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Bundesratbsbeschluß In

Aachen des Rekurses des Johannes .Rediger, von Reinach, Rts. Aargau, Steinbrecher, wohnhaft in Bern, und dessen Ehefrau, betreffend Ausweifung.

(Vom 24. August 1864.)

Der schweizerische B u n d e s r a t h hat in Sachen des Johannes Rediger von Reinach , Kts. Aargan, Steinbrecher, wohnhaft in Bern. und dessen Ehefran, betreffend AusWeisung ; nach angehortem Berichte des Justiz- und Bolizeidepartements und nach Einsicht der Ulkten, woraus sieh ergeben :

1. Am 24. April. 1861 erliess der Direktor der Justiz und Polizei des Kantons Bern, folgenden Beschluß : .,Aus Grund sortgesezten Bettels, wiederholter Entwendnng ,,und schlechter Ausführungen der Binder des Johann Hediger von .,Reinach, Kts. Aargau, Taglohner in Bern, versüge ieh gegen ,,denselben, seine Ehefrau Anna geb. Burri und seine vier Kinder "(die genannt sind) von Bolizeiwegen die Fortweisung aus dem ,,Kauton Bern und zwar in ihre Heimat."

2. Dieser Besehluss erhielt seine Vollziehung . Hediger verliess mit seiner Familie den Kt. Bern und begab sieh in seine Heimat. Ans sein Gesuch und namentlich auf die Verwendung des Gemeinderathes von

155 R..inach hat jedoch die Justizdirektion

des Kantons Bern am 19. Juli

1^61 obigen Beschluß dahin^ abgeändert :

..Johannes Rediger und seiner Ehefrau Anua geb. Burri ..ist die Rükkehr nach Bern und der dasige Aufenthalt so lauge ,,^u gestatten, als keine begründeten klagen gegen dieselben ein"langen werden, ^nsonst die Fortweisungsverfügung vom 24. April ..abhin auch gegen sie wieder in Vollzug gesezt würde. ^ 3.

Bezüglich. aus die Binder .Rediger ist der Besehluss vom 24.

April 1861 nie abgeändert worden, dennoch sind dieselben allmälig auch wieder ^u den Eltern nach Bern gekommen.

Die Justiz- und Boli^idixektion des Kantons Bern hat daher am

20. Oktober 1863, gestüzt darauf, dass die Eheleute Hedige.. ihre Binder

unbefugt zu sich genommen haben und das eine derselben, Maddalena, geb. 1849, sieh der grobsten Unsittlichste.. u. s. w. schuldig gemacht, so dass es von der Schule habe ausgeschlossen werden müssen, -.- unter Be^uguahme auf die Verfügungen vom 24. April und 1.). Heumonat 1861 -..-. von Reuem die polizeiliche Wegweisung aus dem Danton Bern versügt.

Auf ^ erfolgten Rekurs hat die Regierung des Kantons Bern am 28.

April 1864 diese Verfügung bestätigt und es dem Ermessen ihrer Direk...

tiou der Justiz und Polizei anheimgestellt, ob sie es früher oder später sür augemessen erachte, auf ihre gedachte Versugung in der einen oder auderu Weise zurük^ukommen.

4. Mit Eingabe vom 16. Mai 1.^64 hat Hr. ^ürsprech J. W^ss in Bern Samens der Eheleute Hediger gegen die erwähnten Beschlüsse ein .h bei dem Bundesrathe Besehwerde erhoben und das Gesuch gestellt, es mochte die Ausweisung der Eheleute Hedi^er als unbegründet ausgehoben werden.

Zur Begründung wird vorgetragen : Die Rekurrenten flehen in ihren bürgerlichen Reehten und Ehren , sie geniessen günstigen Leumnnd und fallen Niemandem zur Last. vielmehr haben^ste au das in d.^r Gemeinde Bremgarten sür 3^00 ^r. gekaufte Heimwesen aus ersparten Mitteln 1600 Fr. abbezahlt und besinn noch einiges anderes Kapital. Auch seien sie nur eiu einiges Mal - im Jahr 1853 - wegen Hehlerei zu zwe^ Jahren Verweisung verurteilt worden, woraus aber uieht mehr zu achten sei, da die in ^rage stehende Riederlafsungsbewilligun^ aus neuerer ^eit datire.

Sodann sei den Rekurreuteu nieht verboten gewesen , ihre Kinder wieder zu steh ^u nehmen, und wenn sie ihrer Vflicht als Eltern naehgekommen, so seien sie dafür nicht z.. tadeln. Uebrigens haben die Kinder auch ihrerseits nichts verschuldet, selbst die ^ Magdalena n.cht. Dieses kaum l 4 Jahr alte, schwächliche Mädchen sei durch Geld und Versprejungen das ^pser eines alten Wüstliugs geworden, der aus Klage der

Eltern gestraft und zu einer Entschädigung au das Kind verpflichtet . Bunde^blatt. Jahrg. ...^I. Bd. III.

