Verzichte des Fargeaud beistimme, was wirklich geschehen ist.

9. Der Fall D e l a f i e l d , eines Betrügers aus Haiti, ^ab zu vielfachen Verhandlungen Anlass. Dieses Jndividuum hatte in Genf unter schwindelhaften Vorgaben bedeutende Kostbarkeiten sich anzueignen ^ewusst und sich dann mit einer Beihälterin, B.^s, nach Jtalien fortgemacht. Dort wurde er aus Reklamation von Gens festgenommen und es wurde nun von Genf das Auslieserungsbegehren gestellt und zunächst auf .einen zwischen Gens und Sardinien bestehenden mod.^ vivendi begründet.

Die italienische Regierung wollte jedoch diesen modns vivendi, der in der That seit der Beendigung der Nachbarschaft zwischen Gens und Sardinien seine Bedeutung verloren hat, nicht anerkennen ; dagegen zeigte sie sieh geneigt, die Auslieferung gemäss dem Vertrage von 1843 zu gewähren.

Genf war nun zwar diesem Vertrage nicht beigetreten ; allein die italienische Regierung ging von der Ansicht aus, dass, nachdem alle mit der Schweiz bestehenden Verträge durch jüngste Vereinbarung auf das Gebiet des Konigreichs Jtallen erweitert worden seien, dieselben zufolge der Ratifikation der Bundesversammlung nunmehr auch für die ganze Schweiz Gültigkeit haben müssen. Der Bundesrath aeeeptirte diese Anschauungsweise.

Hieraus entstand aber die Frage, ob Delafield eines Verbre.hens angeklagt fei, welkes zur Auslieferung verpflichte. Der blosse einfache Betrug gehort nicht unter diese Verbrechen. Die Regierung von Gens machte jedoch nachträglich geltend, dass auch ein Versuch eines Diebstahls

mit Einbruch in Frage komme, und die italienische Regierung bewilligte

daraus hin die Auslieferung, wofür ste im Parlamente in einer dreitägig ^en Diskussion heftige Anfechtungen ^u erleiden hatte. Delafield hatte nämlich die ^ürspraehe einiger einflussreicher Deputaten zu erlangen gewusst. Das Parlament billigte indess das Verfahren der Regierung.

Rach einer Menge vergeblicher Versuche , die Berechtigung zum Auslieferungsbegehren bei den schweizerischen Behorden anzufechten, nahm die Sache plozlich wieder eine neue Wendung, als der eingeklagte Versuch des Diebstahls mit Einbruch stch nicht zu bewahrheiten schien.

Delafield verlangte nun sosort seine Freilassung, und der Bundesrath hätte gemäss den vorbezeichneten Grundsäzen nicht umhin gekonnt, dieselbe von der Regieruug von Genf zu verlangen. Es zeigte sich indess, dass die Behauptung Delafields nicht nur zur Zeit noch grundlos war, sondern dass selbst der Betrugsprozess dadurch eiue sür ihn ungünstigere Wendung genommen hatte, als darin eine Fälschung, ein zur Ausliesernng verpflichtendes Verbrechen. zur Sprache kam. Die Regierung von Genf wünschte nun , es mochte ihr demzufolge gestattet werden , die sämmtliehen Verbrechen und Vergehen des Delasield in Einer gerichtlichen Verhandlung zur Beurteilung bringen zu lassen. Der Bundesrath empfahl

401 dieses Gesuch der italienischen Regierung darauf gestüzt, dass eine Trennnng nicht wohl zulässig fei. Die Vra^s wäre mit einer solchen Trennung auch nicht im Einklage, denn es fei Regel, dass wenn ein wegen eines Verbrechens Angeschuldigter ausgeliefert und wegen dieses Hauptverbrechens s c h u l d i g erfunden werde, dadurch auch die .Kompetenz für damit zusammenhängende Vergehen als hergestellt erscheine und diese in der gleichen Strafsentenz mit erledigt werden. Anders sei es freilich, wenn wegen des Hanptverbrechens, das die Auslieserung veranlagt, das Schuldig nicht gesprochen werde, indem dann allerdings der Angesehuldigte wegen minder wichtiger Vergehen nicht weiter verfolgt, sondern dem ausliesernden ^Staate wieder zur Disposition gestellt werden soll.

Der Bundesrath glaube, es soll auch im vorliegenden Falle bei dieser Regel sein Verbleiben haben.

