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Mehrheit der ständeräthlichen .kommission über den Rekurs der Wittwe genant, geb. Horlmay, in Würzburg, gegen den Bundesrathsbeschluß vom 27. Mai I. J. in Sache des Hrn. Alexander Favre , Baron von B u t t lar Brandenfels, in Cortaillod, .Sautons Neuenburg.

(Vom 2. September 1 864.)

Tit..

Es handelt sieh im vorliegenden Rekursfalle einzig und allein uni die Frage, ob Herr v. Buttlar, welkem unterm 5. März l. J. in Bern eine Vorladung vor das dortige Riehteramt. bestellt worden ist, damals wirklich noch seinen Wohnort im Sinne des Art. 50 der Vnndesversassung in Bern gehabt habe und daher sür eine personliehe Ansprache, beziehungsweise sür Aufnahme eines Beweises zu ewigem Gedächtnisse, vor dem bernisehen Riehter habe belangt wenden dürfen. Uni diese Frage beantworten zu konnen, wird eine gedrängte Darstellung der wesentlichen faktischen Momente, welche aus den uns vorgelegten Akten hervorgehen, um so unerlässlieher sein, als seit den Beschlüssen des Bundesrathes und des Nationalrathes neue Akten hinzngekon.men sind, die wir, bei dem gänzli.hen Mangel an formellen Vorschriften sür das Rekursversahren, von der Berücksichtigung nieht gänzlieh ausschließen zu konnen glaubten.

Herr Alexander v. Bnttlar wohnte unbestrittenermassen seit dem Jahr 1861 in Vern. Er hatte zwar nieht die Niederlassung genommen,

65^ aber ex besass eine Ausenthaltsbewilligung, hatte eine Stimmkarte erlangt und bewohnte ein Brivathaus an der Aarbergergasse. Es bescheinigt nun Herr Ouartieraufsel^r Wiegsam , Herr v. Buttlar habe ,,behnfs vorzunehmenden Domizilwechsels, am 1. März 1864 seineu Heimathschein auf dem Bureau der Stadtpolizei Bern erheben lassen und genannter Be.^ horde seine Aufenthaltsbewilligung, so wie Ausweisbescheiuiguug über die Stimmbereehtigung in den Versammlungen der Einwohnergemeinde der Stadt Bern zurückgestellt^. Ferner bezeugt der Führer der Wohnsitzegister, Herr Dietzi, dass Herr Wiegsam untern. 2. Mär^ die Ausweisschriften des Hrn. v. Burlar auf dem ^tadtpolizeibürean Bern erhoben habe, Bunter Angabe, derselbe begebe su.h nach Biel.^ Endlich bescheinigt der Bolizeivorsteher der Gemeinde Eortaillod, Herr Henr..^, es fei am 4. Mär^ der Heimathschein des Hrn. v. Buttlar bei ihm deponirt worden, mit der ,,im Ran. en des Hrn. Baron abgegebeneu Erklärung,^ dass er von nun an seinen Wohnsitz in der Gemeinde nehme, und ^war im Hause des Hrn. Karl Bürki, mit welchem am gleichen Tage ein Mietvertrag abgeschlossen wurde.

Die nationalräthliche Kommission, welche diesen Rekurs zu begutachten hatte, hat ans dem Wortlaute der Bescheinigung des ^oli^eivorstehers den Schluss geigen. Hr. v. Buttlar sei nicht selbst in Eortaillod gewesen , sondern habe sieh dort durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen ; diess hat Hrn. v. Bnltlax veranlagt, von Hrn. Henr... eine nachträgliche, erst vom l 2. August datirte Ertlärung sich ausstellen zu lassen, durch welche Letzterer wortlich Folgendes bezeugt : ^. ^ne le ^ M.^rs 186^ le citoveu Ch..r^s B..ir^y, propriétaire an ^eti^Cort^illod , .^ dépose entre mes mains ^u nom d.^ citoyen Alexandre de Bnttlar^ communier de Bo.idry, les p^.^iers de ce der^ nie^ en de.^la^nt que le citoyen de Bntll.^r prenait domicile ^n PetitCort^illod, d.^ns l.^ maison dn dit Bnrky.. on il av^ ^..ie un appari menl.

