221 # S T #

1374

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die vorübergehende Erweiterung der Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die Schweizerische Nationalbank (Vom 12. Februar 1921.)

Mit Bericht vom 9. November 1920 (Bundesbl. 1920, IV., 8. 604) haben wir Ihnen die Gründe mitgeteilt, die uns veranlassten, die Einfuhr von silbernen Fünffrankenstücken der lateinischen Münzunion sowie von belgischen Silberscheidemünzen zu verbieten. In der Folge hat es sich jedoch gezeigt, dass weder die Münzausfuhrverbote anderer Unionsstaaten noch die entsprechenden Einfuhrverbote der Schweiz der drohenden Silberüberschwemmung unseres Landes wirksam entgegenzutreten vermochten. Wohl war der ordentliche Import unterbunden ; dagegen der Spekulation, die man eigentlich treffen wollte, war auf diese Weise nicht wirksam beizukommen. Es drängte sich deshalb die einzig unbedingt sicher wirkende Massnahme auf, der Entzug der Umlauffähigkeit für die in der Schweiz noch in Kurs stehenden fremden Silbermünzen.

Durch zwei Beschlüsse vom 28. Dezember 1920*), die sich auf den internationalen Münzvertrag von 1885 stützen, haben wir nach Anhören der nächstbeteiligten Kreise den Rückzug der silbernen Fünffrankenstücke der übrigen Staaten der lateinischen Münzunion sowie der belgischen Silberscheidemünzen angeordnet.

Der Bundesrat ist sich wohl bewusst, dass unter allen geldpolitischen Maßnahmen, die in letzter Zeit infolge der ausser ordentlichen Verhältnisse innerhalb der lateinischen Münzunion ergriffen werden mussten, der Rückruf der Fünffrankenstücke die einscheidenste Veränderung im Münzumlauf nach sich zieht.

Es handelt sich hier jedoch um eine Massnahme der Notwehr, die nur vorübergehenden Charakter" hat, indem der Bundesrat, *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 52 u. 53.

222 gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Beschlüsse, bei den Vertragsstaaten die Einberufung einer Münzkonferenz auf den Monat Mai nächsthin verlangte, zum Zwecke der Abklärung unserer Stellung zur MUnzunion. Wir sind jedoch heute noch nicht in der Lage, hinsichtlich der Postulate für die Revision des Miinzvertrages von 1885 nähere Mitteilungen zu machen. Unsere endgültige Stellungnahme hängt zum Teil mit Umständen zusammen, die heute noch nicht abgeklärt sind, und überdies werden wir im Hinblick auf die ausserordentliche Wichtigkeit der Frage, vorgängig unserer Entschliessungen, kompetenten Fachkreisen Gelegenheit zur Begutachtung geben.

Die durch den Fünffrankenruckzug bedingte Veränderung in unserem Münzumlauf macht sich in erster Linie auch für unser zentrales Noteninstitut, die Schweizerische Nationalbank, fühlbar. Einmal mit Bezug auf den Ersatz der zurückgezogenen Fünff'rankenstücke, und sodann namentlich auch hinsichtlich der Frage dei- Metalldeckung, bzw. der Emissionskraft des Noteninstituts. Die Behörden der Nationalbank haben in verschiedenen Zuschriften an unser Finanzdepartement auf die für das Noteninstitut veränderte Sachlage hingewiesen, um schliesslich mit Eingabe vom 8. Febi-uar 1921 den begründeten Antrag auf vorübergehende Erweiterung der Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die Schweizerische Nationalbank zu stellen.

Der Bundesratsbeschluss vom 28. Dezember 1920 sieht vor, dass für die aus dem Verkehr zurückgezogenen Fünfl'rankenstücke im Rahmen des Bedürfnisses Noten der Nationalhank ausgegeben werden. Es wird sich also die Notenzirkulation kleiner Abschnitte für die nächsten Monate und für so lange, als über das Schicksal der zurückgezogenen Fünffrankenstücke nicht entschieden sein wird, ansehnlich vergrössern. Um den Anforderungen, die an die Bank herantreten werden, gewachsen zu sein, erscheint es geboten, dass die Bank ermächtigt werde, nötigenfalls auch Noten von zehn Franken ausgeben zu dürfen. Dazu drängt nicht nur der Umstand, dass mit der Zehnfrankennote doppelte Zahlung geleistet werden kann, wie mit der FünlTrankennote, und damit eine gewisse Ersparnis in den Kosten erzielt wird. Wichtiger ist, dass es vielleicht nicht möglich sein wird, Fünffrankennoten in der jetzigen Ausstattung in einer dem Verkehr unter allen Umständen gewachsenen Zahl
in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit herzustellen. Aus diesem Grunde drängt sich ein Bundesbeschluss zur Abänderung des jetzigen Artikels 19 des Bankgesetzes auf,

