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Vertrag zwischen

der schweiz. Eidgenossenschaft und dent Großherzogthum Baden über gegenseitige Auflieferung von Verbrechern.

(Vom

29. Weinmonat 1864.)

Der schweizerische Bundesrath und

Seine königliche Hoheit der

Grossherzog

von

Baden .

in der Absieht, gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der schweizerischen Eidgeuossenschast und dem Grossherzogthum i.. mogliehft unpassender Weise eintreten zu lassen , haben zn.u Zweke einer Revision des uuterm 30. August 1808 über Auslieferung von Verbrechern zwischen beiden Staaten abgeschlossenen Vertrages Bevollmächtigte ernannt, und zwar : D e r s eh w e i z e r i s eh e B u n d e s r a t h :

den Herrn Joseph Martin K n ü s e l . Mitglied des Bundesrathes, Vor..

stand des eidgenössischen Justiz- und Volizeidepartements, und SeineKoniglieheHoheit der Grossherzog von Baden: Hoehstihren Ministerresidenten bei .der schweizerischen Eidgenossenschaft, Kan.merherrn und Legationsrath Ferdinand v o n D u seh, welche nach Auswechslung ihrer, in gehöriger Form befundenen Vollmaehten über nachstehende Bestimmungen übereingekommen sind:

Artikel 1.

Die schweizerische Eidgenossenschaft und die Grossherzoglich Badische Regierung verpflichten sich .durch gegenwärtigen Vertrag, sieh gegenseitig alle Jndividuen, mit Ausnahme der eigenen Staatsangehorigen, auszuliesern, welche wegen eines der im Artikel 2 aufgezählten Verbrechen von

217 den zuständigen Behorden des einen Staates in Untersuchung gezogen oder verurteilt worden sind und sich in den andern Staat geflüchtet haben.

Art.

2.

Die Verbrechen, wegen deren die Auslieferung gegenseitig zugestanden

wird, sind :

1) Mord, mit Jnbegriff des Kindsmords.

2) Todschlag.

3) Vergiftung.

4) 5^ l..)

7) 8)

Schwere Korperverlezung.

Abtreibung der Leibesfrucht, Kindesanssezung.

Rothzueht, Blutschande und andere Verbrechen der Unzucht.

Brandstiftung.

Fälschung von öffentlichen , Handels - oder Vrivaturkunden , die Fälschung von Banknoten und Vapiergeld inbegrisfen.

9) Fälschung oder Verfälschung von Münzen.

10) Wissentliches Ausgeben falscher Münzen oder Banknoten oder falschen Papiergeldes im Einverständniss mit dem Fälscher oder Verfälscher.

1 l) Betrug mit Einschluss des betrüblichen Bankrotts (boshafteZahlungsTüchtigkeit).

12) Raub, Erpressung, Diebstahl.

13) Unterschlagung, verübt von öffentlichen Beamten, Vormündern, Kuratoren, Verwaltern, Brivatrech.iungssührern oder sonstigen Bediensteten.

.. 14) Beschädigung fremden Eigentums, insbesondere an Eisenbahnen und Telegraphen.

15) Meineid, falsches Zeugniss, falsche Anklage in Bezug anf die im vorliegenden Artikel bezeichnete^ Verbrechen.

Art. 3.

Gleichzeitig mit dem Anzuliefernden sollen alle in dessen Besiz gefnndenen , entwendeten oder zum Beweise des Verbrechens dienenden Gegenstände übergeben werden. Ebenso sollen alle derartigen Gegenstände ausgeliefert werden, wenn der Verbrecher dieselben in dem Lande, wohin er sieh geflüchtet hat ,^ verborgen^ oder hinterlegt hatte, und solche später aufgefunden werden.

Vorbehalten bleiben die Rechte dritter, au dem Verbrechen^ unbetheiligter .Personen aus die vorerwähnten Gegenstände, welche ihnen nach gemachtem Gebrauche kostensrei zurükzuftellen sind.

Art. 4.

Die Auslieferung kann verweigert werden, wenn seit Begehung der zur Last gelegten That , seit der lezten Untersnchungshandlung oder seit der Verurteilung eine Versährnng der Anklage oder der Strafe nach den Gesezen desjenigen Landes eingetreten ist, in welches der Angeschuldigte sich geflüchtet hat.

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Art. 5. ^.

