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Bericht der

.Commission des Nationalraths in der Rekursache des Joh.

Joseph Ris. von Etziken Kts. Solothurn, betreffend Eheverweigerung.

(Vom 19. Dezember 1863.)

Tit. l Joh. Joseph Ris von Epiken, Ets. Solothurn, geboren 1825, katholischer Eonsession, von Berus Zimmermann und Rechenmacher, will

sich. mit Maria Scheidegger von Huttwyl, Ets Bern, geb. 1833, evan-

gelifeher Konfession, verehelichen. Heimathgemeinde und Heimathregierung haben ihm jedoch die Ehe untersagt , und der Bundesrath hat mit Schluss vom 14. September d. J. die von J. Ris hiegegen ergriffene Weitersziehnng als unbegründet abgewiesen.

Die Gründe der Verweigerung dieser Ehe gehen sowohl gegen den Bräutigam als gegen die Braut; wir konnen aber die Bemerkung nicht unterdrücken, dass die Akten und Beweissührnngen in dieser Angelegenheit hoehft mangelhast und schwankend sind , weit mehr Behauptungen als Raehweise bestehen, und erst weitere Erhebungen dazu berechtigen könnten,

alle jene Begründungen, welche die Erwägung 4 des bundesräthlichen Schlusses enthält, als erhärtete Thatsaehen anzunehmen.

Welche Gründe werden nun gegen die Braut , Bräutigam geltend gemacht ^

welche gegen den

A. Gegen die Braut erhebt der Gemeinderath von Etziken die Beschuldigung , dieselbe habe wenigstens zweimal ansserehlich geboren , und zwar wäre keineswegs der jetzige Bräutigam Ris der Vater dieser Kinder gewesen ; ihres unsittlichen .Lebenswandels wegen sei Maria Scheidegger sehon in der Strafanstalt Thorberg, ihr Väter im Schellenhause in Bern gesessen. Man sollte glauben, nichts wäre leichter, als solche Thatsachen

l 44 nachzuweisen ; die Register der Anstalt in ......horberg, die Taufbücher müssten ans der Stelle die Wahrheit dieser Angaben belegen, und ein solcher .Nachweis konnte um so weniger versäumt werden, als diese Behauptungen der Gemeinde Epiken von M. Seheideggex in einemfort widersprochen werden. Sie verneint, je in Thorberg abgebüsst zu haben. sie ist nur die Geburt e i n e s ansserehlichen Kindes kanntlich , und das Bsarramt Huttw.^l bescheint, es sei in den dortigen Bfarrbüchern nnr ein un^ ehliches Kind der M. Seheidegger (geboren unterm 28. Oktober 1860) eingetragen. Statt die Thatsache weiterer ausserehlieher Geburten uachznweisen, begnügt sich die Gemeinde Epiken. anzuführen, es sei ein solcher Vorfall im Jahr 1862 vorgekommen. sie weiss aber nicht, ob sie denselben in den Monat September oder Oetober setzen soll.

B. Gegen den Bräutigam werden weit mehr Gründe ausgesührt, es theilen aber viele die gleiche Unsicherheit, weiche die Besehwerden gegen die Braut kennzeichnen. Es wird angebracht:

1) Ris habe 1862 von seiner Mutter Fr. 396. 60 ererbt; dann h.^.be er bei der solothurnisehen Bank Fr. 550, bei E. Brunner in Solothurn Fr. 150, somit zusammen Fr. 700 ausgenommen. Aus diesen Fr. 700 habe er jedoch nur Schulden im Betrage von

^r. 434. 37 bezahlt, und somit Fr. 265. 63 anders verbraucht.

Gegenüber seinem Vermogen von Fr. 396. 60 bestehe somit ein Verbrauch von Fr. 265. 63, und das Vermögen betrage somit nur noch Fr. 130. 97.