Die italienische Regierung wollte die bezeichnete Brar^is jedoch nicht anerkennen, sondern perlangte, dass Delafield nur wegen Verbrechen beurtheilt werden dürfe, wegen deren die Auslieferung bewilligt worden sei o.^er noch bewilligt werde. Hierauf stellte die Regierung von Gens das Gesuch, dass die Auslieferung auch noch wegen ^älschnng bewilligt werde.

Die weitern Verhandlungen salleu ins Jahr 1864.

10. Jn der Regel wird eine Auslieferung erst dann vollzogen, wenn das betreffende Judividunm eine allfällige Strafe im angesprochenen Staate erstanden hat.

Es kann auch wohl, zum Zweke der Durchfuhr rung des Prozesses, eine nur provisorische Anslieserung ersolgen, unter Vorbehalt der Rükliefernng nach beendigter Untersuchung. Der Jtaliener Autonlo b u f f o n i , der in München im Schnldverhast war, wnrde indess wegen Betruges an ^largau ausgeliefert, weil .^lrt. 5 des bayerischschweizerischen Vertrages von 1851 einem Sehuldarreste die Wirkung der Suspension nicht beilege.

11. Aus ein Auslieserungsbegehren ^egen betrügerischen Bankerottes, das in Amerika jedoch nur dann hätte prose^uirt werden sollen, wenn der Angeklagte noch gen^g Geld bei sich hätte, um daraus die Dosten der Auslieferung ohne Belästigung des Kantons zu deken, ist der Bundesrath nicht eingetreten. Er ging von der Ansicht aus, das Auslieferungslager reu müsse ohne solche Bedingungen gestellt werden, und jedenfalls kou..e von Uel.ernahme der Kosten durch den Bund keine
Rede sein.

12. Zwei Oesterreicher, welche wegen Betruges von Müuehen ausgeliefert wurden, find aus ihrem Durchpasse in Bregeu^ als zwei Verbreeher erkannt worden, gegen welche auch in ihrer .^eimat Kriminaluntersuchnug walte. Das k. k. Bezirksamt zu Bregenz naluu hieraus Anlass, in die Vollziehung der auf diplomatischen. Wege vermittelten Ausliefern^ nach Zürich, einzugreifen und die Arrestanten, statt nach Zürich, .^..m österreichischen Untersuchungsbeamten zu überliefern. Dieses

B..nd^bla.t. ^ahrg.^I Bd.I.

35

402 ausfallende Verfahren veranlage den Bundesrath, der österreichische.. Regierung die Bemerkung zugehen zu lafsen, dass er dasselbe nicht als ein angemessenes anerkennen konne, sondern für die Znknnst alle Rechte sich wahren müsse, welche nicht bloss der Ausliefernngsvertrag mit Oesterreieh, sondern auch jener mit .Bauern, der Sehwei^ einräumen. Die osterxeichische Regierung ermangelte nicht, dem Bundesrath wissen zu lassen, dass sie dem erwähnten Bezirksamte wegen dieses eigenmächtigen Vorgehens eine Rüge habe ertheilen lassen.

13. Jn der durch die Bresse bekannt gewordenen Untersuchung gegen Joh. Egli von Dürnten, Kts. Zürich, falsch Graf Hans von Burg, welcher eines bedeutenden Gelddiebstahls in Rom an zwei Bürgern des Kantons Freiburg und des Missbranches eines eidg. Off^iersbrevetes

beschuldigt war, drohte die Kompetenzfrage eigenthümliche Schwierigkeiten

zu verursachen. Die Behorden des Kantons Bern, wo Egli wohnte, und jene des Kantons ^reiburg. der Heimat der Befohlenen, verweigerten die Uebernahme der Untersuchung und Benrtheilung. Endlieh haben die Behorden ^des Kantons Zür.ch, als Heimat des Angeklagten, sie übernommen. Die Weigerung aueh dieses Kantons hätte einen der gewandtesten Verbrecher strassrei gemacht.

14. Die Auslieferung eines eigenen Bürgers an einen ausländisehen Strasrichter wird von keinem Staate zugegeben. Der Bundesrath hat in einem Falle, wo die betreffende Kantonsregierung dazu geneigt schien, auf das Unpassende eines solchen Verfahrens aufmerksam gemacht und die Bestrafung durch die eigenen Gerichte empfohlen.

