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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetze betreffend Abänderung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4.Februar 1853 (Titel: Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit).

(Vom 11. April 1921.)

I.

Die sogenannte Schutzhaftinitiative, welche dem Bunde die Pflicht überbinden wollte, Schweizerbürger, welche die innere Sicherheit des Landes gefährden, unverzüglich in Schutzhaft zu nehmen, war von über 100,000 Unterschriften bedeckt. Wenn auch ein Grossteil dieser Unterschriften aus formellen Gründen zurückgewiesen werden musste, so wird dadurch die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass höchst beachtenswerte Kreise des Schweizervolkes den bisherigen verfassungsmässigen und gesetzlichen Schutz der innern Sicherheit unseres Landes als ungenügend empfinden und nach neuen Massregeln rufen. Der Bundesrat hat sich bekanntlich der Initiative nicht anschliessen können, weil sie ihm im gewählten Mittel verfehlt erschien ; er hat aber in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom September 1920 ausdrücklich erklärt, dass er die von den Initianten empfundene Lücke im bisherigen Eechtsschutz anerkenne. Er deutete an, dass er zurzeit zwar in den ausserordentlichen Vollmachten ein Mittel zur Ausfüllung dieser Lücke besitze, dass aber hinter diesem auf die Ergänzung des ordentlichen Rechtes, vorab des Bundesstrafrechts, Bedacht genommen werden müsse.

Eine solche Umarbeitung und Ergänzung des Bundesstrafrechtes legen wir Ihnen heute vor. Der Augenblick hierfür scheint uns namentlich aus zwei Gründen gegeben zu sein. Die Schutzhaft-

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initianten und mit ihnen alle andern Schweizerbürger, die sich seinerzeit auch über die Initiative werden aussprechen müssen, sehen in greifbarer Form und Ausführung vor sich, wie der .Bundesgesetzgeber sich die Lösung des von ihnen angeschnittenen Problems denkt.

Freund und Gegner des Gedankens kann während der Beratungen der Bundesversammlung und nachher durch Stellungnahme zur Eeferendumsfrage und allfälligen Abstimmung bekunden, ob ihm diese Lösung genügt oder nicht oder ob sie ihm zu weitgehend ers.cheint. Dadurch würde die Bedeutung der nachfolgenden Abstimmung über das Initiativbegehren vollständig abgeklärt, und wenn esdoch noch angenommen würde, auch der Weg zur gesetzgeberischen Ausführung desselben dann für die Zukunft gewiesen.

Wir halten den Zeitpunkt für die Vorlage aber auch noch aus einem andern allgemeineren Gesichtspunkte für richtig gewählt.

Das alte Bundesstrafrecht hat sich, wie wir im folgenden noch zeigen werden, namentlich deshalb als ungenügend erwiesen, weil es, im Jahre 1853 erlassen, auf damaligen Anschauungen und Erfahrungen begründet ist. Seine Deliktstatbestände waren zugeschnitten auf die damaligen Erscheinungsformen einer Bedrohung der staatlichen Ordnung und Sicherheit. Es springt in die Augen und ist auch ohne weiteres erklärlich, dass in den letzten 7 Dezennien mit der Änderung der politischen Formen, der Parteien, der Interessengruppen, der politischen und wirtschaftlichen Ziele sich auch die Formen des Kampfes gegen die bestehende staatliche Ordnung geändert haben.

Wenn sich zwar bei uns dank der frühzeitig erworbenen Volksrechte der Pendelausschlag der Geschichte nicht so stürmisch geltend macht, wie in Staaten, wo eine Volksmehrheit gar nicht die MögUchkeit hatte, auf gesetzlichem Wege ihren Willen zur Anerkennung zu bringen, so hat uns doch die Erfahrung gelehrt, dass auch bei uns der verfassungs- und gesetzmässige Weg zur Erreichung einer ersehnten politischen Macht vielen -- und leider sind es nicht mehr bloss hetzende Ausländer -- nicht mehr als genügend oder dann als zu langsam erscheint. Die Erscheinungen des Jahres 1918 und 1919 haben diese schwüle Stimmung gewisser Kreise wie ein Wetterleuchten zutage treten lassen. Die Ordnung und Sicherheit des Staates war ernstlich bedroht. Heute wirft die kommunistische, von Moskau her offen und diktatorisch
geschtirte Bewegung neue Schlaglichter auf eine Staats- und verfassungsfeindliche Gesinnung extremer Kreise, die vor gesetzwidrigen Taten nicht zurückschrecken, sondern sie offen predigen. Wir haben uns nun absichtlich von der leidenschaftserregten Zeit des Generalstreiks 1918 in eine zeitliche Distanz versetzt, welche die ruhige Behandlung der nötigen Strafrechts-

25Î ergänzung möglich macht. Wir möchten auch einen Zeitpunkt wählen, wo wir noch nicht unter dem Eindruck gewalttätiger kommunistischer Verbrechen und allfälliger gewaltsamer Eeaktion dagegen handeln müssen, sondern durch eine deutliche Unterstreichung unseres Willens zur Staatserhaltung vermittels ergänzender Strafnormen warnend der Verführung unbesonnener Elemente vorbeugen können.

II..

Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Bundesgesetz über dasBundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 keinen genügenden Schutz für die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit bietet, weil seine Strafbestimmungen gegen Hochverrat und Aufruhr die heute üblichen Formen der revolutionären Massenaktionen nicht treffen, weil es keine Strafandrohungen gegen die Vorbereitung von Hochverrat und Aufruhr kennt und weil die Bestimmung des Art. 48 gegen die Aufreizung zu Hochverrat und Aufruhr zur Bekämpfung der revolutionären Propaganda, der ungesetzlichen Organisationen, der Untergrabung der militärischen Disziplin nicht ausreicht. Wir haben uns deshalbentschlossen, den ganzen Titel des Bundesstrafrechts. welcher den Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit gewidmet ist, umzuarbeiten. Die Hauptbegriffe des Hochverrats, des Aufruhrs und der Widersetzung haben wir möglichst ohne Veränderung herübergenommen, da wir ohne Not an Begriffen, welche in der Wissenschaft und in der Gerichtspraxis eine bestimmteBedeutung erhalten haben, nicht ändern wollten. Umgekehrt haben wir uns aber auch nicht gescheut, neue Begriffe zu prägen. DieTatbestände eines Strafgesetzes müssen sich eben den Erscheinungen des Lebens anschmiegen, nicht umgekehrt; das letztere geschieht höchstens in negativem Sinne, um der Strafsanktioh auf einem.

Umgehungswege auszuweichen. Wir benutzten die Neuredaktion des alten Gesetzes auch, um dem Wunsche der Eäte Eechnung zu tragen, dass die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten vom Bundesrate erlassenen Verordnungen, soweit ihr Tnha.lt sich dafür eigne, ins ordentliche Gesetzesrecht übergeführt werden sollen, damit der hierfür nicht geeignete Best dann aufgehoben werden, könne.

Aus diesem Gesichtspunkte heraus ist ein wesentlicher Teil der Notverordnungen vom 11. November 1918 betreffend Massnahmen gegen die Gefährdung und Störung der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft und vom 4. März 1919 betreffend die Gefährdung der militärischen Ordnung in organische Verbindung mit dem allgemeinen Bundesstrafrecht gebracht worden. Endlich haben wir auch ver--

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·sucht, dem Entwurf des bürgerlichen schweizerischen Strafgesetzbuchs da und dort Eechnung zu tragen, z. B. durch Übernahme des Begriffs des Landfriedensbruchs, um der seinerzeitigen Aufsaugung ·des Bnndesstrafrechts durch jenes allgemeine Strafgesetz möglichst wenig technische Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Die Frage, warum wir nicht überhaupt das bürgerliche Strafgesetz mit der In.angriffnahme dieser Eevision abgewartet haben, ist zum Teil sub I schon beantwortet; auch bei optimistischer Auffassung dürfte der Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Gesetzes nicht für die allernächste Zeit angesetzt werden. Im übrigen ist das eine wesentlich politische Frage, deren Entscheid zum mindesten den Bäten durch Vorlage eines Entwurfs ermöglicht werden wollte. -- Die Zusammenfassung verschieden zu wertender Deliktstatbestände, die auch gegen verschiedene Angriffsobjekte sich richten, in einem Titel gab Veranlassung zur Aufnahme einiger Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit, der diese Tatbestände zu unterstellen seien. All das hindert nicht, dass im wesentlichen der einheitliche Eahmen des früheren 3. Titels sowie die Systematik des alten Bundesstrafrechts gewahrt ist ; auch die Paragraphierung ist so vorgenommen worden, dass die spätem Artikel des Gesetzes ihre Stellung beibehalten haben.

III.

Einer besondern Überlegung hat die Frage gerufen, ob die neuen Bestimmungen wie die alten sich darauf beschränken sollten, nur die Attentate gegen den Bund, seine Behörden, seine Ordnung und Sicherheit ins Auge zu fassen, oder ob man den Schutz allgemein .auch auf die Kantone ausdehnen solle, also nicht nur in den Fällen eidgenössischer Intervention. Die verfassungsmässige Kompetenz zu einer solchen Ausdehnung ist zweifellos in Art. 64bu BV. gegeben, wie denn auch der Entwurf des bürgerlichen Strafgesetzes als Schutzobjekt nicht nur die Interessen des Bundes, sondern auch der Kantone kennt. Aber auch die praktische Überlegung spricht dafür. Wenn es sich vielleicht beim vollendeten Hochverrats- oder Aufruhrdelikt deutlich abzeichnet, ob der Angriff gegen Bund oder Kantone gelichtet war, so ist das schon beim Versuch, geschweige denn bei der Vorbereitungs- und Gefährdungshandlung sehr häufig nicht erkennbar, manchmal vielleicht nicht einmal dem Täter ganz klar bewusst und wohl auch häufig von ihm absichtlich verwischt. Man will im Kanton .auch den Bund, im Bund auch den Kanton treffen. Man schafft die allgemeine Stimmung, erhitzt die Gemüter, bereitet den Vulkan zum Ausbruch vor und überlässt es dann dem Lavastrom, nach wel..cher Richtung er sich ergiessen will. Darum ist es geboten, das Rechts-

253 gut der kantonalen Ordnung und Sicherheit auch durch Bundes normen schützen zu lassen. Auch diejenigen Kantone, welche bereits in ihrem eigenen Strafrechte Schutzbestimmungen getroffen haben -- ·es sind nicht allzuviele -- werden durch die Bundesregulierung den vollen Ersatz für die dann notwendige Aufhebung ihrer kantonalen Bestimmungen erhalten, um so mehr als ihnen eben auch Schutz geboten wird gegen Angriffe, die sich nicht auf ihrem Gebiete vorbereiten, aber von fremdem Boden aus auf sie jederzeit überspringen können. Wo sich der Tatbestand liquid nur im kantonalen Eahmen bewegt, kann durch Delegation der Gerichtsbarkeit den praktischen Unzukömmlichkeiten einer eidgenössischen Beurteilung abgeholfen werden. Darüber ist später noch zu reden. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Überlegung machen wir in Art. 46 ter , der sich nur auf Wahlvergehen bezieht, welche im Widerspruch zur Bundesgesetzgebung erfolgen. Wir haben hier absichtlich nur den alten Art. 49 B. St. G. herübergenommen und Wahlvergehen gegen kantonale Bestimmungen nach wie vor der kantonalen Ahndung überlassen. Irgendein Bedürfnis, diese letztern Delikte jetzt schon der eidgenössischen Regelung im Spezialgesetze zu unterstellen, hat sich in der Praxis nicht gezeigt; die Ausdehnung würde nur die Gesetzgebung und Judikatur unnötig erschweren. Wir haben uns deshalb liier, obwohl sich vielleicht noch einige kleine sachliche Änderungen empfohlen hätten, auf mehr redaktionelle Verbesserungen und die Korrektur eines siebzigjährigen Druckfehlers in lit. d -- «anderen» statt «an deren» -- beschränkt.

