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Bundesrathsbeschluß in

Aachen

des Rekurses de.... Hrn. Alexander Favre, Baron

von Buttlar-Brandenfels, in Cortaillod, Kantons Neuenburg, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 27. Mai 1864.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h

^

hat in Sachen des Hrn. Alexander Favre, Baron von B u t t l a r Branden s e l s , in Eortaillod , Kts Reuenburg, betreffend Gerichtsstand ; nach angehortem Berichte des Justiz- und Bolizeidepartements und nach Einsicht der Ulkten, woraus sichergeben: 1. Reknrrent war in Bern wohnhaft. Der Hr. Quartieraufseher Wiegsam bezeugt aber, derselbe habe am 1. März 1864 behuss Domizilwechsels seinen Heimatschein auf dem Büreau der Stadtpolizei erheben lassen, und seine Aufenthaltsbewilligung, sowie die Stimmkarte, zurük-

gestellt.

,

Der Führer des Wohnsizregisters der Stadt Bern

bezeugt unterm

28. März 1864, Hr. Fürsprech Steck sei es, der am 2. März die Aus-

weissehristen des Hrn. v. Bnttlar erhoben habe, unter Angabe, derselbe begebe sieh nach Biel.

2. Am 4. März 1864 ist laut Zengmss des Bolizeivorstehers (Préposé a la Police) von Eortaillod, der Heimatsehein des Hrn. von

243 Bnttlar bei ihm deponirt und in s e i n e m ..^amen erklärt worden, dass er von ^enem Tage an in dieser Ortschaft .Domizil nehme. Am gleichen Tage hat.^er auch daselbst eine Wohnung gemiethet.

3. Am 5. März 1864 ist dagegen dem Hrn. v. Buttlar in seiner Wohnung an der Aarbergergasse zu Bern eine von Hrn. Fürsprecher Dr. Emil Vogt am 2. März ei.pedirte und von den. Hrn. Geriehtspräsidenten bewilligte Kundmachung und Vorladung der amtlich insinuirt worden. wodurch ihn lettere auf den

1l. März 1864 in die Zivilaudien., des Richteramtes Bern personlich

vorladet,

um über die Beweisführung zu ewigem Gedäehtniss, betreffend

die Ablieferung von Werthschriften im Betrage von über 140,000 sl.

(Gulden) von Seite der Jmpetrantin an den Jmpetraten zu verhandeln.

Hr. Unterweibel Schweizer, der die Jnsinuation dieser Kundmachung besorgte, beengt am gleichen 5. Mär.^ 1864, dass zirka zwei Stunden nach dieser Verrichtung ihm eine schriftliche Mittheilung ^es Hrn. von Bnttlar Angekommen, sei, dahin lautend: ^ ^.le prie Monsieur l'humer ^ch^ei^er de mentionner dans s^n ^erlilical d^nsiunation que des le premier Mars éboule mon domicile ^est plus a Berne et que je ne suis qu'eu p...ssa^e ici pour assiste...

^a 1a reunion du conseil d'Administration de la Banque federale.^ .--.

^Mou domicile est a .^ortaillod, C^ntou de Neucl^atel.^ 4. Nachdem Hr. ^ürspreehex ^teck, Samens des Hrn. v. Buttlar,

am 10. Mär.. schriftlich gegen die Kompetenz des bernisehen Richters

protestirt hatte, ist er zwar am l 1 . März in der Audienz erschienen, hat sich aber auf die Bemerkung beschränkt, dass Hr. v. Buttlar keinen Wohnsiz in Bern habe und dann sieh zurükgezogeu.