15. Ju Folge eiuer Reklamation der niederländischen Regierung, dass auswärtige Bolizeiftellen Auslieferungsgesuehe an niederländische Behorden richten, ohne den sur solche Fälle üblichen diplomatischen Weg einzuschlagen, hat der Bundesrath in einem Kreisschreibeu vom 23. Rovember 1863 sämmtliehe Stände aufmerksam gemacht, dass Art. 6 des Auslieferungsvertrages mit den Riederlanden ^ofsi^ielle Sammluug, Bd. lV,

Seite .)8) ausdrüklich den diplomatischen Weg vorschreibe, und im Uebrigen aus das schon früher empfohlene Verfahren hingewiesen.

(Bundes-

blatt 1.....6I, Band l, Seite 178; 1862, Band ll, ^eite 271.)

lV.

....^u^w Artiger .^ilit.ir.^e...^,. ^erbuna.

16.

Es ist schon im legten Geschäftsberichte hervorgehoben worden, dass in Folge der veränderten politischen Verhältnisse in Jtalien der auswärtige Militärdienst in speziellen S e h w e i ^ e r k o r p s aufgehort habe.

Auch im Lause des Berichtsjahres ist ni.hts von Bedeutung vorgekommen, wodurch das Erfreuli.he dieser Thatsaehe ges.^mälert würde. Allerdings ist im legten ..Sommer dem Bundesrathe mitgetheilt worden, dass in

Marseille ein Werbbüreau für den päpstlicheu Militärdienst sich etablirt

^

403

habe, bestehend aus dem Hauptmann K r u f e r aus dem Kanton Graubünden, Lieutenant Bendel^ von Freiburg und Sergeant M ...c h ere t, Victor, von Vnisterne.^-e.^^ , Kts. Freiburg. Allein es schien sich

nicht um Bildung eines Schweizerkorps zu handeln. Jedenfalls haben

nur wenige Schweizer sich engagée.. lassen, während Jrland das stärkste Kontingent geliefert hat. Aus der andern Seite ist Thatsache, dass die Zahl der Schweizer in romischen Diensten^, und zwar namentlich auch durch Desertion, im Laufe des Berichtsjahres sich erheblich vermindert hat.

Das Korps in Ostindien wird allmälig ausgelost. Bezüglich der ^urük-

gekehrten haben die in srüheru Berichten erwähnten vorsorglichen Anordnnngen fortbestanden. Ans rein militärischen Absichten haben sieh jedenfalls nur wenige Schweizer nach Amerika begeben. Jn Amsterdam und Antwerpen wurden einzelne Militärs, die aus Ostindien zurükgekommen sind, nach London gewiesen, wo angeblich ein Werbbüreau nach Amerika bestehe. Der Generalkonsul in London hat jedoch berichtet, dass in ganz England keine solchen Werbbüreaux^ etablirt seien. Diese Mittheilung wurde moglichst verbreitet, damit Niemand zu eigenem Raeh-

theil und ^ur Belästigung mildthätiger Landsleute in London jenen

falschen Weisungen vertraue.

Die weiteren Verhandlungen des Departements in dieser Materie haben sich nur auf die Liquidation der Kosten sür Strasurtheile wegen Uebertretuug des Werbgese^es und aus Vorprüsung von süns Begnadignngsgesuchen bezogen. Diese, so wie noch einige, die aus dem Jahr 1862 pendent geblieben sind, wurden (im Ganzen 14) von der BundesVersammlung in entsprechendem Sinne erledigt.

V.

.

.

^ n d ^ r a t r .

e .

^ t .

17. Es sind auch im Laufe des Berichtsjahres keine Fälle vorgekommen, die zur Anwendung der Bundesstrafjnftiz genügende Veranlassung geboten hätten. Einige Untersuchungen gegen strafwürdige Beamte sind jeweilen aus Antrag des betretenden Departements, zu dessen Ressort sie gehorten , den kantonalen Geri.hten überwiesen worden. Das Justizund Bolizeidepartement hatte es nur mit der Vorprüfung einiger Untersuchungen wegen Gefährdung von Eiseubahnzügen oder Schädigungen des Bahnkorpers zu thun. Es sind acht solcher Fälle (aus dem Kanton Bern 2, Thurgau 2, St. Gallen 2, Basel-Laudsehaft und Ludern je 1) dem Bundesrathe durch die betretenden Kantonsregierungeu vorgelegt

worden, damit er gemäss Art. 74 des Bundesgesezes über die Bundes-

strafrechtspflege vom 4. Febrnar 18^.3 die Kompetenz bestimme.. Sie wurdeu sämmtli.h den kompetenten Gerichten der betreffenden Kantone zur Beurtheiluug überwiesen. Jn zwei Fällen hat bereits die Beurtheilung stattgefunden und sind die Urtheile auch mitgetheilt worden. Jn den.