2) Trotz eines Verdienstes von Fr. 2 per Tag habe er die Kost dennoch bei seiner Mutter genossen , ohne ihr jedoch etwas hiesür zu bezahlen , vielmehr sei er den Anforderungen und Vorstellungen der Mutter aus Bezahlung der Kost mit groben Scheltungen , ja mit schweren Misshandlungen begegnet, und habe selbst gedroht, sie zu erstechen.

3) Ris sei dem ^.hnapstrnnke ergeben , und zwar in einem Grade .

dass sieh Anzeichen von Säuserwahnsinn bei demselben einstellen.

4) Vor einigen Jahren sei er polizeilich abgestraft worden , weil er in den Keller des Bintenwirth Ris gestiegen und dort Käs entwendet habe . im vorigen Jahre sei gegen ihn von J. Hofer eme Klage aus Entwendung von Fr. 70 gestellt und bloss durch Einstellung des Untersnehes , keineswegs durch Freisprechung erledigt worden ; ja im Hornung d. J. habe er dem Eantonsrath Widmer von Burgäsehi eine Hacke gestohlen.

Wie verhält es sich nnn mit der Begründung dieser schweren An^.

sehuldigungen .^ Berühren wir zuerst gerade den letztern Bunkt.

1) Aus einem Urtheile vom 24. Dezember 1862, welches Ris zu den Akten beigebracht, geht hervor, dass sowohl er als noch 7 andere Beklagte wegen Hansreehtsverletzung und Misshandlung zu eiuer Geld-

l 45 busse von Fr. 15, zu einem Schadenersa^e von Fr. 5 an Pintenwirth Ris und zu einem solchen von Fr. 4l) an Maria Seheidegger verurtheilt wurden. Es scheint somit hier mehr einer von jenen häufig vorkommenden Ausbrüchen muthwilliger Raehtbuben als ein entehrendes Vergehen vorzuliegen.

Gegenüber der Anschuldigung des J. Hofer auf Entwendung von ^r. 70 legt ebenfalls Ris eine von den. .Gerichtspräsidenten von Bucheggberg gefertigte Vergleichsurkunde vor, gemäss welcher Hoser die Anselmldi-

gung eines Diebstahls von Fr. 70 zurückgeht und sich verpflichtet, die

Pro^esskost.m mit Fr. 18. 65 zu bezahlen. Weitere Akten liegen dies^ falls nicht vor, die Zuführungen der Gemeinde Epiken bezüglich dieses Punktes und des Diebstahls einer Hacke werden aber auch nicht deutlich bestritten, scheinen somit stillschweigend zugegeben zu werden.

2) Um den Beweis zu erhärten, Ris sei ein übermassiger, dem Säuserwahnsinn verfallener .^chnapstrinker, liegr gar nichts vor, als eine ..^rklärnn^. emes Privatmannes, Franz Meier, d. d. 25. Mai 1863, in welcher gesagt wird, J. Ris habe Ende Hornung oder Anfangs März abhin in betrunkenem Zustande sich verwirrt geberdet und ausgerufen : er sei immer und ewig verloren. Der Gemeindrath von Epiken hatte in seiner Eingabe hervorgehoben : Ris habe in diesem Zustande sich der Worte bedient : der Teufel sei in ihm. Franz Meier fügte daher seinem ^heine noch bei . es moge auch sein. dass Ris ausgerufen l^ab..., er ^ei vom Teufel besessen. Der Zeuge ist somit weder bezüglich der Zeit, noch des genauen Verlaufes dieses Vorfalles ganz zuverlässig und sieher, jedenfalls steht er aber allein, und von keiner ^eite her .oird die Behauptung, .^is sei ein zum Säuserwahnsinn herabgesunkener Trinker, nachgewiesen oder unterstützt.

3) Ans noch sonderbarere Weise verhält es sieh mit der Ansehuldigung einer üblen Behandlung der Mutter. J. Ris hat noch drei Gesehwister, einen Bruder Urs und zwei Schwestern, Barbara und Magdalena.