Wenden wir uns im folgenden nun den einzelnen Artikeln der Vorlage zu: IV.

Nach der von den schweizerischen Revolutionären übernommenen Umsturztaktik der Russen wird der Umsturz durch Massendemonstration und Massenstreike eingeleitet, die das Wirtschaftsleben stören, möglichst viele Leute auf die Strasse bringen und bei günstiger Wendung der Dinge zum Bürgerkrieg, überleiten sollen. Lenin erklärte in Ziffer 7 seiner Instruktionen: «Unter den Mitteln des revolutionären Kampfes figurieren Demonstrationen und ° Massenstreike». Nationalrat Grimm stellte in seiner Eingabe an die Konferenz der Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei, des Oltener Aktionskomitees und des Gewerkschaftsbundes vom 1./3. März 1918 folgenden Programmpunkt für die Anwendung der ausserparlamentarisehen Kampfmittel auf: :cDie Anwendung des allgemeinen Streiks als unbefristete Massnahme,.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. II.

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die zum offenen revolutionären Kampf und in die Periode des offenen Bürgerkrieges überleitet». In den au der ausserordentlichen Delegierten Versammlung der sozialistischen Jugend vom 19. und 20. Juli 1919 in Ölten angenommenen Thesen für «Die Aufgaben der Jugend im Kampfe für den Sozialismus» steht der Satz : «Dieses neue Programm kann nur die Verschärfung des Kampfes gegen den Kapitalismus sein, welcher dazu beiträgt, durch sukzessive Streike immer mehr und mehr in die Periode des offenen Bürgerkrieges überzuleiten, um so die Macht zu übernehmen und das kommunistische Eegime auszurufen.» Diese Massenaktionen sollen entweder unmittelbar zur Abänderung der Verfassung und zur Absetzung oder Nötigung der Staatsbehörden führen oder aber den gewaltsamen Umsturz der verfassungsmässigen Ordnung einleiten. Genau nach dieser Methode wurden dia Generalstreike vom November 1918 und August 1919 inszeniert.

Art. 45 und 46 des Bundesstrafrechtes können bei diesen Massenaktionen, mag ihr revolutionärer Charakter noch so klar zutage liegen,.

schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil für die hochverräterische und die aufrührerische Handlung Gewaltsamkeit verlangt wird, d. h. die unmittelbare Anwendung physischer Gewalt gegen Personen oder Sachen oder eine Drohung, die die Anwendung physischer Gewalt in unmittelbare Aussicht stellt. Es erscheint im weitern fraglich, ob Art. 45 auf einen politischen Streik, der den gewaltsamen Umsturz der verfassungsmässigen Ordnung einleiten soll, Anwendung finden kann, da in diesem Falle zweifelhaft ist, ob ein «Unternehmen» im Sinne des Gesetzes vorliegt. Als Unternehmen erscheint nämlich nach dem bisherigen Bundesstrafrecht wie nach dem gemeinen deutschen und dem französischen Eecht (attentat) eine Angriffshandlung, die wenigstens einen Anfang der A u s f ü h r u n g des beabsichtigten Angriffs bildet (vgl. v. Calker, Hochverrat und Landesverrat, in der vergleichenden Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, besonderer Teil, I. Bd., S. 89 f.; Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, besonderer Teil, II. Bd., S. 486; Temine, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, S. 354; Fabreguettes, Traité des délits politiques II, 748 f.; CheveanHélie II, 42 f.). Gegen diese Massenaktionen, die die Störung des Wirtschaftslebens, den Umsturz der
verfassungsmässigen Ordnung und die Entfachung des Bürgerkrieges bezwecken, müssen deshalb in Ergänzung der veralteten Bestimmungen des Bundesstrafrechts neue Strafbestimmungen erlassen werden. Dies ist eine selbstverständliche Schutzmassnahme des durch die Massenaktionen in seinem Bestände angegriffenen Staates. Es kann nicht länger geduldet

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werden, dass einzelne Elemente in Nachahmung und Befolgung russischer Methoden darauf ausgehen, die Grundlagen unseres Staatswesens zu erschüttern und das Land zum Nachteil aller Volksgenossen dem Chaos entgegenzuführen.

Die neuen Art. 45 und 46 sollen diese Lücke des Bundesstrafrechts ergänzen. Mit diesen Bestimmungen wird nicht jede Demonstration und Arbeitseinstellung getroffen, sondern nur eine solche mit hochverräterischen und aufrührerischen Zwecken. In die wirtschaftliche Bewegung soll damit in keiner Weise eingegriffen werden, solange sie nicht den Umsturzplänen zum Vorwand dient.