Einen (Basel^Landschast) ist der Angeklagte des Versuches der Gesährdnng eines Eisenbahnzuges schuldig erklärt und zu sieben Monat Ein-

404 Sperrung, vier Jahr Einstellung im Aktivbürgerrecht und Bezahlung der kosten vernrtheilt worden. Jn dem andern Falle (St. Gallen), betreffend zwei Angeklagte. wegen mehrfacher Schädigung der Eisenbahn und ihrer Zugehörigkeiten, ist ebenfalls das Schuldig ausgesprochen worden; der Eine wurde zu ein Jahr Gesängniss und Fr. 600 Busse und der Andere zu zehn Monaten Gesängniss und Fr. 300 Busse und beide wurden gemeiuschastlich zur Bezahlung der Kosten verurtheilt.

VL

^n.^..t^nen mit dem ..^u.^tande.

18. Aus eine bezügliche Ansrage der k. bayerischen Gesandtschaft hat der Bundesrath es abgelehnt, eine allgemeine Zusicherung der Gegen-

seitigkeit zu geben, bezüglich der Bestrafung von Jnjurien gegen die beidseitigen Regierungen, Behörden, Beamten, Gesandten ...e. und unter Mittheiluug der bezüglichen bundesgesezliehen Vorschriften dahin sich ansgesprochen: er sei diesen zu Folge in der Lage, unter Umständen einem sachbezüglicheu Begehren der k. bayerischen Regierung entsprechen ^u können, indess müsse er sich die nähere Würdigung des Spezialsalles und der d a n n ^ u m a l abzugebenden Gegenrechtszusieherung vorbehalten.

Der Bundesrath sei der Ansicht, dass l.^ei der Verschiedenheit der beiderseitigen Gesezgebuugen nicht ^um Voraus allgemeine Zusicherungen ansgewechselt werden konnen; es scheine ihm genügend ^u sein, dass im Spezialsalle die gesezliche Möglichkeit zur Verfolgung strafbarer Haudlungen beiderseits gewährt werde.

19. Die Regierung des Kantons Tessin hat sich ^u einer Beschwerde veraulasst gesehen, weil aus Jtalien oft Jndividuen ausgewiesen und aus tessinisches Gebiet^ gesezt werden, ohne Kenntnissgabe an den Regieruugskommissär, während dann später die italienischen Behorden über die Anwesenheit solcher Jndividuen steh beschweren. Umgekehrt hat anch die Regierung von Jtalien ^.Reklamationen sich veranlasst gesehen, wegen Missaehtung eines modns vivendi aus dem Jahr 1858, betreffend die gegenseitige Abschiebung von Vaganten. Diese Anstände wurden dahin ausgeglichen , dass die Ausweisung und Abschiebuug von Jndividuen auf das Gebiet des andern Staats nicht heimlich vollzogen, sondern dass an die kompetente hohere Volizeibehorde (in Tessin au den Regiernngskommissär in Loearno) bei Uebergabe des Judividuums schriftliche Mittheilung der Gründe gemacht werden soll. Rnr in denjenigen ^tun^en.

wo das Büreau des Regierungskommissärs geschlossen wäre, dürfe die Uebergabe auch an den dortigen Bostenehes der Gendarmerie erfolgen, jedoch unter sosortiger Kenntnissgabe an den Kommissär.

405 l..^. ..^eimatblosenwesen.

I. ^irl.li.^e ^,eim..tl,l...se und ^a^anten.

Aus dem Jahr 1862 sind übergetragen worden 30 Untersuchungen mit 141 Bersonen.

Jm Laufe des Berichtsjahres sind

neu eingegangen .

.

.

Jn vier Fällen hat steh durch die nähere .Untersuchung ergeben, dass die betreffenden Familien mehr Bersonen wählen, als in der Kontrole eingetragen waren .

Es waren somit in Behandlung .

Davon find im Jahr 1863 erle-

6

,,

,,

21

,,

-

..

.,

19

..

36 Untersuchungen mit 181 Bersonen.

digt worden .

.

.

.12 So dass aus 1864 übertragen wurden

.

.

.

,.

,, 74 ,,

. 2 4 Untersuchungen mit 107 Bersonen.