^.^ ^n'.^ cette meme d.^le le cuoyen de Buttl..r est en ellet venu à Cort^lod et que des^lors il .^ toujours en son domicile dans.

cette localité. ^ Wir wollten nicht unterlassen, diesen nachträglich eingegangenen Akt ^ur Keuntniss des h. Ständerathes zu bringen , gestehen aber , dass wir auf den zweiten Theil desselben keinen grossen Werth se^en konnen.

Denn da Hr. Bürki es war,
welcher die Ausweisschriften des Hrn. v.

Buttlar dem Vol^eivorsteher bestellte , so wusste .Letzterer wohl nicht in Folge eigener Wahrnehmung, sondern nur vermoge der Aussage des Hrn.

Bürki, dass Hr. v. Buttlar personlieh in Eortaillod erschienen sei, und was die Frage betrifft, ob derselbe seit dem 4. März immer sein Domieil in Eortaillod gehabt habe, so ist diess offenbar nicht so fast eine faktische als vielmehr eine Rechtssrage, welche die Bundesbehörden von si.h au....

zu prüfen haben.

660 Mag man nun aber auch als erwiesen annehmen, dass Hr. v. Buttlar ^m 4. März vorübergehend in Eortaillod steh befand, so steht doch als .Thatsa.he fest, dass er am 5. März wieder in Bern, und zwar in seiner bisherigen Vrivatwohnung sich aushielt , woselbst ihm der Unterweibel Schweizer eine vom Gerichtspräsidenten bewilligte Kuudmachnug und Vorladung des Hrn. Fürsprecher Dr. Emil Vogt, bevollmächtigten Anwaltes der Wittwe Denant^Horlmah, behändigte. Jn diesem Aktenstücke behauptete die Rotisikautin, Hr. v. Buttlar, der mit il,r verlobt gewesen, habe vou ihr Kapitalien im Werthe von nahezu 140,000 Gulden bezogen und in seinen Rutzen verwendet ; den Beweis zum ewigen Gedächtuisse für diese Thatsa.hen erklärte sie führen zu wollen durch Eides.^uschiebung an Hrn. v. Buttlar, so wie durch die von ihm geführten Ges.hästsbüeher. Ungesäl.r zw..i Stunden nachdem Hr. Schweizer dem Hrn. v. Buttlar die Vorladung zugestellt hatte, schickte Legerer den. Erstern eine schriftliche Anzeige , des Jnhaltes , ^ass er seit dem 1 . Mär^ sein Domieil nicht mel^r in Beru habe, sondern nur vorübergehend steh hier aushalte, um einer .^.tzung des Verwaltnngsrathes der eidgenosstsehen Bank beizuwohnen , und dass sein nunmehriges Domieil sich in ^Eortaillod, Kantons Reuenburg, befinde. Riehts desto weniger erschien am 11. März, als an dem .^nrch die Vorladung festgesetzten Tage, der Be.vollmächtige. der Witlwe tenant vor dem Gerichtspräsidenten vou Bern und verlaugte, dass dem ausgebliebenen Hrn. v. Buttlar ein neuer peremtorischer Termin angesät werde, a.estützt darauf, dass derselbe am 5. März uoch in Bern gewohnt un... erst am 9. sich von hier entfernt habe. Der Gerichtspräsident entsprach diesem Rechtsgesuche, obsck.on Hr.

Fürsprecher ^teck. Ramens des Hrn. v. Bnttlar, gegen die Kompetenz der berniseheu Gerichte, unter Vorweisung der Beseheinigungen von Hrn.

Wiegsam und Hrn. Heur...., so wie des Mietvertrages mit Hrn. Bürki, protestirt hatte. Roeh vor dem, auf den 30. März angesetzten peremtorisehen Termin wandte sieh nun Hr. v. Buttlar mit Rekursschrift von.

26. Mär^ an den Bundesrath und verlangte, es seien in dieser ^aehe die bernischeu Gerichte sür inkompetent zu erklären und es sei bis zur endgültigen Beurtheilung der ^orumsstreitigkeit dureh die Bundesbehordeu ..as in Bern eingeleitete Beweisverfahren
einzustellen. Dem letztern Be^ehren wurde von ...^eite des Bundesrathes sofort in der Weise entsprochen, dass er die Regierung von Beru zu Einstellung des weitern Vro^essver-

sahrens bis ^u erfolgtem buudesräthliehem entscheide einlud. Gleichwohl erkannte der Gerichtspräsident vou Bern unterm 30. Mär^ : das Ausbleiben des .^.rn. v. Buttlar im Termine werde ihm als Verweigerung

des Eidschwures über die ^ätze ausgelegt, hinsichtlich deren ihm laut der Vorladung vom 5. März der Eid zugeschoben worden sei.