Durch den Schlussatz von Art. 45 und 4G ist dem Begriffe dos Unternehmens auch seine klare Auslegung für den Bereich unseres Gesetzes gegeben. Er umfasst das vollendete und versuchte Delikt, ist damit abgegrenzt gegen die Vorbereitungshandlungen. Es kann kein Gesinnungsdelikt, keine bloss wissenschaftliche Betrachtung in Frage kommen; anderseits wird jedes zum charakterisierten Zwecke gebrauchte Mittel zum Unerlaubten dadurch gestempelt, dass es eben nicht der gesetzliche Weg der Anwendung unserer Volksrechte ist. Auf diesen soll auch die politische Aktion mit aller Klarheit und Schärfe verwiesen werden. Neben dem Aufruhrvergehen des Art. 46, das seinen Charakter vor allem aus der Massenaktion gewinnt, musste selbstverständlich auch wie nach dem alten Gesetze die hiervon unabhängige Verübung der Individualhandlung als Widersetzung unter Strafe gestellt werden; sie ist, ihrer geringern Gefährlichkeit entsprechend, jedoch nur mit Gefängnisstrafe in massigem Eahmen bedroht.

V.

Das Bundesstrafrecht enthält im Gegensatz zum französischen und deutschen Eecht keine besondern Strafbestimmungen gegen das Komplott und andere Vorbereitungshandlungen zu Hochverrat und Aufruhr, wie das Herstellen und Aufbewahren von Waffen. Es ist bereits ausgeführt worden, dass nach unserer Gesetzgebung die Vorbereitungshandlungen nicht unter den Begriff des «Unternehmens» fallen. Das deutsche Beichsstrafgesetzbuch bestimmt ausdrücklich, dass als Unternehmen, durch welches das Verbrechen des Hochverrats vollendet wird, jede Handlung anzusehen ist, durch welche das Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll (§ 82); es enthält eine Strafvorschrift gegen das Komplott (§ 83) und erklärt «jede andere, ein hochverräterisches
Unternehmen vorbereitende Handlung» als strafbar (§ 86). Das französische Hecht enthält eingehende Bestimmungen gegen das Komplott (Art. 89 f. C. p. p.)

und das Tragen und Sammeln von Waffen (Gesetz vom 24. Mai 1834).

In der Expertenkommission für den Vorentwurf zu einem schweize-

256 rischen Strafgesetzbuche wurde auf diese Lücke im geltenden Bundesstrafrecht hingewiesen und zu ihrer Ausfüllung beim Tatbestand dos Hochverrats (Art. 229) die sich an die italienische Gesetzgebung anschliessende Fassung gewählt: «wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist . . . » (Protokolle IV, 379 f., V. 92 und 93). Der Mangel an Strafbestimmungen gegen die Vorbereitung von Hochverrat und Aufruhr macht sich namentlich in der gegenwärtigen Zeit geltend, wo viele Kräfte am Werk sind, um die Grundlagendes schweizerischen Staatswesens zu zertrümmern. Unter der geltenden Gesetzgebung müssen die Behörden ruhig zusehen, wie gewisse revolutionäre Gruppen mit Wort und Tat den Umsturz vorbereiten.

Diese Gruppen behaupten selbst, dass der revolutionäre Kampf auch bei uns in ein akutes Stadium getreten sei. Angesichts dieser revolutionären Bestrebungen muss die verfassungsmässige Ordnung auch durch Strafbestimmungen geschützt werden, die ein Einschreiten gestatten, bevor mit der Ausführung von Hochverrat und Aufruhr begonnen worden ist. Als solche Vorbereitungshandlungen fallen in Betracht: das Komplott, der revolutionäre Kurierdienst, das Herstellen, Sammeln, Vorteilen und Aufbewahren von Waffen, die Ausarbeitung von Proklamationen der revolutionären Regierung, die Organisation revolutionärer Institutionen (Arbeiterrat, Révolutionstribunal etc.). Da nach den bisherigen Erfahrungen die Weisungen für einen Umsturz in unserm Lande auch aus dem Auslande kommen und die Besprechungen revolutionärer Pläne im Ausland abgehalten werden können, muss die im Auslande begangene Tat ausdrücklich unter Strafe gestellt werden (Art. l Bundesstrafrecht).

VI.

Nach dem alten Artikel 48 wird die öffentliche Aufreizung zu Hochverrat und Aufruhr, wenn sie erfolglos geblieben ist nach den Bestimmungen über den Versuch bestraft. Aus dieser, von der heutigen Gesetzgebung und Wissenschaft verlassenen Auffassung der erfolglosen Aufreizung als Versuch des Verbrechens folgt, dass sie auf eine bestimmte hochverräterische oder aufrührerische Angriffshandlung gehen muss (vgl. Mayer, Aufforderung und Ungehorsam gegen die Staatsgewalt, in der vergleichenden Darstellung des deutscheu und ausländischen Strafrechts, besonderer Teil, Bd. I, S. 414; Stooss, Grundzüge des schweizerischen Straf rechts II, 424 f. ; Binding, a. a. 0. II, 450;Zürcher, Erläuterungen zum Vorentwurf, S. 355; Fabreguettes, a. a. 0., S. 740). Die gesamte revolutionäre Propaganda, Literatur, Agitation, die die allgemeine Bearbeitung ·der Geister auf den Umsturz und nicht die Aufreizung zu einem

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bestimmten Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung zum Zwecke hat, wird deshalb von dieser Bestimmung nicht erfasst.

In ruhigen Zeiten darf in unserm demokratischen Staate auf Strafbestimmungen gegen die revolutionäre Propaganda verzichtet werden, da sie beim gesunden Sinne unseres Volkes ihre Wirkung verfehlen wird. Anders verhält es sich in der gegenwärtigen Zeit, da einheimische revolutionäre Gruppen in Verbindung mit internationalen Vereinigungen durch eine wohlorganisiert'e Propaganda systematisch auf die Staatsumwälzung hinarbeiten. Es ist nicht zu verkennen, dass die Hetzreden in Versammlungen, die aufreizenden Zeitungsartikel und die Eevolutionsliteratur eine wirksame Waffe der Eevolutionäre bilden. Diese Agitationsmittel haben bei unselbständig Denkenden, namentlich bei den Jugendlichen, bereits grosses Unheil angerichtet, die revolutionäre Stimmung verschärft und mitgeholfen, diese Leute zu Gewaltakten anzureizen. Es erwiesen sich deshalb Massnahmen gegen die revolutionäre Propaganda als notwendig.

