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Bundesrathsbeschluß in

Aachen des Rekurses der Notare

Meyer in Liestal und

Sütterlin in Sissach, betreffend Verfassungsverlezung.

(Vom 16. Mai 1864.)

Der s eh w e i z e r i s eh e B u n d e s r a t h hat

in Sachen der Herren Rotare Meher in Liestal und Sütterlin in S.fsach, Kts. Basel-Landschaft, betreffend ......ersasfungsveriezung ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements u..d nach Einsicht der Akten, woraus sieh ergeben : 1. Jm alten Danton Basel ist durch eine erneuerte und vermehrte Rotariatsorduuug vom 2. Oktober 1765 das von Alters her bestandene .Jnstitut des Notariates, worüber sehon 1747 eine Verordnnng erlassen worden war, näher regulirt worden.

Es wurden namentlieh Vorsehristen ausgestellt über die Patentirung und die Funktionen der Rotare.

Spätere Geseze des ungetheilteu Kautons von .l 805 nnd 1813 sezen das Rotariat als vorhanden voraus nnd weisen ihn. bestimmte Geschäfte zu.

Rachdem in den Jahren 1832/1833 der Kauton Basel geteilt worden war, hat sieh auch in Basel-Landsehast das Rotariat ..n der srüheru Organisation erhalten. Die Bestellung fand wesentlich statt naeh .der alten Ordnung pou 1765. Die Ernennung geschah dnreh den Landrath, die Bateutiruug durch das Obergericht. Hier wurden sie anch beeidigt und mnssten eigenhändig iu eine Matrikel sich einschreiben und ihr Rotariatssiegel beidrnkeu. Raeh einem Verzeichnisse der Ober-

gerichtskanzlei von Basel-Landschaft sind bis Oktober 1863 eilf Rotarien

in dieser Weise ernannt und patentirt worden. Der lezte, nämlieh der rekurrireude Hr. Sütterlin, wurde am 2.). Oktober 1863 ernannt, .hat aber seiue Uutersehrist und sein Siegel der Matrikel uoeh nicht einver-

.leibt.

2.

Am Tage nach der Ernennung des legten Rotars, nämlich am 30. Oktober 1863, stellte der Regierungsrath des Kantons Basel-Landsehaft bei dem Laudrathe folgenden Antrag: die Verfassung bestimme in §. 41, dass die Bezirksschreiber vom Staate fix besoldet werden, und .dass dagegen ihre Sporteln in die Staatskasse fliessen sollen. Daraus

667 folge, dass der ........taat in jedem Bezirk nur einen Beamten dulden konne, der ^porteln beziehe, und dass ein Rotar neben ihm nicht für eigene Rechnung ^porteln beziehen dürfe, denn sonst müsste der Staat an die.

vier Be^irkss..hreib..r jährlich etwa Fr. 20,000 Gehalte auszahlen, wahrend er kaum die Hälste an Sporteln einnehmen würde, so dass das Volk ni.hts gewänne. Bei diesem Sachverhalte sei es nicht bloss ungeeignet, noch fernere Rotariatsgeschäste zu patenliren, sondern es sei anch nöthig, die bestehenden eingehen ^u lassen.

Gestüt auf diesen .Vorschlag und ungeachtet einer protestation und Verwahrung des Hrn. Rotar L e u t h a r d in Arlesheim, hat der Landrath von Basel^Lands.hast am .23. .Rovember 1863 beschlossen: ,,Dass mit dem 31. Dezember 1863 alle im Kanton Basel^Landschaft bestehenden Rotariatsdiplome zurükzuziehen und als ^erloschen zu betrachten seien. ^ 3.

Gegen diesen Beschluss haben die Reknrrenten mit Eingabe an den Bundesrath vom 6. Februar 1864 Besehwerde erhoben und das Gesuch gestellt,. derselbe moehte als verfassungswidrig erklärt und aufgehoben werden.