Unterm 27. Mai l. J. erfolgte dann der Entscheid des Bundes-

xathes, dur.h welchen der Rekurs des Hrn. v. Buttlar begründet gefuuden und das vor Riehteramt Bern gegen ihn eingeleitete Bro^essversahren ausgehoben wurde. Wir übergehen hier die Motive desselben, weil der

661 Bes^hluss gedruek.. in Jhren Händen liegt. Herr Dr. Emil Vogt hat hieraus, Rameus der Wittwe tenant, unterm 5. Juli gegen den Entscheid des Bundesrathes an die Bundesversammlung rekurrirt, und der Rationalrath hat am 15. Jnli, entgegen dem Mehrheitsa.. trage seiner .kommission und mit geringer Mehrheit, Diesen Rekurs abgewiesen.

Wenden wir uns nun zur rechtlichen Erorteruug der Sache, so kann es zuvorderst keinem Zweifel unterliegen , dass für die Beurteilung der Gerichtstandssrage im vorliegenden ^alle der Art. 50 der Bundesversassung maßgebend ist. ^ie Bartheien gehen darüber einig, dass die Einl.eitung eines Beweisversahrens zum ewigen Gedächtnisse, wie solches, der Hauptfrage vorgängig, ^nach bernisehem Eivilprozesse zulässig ist, einer

^persönlichen Ansprache^ im Sinne des Art. 50 gleichzustellen ist und

daher uur am Wohnorte des Beklagten stattfinden. kann. Sie gehen ferner darüber einig , dass, wenn die Anständigkeit der bernisehen Gerichte für jenes Beweisversahren anerkannt wird, daraus no^.h keineswegs folgt, dass dieselben auch sur die Beurtheilung der gegenwärtig noch nicht gestellten ^orderu..gsklae.e kompetent seiu werden, sosern der Beklagte inzwischen seinen Wohnsi^ geändert hat. Endlich sind die Vartl.^eien anch d^rnber einverstanden, dass es nicht darauf ankomme, ob Hr. v. Buttlar an dem d..rch die Vorladung anberaumten Gerichtstage, dem 11. März, sondern nur daraus, ob er am Tage, als ihm die Vorladung bestellt und damit ^der Rechtsstreit anhängig gemacht wurde, seinen Wohnort in Bern gehabt habe und daher vor dem dortigen Richter nach Art. .^0 der Buudesverfassung hab.^ gesucht werden müssen. Wenn nun also klar vorliegt, dass, wie schon im Eingange angedeutet wurde, von der Beantwortung

dieser Frage einzig nnd allein der Entscheid unsers Rekurssalles abhängt,

so muss vor Allem aus festgestellt werden, dass Hr. v. Buttlar nach seiner eigenen Anschanuugsweise bis zum 1. März sein rechtliches ^on.ieil an keinem andern ^rte als in der Stadt Bern hatte, woselbst er wohnte, seine Geschäfte betrieb und sogar das politische ..^tiu.mreeht in kantonalen unt. kommunalen Angelegenheiten ausübte. ^ie oben bezeichnete ^rage redueirt sieh daher auf die folgende . .^ann den Tatsachen, welche sieh zwischen dem 1. und 5. März ereignet haben, die Bedeutung beigelegt werden , dass in Folge derselben Hr. v. Buttlar das rechtliche ^omieil, welches er unzweifelhaft früher in Bern besass, verloren hat ^ ^a ein bestehendes ^omieil jedenfalls als so lange fortdauernd an^ genommen werden mnss, bis der Erwerb eines neuen Domieils nachgewiesen ist, so fragt es sich vorerst, ob Hr. v. Buttlar bereits durch die Schritte, die er am 4. März in Eortaillod vorgenommen. ein rechtliches ^..omieil im .Danton Reuenburg er.r.orben habe. Und da diese Re^tsfrage so verschiedener Beantwortung sähig ist, dass hervorragende Juristen im Ration^lrath^ darüber geteilter Ansicht waren, so kann es zum Eutscheide derselben offenbar uicht geuugen, dass seither der Volizeivorsteher von Eortaillod ans Verlangen des Hrn. v. Buttlar mit wenigen Worten