Art. 47 enthält darum auch eine Strafbestimmung gegen die öffentliche revolutionäre Propaganda und Agitation, die die Aufreizung zu Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung bezweckt.

Diese Aufreizung wird als solche mit Strafe bedroht und nicht, wie in Art. 48, als Vorbereitung zu einer bestimmten hochverräterischen oder aufrührerischen Angriffshandlung. Art. 47bis ist im Anschluss an Art. 52bis (Novelle vom 30. März 1906), der die Anreizung zu anarchistischen Verbrechen bestraft, geschaffen worden. Wir sind uns bewusst, dass mit dieser Strafbestimmung nur ein kleiner Teil der in Masse vertriebenen revolutionären Propagandaliteratur getroffen werden kann. Diese Propagandaliteratur wird aber, sofern sie nicht das Merkmal der agitatorischen Verherrlichung und der Aufforderung zu Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit enthält, gestützt auf Art. 102, Ziffer 10, Kundesverfassung eingezogen. Es wäre praktisch unmöglich, wegen jeder Broschüre, die die Segnungen des Kommunismus und des Sovjetstaates verherrlicht, ein eidgenössisches Strafverfahren durchzuführen.

Art. 47bis geht auch insoweit über den Tatbestand des alten Art. 48 hinaus, als er nicht nur die Aufreizung zu Hochverrat und Aufruhr, sondern auch zu den übrigen Verbrechen gegen die
v'erfassuugsmässige Ordnung und die innere Sicherheit bestraft (Art. 45, 46, 46bls, 46ter). Diese Lücke hätte schon durch die Novelle vom ,]ahre 1889 ergänzt werden sollen (vgl. Stooss, Grundzüge des schweizerischen Strafrechts I, 44, II, 424). Wenn nach Art. 47 nicht nur diejenige Handlung bestraft wird, die nachweisbar bewusst auf eine

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ungesetzliche Störung der Ordnung gerichtet ist, sondern auch diejenige, von der der Täter «annehmen müsste, dass sie eine solche Gefährdung herbeiführe», so wird hiemit dem Buchstaben nach auch die grob fahrlässige Handlung bestraft. In den meisten Fällen wird man aber damit effektiv den absichtlichen Täter fassen, welchem jedoch diese seine böse Absicht vielleicht nicht strikte nachgewiesen werden kann, wenn er sie nicht mit nackten Worten geäussert hat.

Es pflegen sich ja .gerade die Hetzer gern hinter zweideutigen Äusserungen oder Gesten zu verstecken, deren Bedeutung sie dann im Bedarfsfalle ins Harmlose verdrehen. Wer heute mit dem Feuer spielt, soll wissen, dass er auch hierfür in so ernster Sache die Verantwortlichkeit trägt !

VII.

Eine ganz besondere Bedeutung gewinnt das Gefährdungsdelikt, wenn es sich mit seiner Aufreizung an diejenigen richtet, welche in erster Linie dazu berufen sind, die Interessen des bedrohten Staatswesens, seine Ordnung und Sicherheit zu wahren, und zu ihm in besonderem Treue- und Pflichtverhältnis stehen. Das sind die sämtlichen Beamten und Angestellten und auch Arbeiter des Bundes sowohl als der Kantone im Bahmen ihres Anstellungsverhältnisses.

Es ist nicht besonders hervorzuheben, dass dazu auch die Militärverwaltung und die Militäranstalten gehören, welche in der Notjerordnung vom 11. November 1918 speziell erwähnt wurden. Dagegen mag ausdrücklich gesagt sein, dass auch die Beamten der Nationalbank, denen eine gewisse Sonderstellung verliehen ist, hier inbegrift'en sind. Eine ebenso grosse Gefährde liegt in der Erschütterung des Pflichtgefühls all derjenigen, welche im Dienste einer öffentlichen Verkehrsanstalt oder eines öffentlichen lebenswichtigen Betriebes stehen; ihre Verführung zur Pflichtwidrigkeit kann die unheilvollsten Folgen für das Gemeinwesen nach sich ziehen. Der Begriff des lebenswichtigen öffentlichen Betriebs kann hier nicht wohl durch erschöpfende Aufzählung festgelegt werden; er ist praktisch viel weniger schwierig zu erkennen, speziell auch für den Hetzer, ·als er theoretisch mit knappen Worten umschrieben werden könnte.

Gemeint sind vor allem die Betriebe und Anstalten, welche die Allgemeinheit oder grosse Bestandteile derselben (Gemeinden) mit Lebensmitteln, mit Wasser, Licht, Kraft, Wärme versorgen, welche der Krankenpflege, dem Begräbniswesen, der Kehrichtabfuhr und dergleichen dienen. Selbstverständlich steht auch die Aufreizung der Angestellten nicht öffentlicher, lebenswichtiger Betriebe unter der Strafdrohung des Art. 47, nicht aber unter der Qualifikation

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des letzten Absatzes, weil hier nur an der zivilrechtlichen Vertragstreue, nicht aber an einem öffentlich-rechtlichen Pf licht Verhältnis gerüttelt wird.

VIII.

Ebenso gefährlich wie die Unterwühlung der Pflichtauffassung unserer Beamten ist die Untergrabung des militärischen Pflichtbegriffs, welcher in der soldatischen Disziplin seinen Hauptausdruck findet. Deshalb wird auch die an Militärpersonen gerichtete Aufreizung besonders unter Strafe gestellt, welche bei Aufforderung zur eigentlichen Meuterei in entehrender Zuchthausstrafe bestehen soll.