Von den 12 erledigten Fällen haben 8 durch formliche Beschlüsse über die Einbürgerung der betreffenden Bersoneu ihre Erledigung gefunden. Diese 8 Fälle zählten 58 Bersonen, wovon jedoch 2 gestorben sind, so dass 56 Personen sormlich eingebürgert werden müssen. Davon gehören 31 Bersonen ^u der nämlichen Camille und sind somit auch in dem gleichen Besehlusse enthalten. Es ist dieses die in den Ulkten der Bundesversammlung auch schon genannte ^amilie S o n a n i n i in Roveredo, welche eine sehr weitläufige Untersuchung veranlaßt hatte und endlich, gestüzt ans die Abstammung , die auf beiläufig 200 Jahre znrük festgestellt werden musste, dem Kanton Hessin zugesprochen wurde. Jndess ist dieser Entscheid noeh nicht definitiv, da die ^rift noch nicht abgelaufen ist, inner welcher der Kanton Tessin den Entscheid des Bundesgeriehtes anrufen kann. Das Gleiche ist der Fall bezüglich eines Entscheides über 6 Personen gegenüber dem Kanton Sehw.^. Drei andere Entscheide, betreffend 6 Bersonen, sind von den betheiligten drei Kantonen Bern, Schwvz und Zug anerkannt worden ; ein vierter Entscheid über 4 Bersonen ist gegenüber Wallis durch unbenüzten Ablauf der Bräelusivfrist für Brotestation ebenfalls in Reehtskrast getreten. Gegen einen Entscheid hat die Regierung von Uri protestirt. es wird daher ein Urtheil des BundesBerichtes erfolgen. Jm legten Falle, der von der betheiligten Regierung des Kantons Graubünden ebenfalls nicht anerkannt wurde, muss noch eine nähere Untersuchung bezüglicher Bfarrbücher an Ort und Stelle stattfinden.

Jn den übrigen vier der erledigten Untersuchungen sind 16 Bersonen

4.06 als Ausländer ermittelt und zur Anerkennung gebracht worden, und zwar 13 Versonen als Jtaliener, 2 ...ls Franzosen und 1 als Vreusse.

Von den 1863 neu eingegangenen 6 Untersuchungen sind drei Bereits wieder erledigt worden. Jn ^wei Fällen haben die aus dem Auslande gekommenen Jndividuen während dem Gange der sofort an die Hand genommenen Untersuchung, und zwar längere Zeit, verhastet bleiben müssen.

Die Gesammtzahl der Untersuchungen ist nun auf 289 gestiegen, mit 1044 Bersonen. Davon sind 543 eingebürgert und 376 als einfache Vaganten, die nicht heimathlos sind, ermittelt worden.

Die zwei Entscheide aus dem Jahr 1862, welche vor das Bundesgericht gelangten, sind von lezterem abgeurtheilt worden. Jn den. einen Falle wurde der Besehluss des Bundesrathes bestätigt, in dem andern dagegen wurden statt zwei Kantone drei mit der Einbürgerungspflicht eines Jndividuums belastet. Jm ledern Falle sind die Varteikosten wettgeschlagen worden ; dagegen wurde wider Erwarten der Bundeskasse ein

Gerichtsgeld von 100 Fr. aufgelegt, nebst den durch die Jnstrnktion des

Brousses verursachten Kosten. Obschon dieses seit Erlass des Bundes..

gesezes über die Kosten der Bundesreehtspflege vom 24. Herbstmonat 1856

.(O. S. V, 408) in allen ähnlichen Fällen nicht mehr geschehen ist, und zwar ausdrüklich in Anwendung von Art. 10 desselben, so hat das Justizund Bolizeidepartement dennoch die Bezahlung dieser auf 235 Fr. 15 Rp.

ansteigenden Kosten aus der Buudeskassa an die Bnndeskassa vorgewogen, statt eine Revision des Urtheils anzuregen , immerhin jedoch, ohne damit anzuerkennen, dass das hier beobachtete Versahren dem Geseze, oder der Vrax^is, oder auch nur der wünschbaren Einfachheit im Gesehästsgange entsprechend sei.

Ausser den erledigten Untersuchungen sind noch mehrere andere in Behandlung gewesen und dem Absprache entgegengefü^rt worden. Ebenso haben noeh Vervollständigungen der Akten stattgesunden in verschiedenen Fällen, in denen diplomatische Verhandlungen mit auswärtigen Staaten nothig waren, um die Angehorigkeit von Bersonen festzustellen, ohne dass diese zu den Heimathlosen gezählt werden konnen.