^2 erklärt hat, Letzterer habe seit dem 4. März stetssort sein Domieil^ in dieser Gemeinde gehabt. Eben so wenig konnen wir die bei den Akten liegeude, vo^n 20. August datirte Erklärung des Justizdirektors des Kantons Reuenburg, Hrn. Staatsrathspräsidenten Biaget, über die Bedingungen, unter denen ein in den Kanton zurückkehrender Re^.enburger als in einer Gemeinde domieilirt angesehen werde, als unbedingt massgebend betrachten, sondern nur insoweit als sie mit Art. 53 des Code civ.l des Kantons ...^euenburg übereinstimmt. Diese Gesetzesstelle nun, welche wortlich gleich labtet mit Art. 103 des Code Napoleon und ihrem Ursprünge nach sogar aus die Bestimmungen des römischen Rechtes ^) sich ^urücksl.l.ren lässt,

^agt Folgendes :

^Le changement de domicile s'obera par le k.nt d'une habitation réelle dans un antre lien.. joint a l'iatontion d'y li^cr son principal établissement. ^ Es werden son.it zum Erwerbe eines neuen Domieils ^ w e i Bedingungen erfordert. e i n e r s e i t s die Thatsaehe, dass man wirklich an einem andern Orte als demjenigen des bisherigen Domieils w o h n e , a n d e r s e i t s die Absicht, an diesen neuen Ort den Mittelpunkt aller. Gesehäste und Rechtsverhältnisse zu verlegen, welche na.h Art. .^4 des neuenbuxgisehen Gesetzbuches bewiesen wird durch eine bei den Gemeindebehörden des bisherigen un^ des neuen Domieils abgegebene bestimmte Erklärung.

Das zweite Ersorderniss nnn ist im vorliegenden ^alle un^weifelhast vorhanden : Hr. v. Bultlar hat sowohl dem ^tadtpolizeibüreau in Bern, als auch den.. ^oli^eivorsteher iu Eortaillod, und zwar vor dem entscheidenden

^5. März, die. bestimmte Absicht eines Domieilweehsels erklärt. Diese Absicht wird auch fernerhin beurknndet durch den Mietvertrag,

den er

am 4. Mär^ mit Hrn. Karl Bürki in Betit-Eortaillod abgeschlossen hat.

^lber da nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes die blof.e Willensmeiuung, wenn sie auch noch so unzweideutig manifestirt worden ist, nicht genügt, sondern zu derselben noch das änssere, von Jedermann leieht erkennbare Faktum des W o h n e n s an einem neuen Orte sieh gesellen mnss, so srägt es sich, ob .^.r. v. Buttlar an. 5. März in Eortaillod bereits seine Wohnung gehabt habe. Wir glauben nieht, dass diess ernstlich behauptet werden konne. denn angenommen auch, es konne die uach^trägliehe Bescheinigung des Hrn.

Henri^ vom 12. August als ein genügender Beweis dasür angesehen werden , dass Hr. v. Bnttlar

am 4. März sich persönlich in Eortaillod eingesunden habe, so ist ein

derartiges erstes Erseheinen an einem Orte, von welchen. man sogleich an den bisherigen Wohnort zurückkehrt, noeh kein Wohnen an dem nenen Orte, letzteres ist erst dann vorhanden, wenn man si^ regelmäßig und b l e i b e n d am Orte seines neuen Domieils a u s h ä l t und deu ^itz seiner Gessaste dahin verlegt hat.

Hr. v. Buttlar war am 4. Mär^ in Eor^) ^ergl. Saoign^.^ System des heuligen rom. ....eeh.s ^IlI. .^8 sf.

^3 taillod , um .die uothigen V o r b e r e i t u n g e n zu seinem Domizilwechsel zu treffen, aber die wirkliche Translokation seiner Wohnung nach Eortaillod ersolgte erst am .). Mär^, da er sich bis ..u diesen. Tage noch in seiner bisherigen Wohnung an der Aarbergergasse m Bern aushielt.