Wenn hier nur die ö f f e n t l i c h e allgemeine Aufreizung mit Strafe bedroht wird, so ist das eine gewollte Beschränkung, obwohl wir uns bewusst sind, dass das Übel auch im geheimen schleichen kann.

Wir wollen lieber eine Masche offen lassen, als ein militärisches Sykophantentum züchten, wozu die Versuchung durch eine zu weite Ausdehnung des Tatbestandes geboten wäre. Dagegen ist wohl zu beachten, dass der zweite Satz, welcher die direkte Bearbeitung eines bestimmten Dienstpflichtigen behandelt, die Voraussetzung der Öffentlichkeit nicht kennt. Bekämpft werden sollen auch die aussergesetzlichen Vereinigungen, welche sich die Untergrabung der militärischen Disziplin zum eigentlichen Zwecke setzen durch Bildung von Soldatenräten und dergleichen. Für die Ausübung seiner Eechte ist dem Schweizer auch im Militärkleide so viel Gelegenheit geboten, sein Besehwerderecht wird speziell im neuen Militärstrafgesetz so entschieden gewahrt, die Fühlung zwischen Heer und Bürgertum ist so mächtig, dass es nicht zu viel verlangen heisst, wenn man fordert, es soll jede Vereinigung, die auf militärisch rechtswidrige Ziele gerichtet ist, unterbleiben und der Zuwiderhandelnde bestraft werden.

Es liegt darin nur eine Ausführung von Art. 56 BV. durch den Bund, an welchen gemäss Art. 46bi8 das Straf gesetzgebungsrecht von den Kantonen übergegangen ist. Auch Art. 48bla will nicht jeden treffen, der in irgendeine Versammlung der verbotenen Vereinigung hereintappt oder mitgeschleppt wird; wohl aber soll sich jeder besinnen müssen, bevor er einer solchen Vereinigung beitritt oder sich aus falsch verstandener und schlecht gerichteter Solidarität ihren Weisungen unterwirft.

IX.

Art. 49 hat die in Zeiten des Aktivdienstes nötigen Ordnungsbestimmungen aufgenommen und schafft so auch für diesen Fall gemeines Eecht an Stelle des Notverordnungsrechtes. Umgekehrt

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setzt Art. 50 in seinem Tatbestande des Landfriedensbruchs weder einen Ausnahmezustand noch eine staatsfeindliche Absicht des Täters voraus. Der dem bürgerlichen Strafgesetzentwurf (Art. 226) im wesentlichen entnommene Tatbestand ist, obwohl er dort in anderm systematischen Zusammenhange als Delikt gegen den öffentlichen Frieden behandelt ist, deshalb in unsere Eevision einbezogen worden, weil er eben doch auch eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in sich birgt und die Gefahr keineswegs fern liegt, dass aus einem solchen Anfange heraus sich auch die eigentlichen-, staatsgefährliehen Delikte der vorausgehenden Paragraphen entwickeln und bis zur eidgenössischen Intervention führen können.

X.

Für die Frage, welcher Gerichtsbarkeit die Vergehen dieses Titels unterworfen sein sollen, ist in erster Linie niassgebeud Art. 112 der BV., welcher in Ziffern l und 3 zwingend die Überweisung an die Bundesassisen vorschreibt, sobald es sich um Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft, um Aufruhr und Gewalttat gegen die Bundesbehörden und um politische Vergehen, die mit einer eidgenössischen Intervention in Verbindung stehen, handelt. Dabei mag daran erinnert werden, dass die Praxis als Bundesbehörden nur die Bundesbehörden im engsten Sinne verstanden hat, d. h. die Bundesversammlung und die Behörden, deren Wahl sie selbst vornimmt. In diesem Sinne ist bisher Art. 78, lit. b, des Bundesstrafgesetzes ausgelegt worden ; eine Änderung desselben ist deshalb auch nicht nötig, während allerdings das Zitat der Artikel dort nicht mehr ganz zutrifft, sondern sich auf die Anführung von Art. 45, 46 und 46bis beschränken muss. Für die weitern Delikte wären die Bundesassisen nur zuständig, wenn sie im vorliegenden Gesetze ausdrücklich hierfür bestimmt würden. Da es sich aber sowohl bei der strafbaren revolutionären Propaganda als bei den andern Tatbeständen nicht um ein so schweres Verbrechen wie die in der Bundesverfassung aufgezählten handelt, sokann gleich wie bei der Anreizung zu anarchistischen Verbrechen(Art. 52bie) von einer Beurteilung durch die eidgenössischen Geschworenen, die einen schwerfälligen und kostspieligen Apparat bilden, abgesehen werden.

In bezug auf das V e r f a h r e n mag daran erinnert werden, dass die gerichtliche Verfolgung aller hier vorgesehenen Vergehen mit Ausnahme des gemeinrechtlichen Tatbestandes von Art. 50 nur nach vorgängiger Entscheidung des Bundesrates eintreten darf (Art. 4 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851). In den Fällen des Art. 50, soweit nicht eidgenös-

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sisehe Intervention mit hineinspielt, sind von Anfang an sowohl für die Untersuchung als für die Beurteilung nur die kantonalen Behörden zuständig. -- Den Militärgerichten sind bloss die Tatbestände von Art. 48 und 49 vorbehalten und auch diese nur, soweit sie von Personen ausgehen, welche sowieso der Militärgerichtsbarkeit unterstehen.