Der Gemeinderath von Epiken hatte die Behauptung, J. Ris habe seine Mutter gescholten, bedroht, misshandelt, in seiner ..^christ an die Regierung von Solothurn am 30. März d. J. niedergelegt. Die Behauptung seheint ins Publikum gedrungen und vom Bruder Urs widersprochen wordei. zu sein. Da liess Gemeindammann Meier von Epiken diesen Bruder vor sich kommen. veranlasste ihn, einen Schein zu unterzeichnen, dahin gehend, er widerrufe das ^eugniss, sein Bruder Jos. Ris habe die Mutter nie geschlagen , vielmehr sei dieses nach Aussage der Mutter mehrmals geschehen, und J. Ris habe sich überhaupt gegen die Mntter nieht brav benommen. Dieser Schein wurde am 13. April d.. J. ausgestellt, und der Gemeindeammann von Epiken fertigte dann selbst noch ein ^eugniss

aus und legte es den Akten bei , des Juhalts : die Mutter Ris habe

il,m mehrere Male geklagt, ihr Sohn Jofeph habe sie geschlagen und ^ihr sogar gedroht , sie erstechen zu wollen. Dieses sind die zwei im

1^ ^undesrathsbesehlusse angesüßten ^engnisse. Welchen Werth man den beiden Zeugnissen beimefsen mochte, so wird folgender Vorgang wieder

sehr geeignet sein, beide ^ schwächen. Ein späterer ^lkt nämlich,

unterzeichnet von allen Geschwistern des Joseph Ris, von Urs, Barbara und Maddalena Ris, beseheint in weitläufiger Erklärung, der Brnder Urs Ris habe s. Z. dem Gemeindammann Meier einen Schein unterzeichnet , ohne eigentlich zu wissen , was er unterschrieben habe , er habe nnr unterzeichnen wollen^ seinen Brnder trunken gesehen zu haben, und Ammann Meier habe ihn aueh nur zu einer Unterzeichnung in diesem Smne aufgefordert ; alle Geschwister erklären dann ferner, die Angaben, J. Ris habe seine Mutter beschimpst, mit Erstechen bedroht und misshandelt, feien lauter Erfindungen und ...oshaste Verleumdungen. Ein weiterer Vorwurs, Joseph Ris habe aus Trägheit seinen Berns gewechselt

und vernachlässigt, liegt ebensal.ls bestritten und keineswegs genügend er-

wiesen vor.

4) dagegen scheint der kommission die Behauptung stichhaltig, Ris bestie nicht die nothigen Eigenschaften, um im Falle der Vollziehung der Ehe den Unterhalt einer Familie durch seine .Arbeit zu bestreiten, da ihm. diessalls der nothige häusliche Sinn abgeht. Der Beweis liegt in .^ola^endem : a. Ris ist gar nieht im Stande, irgend welehe Ersparnisse auszuweisen.

Dieser Umstand ist im vorliegenden Falle von grosser Bedeutung, denn :

aa. Ris ist gegenwärtig sehon 38 Jahre^ alt und lässt sich als einen Mann von sehr gesundem und sehr kräftigem Korperbau schildern. Rehmen wir an, er betreibe erst seit seinem 28. Jahre seinen Berus aus eigene Rechnung, so giebt dies einen Zeitraum von 10 Jahren. Ris verdient nun täglich ohne Kost ^r. 2, mit Kost ^r. 1. ^egen wir letztern Fall unserer Bereehnung zu Grunde , so hat Ris neben Speise und Trank seit 10 Jahren eine jährliche Einnahme von ^r. 300. Ueberlassen wir ihm nun von dieser ^nmme Fr. 200 zum Verbrauch, zum Hauszinse, zur Kleidung, ^u kleinen Bedürfnissen, so bleibt immer noch ein Betrag von Fr. 100, den ein sparsamer Mann in diesen Verhältnissen jährlieh bei Seite lea.en sollte. Rehmen wir an, dieser Betrag soll am Ende nnr Fr. 50 betragen, so müsste, von allen Zinsen solcher Einlagen abgesehen, Ris wenigstens ein erspartes Vermogen von Fr. 500 ausweisen konnen, ohne dass er steh beklagen dürste, ihm zuviel zugemuthet zu haben.

hb. Run beruht aber sein ganzer Ausweis in der Anschaffung einer Bettstatt, eines Tisches, eines Stuhles und eines S.hemmels, im Gesammtbetrage pon Fr. 38.

