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Schweizerisches Bundesblatt.

XVl. Jahrgang. l.

Nr. 7.

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10. Februar

1864.

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der

nationalräthlichen kommission in Sachen des Rekurses des Jakob Scheibler von Walterswyl Kts. Solothurn, betreffend Eheverweigerung.

(Vom l 6. Dezember 1863.)

Tit. l Jakob S c h e i b l e r von Walterswyl, Kts. Solothurn, wohnhaft aber in Biel, seines Bernfes ein Zunmermann, 25 Jahre alt, katholischer Konfession, hat beim Gemeinderath seines Heimatortes um die Bewillig gung nachgesucht, sich mit der Anna Wittwer von Ausserbirrmoos, Kantons Bern, Kellnerin in Biel, protestantischer Konsession, verehelichen zu dürfen.

Der Gemeinderath von Walterswryl hat ihm mittels Schlussnahme vom 21. Janner 1863 die Heirath verweigert. Ebenso hat die Regierung von Solothurn unterm 20. März 1863 sein Gesuch auf dem Rekurswege in abweisendem Sinne erledigt.

Am ..). Mai l 863 erhob Jakob Scheibler gegen diese Eheverweigerung Beschwerde beim h. Bundesrathe, indem er den abschlägigen Bescheid der Solothurner Behorden lediglich als einen ...lussluss konfessioneller Beweggründe darzustellen sucht, was mit dem Bundesgesetze über gemischte Ehen vom 3. Dezember 1850 nicht vereinbar sei.

...lnch der Bundesrath hat durch Beschlnss vom 6. Juti 1863 den Rekurs als unbegründet abgewiesen.

Bundesblatt. Jahrg. XVI. Bd. l.

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132 Dureh Rekn^memorial vom 2l. November 1863 gelangt ^cheible..

nunmehr an die schweizerische Bundesversammlung mit dem Gesuche um Aushebung des bundesräthlichen Entscheides vom l.i. Juli und um Anweisung der Regierung von Solothurn, beziehungsweise des gemeinde^.thes von Waltersw.^l, dem Rekurrenten die verlangte Heirathsbewilli..

gung ^u ertheilen.

Jhrerseits beharrt die Gemeinde Waltersw^l, respektive der dorage Gemeiuderath , in umfangreicher Oppositionsschrist vom 4. Dezember 1863 auf den erhobenen Eheeinsprüchen und verlangt Abweisung des R..^ Kurses.

Zu seinen Gunsten macht der Rekurreut gellend .

..^ein Vater, der vor 10 Jahren gestorben, habe ein geringes Ver^ mogen hinterlassen, das von der Gemeinde zu Handen gezogen worden sei. Er selber habe sieh seiner sünf unerzogenen Ges.hwister angenommen, und namentlich den 1 9jährigen Brnder Angnst, sowie den 26jährigen Eduard mit Kleidern und baarem Gelde versorgt, so dass sie jetzt ihr Brod selber verdienen konnen. Seine Mutter habe er seit seinem 14.

Altersjahre stets unterstützt und derselben während seines sünsthalb- .

jährigen Ausenthaltes in Biel über Fr. 10l) baar verabfolgt. .Dadurch habe

er dem ^. 254 des Solothurnischeu Zivilgesetzbuches vollständig Genüge

geleistet, wenn er vorschreibt: ^ie Kinder, sie mogen unter väterlicher Ge.^ walt stehen oder nicht, sind verbunden, ihre Eltern naeh Kräften zu unter^ stützen und sie im Verarmungssalle nach ihren.. Vermoge.. anständig ..u unterhalten.

Bezüglich seiner Arbeitsfähigkeit und seines Verdienstes wird von.

Rekurrenten angeführt .

Er stehe seit 12 Jahren unter fremden Beuten, habe den Berns eines Zimmermanns erlernt, der ihm einen täglichen Verdienst von ^r. 3. 50, oder per Jahr ^.r. l 277. 50, abwerse, was znr Erhaltung einer ^amilie ausreiehe. ^eine Verlobte, die, wie er selbst, einen gnten Leumund habe, verdiene täglick.. Fr. l . 50, oder per Jahr Fr. 549. 50 , daher beide Brautleute zusammen einen jährlichen Verdienst von Fr. 1827 hätten. Die Anna Wittwer konne zudem noch über eine Ersparniss von ^r. 560 verfügen , weleheu Betrag sie an einem ^ehüldtitel aus den Verwandten Johannes Wittwer angelegt habe.

Aus diesen Daten ergebe steh, das. der Artikel 9.) des .^olothurn^ sehen Zivilgesetzbuches hier k..ine Anwendung finden dürfe. Dieser Artikel lautet .

^,Gegen die Vereheli.hung volljähriger Kinder konnen die Eltern Einspruch machen, wenn sie darthun, dass im ^.aile der Vollziehung der Ehe die Ehegatten ausser Stande wären, ihren Unterhalt durch ihr Vermoge.. oder durch ihre Arbeit zu bestreiten. ^

133 ,,Das gleiche Recht haben auch jene gemeinden, die im Rothsalle für den Unterhalt der Ehelente zu sorgen haben. ^ Anlangend den Leumund beider Verlobten, so bezeugt Baumeister

Huber in Biel, dass Jakob Scheibler sich stets als ein treuer, fleissiger

und tüchtiger Arbeiter bewiesen habe, und Uhrenmaeher Stocker daselbst ^t ihm das Zengniss eines stillen und eingezogenen Menschen. Gleicherweise geben verschiedene Brivat^eugnisse von Biel der Anna Wittwer das Bradikat einer treuen und arbeitsamen Berson.