223

mit dem der Bank das Recht erteilt wird, Noten in Abschnitten von 10 Franken auszugeben, ähnlich dein Bundesbeschluss vom 3. August 1914, mit dem die Ermächtigung zur Ausgabe von Fünffrankennoten ausgesprochen wurde.

Die Erhöhung der Zirkulation an kleinen Notcnabschnitten ist aber nicht die einzige und auch nicht die schwerwiegendste Folge des Bundesratsbeschlusses vom 28. Dezember 1SI20 für die Bank. Dadurch, dass den silbernen Fünfl'rankenstücken fremden Gepräges die Umlauffähigkeit-- wenn auch nur vorübergehend -- entzogen wird und sie somit zu Zahlungen nicht mehr verwendet werden können, geht denselben nach der Auffassung der Bankbehörden auch die Fähigkeit ab, weiterhin einen Bestandteil der Metalldeckung im Sinne von Art. 20 des Bankgesetzes zu bilden.

Es wurde erwogen, ob diese ausser Umlauf gesetzten fremden silbernen Fünffrankeostücke nicht in dem Umfange, als sie bei einer allfälligen Liquidation der Münzunion von den andern Unionsstaaten geseu Gold zurückzunehmen sind, weiter als Melalldeckung beibehalten werden könnten. Es handelte sich dabei um den Betrag von 86 Millionen Franken, eine Summe, die als Metalldeckung für die vermehrte Zirkulation an kleinen Noten ausreichen würde.

Alli'in dieser Gedanke wurde nach reiflicher Prüfung durch die Bankbehörden abgelehnt, indem man sich sagte, dass die Münzunion nicht gekündet sei, und dass für die Regelung der Münzfrage, wenn immer möglich, eine Kündigung seitens der Schweiz umgangen werden soll. Nach dem erwähnten Art. 20 des Bankgesetzes ist es aber nicht möglich, Silber in anderer Weise, denn als gesetzliche Barschaft, in die Metallrcserve einzuheziehen. Die Silherscheidemünzen, Silberbarren und auch das Silber der zurückgezogenen Fünffrankenstüeke, nach dem Marktwerte berechnet, können nach der bestehenden Gesetzgebung nicht Bestandteil der Metallreserve sein. Der Ausweg, dass der Goldschatz der Nationalbank für eine für alle Fälle ausreichende Notenzirkulatioo weiter geäufnet werde, ist mit Schwierigkeiten und insbesondere mit bedeutenden Opfern verbunden, weil das Gold heute im Markt nur mit erheblichem Agio gekauft werden kann.

Es leuchtet aber auch nicht ein, dass ein Silberbestand von schätzungsweise Fr. 250,000,000 (Umlauf und Bestand bei der Nationalbank zusammengenommen) als Deckung gänzlich ausser Betracht fällen muss,
wie der Bestand von l.e Millionen Scheide^ münzen, die sich am 31. Januar 1921 in den Kassen der Nationalhank vorgefunden haben. Vielmehr drängt sich die Lösung auf, dass das Silber dieser aus dem Verkehr zurückgezogenen Fünf-

224 frankenstïicke -- aber nur dieses Silber -- in einem bestimmten Ausmass seines Metallmarktwertes einen Bestandteil dei1 Metallreserve bilden könne. Eine eingehende Prüfung dieser Frage hat schliesslich den Vorschlag gezeitigt, dass Art. 20 des Bankgusetzes in dem Sinne vorübergehend geändert werde, dass der G>'genwert der im Umlauf betindlichen Noten auch in aus dem Verkehr zurückgezogenen Fünffrankenstücken der fremden Unionsstaaten bestehen kann, wob-:i aber diese Fünffrankenslücke nur zu 9 /io des jeweiligen Marktwertes ihres Silbergehaltes gerechnet werden dürfen. Auf diese Weise wird eine Marge geschaffen, die die Zirkulation der Noten auf eine um so sicherere Basis stallt.