...^er Richter zog hieraus in Betracht, dass, da die von der Jmpetrautin dasür angeführten Thatsachen , dass .^r. v. Buttlar sein gesezli.hes Domizil iu^Bern bis den ..... Mär^ beibehalten habe, nicht ver^ neiut worden seien, so müssen sie als zugestanden betrachtet werden, und

dass übrigens ihre Behauptung, .^.r. v. Bnttlar habe. bei der Mitthei^

lung .^er Vorladung noch sein gese^liches Domizil in Bern gehabt, be-.

stä.tigt sei dureh seine eigenen Angaben, wonach er bis znm Anfang des Monats in ^Bern domi^ilirt gen.esen sei, und durch die Thatsaehe, dass der Weibel ihm personlich in der Wohnung, die er früher inne gehabt, habe vorladen konnen, - und dann erkennt : Herr von Buttlar habe der Vorladerin die Tageskoften mit 53 Fr.

zu befahlen und Mittwoch den 3l). März zur Eidesverhandlung persönlich

zu erscheineu. ansonst sein nochmaliges Ausbleibeu als Verweigerung de....

Eidschwures ausgelegt werde ; auch sei er unter Androhung der gesezlichen Folgen angewiesen, die in seinen Händen befindliehen Urkunden zu ediren.

244 5. Jn diesem Stadium hat Hr. Fürsprecher Steck gegen die Kom-

^etenz des bernischen Richters mit Eingabe vom 26. M.irz l 864 bei dem Bundesrathe Beschwerde erhoben, und namentlich auch die provisorische Suspension des Verfahrens nachgesucht.

Der Bundesrath hat hieraus am 29. März 1864 beschlossen, es fei diese Beschwerde der Regierung von Bern nntzntheilen zur Beant^..or^nng durch die Reknrsbeklagte und durch das Richteramt Bern ; hiemit wurde noch die Einladung verbunden, dass das weitere Vrozessverfahren bis zum Vierseitigen Entscheide sistirt werden mochte.

Aus .Antrag des Advokaten der ^orlal^erin hat jedoch der GerichtsPräsident von Bern am Termine vom 30. März 1^864, gestüzt ans ^ 50 der Verfassung des Kantons Bern und aus ^ 18l und ....3 des ^ivilprofesses aus diese ^istiru..g keine Rüksicht genommen, sondern ^en Rechtsxnf gegen den Reknrrenten gestattet, und da weder er, noch ^Jemand in seinem Ramen erschienen war, so wurde eontumaeialiier ^enrtheilt, das Ausbleiben des Hrn. ^v. Buttlar werde als Verweigerung des Eidsehwurs über die Säze ausgelegt, über welche ihm laut Kundmachung mit Vorladung vom 2^5. Mär^. 18^4 der Eid zugeschoben worden sei. ^ant Protokoll enthalten diese Säze diejenigen Thatsaehen, ans welche ^rau Genant ihre ^or.^eruug an Hrn. v. Bnttlar basirt.

6. Reknrrent stellte in seiner Reknrssehrist vom 26. März folgenden Hauptautrag . er sei nicht schuldig, ans das von Hrn. l)r. Emil ^ogt Ramens der Frau Genant mittelst Ladung, insinuirt am 5. Mär^ 1864, eingeleitete Beweisversahren vor den bernischen Gerichten ssch einzulassen und es seien demgemäß die Versügnngen des Gerichtspräsidenten von Bern vom 11. März als unverbindlich zu erklären.

Zur Begründung wird vorgetragen : .^.r. v. Buttlar habe bloss bis 1. Mär^ seinen Wohnsi^ in Bern gehabt und am 4. März einen solehen in Eortaillod gewählt.

.^lm ^.). März sei er nur vorübergehend in Bern gewesen , uni am ^. gl. Mts. dem Ver^altungsrathe der eidg.

Bank bei^uu.ohneu. Die Vorladung vom ^. Mär.^ vor den bernischen Richter sei ungultig, denn das von der ^ran Deuant eingeleitete Beweis^ versahren sei darauf gerichtet, zwischen ihr und Hrn. v. Buttlar einen Forderungspro^ess, der jezt noch nicht bestehe, zu ermöglichen , diese anti. zipirte Beweisführung müsse aber am Wohnorte des.^Beklagten stattfinden (Art. 50 der Bundesverfassung). Die Behauptung, der Domizilwechsel habe ni fr...udem le^is stattgesm.den, sei unerheblich. die Thatsache, nicht

die Beweggründe entscheiden hier. Ebenso sei es gleichgültig, dass der Domizilwechsel in die Zeit falle, da Hr. Dr. E. Vogt überall erzählt

habe, er wolle den Hrn. von Buttlar schwören lassen und alsdann eine .^lage wegen Meineids gegen ihn. einleiten. Uebrigens verhehle Reknrreut nicht, dass ihm in dieser Saehe das nbthige Zutrauen in die bernisehen Geriehte benommen worden sei, wosür er verschiedene Vorgänge anführt und noch weitern Beweis sieh vorbehält.

