#ST#

Schweizerisches Bundesblatt

XVl. Jahrgang. l.

#ST#

Nr. 9.

20. Februar 1864.

Bundesrathsbeschluss in

Aachen des Rekurses des Hrn. Arnold B r a u e r in Zofingen, betreffend Gerichtsstand fur Jnjurien.

(Vom l 8. Dezember 1863.)

D er

s eh w e i z e r i s eh e B u n d e s r a t h hat

in Aachen des Herrn Arnold Bryner in Zofingen. betreffend Gerichtsstand für Jnjnrien .

nach angehortem Berichte des Jnstiz- und Bolizeidepartements und nach Einsieht der Akten, woraus sieh ergeben .

1 . Jm März 1863 hat Herr Dr. Albert M ü l l er in Uznaeh, Kts.

St. Gallen, bei dem Vermittleramte der Stadt St. Gallen gegen den Rekursen ten eine Klage erhoben wegen schwerer Ehrenkränkung und Verleumdung durch die Presse (Tagblatt der Stadt St. Gallen), und verlangte gerichtliehe Satisfaktion unter Strafe und weitern gesezliehen Folgen.

Aus die bezüglichen Vorladungen hat indessen der Rekurrent die Zu-

ständigkeit der St. Gallischen Gerichte bestritten, weil die Jnsurien Zucht-

polizeivergehen seien , für welche ein Aargauer nach dem aargauisehen Gesez vom l.). Braehmonat t 822 vor dem zuständigen Gerichte des Kantons Aargau belangt werden müsse. Das Konkordat vom 7. Brachmonat 18l0, bestätigt den 9. Heumonat 1818, über gegenseitige Stellung der Fehlbaren in Zuchtpolizeifällen , sei mit der Bundesgesezgebung

Bundesblatt. Jahrg. XVI. Bd. l.

l6

182

^

nicht mehr vereinbar , übrigens sei der Danton Aargau demselben nicht beigetreten.

Dessen ungeachtet wurde der Rekurrent peremlorisch vorgeladen, und als er wieder nicht erschienen war, wurde am 28. April 1863 über das oben erwähnte Klagebegehren der Leitsehei.. an das Bezirksgericht St.

Gallen ausgefertigt.

2. Der Kläger, Herr l)r. Müller, machte jedoch von diesen.. ^eitsehein keinen Gebrauch , weil (wie er in der Reknrsbeautwort.ing sagt) Satissaktionsklagen , als ans eine personliche Leistung abzielend , am Wohnorte des Beklagten anzuheben seien. Er richtete daher seine .Klage auf Bestrafung des von Hrn. Br.^ner im Kanton St. Gallen verübten Vergehens der Verleumduug und Ehrenkränk..ng nach Massgabe des St.

Gallischen Strasges^buches. Der Beklagte wurde nun abermals wiederholt vor das Vermittleramt der .^tadt ^t. Gallen vorgeladen , allein er erschien abermals nicht, sondern protestarti gestü^t ans die bereits erwähnten Gründe , gegen die Kompetenz der St. Galler Gerichte.

3. Nachdem .iuch eine peremtorische Vorladung erfolglos geblieben, wurde am 29. Juni 1863 ein neuer ^eitschein an das Bezirksgericht St. Gallen e^pedirt ,,^ur gerichtlichen Verfolgung und Bestrafung des ,,sraglichen Vergehens , nach Anleitung des St. Gallischen ^trafgesez,,buches, mit den dessfallsigen gese^licheu ^olgen^.

Am 25.^ September 1863 kam diese Angelegenheit ..ur Verhandlung vor Bezirksgericht St. Gallen. Der Beklagte ist jedoch wieder nicht erschienen, und hat auch die ihm zugestellte Vrozesseiugabe des Klägers nicht beantwortet.

Das Gericht hat daher erkennt, es sei de... Beklagten zu dieser Beantwortung noch eine ^rist von 14 Tagen einzuräumen unter ^ludrohu..g de^ Kontuma^ialverfahrens und sei derselbe verpflichtet, die Geriehtskosten mit Fr. 15. .40, dem Kläger eine Entschädigung von Fr. 40 ^u bezahlen , sowie wegen des Nichterscheinens mit ^.r. 8 and wegen Unterlassung einer Gegeneingabe mit ^r. 1..) gebüßt.