Il. ^....ter^rt.e . ..^..nd^e^ etr.

1. Bern. Rach dem lezten Geschäftsberichte war die Einbürgerung der Heimathlosen und Landsassen in diesem Kanton beendigt und es blieb nur die Vosition einer Anzahl von Versonen zu regliren, die ^u gewissen Landschaften und Gemeinden in ausnahmsweisen Verhältnissen gestanden sind. Die Bereinigung dieser Angelegenheit ist thätig betrieben worden, und es ist mit Grund anzunehmen, dass sie beendigt sei. Jndess hat

die Regierung von Bern den in Aussicht gestellten Berieht noch nicht eingesandt.

407 2. Te s si n. Es ist auch aus diesem Danton kein. weiterer Bericht eingegangen über die Fortschritte dieser Angelegenheit im Laufe des Be-

xichtsjahres.

3. W a a d t . Hier dagegen ist wieder ein wesentlicher Schritt zur gänzlichen Vollziehung des Bundesgesezes gemacht Borden. Die im legten Geschäftsberichte erwähnten ewigen Einwohner im Bezirk A v e n u e s haben zu e^istiren aufgeholt. Rach einem von .^em Justiz- und Bol^eidepartement des Kantons Waadt eingesandten Ramensverzeiehnisse zählte diese Klasse 108 Jndividuen. Davon sind 92 vollkommen eingebürgert, die übrigen 16 Jndividuen dagegen in .Anwendung von Art. 3 des Bundesgesezes in ihrer Position belassen worden.

Was dagegen die sogenannten ^peti^ honr^o.s^ im gleichen Bezirke betrifft, so ist in dem ^Weltsch-Sprueh-Buch der Statt Bern^ im Kantoualarchiv zu Lausanne betretend diese Personen ein Dekret von Schultheis und Rath der Stadt Bern vom 21. Rovember 1684 ausgefunden worden. Eine nähere Vrüsnug des Jnhaltes dieser Urkunde und Ver-

gleichung mit dem Bnndesgeseze vom 3. Dezember 1850 hat zu der

Ueberzeugung gesührt, dass jene Jndividuen bereits alle Rechte geniessen, welche sie erhalten würden, wenn sie nach dem Wortlaut von Art. 4 des erwähnten Bundesgesezes eingebürgert würden, und dass sie im Uebrigen bereits Kantons- und Gemeindsbürger sind. Sie sind einzig von einten jungen ausgeschlossen, die direkt ans den Gemeindegütern herfliessen.

Damit auch dieser Unterschied allmälig versehwinde und eine vollige Gleichstellung mit den wirklichen Bürger.. erzielt werde, ist den Behorden von Waadt angedeutet worden, dass in Anwendung der zwei lezten Alinea des ...lrt. 4 des Bundesgesezes ein Zeitpunkt fi^irl. werden sollte, von welchem an die ehelichen und unehelichen Kinder von Eltern, resp. Müttern, welche dieser Klasse angehoren, in allen Beziehungen den Vollbürgern gleichgestellt, also selbst auch volle Bürger sein sollen.

Betreffend die Einbürgerung der noch im Rükstande gebliebenen 13 Heimathlosen und der Glieder der Corporation vandoise ist kein weiterer Bericht eingegangen.

4. Wallis. Jn diesem Kanton hat die Heimathlosenangelegenheit noch keine entschiedenen Fortsehritte gemacht . dagegen ist 5. ^ e u e n b u r g mit grosser Thatkrast vorgeschritten und es sind nun auch die Heimathlosen im Laufe des Berichtsjahres vollständig eingebürgert worden.

Die ganze Zahl der in diesem Kanton Eingebürgerten beträgt

1717 Uneheliche 1290 Heimathlose

3007 Jndividuen. Dazu kommen noch 273 ,, welche mehr als 50 resp. 60 Jahr alt und daher von der Einbürgerung in Gemeinden ausgenommen sind, aber zu .Lasten des Kantons verbleiben.

408 Der Kanton Reuenburg hatte somit 3280 Versonen, aus welche das Bundesgesez über die Heimathlosigkeit seine Anwendung finden musste.