Ob er durch eine ^i^ung des Verwaltungsrathes der eidgenossischen Bank oder durch irgend welche andere^ Gessaste daselbst zurückgehalten worden sei, berührt nns^eben so wenig, wie wir den Motiven nachgefragt haben, die ihn ^u den, bei den Polizeibehordeu iu Bern^ und Eortaillod gethanen Schritten veranlasst haben mogen.

Wir sind daher der Ansieht, Hr. v. Buttlar habe am 5. März noch keine ...habitation ^elle^ im .^inne des neueub.irgischen ^ese^es und daher auch uoeh nicht sein rechtliches Domieil in Eortaillod g e h a b t . Allein selbst wenn man annehmen will, Hr. v. Buttlar habe bereits durch die am 4. Mär.^ vorgenommenen Schritte ein Domieil im Danton .^euenburg erworben, so f o l g t d a r a n s noch k e i n e s w e g s , dass er am 5. März kein Domieil mehr in Bern hatte. .^Do^ miciluim ...... et kacto tr.^nskertnr^ non nuda cou.^sl.^.one^, sagt das komische Recht, welches gerade in dieser Materie .anch jel^t noch als allgemein anerkannte Autorität augerufen werden kann. Wenn daher auch Hr. v. Buttlar am 1. oder ..... M.ir.^ von der Polizeibehörde in Bern seine Ausweissehristen ^urnckverla..gt und ihr seine Absieht, die Stadt ^u .verlassen, kund gegeben, gleichwohl aber bis zum .). März in seiner bisherigen Wohnung sich abgehalten, also das äussere Faktum des Wohuens in der .^ladt Bern forlgese^t hat, so hatte er hier am 5. Mär., noch, selbst neben einem allfällig in l^ortaillod erlangten Domieil, einen ,,Wohno r t ^ im ^..iu..... des Art. ^l) der Bundesverfassung, vor dessen Riehter er belaugt werden musste. ....^en.. gerade das bernische Gese^ verlangt ..,ur Begründnng des ,,Wohnsi^es^ nicht mehr als den ordentlichen Aufent^alt einer .^erson an einem Orte un^ sieht dabei die, heutzutage allgemein anerkannte Möglichkeit eines d o p p e l t e n Domieils voraus. Es sehreibt nämlich das Eivilpro^ese^ vom Jahr 1847 in ^.11 ^ol^gendes vor. ,,^er Wohnsii^ einer ..^erson ist an dem Orte, wo sie ihren .ordentlichen Aufenthalt hat. ^ .- Personen , die mehrere Wohns^e in verschiedeuen ..^eriehtsbezirken haben,
sollen an demjenigen belangt werden, w o s i e sich zur Z e i t d e r A n b r i n g u n g d e r .^lage a u f h a l t e n . ^ Angenommen also, Hr. v. Buttlar habe am 5. Mär^, dem Tag...

der ^Anbringung der .^lage^ , neben dem faktisch beibehaltenen Domieil in Bern bereits ein neues Donnei.. in Eortaillod gehabt, so fragt es sich bloss noeh, au welchem der beiden ..^rte er damals ,,sich aufhielt^.

Niemand kann bestrebten , dass er au jenem Tage in Bern nnd nich.t in Eortaillod si.h befand, und zwar war sein Aufenthalt daselbst keineswegs eiu vorübergehender, sondern nur die unmittelbare ^ortse^ung eines dreijährigen Wohueus in der Stadt, selbst mit politischem .^timmrechte, somit im Sinne des Gestes ein ,, ordentlicher Ansenlhalt^. Der Erwerb

664 eines neuen Domieils in Eortaillod würde daher keineswegs ein rechtliches Hinderniss dagegen bilden, dass Hr. v. Bnttlar am 5. März noch vor dem bernischen Richter belangt werden konnte.