Ris hat aber bis ^r Stunde nicht nur keine Ersparnisse , sondern

147 b. im ledigen Zustande sogar einen Vermögensrückschiag von Fr. 265.

63 Rp. gemacht.. ^ Ex hat ausgewiesenermassen eine Schuld von

Fr. 700 eingegangen, hieven nur Fr. 434. 37 abbezahlt, und ist nicht im Stande, für die übrigen Fr. 265. 63 einen Gegenwerth in seinem Vermögensstande auszuweisen. Wohl behauptet Ris, sein Liegenschastenbesit^ stelle gegenwartig einen grössern Werth dar, als zur Zeit der Erwerbung dieser Liegenschaften durch Erb^

.

schalt, ^und es mag d^efe Behauptung auch völlig richtig sein,

allein dieser Mehrwerth ist nicht das Ergebniss der Arbeit oder der

Sparsamkeit des Ris, sondern der ^eitverhältnisse, oder ^des billi-

gen Wertansatzes zur Zeit der erbrechtlichen Theilung, und kann also in keiner Weise zugunsten des R.s in die Waagschale .fallen oder den Vermogensrücksehlag .bedeutungslos machen. Hiezu treten ..wei weitere Thatsachen , welche den Ris nicht als Haushalter, sondern als gleichgültigen und säumigen Schuldner ausweisen.

Bei der ersten ^ins- und Abzahlung , welche Ris der Bank in Solothurn für das erhobene Anleihen von Fr. 550 zu leisten hatte, versäumte er dies... Einzahlung von blos ^r. 41. 25 um 13 Tage und hatte diessalls eine Versäümnissbnsse zu zahlen, welehe freilieh des geringen Betrages des verfallenen Zinses halber aneh ..nur geringfügig sein konnte, sie bezeichnet aber immerhin die Handlungsweise des Ris in seinen hauswirthschastlichen Angelegenheiten.

Ein weiterer Glaubiger des J. Ris, die Eaplanei Oberdorf, musste ihn ebenfalls um den ersten ^ins, den er derselben abzuführen hatte, in den Rechtsbetrieb setzen, obwohl dieser Zins nur den Betrag von Fr. 21. 74 erstieg.

^

t)

Aus diese Gründe gestü^t trägt Jhre kommission einstimmig an .

es sei die Schlnssnahme des Bundesrathes, d. d. 14. September

d. J. genehmigt;

2) der Erwägnngsgrnnd 4 obiger Schlussnahme sei dahin zu fassen .

,,dass Ris die Bedingungen nicht besi^t, den Unterhalt einer

^amilie durch Vermögen oder Arbeit bestreiten ^u können, da er in seinem Vermogen Rückschläge maehte, und durch seine Arbeit im .Laufe mehrerer Jahre keine Ersparnisse erzielte. ^ Mit Hoehschä^ung zeichnet Bern, den 19. Dezember .. 863.

Ramens. der Kommission , Der Berichterstatter:

Mailer.

....o te. ......er .^ekur.^ des J. J. .^is ist von der Bundesversammlung aI.^ unbegründet abgewiesen worden, und ^war vom ^atlonalrathe am 1^. Dezember 18.^.... und vom Ständerath.. am 22. gleichen ..l.^vnat.... .^Siehe Seite 12 u. 13 hiev.^r.,.

^undesblatt. ^..^rg.XV.l Bd.I.

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1864

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07

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.02.1864

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143-147

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10 004 338

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