Damit aber das Verhältnis der beiden Edelmetalle nicht allzusehr zugunsten des minderwertigen, im Preise ausserordentlich schwankenden Silbers verschoben werde, ist weiter vorgesehen, dass der Teil der Metallreserve, der durch den Marktwert dieser fremden Fünt'fraakentaler gebildet wird, nicht mehr als ein Fünfteil der gesamten Metallreserve betragen darf.

Der Bundesratsbeschluss vom 28. Dezember 1920 sieht nicht vor, dass an Stelle der zurückgezogenen Füuffrankenstücke Silberzerüfikate, sei es durch die Bank (Art. 15, Ziffer 9, des Bankgesetzes), sei es unter Umständen auch durch den Bund, in Umlauf gesetzt werden, soniern es soll der Ersatz an Zirkulationsmitteln nur durch Ausgabe von Nationalbanknoten erfolgen.

Diese sind nicht nur mit Silber, sondern vorzugsweise mit Gold gedeckt, und es könnte leicht der Umlauf eines zweiten Papiergeldes neben den Bauknoten eine gewisse Gefährdung für die eine oder für beide Papie-geldkategorier» bilden, das im Interesse der schweizerischen Währung vermieden werden muss. Solche Erwägungen haben bei Kriegsausbruch dazu geführt, dass die Bundejikassenscheine, die durch Bundesratsbeschlui-s vom 14. August 1914 ausgegeben wurden, nicht als Bundespapiergeld, wie anfänglich beabsichtigt, sondern als Nationalbanknoten in Zirkulation gesetzt worden sind.

Silberzertirikate fallen auch deshalb ausser Betracht, weil diese Scheine, ihrer Natur widersprechend, gerade nicht durch Silber eingelöst werden könnten, überhaupt nicht einlöshar sein dürften, wenn nicht an ihre Stelle einfach die Nationalbanknote treten t-oll, da eine Einlösung in Hartgeld schlechterdings ausgeschlossen ist.
Eine notwendige Voraussetzung des beantragten Bundesbeschlusses in Abänderung des Bankgesetzesist, dass während seiner Geltung die Nationalbank nicht zur Einlösung ihrer Noten in

225

Hartgeld verpflichtet werden kann. Vielmehr müssen diese Noten unter Fortdauer des Bundesratsbeschlusses vom 30. Juli 1914 nicht nur gesetzlichen Kurs haben, sondern auch uneinlösbar bleiben. Nur unter dieser Bedingung kann die Nationalbank zur Ausgabe von Noten in Ersatz der fremden Fünffrankenstücke verhalten werden. Anderseits soll der Bundesbeschluss nur vorübergehenden Charakter haben, was sich aus der zeitlichen Begrenzung der Wirksamkeit vom 1. April 1921 bis 31. Dezember 1923 ergibt, so dass für die Uneinlösbarkeit der Noten mit Rücksicht auf den Rückzug der Fünffrankenstücke eine Grenze gesetzt ist.

Indem wir auf die Dringlichkeit für die Erledigung des Bundesbeschlusses hinzuweisen uns erlauben, beehren wir uns, Ihnen den Entwurf, dessen Wortlaut nachstehend wiedergegeben ist, angelegentlichst zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 12. Februar 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

18

226

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die vorübergehende Erweiterung der Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die Schweizerische Nationalbank.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 12. Februar 1921, besohl i esst: I.

Die Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die Schweizerische Nationalbank werden für die Zeit vom 1. April 1921 bis 31. Dezember 1923 wie folgt erweitert : Art. 19. Die Noten können auch in Abschnitten von 10 Franken ausgegeben werden.

Art. 20. Der Gegenwert der im Umlauf befindlichen Noten kann auch in Fünffrankenstücken der andern Staaten der lateinischen Münzunion, gerechnet zu neun Zehnteilen des Marktwertes ihres Silbergehaltes, bestehen. Dieser Teil der Metallreserve darf jedoch nicht mehr als einen Fünfteil derselben betragen.

II.

Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXII, S. 47.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die vorübergehende Erweiterung der Art. 19 und 20 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1905 über die Schweizerische Nationalbank (Vom 12. Februar 1921.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1921

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

07

Cahier Numero Geschäftsnummer

1374

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.02.1921

Date Data Seite

221-226

Page Pagina Ref. No

10 027 842

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.