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Zur Begründung verweisen die Rekurrenteu daraus, dass nach der ^..ese^gebuug des frül.eru Gesammtkantons Basel diejenigen Gesehäste, die man unter dem Ausdrnk der ..freiwilligen Gerichtsbarkeit^ bezeichne, ...u die .....andschreibereien, jezt Be^irksschreibereieu, ^uud an die Rotariate übertragen gewesen seien, so dass die Bürger nach ihrer Wahl die Rechtsgeschäste entweder durch jene Amtsstellen, ^eigentlich amtliche Rotarien, oder dureh einen ossentlieh geschworuen Rotar haben besorgen lassen .können. Der Ges.häftskreis der leztern aus der Landschaft sei geordnet durch ^ie uo.h in Kraft bestehende .Landes Ordnung von 1813, ^. 42.

Ra.h der ^onstitnirung des Kantons Basel^La..dsehast sei der Ges^stskreis der Rotarien dnrch ^. 54 des Orgauisatiousgesezes vom 2^. Mai 1834 geordnet und durch das erneuerte ^rganisations^esez vom 4. Mar^

183.) bestätigt worden. Andere bezügliche Vorschriften seien in ^i Obergerichtsbefehlüssen vom 29. Jnli 1836 und ll. März.^1837,^ so

wie in zwei weileru Gesezen vom 2..). Dezember 1842 uud 2l). Ro^embex t 843 enthalten..

Run sei klar, dass man es hier nicht mit dem Entzuge einzelner Valute zu thnu habe, ^wozu unter Uniständen der .Landrath berechtigt sein konnte, wenn derjenige, gegen welehen eiuges..hritten werde, da^n Grund gegeben hätte. Vielmehr handle es .sich um. die Aushebung des gese^lich regullrten Rotarmtsu.esens und um die Aushebung d^ , dieses Gebiet ordnenden Geseze. Wenn alle Rotarie.. aufgehoben seien und keine neuen latente mehr ertheilt werden dürfen, so sei natürlich ^ B^ ^. 42 der Landesordnung aussex Wirksamkeit gese^t und. deu Bürgern sei ein ^ese^lich gesichertes Recht. entzogen. Eine derartige Disposition sei ein Gesez, oder jedenfalls eh.. ^allgemein verbindlicher Beschlnss^, .^^r na.h Art. 46 und 88 der Kautonsverfass....^ den.. Volke vorgelegt werden.

...^nnd^bIatt. ...^hrg.Xv^I. Bd.II.

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4.)

668 müsse, uni Rechtskrast zu erlangen. Man habe sie aber nicht als blossen Entwurf behandelt, sondern bereits in Voll.^.g gesezt.

4. ^ Die Regierung von Basel-Lauds.^haft hat diese Beschwerde unterm 30. April (eingegangen den 6. Mai) l 864 mit ^ dem Antrage auf Abweisung beantwortet und denselben im Wesentlichen begründet wie

.^Es

bestehe kein Gesez oder allgemeiner Besehluss über Ertheilnng und Dauer von Rotariatspatenteu. Diese seien blosse Konzessionen ohne bestimmte Dauer, jedenfalls haben sie keinen Anspruch auf Leb.mslängli.hkeit des Jnhabers, was sieh gegen das ^laatsgrundgese^ verstosse. Die Behorden haben sieh vielmehr freie Hand vorbehalten und die Batente ganz berechtigt zurükgezogen , da die Jnhaber sie gesezlos besessen haben.

Es sei durchaus unrichtig, dass durch die von den Reknrrenten zitirten Geseze das Notariat eine bestimmte innere und permanente Organisation erhalten habe. Die erwai.nten obergerichtliehen Beschlüsse seien blos sogenannte gemeine Bescheide ohne Gesezeskraft. Und was die alte Basler Rotariatsord..nng von 1765 betresfe. so habe das von Basel-Lands.haft seit 1832.^33 bel Bestellung von Rotarien eingehaltene ^erfahren (abgesehen von einigen Rebenpn.^teu, wie eigenhändige Unterschrist und .^iegelabdruk in der Matrikel) gar wenig Ähnlichkeit. denn es werde nicht mehr.

eheliche Abkunft gefordert, kein Examen vor der Basler Juristensaknltät mehr verlangt, und es sei nieht die Regierung, welche patenté, ^sondern der Landrath. Daher haben in Basel^La..ds.haft tro^ der Diplo.^use...tigung niemals eigentliche Rotarien bestanden, so...^.rn nur Notariatspraktikauten, oder ......oleraten, oder nur Verweser des Notariates.