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156 worden sei. ^nn ko.me der Schuldige in Bern bleiben, aber das Mädehen soll fort l Jndess hatten die Kinder gemass dem Answeisungsbeschluss vom 24. April 1861 weggewiesen werden ko....e.., aber gegen die Eltern liege keiner der in Art. 41 der Bundesverfassung vorgesehenen Gründe vor.

5. Die Regierung des Kantons Bern hat unterm 15. August 1864 diese Beschwerde dahin beantwortet : Es sei die Versügung der Jnstizund Bolizeidirektion vom 24. April 186l von den Rekurreuten augenommen worden und in Rechtskraft erwachsen. Die darin enthaltenen Beschuldigungen gegen die Kinder gelten noch ,. es habe auch gegenüber diesen nie eine Modifikation stattgefunden. Der Wiedereintritt dieser Kinder in den Kanton Bern sei daher durchaus unbefugt geschehen. Dieselben haben sieh wieder, wie früher, einen. herumschweifenden Lebwesen und dem Bettel .ergeben. Die Magdalena sei wegen w i e d e r h o l t e r Unsittlichkeit von der Schule ausgeschlossen worden. Die Eltern haben gleichwohl dem Rathe, dieselbe von Bern zu entfernen , nicht gefolgt, sondern sie nenerdi..gs mit Sand, .Ziegelmehl .e. in der Stadt herum-

geschikt, was zur Folge gehabt, dass sie am l0. September l 863 wegen

neuer Fehltritte resp. wegen Betruges gerichtlich mit gescharster Gefangenschaft habe bestrast werden müssen.

Die Ehelente .Rediger betreffend, so seien diese nicht mehr als mit Riederlafsungsbewilligung im Kanton Bern wohnhafte Sehweizerbürger zu betrachten. Es könne sieh daher auch ui.ht fragen, ob Grü..de vorliegen, welche naeh Art. 4l der Bundesverfassung zum Entzuge der Niederlassung berechtigen. Der diesssallige Beschluß der Justiz- und ^oii^.idire^tion sei in Rechtskraft erwachsen nnd bestehe noch. Es komme lediglieh iu ^rage, ob die Eheleute Rediger die Vorauss^ungeu und Bedingungen verlezt haben, an welche die am 1.). Juli 1861 provisorisch bewilligte Suspension der Vollziehung jener Wegweisung gekuüpft worden sei.^ Diese .^rage müsse unbedingt bejaht werden , und es erscheine das Benehmen der Eltern, welche für ihre Binder haften, sogar in dem Masse tadelhaft, dass die Ausweisung gerechtfertigt ware, auch wenn die srüher.. Beschlüsse nieht bestehen würden. Die Ehelente Rediger seien eben dureh den Bettel ihrer Kinder ^nr Last gesallen und dieser Bettel, sowie die übrigen Vergehnngen des Kindes Maddalena seien die ^.olge ihrer Bsliehtoergessenheit nnd ansserft schlechten Kinderzneht.

Die Regierung von Bern tragt aus Abweisung der Beschwer.^ an.

Es k o m m t h i e b e i in B e t r a c h t : 1) Es fragt sich, ob Eltern wegen solchen Benehmens ihrer mit ihnen zusammen lebenden Kinder, das zur Ausweisung der lester... berech^ tigt, mit ausgewiesen werden dürfen .^

2) Diese Frage mnss mit Rüksicht anf die Einheit der Familie und die Verantwortlichkeit der Eltern für die Kinder im Allgemeinen be-

157 jaht werden, insofern wenigstens eine vollständige Ausscheidung der schuldigen Glieder aus der ^amilie nicht erfolgen kann.

3) Jm vorliegenden ^alle was unzweifelhaft die Berechtigung ^ur Ausweisung der Kinder Hediger vorfanden. Raehdem die Eltern diess selbst anerkannt, jedo.h tro^ anfänglichen Versprechens, dieselben aus der ^a.milie auszuscheiden, sie wieder ^u sich genommen und die Solidarität mit denselben somit selbst neu begründet haben, so ist damit auch das Recht der Behordeu ^ur ^lelchmässlgen Behandlung der ^amilie in ihrer Gesammtheit begründet, und es ist lediglich .......a.he der bernischeu Behorden, darüber ^u entscheiden, ob sie auf ein erneutes Versprechen der Eltern, ihre Kinder zu entfernen, nochmals eintreten wollen, was ihnen übrigens vom Bundesrathe empfohlen wird,

b e schl o s s e n : 1. Sei die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschluß.. der Regiernug des Kantons Bern und dem Rei.urreuten mittheilen, unter Rüksendung der Akten.

Also beschlossen, Bern, den 24. August 1864.

Jm Rameu des schwe^. Bundesrathes, ^er Buudespräsident:

^. .^. Dnbs.

Der Kanter der Eidgenossenschaft: ^ .

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Bundesrathsbeschluß in Aachen des Rekurses des Johannes Rediger, von Reinach, kts.

Aargau, Steinbrecher, wohnhaft in Bern, und dessen Ehefrau, betreffend Ausweisung.

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26.11.1864

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