Jn Beziehung aus Beide erklärt der Bolizei-Jnspektor in Biel

unterm 1. März 18^3, dass ihm nichts nachteiliges bekannt sei.

Jn seiner Opposition beruft sich der Gemeinderath von Walters...^ zunächst aus den ^. .^3 des Solothurnisehen Zivilgesetzbuches, welcher den Heimathgemeinden die Vflicht auferlege, für den Unterhalt derjenigen dürstigen Gemeindeangehorigen zu sorgen . die sich weder durch eigene Arbeit dnrchzubringen im Stande sind, noch durch die dazu verpflichteten Betonen .hinlängliche Unterstützung erhalten. Mit Bezugnahme auf

diese Unterhaltnngspflicht gebe der ^.99 den Gemeinden das Recht, gegen

die Verehelichnng ihrer Bürger E.nsprache zu erheben, wenn sie darthun, dass im Falle der Vollziehung der Ehe die Ehegatten ausser Stand wären, ihren Unterhalt durch ihr Vermogen oder dnreh ihre .Arbeit zu bestreiten.

Die personlichen und ökonomischen Verhältnisse des Rekurrenten seien nun der Art, dass mit aller Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, er würde im Falle der Verehelichnng mit .^lnna Wittwer der Gemeinde zur .Last fallen. --- Sein Vater, der in Konkurs gerathen, habe gar kein Vermogen hinterlassen. Mutter und Geschwister seien der Gemeinde zur Last gelegen, und es werde erstere zur Stunde noch aus Dosten der Gemeinde dureh Vflanzland unterfingt. Vom Rekurrenten habe sie niemals auch nur einen Rappen Unterstützung erhalten, was sie seiner Zeit vor Behorde zu Protokoll erklärt habe. Wenn sie in jüngster Zeit das Gegentheil angebe, fo geschehe es mit Umgehnng der Wahrheit, in der Absicht, dem eigenen Sohne die Verehelichung nicht zn erschweren. Auch seine Bruder Augnst und Eduard habe er nicht unterstützt, sondern es seien dieselben durch eigene

Tätigkeit und Sparsamkeit zu Etn..as gelangt.

Ersparnisse habe der Rekurrent nicht gemacht, und wenn seine Vorgabe reichlichen Verdienstes gleich.vohl wahr sei, so sei man zu ungünstigen Rückschlüssen genothiget, welche seinen sittlichen Eharakter und seinen haushälterisehen .^inn unausweichlich in Frage stellen müssen.

Der Vermogensansweis der Braut sei ossenbar hochst verdächtig, um so mehr, als sie ihre vorgeblichen Ersparnisse früher gar nicht anf Zinsen gelegt hatte und erst in neuerer Zeit einem ihrer Verwandten angeliehen haben wolle.

134 Es wird kaum nothig sein, anzuführen, dass die ....^ierung von Solotl^urn feierlich gegen den Vorwurf der Jntoleranz protestât. Das Gleiche. thut auch. der Gemeinderath von Waltersn.^l.

Jn der That hat au.h die kommission keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, als ob im Spezialsalle die ^onsesstonsverschiedenheit der ...^..aut der Grund ware, warum dem Rekurrenten die Ehe verweigert würde.

Jm Gegentheil erscheint die Verweigerung materiell gerechtfertiget, wesentlich dadurch, dass Jakob Scheibler bei reichlichem Verdienste seine Mntter nicht unterstützt und gleichwohl keine Ersparnisse gemacht hat. Die Unterstützung seiner verarmten Mutter war für ihn eine gesetzliche Verpflichtung, deren Ausserachtsetzung, bei allem Mangel an .Ersparnissen, bei übrigens reiflichem Verdienste, auf den sittlichen Charakter und den haushälterischen Sinn des Rekurrenten nothwendig ein ungünstiges .Licht werfen muss.

Jndem die kommission daher im Spezialsalle der Auffassnn^swei^ des h. Bundesrathes Beitritt, kommt sie zu dem Antrage, es sei der .^

kurs des Jakob Scheibler als unbegründet Anweisen.

B e r n . den 16. Dezember 1863.

Samens der ..Commission, Der Berichterstatter:

Vincenz Bischer.

^te. Der Rekurs des Jakob S ..h ei b l er ist ...om Nationalrath am 22.

und vom Ständerath am 2.^. Dezember 18^.^ als unbegründet abgewiesen worden.

^Siehe Sel^ 12 und 13 hie...or.).

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Bericht der nationalräthlichen Kommission in Sachen des Rekurses des Jakob Scheibler von Walterswyl Kts. Solothurn, betreffend Eheverweigerung. (Vom l 6. Dezember 1863.)

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10.02.1864

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