^

Das Auslieferu..gsbegehren ist unstatthast, wenn es sieh ans dieselben Verbrechen gründet, wegen welcher der Auszuliefernde in dem Lande, wohin er sich aeflüchtet hat , gerichtlich verfolgt. wurde oder noch ver-

.folgt wird. .

Wenn die Verson, deren Auslieserung begehrt wird, in den. Lande, wohin sie sich geflüchtet hat, bereits wegen eines eben daselbst begangenen Verbrechens oder Vergehens in Untersuchung gezogen oder verurtheilt ist,

so wird die Auslieferung so lange ausgesezt , bis dieselbe rechtskräftig

freigesprochen ist oder die ausgesprochene Strase erstanden

hat.

Jst die Verson weg.^n Schulden oder sonstiger zivilreehtlicher Verbindlichkeiten perhastet, so findet die Auslieserung erst nach aufgehobenem Sehuldarreste statt.

Art. 6.

^

^.

.^

Wenn der .Angeschuldigte oder Verurtheilte nicht Angehöriger des Staates ist, welcher seine Auslieferung begehrt, so steht es der ange^prochenen Regierung frei, vorerst allfällige Einwendungen gegen die Auslieferung Seitens der Landesregierung des betreffenden Jndividuums anzuhoren.

Es bleibt dem uni die Auslieferung angefangenen Staate freigestellt, ^den Angeschuldigten zur Aburtheilnng an die Regierung desjenigen Landes auszuliefern, in welchem das Verbrechen verübt wurde, oder aber an seine Heimatsregierung, sofern diese die Verpflichtung übernimmt, denselben vor Gericht zu stellen.

Art. 7.^ Die politischen Verbrechen und Vergehen sind von der gegenwärtigen Uebereintu..ft aufgenommen. Es ist ausdrütlich seftgesezt, dass ein J..dipiduum, dessen Auslieferung gewährt worden ist, in keinem ^alle wegen eines vor seiner Auslieserung begangenen politischen Vergehens, noch wegen irgend einer mit einem solchen Vergehen in Verbindung stehenden Hand^lung, no.h wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das in der gegenwärtigen Uebereinknnft nicht vorgesehen ist, verfolgt oder bestrast werden darf.

Art. 8.

Jn denselben Fällen , wo der eine ^taat berechtigt ist , die AusLieferung eines Angeschuldigten zu fordern, ist er aneh verbunden, die ihm von dem andern .Staate angebotene Auslieserung anzunehmen.

Art.

9.

Zur Begründung jedes Anslieferungsbegehrens ist die Beibringung eines ..^erhastsbefehls oder einer andern gleich wirksamen, nael., den ge^ sezliehen Formen des die Auslieferung begehrenden Staates ausgestellten ^.Urkunde nothig, welche die wesentlichen Thatsaehen, aus denen die Ausehnldiguug beruht, die Ratur und Schwere des Verbrechens und die daraus anwendbare Strafbestimmuug bezeichnet.

2^ Die Frage, ob nach diesen Mittheilungen der Thatbestand des .....ebezeichneten Verbrechens vorliegt, ist u.^h den gesezen des um die ...lusliefernng angegangenen Staates zu beurteilen.

Art. 10.

Es bleibt jedem Theile unbenommen, die Stellnng von Ausliefe...

rungsbegehren aus den diplomatischen Weg zu ver.veisen. Jedoch .soll immerhin aus direktes Verlangen der zuständigen Behorde der Verfolgte einstweilen in .Verhast genommen werden; derselbe ist aber wieder srei...

zulassen, wenn nicht binnen vier Wochen ein sormliehes Auslieserungsbegehren einkommt und eine demselben entsprechende Versügung dem Verhasteten erossnet wird.

Art. 1l.

Jeder der beiden Staaten übernimmt in Beziehung auf diejenigen Personen, deren .Auslieferung von ihm zugestanden wird, die Kosten ihrer Verhaftung, ihrer Gesangenhaltnug und ihres Transportes an die Grande.

Wenn im Falle des vorigen Artikels die Auslieferung nicht nachgesucht oder nieht bewilligt wird, so hat der Staat, dessen Behorde di.: einstweilige Verhaftung veranlasst hat, die Kosten zu ersehen.

Art. 12.

Wenn im Lause eines Strafverfahrens die zuständige Behorde eine^ der beiden Staaten die Abhor von Zengen, welche in dem andern wohnen, oder die Vornahme einer ähnlichen Untersuchungshandluug für nothi^ erachtet, so soll dieselbe aus unmittelbares Ersuchen dieser Behorde von der zuständigen Behorde des andern ...Staates ungesäumt vorgenommen und das Protokoll der ersuchenden Behorde übersendet werden.