Der sehr interessante Sehlussbericht des Staatsrathes von Renenburg gibt in klarer Weise Ausknnst über die Grundsäze und den Verlaus der ganzen Operation, die man sich in Reuenburg keineswegs leicht gemacht hat. Statt langer Untersuchung über die Herknnst der betreffenden Familien, oder nach der mehr oder mindern Verschuldung einzelner Ortschasten zu fragen, wurde die ganze Angelegenheit als eine gemeinsame, als eine Last des ganzen Landes, behandelt und zu Ende geführt. Zur Grnndlage wurde ein ganz genaues Ramensverzeichniss nach folgenden sieben .Kategorien angelegt, welche zugleich die ...Quellen andeuten, aus denen die Heimathlosen im Kanton Reuenburg hervorgegangen sind, nämlich.

1) Unehliche oder Rachkommen von neuenburgischen Unehelichen.

2) Rachkommen von Franzosen, welche in Folge der Religionskriege

flüchtig geworden sind.

3) 4) 5^ 6^ 7)

Raturalisirte Fremde.

Frem..^. Heimathlose, die im Kanton geduldet worden sind.

Raturalisirte Schweizer ohne Gemeindebürgerrecht.

Schweizerische Heimathlose, die im Kanton geduldet worden find.

Schweizer anderer Kantone, die naturalisât worden. aber Bürger von Gemeinden anderer ^Kantone geblieben sind.

Die 1717 Jndividuen der ersten Klasse sind laut dem legten Gefchäftsberiehte besonders eingebürgert worden. Als Basis diente lediglieh die mütterliche Abstammung. Die Jndividuen der sieben teu Klasse sielen weg, da sie eben Bürger eines andern Kantons sind und lediglich ein doppeltes Kantonsbürgerrecht besten. Bezüglich der andern ^fünf Klassen ergibt sich aus den verschiedenen Berichten nicht, wie viele der einen oder andern angehort haben. Die gan^e Zahl betrug, wie bereits erwähnt, 1563 Jndividuen, wovon 1290 nun ebenfalls eingebürgert worden sind.

Dieselben ^ersallen in

150 protestantische Familien mit 1196 Jndividuen, ^^katholische ,.

,,^.^ ,, 166 ^amilien

mit 1290 Jndividueu.

Behuss der Einbürgerung mussten diese 1290 Jndividuen in vier

Klassen eingeteilt und zu diesem Zweke alle ihre Verhältnisse untersucht werden. Diese vier Klassen sind : 1) Heimathlose, mit Vermogen , um eine Einkaussta^e bezahlen zu kounen .

.

.

.

. 1 5 2 Jndividueu 2) ,, mit etwas Vermogen und ohne in den ^lezten 5 Jahren Unterstüzung erhalten zu halben .

.

. 843 ,, 3) .,.

die in den legten 5 Jahren unregelmassig uuterstüzt wurden . . . 198 ,, 4) ., in den legten 5 Jahren regelmässig

nnterstüzt

. . . . . . .

97

,,

1 290 Jndividnen

40.^ Die Einbürgerungskommission ^ Commission de rep^rlinon) ..^t sodann beschlossen, prinzipiell die Heimathlosen als eine allgemeine Sehnld zu betrachten, die vertheilt werden müsse, nn^ wovon jedes Jndividuum eine gewisse Zahl von Einheiten repräsentire. Es wurde daher eine.

Schäzungs-Seala ausgestellt, wonach die Heimathlosen der 1. Klasse zählen sollten von 5 ^ 10 Einheiten ,, ,, ,,

,, ,, ,,

^ .^ .^.

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1l ,, 20 .^1 .^ -^ ,, .^^ .^ ,, .^

,, ,, ,,

Also zählte in den Augen der Kommission ein regelmäßig unterstüzter Heimathloser eine achtfach schwerere Last, als ein reicher Heimathlose r ..e.

Den 1290 zu verteilenden Heimathlosen wurde die Totalsumm^ von 30,125 Einheiten beigelegt, oder durchschnittlich 16,92 Einheiten per Heimathlosen.

Die Kommission hatte serner beschlossen, dass nur Heimathlose, welche^ mehr als Fr. 5000 Vermogen besizen , zu einer Einkaufte anzuhalten seien. Es waren 42 Bersonen oder Familienehess, welche sich in diesem Falle befanden. Sie hatten eine ^esammteinkaufsta^e zu bezahlen von Fr. 17,575, im Maximum Fr. 875, im Minimum Fr. 150. Das^ grosste Vermogen eines Heimathlosen stieg auf Fr. 77,000.