Wir müssen nun noch eine .^.eite der ^rage berühren, auf welche der Anwalt der Wittwe tenant ein grosses Gewicht zu legen steint, die wir aber bis dahin mit Stillschweigen übergangen haben. Hr. Dr. Bogt behauptet nämlich . Hr. v. Buttlar habe bloss durch die unwahre Vorgabe, dass er nach Biel übersiedle, seine Ausweiss.hristen von der bernisehen Stadtpolizei erwirkt, weil bei einem Wegzuge aus dem Kauton zuerst eine Publikation im Amtsblatt hatte erfolgen müssen, es müsse daher diese hi lrandem le^is verübte Handlung als rechtlich unwirksam angesehen werden.^ Wir konnen nun aber die Thatsaehe, dass jene An-

gabe allerdings nicht mit der wirkliehen Absieht des Hrn. v. Buttlar

übereinstimmte, nicht als erheblieh betrachten sür die Rechtslage, um die

es sich handelt; denn die Stadtpolizei Bern hat zu den Akten beseheinigt,

dass sie .,naeh Massgabe regierungsräthlicher .Verordnungen die Publikation im Amtsblatte über vorhabende Verlassung des Kantons nur von in der Gemeinde niedergelassenen Bersonen verlangt, nieht aber vou solchen Bersoneu, die nur als Ausentl..alter eingesehrieben waren^. - Anders gestaltet sich freilieh die Sache, wenn man die Frage der Gesetzesumgehung von einem allgemeinern Standpunkte aus aussasst und in Erwägung zieht, ob überhaupt der Art. 50 der Bundesverfassung so auszulegen und anzuwenden sei, dass er der offenkundigen Abs.cht, der Gesetzgebung eines Kantons durch einen mehr fiktiven als wirklichen Domizilwechsel zu entgehen , Vorschub leisten würde. Der Art. 50 enthält in seinem ersten ......heile, der sür uns allein in Betracht kommt, nnr einen Grundsatz, der schon in den ältesten eidgenossisehen Bünden ausgesprochen ist, den Grnndsa^ nämlieh, dass Jedermann vor seinem natürlichen Ritter belangt werden solle. Rnn ist aber klar, dass, wenn man mit einer blossen Willenserklärung alle die umfassenden Rechte, welche das Domieil in einem Kanton mit sieh bringt, erwerben kann, gerade oft der ..^all eintreten wird, dass man seinem naturliehen Richter. d. h. demjenigen des wirkliehen Wohnsitzes sich entzieht. Man denke nur z. B. an den Fall, dass in einem Kanton, naeh dessen Gesetzgebung zwar das uneheliche Kind der Mnlter solgt, der .Schwangerer aber sür Alimente belangt werden kann , Jemand mit einer derartigen Klage bedroht wird ; wird er dann nieht sür angemessen erachten, vor der Einleitung derselben noch in aller Eile dureh blosse Einsehreibung Domieil zu nehmen in einen.. andern Kanton, welcher dem bequemen Grundsatze huldigt: ^ rechercl.e de la p...term..é es^ iu..erdi^^ Der Mehrheitsberieht der nationalr..tl..lichen Kommission macht ge^iss mit vollem Rechte ausmerksam aus die grossen Uebelstände und Verwicklungen, welehe daraus entstehen müssen, wenn man es mit dem Domizilwechsel allzuleicht nimmt. Was hilft es .^. B. dem Gläubiger, wenn man ihn anweist, seinen säumigen Schuldner an einem Orte zu betreiben, wo .Letzterer zwar als Domieilirter einge-

665 schrieben ist, jedoch weder seine Verson noch irgend welche Sachen von ihm sich vorfinden^ Und doch hatte es sich gewiss gan^ so verhaften, wenn Jemand am 5. März eine Geldforderung an Hrn. v. Buttlar in Eortaillod hätte geltend machen wollen .

Rach allem Gesagten konnen wir nicht finden, dass die am 5. Mär^ l. J. dem Hrn. v. Buttlar bestellte Vorladuug vor das Richteramt Bern, beziehungsweise das Dekret dieses letztern vom 11. Mär^, eine Verletzung des Art. 50 der Bundesverfassung enthalte, welche das Einsehreiten der Bundesbebehordeu rechtfertigen würde. Wir finden daher den Beschluß

des Bundesrathes vom 27. Mai nicht hinlänglich begründet und konnen

daher nicht anders sehliessen als mit dem Antrage. es sei d e r s e l b e , e n t s p r e c h e u d dem R e k u r s e d e r W i t t w e G e n a n t , auf^uheben.

Mit

vollkommener Hochachtung.

Bern, den 2. September 1864. .

Der Berichterstatter: ^

l^. ^. ^. Plumer.

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1864

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39

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.09.1864

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658-665

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