Dnrch den reknrrirten Besehluss seien 6 ^ - 7 direkt berührt, und doch beschweren sich nur ^wei, und das .^olk bleibe still. Es sei herauszugeben. dass die Reknrrenten nicht wegen Beeinträchtigung wohl^rworbener Rechte sich beschweren, .sondern weil dnrch ^en rekurrirten Beschluss das gese^ich regnlirt^ Rotariatswesen und die dieses Gebiet ordnenden Geseze aufgehoben werden.

Es sei aber weder direkt noch indirekt von Aushebung irgendwelche^ Geseze die Rede. Alle von den Rekurrenten namhaft gemachten Geseze behaupten zur Stnnde noch il^re Autorität. ein jedes derselben habe Anspruch auf A u s f ü h r u n g und Handhabung. Es konnte noeh je^t ein Bürger, welcher naeh der Landesordnung von 18 l 3 (^ 42) testireu oder gemäss Organisationsgesez von 1834 ..e. eine Obligation u. s. w. errichten lassen wollte, u.it Umgehung des^ Bezirl^sschreibers, eiufach eines offentlich.^geschworneu Rotars sich bedienen , vorausgesetzt , dass er einen solchen säude, der in den Augen des Gesezes als Rotar
gelten würde.

Es sei indessen schon lange eine Revision der diessälligen Gesezgebung als dringend erkannt worden , allein es habe dem Landrath an Musse gemangelt, er habe daher das Procedere der Schlussnahme vom 23. Rovember 1863 vorgezogen. Diese Schlussnahme sei aber weder ein Gesez, noch eine gesezähnliehe Vorschrift, und habe daher auch nicht die

669 Sanktion des Volkes nothig. Würde ihrem negativen Jnhalte e^ fxühere positive Vorschrift entsprechen , dann hatte sie dem Vo^ke vorgelegt werden müssen ; das sei aber nicht der Fall. Es liege hier eigentlich blos ^ine Verwaltungsmassregel hoherer Art vor.

Da somit die ..^ersassung nicht verlebt sei und der Landrath lediglich innerhalb seiner Befugnisse gehandelt habe, so liege kein Grund zu einer Beschwerde vor.

^ ^ Ju E r w ä g u n g : .

1) Das Jnstitut der geschwornen ossentliehen Rotare ist in. Danton Basel.Landschast unzweifelhaft ein gefezlich anerkanntes, in mehreren Gesezen wird der Rotare und ihrer Funktionen erwähnt; in Uebereinftimmung damit ist im Diplom dem Jnhaber zugesichert, dass er als im Besize aller, den ofsentlichen Rotaren Ankommenden Attributioneu angesehen werden solle.

2) Es steht dem Laudrath das Recht zu, das bestehende Rotariat umzuformen oder auch ganz aufzuheben, i.ux ^muss dieses auf dem ordeutlichen Wege geschehen, was die Bel..orde bei Ertheilung des legten Diploms an Herrn Sütterlin^ selbst anerkannte, indem sie ihrem Beschlusse beifügte, dass der neue wie die bisherigen Rotarien sich den Bestimmungen ^es zu erlassenden neuen Gesezes zu fügen haben.

3) Die Znrükziehung aller Rotariatsdiplome kommt in der Wirkung

der gänzlichen Aushebung des Rotariats und der diesfälligen gesezliehen Bestimmungen ga.^ gleich; es ist also die ..^ehlussuahme als ein allgemein verbindlicher Beschluss auzuseheu, welcher nach Vorschrift der Verfassung vor seiner Vollziehung dem Volke in seinen Gemeindeversammlungen zur Anuahme oder Verwersuug vorgelegt werden muss; beschlossen :

1. Es sei der Rekurs begründet und der Beschluss des Landrathes vom 23. Rovember 1863, so wie der Vollziehungsbesehluss des Regierung^rathes vom 2.^. desselben Monats aufgehoben.

2. .^ei dieser Beschluss der Regierung des Kautous Basel^and^chaft und den Rekurrenten mitzutheilen, unter Rüksendung der Akten.

Bern, den 16. Mai 1864.

^

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: l^r. ^. Dubs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^^ie^.

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Bundesrathsbeschluß in Aachen des Rekurses der Notare Meyer in Liestal und Sütterlin in Sissach, betreffend Verfassungsverlezung. (Vom 16. Mai 1864.)

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1864

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39

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.09.1864

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666-669

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