Zur Verkeilung dieser 42 Jndividuen wurden sämmtliche Gemeinden des Kantons nach der Grosse ihres Vermögens in 8 Klassen getheilt un.^ ebenso auch jene Jndividuen.

Eine genaue Untersuchung der Vermögensverhältnisse sämmtlicher Gemeinden, die zum Zweke der Einbürgerung der Heimathlosen vorgenommen wurde (nun aber auch als für andere Zweke der Gesezgebung nüzll..h anerkannt wird) hat herausgestellt, dass das produktive Gemeindevermögen aller 75 Gemeinden beträgt Fr. 2l ,383,500. (Minimum, L.^ Bevine

Fr. 10,234. Maximum, Reuenburg ^r. 7,537,036.) Dazu kommen

uoch einige andere Fonds zu mildthätigen Zweken, unter andern acht Fonds genannt ,,..^liet.^, im Betrage von Fr. 122,767. 82 , welche aus Beiträgen hervorgegangen , die regelmässig an Franzosen bewilligt worden sind, welche naeh Aushebung des Ediktes von Rantes sich ge^ flüchtet haben.

Ferner hat eine andere Untersuchung herausgestellt, dass der Kanton auf 48,808 nieht Unterste, eine Zahl von 6065 Unterstü^teu (12,43 .^) zählte. Die von den Gemeinden für die lederen ausgewendete Summe

beträgt im Durchschnitte der legten fünf Jal^re Fr. 249,569 oder ^r. 41. 15 per Unterstufen.

Eine einzige Gemeinde hat keinen Unterstufen, Loele dagegen zählt

deren am meisten mit 1036, für welche dieser Ort jährlich Fr. 42,860 oder 162^, seiner Einnahmen verwendet, während andere Gemeinden 5, 6, 7, 8 .e. .^ ihrer Einnahmen den Armen zufliessen lassen.

410 Rach der .Kopfzahl aller Gememdegenoffen berechnet, steht die Gemeinde Marin oben an, mit einem Gemeindevermogen von Fr. 2067 per .Kopf,. die ärmste Gemeinde besizt Fr. 19 per Kopf.

Die oben erwähnte Eintheilung der Gemeinden in ...cht Klassen wurde nun der Art bewerkstelligt, dass alle die von Fr. 15 bis Fr. ^00 per ^ops Gemeindevermögen besten in die achte Klasse , von Fr. ^.01 bis 250 in die siebente Klasse gesezt wurden :..... Jene mit Fr. 2000 und darüber fielen in die erste Klasse.

Diese acht Klassen der Gemeinden mit jenen acht Klassen der Heimathlosen mit Vermögen kombinat . ergab , dass ein Heimathloser mit dem Minimum des Vermögens in der aehten Klasse für seine ganze Familie eine Einkansstai.e von Fr. 150 bezahlen mnsste.

Die Kommission hat sodann beschlossen, dass ^ der auf 30,125 berechneten Einheiten ans das Vermögen und ^ auf die Zahl der nicht unter^ stüzten Bürger der Gemeinden zu vertheilen seien.

Aus dieser Grundlage angelangt, waren es nur noch zwei Rechen...^empel, um ein mathematisch genaues Resultat der ganzen Operation zu erlangen. Das Eine ergab die Formel: 48,808 Gemeindebürger müssen übernehmen ^ oder 7531 Einheiten, wie viel z. B. Reuenburg sur seine 3532 Gemeindegenossen .^ Die andere Formel war: Fr. 21,383,580 nuzbares Gemeindevermögen muss ^ oder 22,504 Einheiten übernehmen, wie viel Reuenburg mit Fr. 7,537,036 Gemeindevermögen ^ Jn dieser Weise wurde sür jede Gemeinde die Zahl der zu übernehmenden Bersonen bestimmt und die ganze Liste ^edrukt. Jedem Jn^ dividnum wurde ein Einbürgerungsakt zugestellt. Die ganze Operation wurde mit der grossten Oesfentlichkeit behaudelt und stets mit Zuzug von Abgeordneten aus den Bezirken. Die Gemeinden haben daher das Re-

^..ltat als ein gerechtes und billiges anerkannt und die Einbürgerung auch

ihrerseits vollzogen. Die Republik Reuenburg hat sieh dadurch wohl sür ...lle Zeiten ein ehrendes Denkmal gefezt.

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Bericht des schweiz. Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1863.

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Dans

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In

Foglio federale

Jahr

1864

Année Anno Band

1

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15

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.03.1864

Date Data Seite

321-410

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10 004 379

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