Als normale Instanz für die Beurteilung der Delikte nach Art. 45 bis 49 erscheint, von den aufgeführten Ausnahmefällen abgesehen, das Bundesstrafgericht, das mit der nötigen Autorität und Sachkenntnis auch die Easchheit des Verfahrens und die wünschbare Beweglichkeit vereinigen lässt. Es ist aber vorgesehen, dass überall da, wo sich entweder schon im Beginn einer Untersuchung oder in deren späterem Verlaufe erkennen lässt, dass dem Tatbestande die eidgenössische Bedeutung abgeht oder dass es sich z. B. um eine untergeordnete Stimmzettelfälschung handelt, die Übertragung sowohl der Untersuchung als auch der Beurteilung an die kantonalen Behörden in Gemässheit von Art. 125, AI. 2, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege durch Entscheid des Bundesrates möglich ist.

Der Schlusssatz des Art. 51 enthält eine Attraktionsbestimmung, welche dem Bundesrate bei einer Ver brechen sniehrheit, die an sich verschiedener Gerichtsbarkeit rufen würde, die Befugnis wahrt, eine einzige Strafverfolgungs- und Beurteilungsinstanz zu bezeichnen, die wohl nach demjenigen Tatbestande ausgewählt werden wird, welcher der ganzen Handlungsweise des Angeschuldigten am meisten das Gepräge aufgedrückt hat. Eine Wiederholung von Art. 40 des Bundesstrafrechtes für unsern Titel erscheint überflüssig, weil selbstverständlich.

XI.

Die Strafsanktionen des vorliegenden Entwurfs beschränken sieh mit Ausnahme der schwersten Fälle auf die Gefängnisstrafe; auch diese ist nur in Ausnahmefällen mit einem erhöhten Straf minimum oder reduzierten Strafmaximum versehen. Dem Eichter ist so 'grosse Freiheit in der Anpassung der Strafe an die Verumständungen des Falles, die hier wirklich sehr verschiedenartige sein können, eingeräumt. Die Frage, ob, wie gelegentlich in der Öffentlichkeit angeregt wurde, jeder Ausländer, welcher nach den Bestimmungen dieses Titels verurteilt werden rnuss, zwangsläufig auch des Landes zu verweisen sei, haben wir unserseits ablehnend entschieden. Wir sind freilich der Ansicht, dass die nach Art. 5 B. St. G. mögliche Anwendung der Strafe der Landesverweisung jedenfalls in den schwereren

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Fällen die Kegel bilden soll und dass die Gerichtspraxis hier besonders in der Zukunft, wenn die heutige Kontrolle der auf kurze Frist eingereisten Fremden dahingefallen sein wird, eine wertvolle Ergänzung l lüden wird. Wir glauben aber, dass diese Massrogel in vereinzelten Fällen zu hart sein und dann vielleicht geradezu zur ungerechtfertigten völligen Freisprechung verführen möchte, und halten die dem Bundesrate schon durch Art. 70 BV. verliehene Möglichkeit der administrativen Ausweisung, welche unabhängig von einer richterlichen Verurteilung oder Freisprechung verhängt werden kann, bei einem Versagen der Gerichte für ausreichend.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfes.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B o r n , den 11. April 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Scliulthess.

Der Bundeskanzler : Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

Abänderung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 (Titel : Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung und die innere Sicherheit).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 11, April 1921, in Anwendung des Art. 64bi8 der Bundesverfassung, beschliesst: I.

Der 3. Titel des II. Abschnittes des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Februar 1853 wird aufgehoben und durch folgende Bestimmungen erpetzt: 3. Titel. Verbrechen gegen die staatliche Ordnung und innere Sicherheit des Bundes und der Kantone.

Art. 45. Wer es unternimmt, allein oder mit vereinten Kräften auf anderm als dem gesetzlichen Wege, insbesondere durch Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen Personen oder Sachen a. die Verfassung des Bundes oder eines Kantons abzuändern; 1). verfassungsmässige Staatsbehörden abzusetzen oder sie ausser Stand zu setzen, ihre Gewalt auszuüben; c. die öffentliche Gewalt an Stelle der gesetzmässigen Träger auszuüben oder durch ungesetzliche Träger ausüben zu lassen, ·wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft.

Unternehmen im Sinne dieses Artikels umfasst Vollendung aind Versuch.

Hoetwerrat.

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Aufruhr.

Art. 46. Wer an einer Zusammenrottung oder sonst an einem Unternehmen sich beteiligt, die darauf gerichtet sind, mit vereinten Kräften a. eine Behörde oder einen Beamten des Bundes oder eines Kantons zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen; b. die Vollziehung eines Gesetzes oder die Ausübung eines Volksrechtes zu hindern oder zu stören; c. einen Beamten wegen seiner amtlichen Tätigkeit zu niisshandeln : d. einen Verhafteten, Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung Eingewiesenen zu befreien oder ihm zur Flucht behilflich zu sein, wird mit Gefängnis bestraft.

Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt oder das Unternehmen leitet, wird mit Zuchthaus bestraft.

Unternehmen im Sinne dieses Artikels umfasst Vollendung und Versuch.

Widersetzung.

Art. 46bis. Wer eine Behörde oder einen Beamten des Bundes oder eines Kantons zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung nötigt; wer die Vollziehung eines Gesetzes oder die Ausübung eines Volksrechtes hindert oder stört; wer einen Beamten wegen seiner amtlichen Tätigkeit misshandelt ;.

wer einen Verhafteten, Gefangenen oder einen andern auf amtliche Anordnung Eingewiesenen befreit oder ihm zur Flucht behilflich ist, wird mit Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft.

Wahlvergehen.