Solchen Zeugen ist übrigens unbenommen, von dem ihnen nach den Gesezen ihres Landes zustehenden Rechte zur Ablehnung des Zeugnisses Gebrauch zu machen.

Eine Ablehnung des Ersuchens hat dann Statt zu finden, wenn die Untersuchung gegen einen noch nicht von der ersuchenden Behorde verhafteten Angehörigen des andern Staates gerichtet ist, oder die Anschuldigung der bereits verhasteten Verson eine That betrifft, welche nach den Gesten dieses Staates nieht gerichtlieh strasbar ist.

Beide Regierungen verzichten auf Ersaz der Kosten, welche durch den Vollzug derartiger Ersuchen entstehen.

Art. 13.

Jst in einem Strasversahren das personliche Erscheinen eines Zengen vor der zuständigen Behorde des andern Staates nolhwendig , so wir^ ihm die Vorladung ^auf dem üblicheu Wege mit dem Bemerken zugestellt, dass ihm freistehe, derselben Folge zu gebeu oder nieht.

Die Zustellung der Vorladung unterbleibt, wenn der im Absaz .^

des vorigen Artikels bezeichnete Fall vorliegt.

Erscheint der Zeuge vor der Behorde des anderen Staates, so darf er weder an dem Orte seiner Vernehmung, noch während seiner Hin-

^20 ..ind Rükreise festgenommen, noeh sonst in seinen Rechten beeinträchtigt werden, es sei denn, dass er als Mitschuldiger erkannt, oder dass er wäh^.

.rend seines Aufenthalts im fremden Lande ein Verbrechen begehen und .auf osfener That ergrisfen würde. Jn diesen Fällen wäre derselbe an die .zuständige Behor.^e seines Landes zu liefern, um vor seinen ordentliehen Richter gestellt zu werden.

Dem Zengen werden die Kosten der Reise und des Aufenthalts naeh den Bestimmungen des Landes, in welchem er seine Erklärung abzugeben ^atte, vergütet, und aus Verlangen zu einen.. verhältnissmässigen Theile .vorgeschossen.

.

Art. l4.

Die Behorden beider Staaten werden sieh gegenseitig, den im Art. 12, ^l.bsa^ 3 bezeichneten ^all ausgenommen, alle zu gerichtliehen Zweien erforderlichen Untersuchungsakten mittheilen.

Art. 15.

Der gegenwärtige Vertrag ist aus 10 Jahre abgeschlossen.

Findet seehs Monate vor Ablauf dieser ^rist keine Auskündigung ^on Seite eines ^ der kontrahirenden Theile statt, so wird der Vertrag für so lange als stillschweigend verlängert angenommen, als nicht eine Auskündigung erfolgt, in welchem ^alle dann die Giltigkeit des Vertrags nach sechs Monaten, vom Knndigungstage an, erlischt.

Art. 1l^.

Dieser Vertrag soll von beiden Theilen der Ho.hsten Genehmigung .unterstellt und es sollen die Ratifikationen innerhalb drei Monaten, vom Tage der Unterzeichnung an oder frnher , wenn moglieh , ausgewechselt ..werden.

Art. 17.

Mit dem Voll^uge dieses Vertrages treten die Bestimmungen des ^m 30. August 1^0^ ..wisehen der schweizerischen Eidgenosse^nsehast und ^e^u Grossh..r^tl^.m Baden wegen gegenseitiger Auslieferung der Verfrecher abgeschlossenen ^taatsoertrages ausser Kraft.

D e s s e n ^ur Urkunde h.^ben die beiderseitigen Bevollmächtigten ^en vorstehenden Vertrag in ^oei gleichlautenden Ausfertigungen unter Beidrük.mg ihrer Siegel unterzeichnet.

Be.xn, den 29. Weinmonat l 864.

Der Bevollmächtigte sür die Schweiz : .

( L . ^.^

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)

^. ^^^^

Der Bevollmächtigte ^

^L.

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^

für Baden.

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^. ^.

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Vertrag zwischen der Schweiz. Eidgenossenschaft und dent Großherzogthum Baden über gegenseitige Auflieferung von Verbrechern. (Vom 29. Weinmonat 1864.)

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1864

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10.12.1864

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216-220

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