24^ 7. Hr. Dr. Emil Vogt ^hat Samens der Frau tenant diese B.^ ^werde mit Memorial vom 18. April 1864 dahin beantwortet: Hr. v. Buttlar habe noch am 5. März sein Domizil in Bern gehabt. Es sei gleichgültig, wenn er auch noch einen zweiten Wohnsiz in Eortaillod gewählt hätte, denn es sei Grundsaz, dass das frühere Domizii a^s sortdauernd betrachtet werden müsse, bis das Aufgeben desselben nachgewiesen sei. Hier sei nun aber gerade positiv das Fortbestehen des.

frühern Domizils bewiesen. Einerseits habe Hr. v. Bnttlar immer noch personlich in Bern, in seiner alten Wohnung sich befunden, nnd sei nie.

fortgewesen. er habe gar nicht gewusst, dass er sein Domizil verändert ^habe, da die Kundmachung und Vorladung ohne Einwendung von ihm entgegen genommen worden sei, wofür auch spreche, dass nicht er selbst seine Rapiere in Eortaillod deponirt habe, sondern Jemand anders, angeblich in seinem Ramen. Ferner habe Hr. v. Bnttlar als Rentier und Mitglied des Verwaltnngsrathes der eidg. Bank sein Hauptgeschäft in Bern. Endlich habe durch die Wegnahme der Bapiere in Bern ein Aufgeben dieses Domizils darum nicht bewirkt werden konuen , weil sie nur dnrch eine Täuschung moglieh geworden sei. Rur weil dolose vorgegeben worden sei, Hr. v. Buttlar gehe nach Biel, seien die Bapiere ausl^ingegeben worden, während, wenn gesagt worden wäre, er verlasse den Kanton, dieselben nach bestehenden Verordnungen von 1838 und 185^ nicht verabreicht worden wären, ohne vorherige Publikation dieser Absieht im^Amtsblatte und ohne die nach Ablauf der Frist hierüber bei^ubringend^ Bescheinigung. Durch Umgehung dieser in der Kantonalkompeteuz stehenden Formalitäten habe Hr. v. Buttlar nieht in den rechtlichen Besiz seiner Le^gitimationspapiere gelangen konnen.

Uebrigens würden die Bundesbehorden nur dann eingreifen konnen,.

wenn hier eine Verlegung des Art. 50 der Bundesverfassung vorläge ; allein es konne noch nicht behauptet werden, dass es sieh hier um eine^ personliehe Ansprache handle. Es sollen bloss Thatsaehen konstatirt werden; ein Klagpetitum sei aber noch gar nicht formulirt. Raeh ^ 1 8 1 des bernischen Zivilprozesses dürse eine Beweisführung zum ewigen Ge. däehtnisse durch Riehts unterbrochen werden.

, Auf die blosse Einladung des Bundesrathes vom 29. März habe^

eine Suspension des Versahrens um so weniger stattfinden konnen , al^ nach ^ 50 der Kantonalverfafsung die Regierung in die Rechtspflege st^ nicht mischen dürfe.

Es wird auf Abweisung der Beschwerde angetragen.

8. Der Herr Gerichtspräsident von Bern erklärt in seinem Bericht^ an den Appellations- und Eassationshof des Kantons Bern vom 4. M..i 1864, dass er sich den Gegenbemerkungen des Hrn. Dr. Vogt anschliesse, und übe.: die Ausfälle .des Rekurrenten gegen die bernischen Gerichtsbehorden weggehe, da derselbe die binnen 14 Tagen in Aussicht gestellten Ausführungen und Beweise nicht beigebracht habe.