Art. 46ter. Wer auf das Ergebnis einer gemäss der Bundesgesetzgebung angeordneten Wahl oder andern Verhandlung durch Wegnahme oder Verfälschung ächter oder durch Beifügung falscher Stimmzettel oder auf andere rechtswidrige Weise einwirkt; wer auf die an der Verhandlung teilnehmenden Bürger durch Geschenke oder Verheissung von solchen oder durch Drohungen einen Einfluss auszuüben sucht; wer bei einer solchen Gelegenheit ein Geschenk annimmt oder sich irgendeinen Vorteil einräumen lässt; wer unbefugterweise an einer solchen Wahl oder andern Verhandlung teilnimmt, wird mit Geldbusse, mit welcher in schweren Fällen Gefängnis bi& auf 2 Jahre verbunden werden kann, bestraft.

265 Art. 47. Wer im In- oder Auslande öffentlich in Wort, Schrift Gefährdung der oder Bild zu einer Störung der staatlichen Ordnung oder der innern staatlichen Sicherheit der Eidgenossenschaft oder der Kantone auffordert oder siclierheT solche Handlungen androht oder öffentlich verherrlicht; wer im In- oder Auslande eine Handlung vornimmt, die, wie er weiss oder annehmen muss, die Störung der staatlichen Ordnung oder innem Sicherheit der Eidgenossenschaft oder der Kantone vorbereitet, wird mit Gefängnis bestraft.

Richtet sich die Aufforderung, Drohung oder Verherrlichung an Beamte, Angestellte oder Arbeiter des Bundes oder der Kantone, der Nationalbank oder der öffentlichen Verkehrsanstalten und lebenswichtigen Betriebe, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter 3 Monaten.

Art. 48. Wer öffentlich zum Ungehorsam gegen militärische Aufforderung und Verleitung Befehle, zur Dienstverletzung, zur Dienstverweigerung oder zum zur Verletzung Ausreissen auffordert, oder wer einen Dienstpflichtigen zu einem militärischer solchen Verbrechen verleitet, wird mit Gefängnis bestraft.

Dienstpflichten.

Geht die Aufforderung oder Verleitung auf Meuterei, so ist die Strafe Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder Gefängnis.

Art. 4Sb. Wer einer Vereinigung beitritt, deren Zweck oder Untergrabung Tätigkeit darauf gerichtet ist, die militärische Disziplin zu unter- der militärischen & , & > r Disziplin.

graben : wer zur Bildung solcher Vereinigungen auffordert, oder deren Weisungen befolgt, wird mit Gefängnis bestraft.

Art. 49. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit in Zeiten eines Ungehorsam aktiven Dienstes den vom Bundesrat, vom schweizerischen Militär- gegen Befehle département, von eidgenössischen Kommissären, von kantonalen nungen.

Regierungen oder Militärbehörden, vom Armeekonimando, von den Territorialkommandanten oder von andern zuständigen militärischen Stellen zur Wahrung der militärischen Interessen oder der Neutralität oder in Ausübung der ihnen zustehenden Polizeigewalt erlassenen öffentlich bekanntgemachten allgemeinen Befehlen oder Verordnungen zuwiderhandelt, wird, sofern keine andere Strafbestimmung zutrifft, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Art. 50. Wer an einer Zusammenrottung teilnimmt, bei der Landfriedensrnit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätignruch.

keiten begangen werden, wird mit Gefängnis bestraft.

Art. 51a. Der Beurteilung durch die Bundesassisen unter- Gerichtsbarkeit, liegen :

266

1. der Hochverrat (Art. 45), sofern er sich gegen die Eidgenossenschaft richtet ; 2. der Aufruhr (Art. 46) und die Widersetzung (Art. t(V' is ), sofern sie sich gegen die Bundesbehörden richten; 3. die in Art. 45 bis 50 genannten strafbaren Handlungen, sofern sie Ursache oder Folge von Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst ·worden ist.

Z>. Das Bundesstrafgericht beurteilt unter Vorbehalt der Bestimmungen der lit. a und d die in Art. 45 bis 49 genannten strafbaren Handlungen. Die Untersuchung und Beurteilung kann gemäss Art. 125 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1898/6. Oktober 1911 den kantonalen Behörden übertragen werden.

c. Die k a n t o n a l e n Behörden verfolgen und beurteilen unter Vorbehalt von lit. a, Ziffer 3, den Landfriedensbruch (Art. 50).

d. Die Militärgerichte beurteilen die in Art. 48 und 49 genannten strafbaren Handlungen, wenn sie von Personen ausgehen, die der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstehen.

Ist jemand mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt, die verschiedener Gerichtsbarkeit unterstellt sind, so kann der Bundesrat auf Antrag des Bundesanwaltes die Vereinigung der Strafverfolgung und Beurteilung in der Hand der einen oder andern Bundes- oder der kantonalen Behörde anordnen.

Einziehung.

Art. 52. Gegenstände, die zu einem Vergehen gedient haben, für die Verübung eines Vergehens bestimmt waren oder durch ein Vergehen hervorgebracht worden sind, werden eingezogen.

Der Bundesrat kann Druckschriften, Bilder und Darstellungen, die den Umsturz der bestehenden staatlichen Ordnung verherrlichen, androhen oder hierzu auffordern, auch dann einziehen lassen, wenn eine Strafverfolgung- oder Verurteilung nicht eintritt.

Geld- und andere Geschenke, die dazu gedient haben, ein Vergehen zu veranlassen oder zu belohnen, verfallen dem Bunde.

II.

Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden aufgehoben die mit ihm in Widerspruch stehenden Bestimmungen eidgenössischer und kantonaler Gesetze und Verordnungen, speziell: a. die Verordnung des Bundesrates betreffend Massnah] uen gegen die Gefährdung und Störung der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 11. November 1918; b. die Verordnung des Bundesrates betreffend die Gefährdung der militärischen Ordnung vom 4. März 1919.

III.

Der Bundesrat setzt das Inkraftreten dieses Gesetzes fest.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetze betreffend Abänderung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4.Februar 1853 (Titel: Verbrechen gegen die verfas...

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