^4. Mit Eingabe an den Bundesrath von. 4. November 18li3 hat Hr. Arnold Br..ner gegen dieses Verfahren Beschwerde erhoben u..^ die einstweilige Suspension des Versahrens bis zum Entscheide des Bundesrathes verlangt, welchem Gesuche der Bundesrath am ^ Rovember 18^3 entsprochen hat.

Ju der Hauptsache erwähnt Rel.nrrent . es handle sich l^ier uu..

Satissaktion sln. eine angeblid.e Jnjurie, also um eine personliche Klage, die nach ..^lrt. 50 der Bundesverfassung am Wohnorte des Beklagten an^uhe.ben sei. ...^er St. Gallische Richter sei also inkompetent, und alle seine Vorladungen, Versügungen und Bescheide seien i.^o jure nichtig.

Damit stimme a..eh die l..uudesre.htliche Brar.is ubereiu. (Ullmer Rr. 28^.^)

.l 83 Uebrigens habe der Danton Aargau in dieser Materie feine Territorialhoheit vorbehalten , indem er dem bezüglichen Konkordate nicht beigetreten fei.

.

Rekurrent schliesst mit dem Gesuche, die St. Gallischen Gerichte seien als inkompetent ^u erklären , und daher seien alle bis anhin von ihnen ausgegangenen Ladungen , Verfügungen und Bescheide als nichtig aufzuheben.

5. Hr. Müller hat diese Besehwerde unterm 20. Rovember 1863 dahin ^beantwortet : die Bundesversammlung habe entschieden, dass plagen auf strafrechtlichen Schuz der Ehre und die strafrechtliche Verfolgung und Beurtheilung des Vergehens der Verleumdung und Ehrenkrankung da angebracht werden konnen, wo die Jnjurie stattgefunden habe. Hier sei es in St. Gallen geschehen. Die frühere Satisfaktionsklage habe er fallen lassen. Die iezige Klage gehe auf strafrechtliche Verfolgung des Ver-

gehens. Rach Art. 4 des St. Gallischen Strasgesezbuches seien die St.

Gallischen Gerichte für alle Verbrechen und Vergehen kompetent, die auf dem Gebiete des Kantons ^verübt werden. Reknrrent sei daher ab^uweisen.

6. Die Regierung des Kantons St. Gallen, indem sie mit Schrei ben vom 5. Dezember 1863 die Antwort des Rekursbeklagten eingesendet, hat unter Hinweisung ans den Entscheid der Bundesversammlung in

Sachen Bise ^ ebensalls sür die Kompetenz der ..^t. Gallischen Gerichte sich ^ ausgesprochen , und sodann das Gesuch gestellt, dass künftig (wie es

auch früher geschehen sei) Besehwerden gegen das Einschreiten ^t. Gallischer Geriehtsbehorden direkt an sie zu... Beantwortung gelangen mochten, wobei es jeweilen selbstverständlich ihre .^aehe sein werde. die Beschwerden nach ihrem Gntfinden den Gerichtsstellen zu kommuniziren und die allsällig nothig erachtete Verantwortung des betreffenden Gerichtes von sieh aus einzuholen ,

in Erwägung .

l) dass die Gerichte des Kantons ..^t. Gallen berechtigt sind, die auf dem Gebiete dieses Kantons verübten Vergehen zu beurteilen und zn bestrafen .

....) dass gemäss dem Entscheide der Bundesversammung in Sachen Ale^ander Bise diese Regel auch für Strafklagen wegen Ehrverle^ungen massgebend ist,

b e s eh l o s s e n .

1.

Es sei die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

^ Siehe BundesbIatt v. ^. 18.^, Band III, Seite 257, 2.^ ^. 2.^5.

184

2. Sei der Rekuxrent gehalten, den Rekursbeklagten für die. durch gegenwärtigen Rekurs verursachten Dosten angemessen ^u entschädigen.

3. Sei dieser Bes^luss der Regierung des Antons St. Gallen Schanden des Rekursbeklagten und dem Rekurrenten mittheilen , beiderseits unter Rüksendung der Akten.

Also beschlossen, ... er n, den 18. Dezember 1863.

^m Ramen des schweif Bundesrathes, Der .^undespräsident:

^. Fornerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^^ie^.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesrathsbeschluss in Aachen des Rekurses des Hrn. Arnold Brauer in Zofingen, betreffend Gerichtsstand für Jnjurien. (Vom l 8. Dezember 1863.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1864

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

09

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.02.1864

Date Data Seite

181-184

Page Pagina Ref. No

10 004 349

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.