^246 Die Regierung des Kantons Bern, indem sie mit Schreiben vom 18. Mai die bereits erwähnten Beantwortungen übermachte, bemerkte, ^dass auch der Appellations- nnd Eassationshof verachtet habe, z...r Zeit ^us die Aussälle des Rekurrenten einzutreten.

Jn Erwägung.

1)

Der ausreehtstehende schweizerische Schuldner, welcher einen sesten Wohufiz hat, muss nach Art. ^0 der Bnndesversassnng sür personliche Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes gesucht werden;

^2) die Forderungen, welche ^rau Denant gegen den Rekurreuten auf gerichtlichem Wege geltend machen will, sind laut Jnhalt der amtlichen Kundmachung und Vorladung und der stattgehabten geriehtliehen Verhandlungen unzweifelhaft personlieher Ratur, .

..3) die Einrede, es sei die Zivilklage gegen den Rekurrenteu noeh nicht angehoben, ist nicht stichl^altend, .oeil das Beweisversahren zum ewigen Gedächtniß gerade den Z.oek hat, die Thatsachen gerichtlich festzustellen, auf welche gestuft die Forderung im Hauptprozess gelte..d gemacht werden will, n^as aber nur vor einem Richter gestehen kann, dem der Beklagte unterworsen ist; .4)

ebenso unrichtig ist die .Ansicht, es sei der Bundesrath allfällig befugt, ein von einem inkompetenten Richter erlassenes Urtheil zu kassiren , nieht aber während der Bro.^essverhaudluugeu einzusehreiteu , weil sonst der Art. .^0 der Bundesversassnng sein.en Werth, die Bestimnu.ng des Gerichtsstandes, geradezu verlieren würde, wenn der Beklagte angehalten werden konnte, zuerst den .^rozess vor einem in Sachen nicht zuständigen Richter durchzuführen.

^5) es hängt also Alles von der Frage ab, wo Rekurrent ^nr Zeit der

Anhängigmaehuug des Prozesses seinen wirkliehen Wohnsiz gehabt

habe, weil daran an.h .^er Gerichtsstand si.h knüpft, dem er sieh zu unterziehen hat; ...^ wenn von zwei behaupteten Wohnsizen der eigentliche und richtige zu ermitteln ist. so muss angenommen werden, das früher anerkannte Dom^il danre so lange sort, bis der Uebergang desselben aus eine andere Ortschast erwiesen ist, wozu aber eine Erklärung,

die mit der Wirklichkeit im Widerspreche stünde, oder die bloss momentane Anwürde ,

7)

oder Abwesenheit an einem Orte, nichf genügen

es ist nun aber feststehende Thatsache, dass Hr. v. Buttlar in den ersten Tagen des März in der bestimmt ausgesprochene^ Absieht sein Domizil zu ändern, die Riederlassungssehriften in Bern enthob, und dieselben in Eortaillod, Kts. Renenbnrg, deponirte, wo er gleichzeitig eine Wohnung miethete; ^

^) die Erwerbung dieses spätern und das Aufgeben des frühern Domi-

247 ^ils ges.hah, ehe dem Hrn. v. Buttlar die rechtliche Kundmachung und Vorladung vor das Riehteramt Bern ^gestellt wurde, bevor also eine Litispendenz vorhanden war, welche ihn dem bernischen Richter unterworfen hatte, geg^. dessen Zuständigkeit er auch sofort . Einsprache erhob, beschlossen: 1. Es sei der Reknrs begründet und das vor Richteramt Bern ^egen Hrn. v.^ Buttlar eingeleitete Bro^essversahren ausgeholten.

2. Se. dieser Bes..hluss der Regierung des Kantons Bern zu.handen des dortigen Richteramtes nnd des Reknrsbeklagten, so. wie dem Rekurrenten mitzutheilen, unter Rüksendung der Akten.

Also beschlossen, Bern, den 27. Mai 1864.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespr.isident:

^. ^. Dnbs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft.

^ie^.

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Bundesrathsbeschluß in Aachen des Rekurses des Hrn. Alexander Favre, Baron von Buttlar-Brandenfels, in Cortaillod, Kantons Neuenburg, betreffend Gerichtsstand. (Vom 27. Mai 1864.)

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1864

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21.07.1864

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