456 # S T #

1485

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an eine ausserordentliche Herbstzulage für Arbeitslose.

(Vom 5. Oktober 1921.)

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Ausrichtung von ßundesbeiträgen an eine ausserordentliche Herbstzulage für Arbeitslose zu unterbreiten.

In verschiedenen Versammlungen der Arbeitslosen und der Arbeiterschaft im Laufe des Sommers und Herbstes ist die Forderung einer einmaligen ausserordentlichen Herbstzulage ohne Anrechnung an die ordentliche Arbeitslosenunterstützung aufgestellt worden, um den seit langer Zeit Arbeitslosen zu ermöglichen, die notwendigsten Wintereinkäufe zu besorgen. Postulate in diesem Sinne wurden den Kantonsregierungen eingereicht oder in den kantonalen Parlamenten vorgebracht, da es in erster Linie Sache der Kantone ist, dazu Stellung zu nehmen.

Es wird damit gerechnet, dass der Bund an derartige ausserordentliche Unterstützungen, die von den Kantonen ausgerichtet werden sollen, Beiträge leistet. Verschiedene Kantone haben denn auch die Stellungnahme zu diesen Postulaten von einer vorgängigen Behandlung der Präge durch die Bundesbehörden abhängig gemacht.

An den Bundserat selbst sind zwei Eingaben gerichtet worden, die eine vom schweizerischen Gewerkschaftsbund am 5. September, die andere vom Regierungsrat des Kantons Bern am 12. September 1921.

Der schweizerische Gewerkschaftsbund befürwortet die Ausrichtung einer besondern Herbstzulage an sämtliche Arbeitslose in der Höhe von Fr. 100 für Verheiratete mit Kindern und von Fr. 60 für Verheiratete ohne Kinder und Ledige. Ferner regt er an zu prüfen, ob diese Zuwendung nicht auch den teilweise Arbeitslosen gewährt werden sollte.

457

Der Regierungsrat des Kantons Bern gibt in seiner Eingabe von der Vorlage Kenntnis, die er dem Grossen Rat des Kantons Bern unterbreitet hat. Er geht in diesem Vorsehlag teilweise über die Forderungen des Gewerkschaftsbundes hinaus und beantragt die Ausrichtung einer Barunterstützung an unterstützte Arbeitslose von Fr. 50 bei Arbeitslosigkeit über 60 Tage und von Fr. 100 bei einer solchen über 90 Tage, und zugleich die kostenlose Verabfolgung von Lebensmitteln in folgendem Umfang : Kartoffeln für je zirka Fr. 10 an Mann und Frau und Fr. 5 an jedes Kind unter 18 Jahren; Reis, Mais und Teigwaren für Fr. 15 bis Fr. 30 je nach der Grosse der Familie und Brennmaterialien bis zum Betrage von Fr. 40.

Die Frage der Ausrichtung einer Herbstzulage hat auch andere Kantone, sowie Gemeinden beschäftigt. Am schweizerischen Städtetag vom 24. und 25. September sind die verschiedenen Anregungen zur Sprache gekommen, und es wurde der Besehluss gefasst, auf die beförderliche Stellungnahme des Bundes zu drängen, damit die Gemeinden für ihre Schlussnahmen eine abgeklärte Grundlage haben.

Wir erinnern in diesem Zusammenhang auch an die Motion, die Herr Nationalrat Schneider in der letzten Session einbrachte, wonach der Bundesrat eingeladen werden sollte, die Kantone anzuweisen, auf Rechnung des Bundes solchen Arbeitslosen, die über 60 Tage ohne Arbeit sind, eine einmalige Anschaffungsbeihilfe nicht unter Fr. 100 auszubezahlen. Wir haben uns damals der Annahme der Motion widersetzt, weil die Verhältnisse zu wenig abgeklärt schienen, um ihre Annahme empfehlen zu können.

Mit Rücksicht auf diese Bestrebungen »nd Anregungen haben wir uns veranlasst gesehen, die Frage einer einmaligen ausserordentlichen Herbstzulage neuerdings zu prüfen, und wir sind zu der Auffassung gekommen, dass den Kantonen die Entscheidung zu überlassen ist, ob sie es für notwendig erachten, ihren Arbeitslosen eine solche Herbstzulage zu gewähren; für den Fall der Ausrichtung halten wir es für angezeigt, dass vom Bund ein Beitrag geleistet wird.

Eine rechtliche Grundlage für die Gewährung solcher Beiträge fehlt zurzeit. Der Bundesrat könnte eine solche nur gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten schaffen ; aber angesichts des Abbaus dieser Vollmachten ist an diese Lösung nicht zu denken. Die rechtliche Grundlage kann daher einzig durch die Bundesversammlung auf dem Wege eines Bundesbeschlusses

458

geschaffen werden. Wir unterbreiten Ihnen in der Beilage eine dahin zielende Vorlage, die uns die nötigen Kredite für den angegebenen Zweck gewähren soll.

Die Herbstzulage darf unseres Erachtens nicht zu hoch bemessen werden. Es ist nicht zu vergessen, dass seit dem Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 die Unterstützungsansätze die gleichen geblieben sind, trotzdem die Kosten der Lebenshaltung nach den Indexzahlen des Verbandes Schweiz. Konsumvereine gegenüber dem Monat Oktober 1919 um rund 11 Prozent und gegenüber dem Monat Oktober 1920 um rund 20 Prozent gesunken sind. Auch sind unsere Unterstützungen höher als diejenigen aller andern Staaten. Sie reichen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes aus. Dagegen mag es zutreffen, dass es den arbeitslosen Familien bei lang andauernder Arbeitslosigkeit nicht möglich ist, Vorräte für den Winter anzuschaffen und die notwendigen Ergänzungen an Kleidern, Wäsche und Haushaltungsgegenständen vorzunehmen.

Die zu gewährende Zulage soll den Charakter eines einmaligen Beitrags haben. Wir werden dagegen davon Umgang nehmen, besondere Winterzulagen auszurichten, da sie nicht gerechtfertigt erscheinen, nachdem von der Herabsetzung der Unterstützungen im gegenwärtigen Zeitpunkt abgesehen worden ist.

Wir erachten es nicht für angezeigt, von Bundes wegen für die Kantone verbindliche Vorschriften aufzustellen und sie zur Ausrichtung von Herbstzulagen in einer bestimmten Höhe zu zwingen. Je nach den örtlichen Lebensbedingungen sind auch die Bedürfnisse verschieden. Es soll daher den Kantonen anheimgestellt werden, über die Gewährung solcher Zulagen zu entscheiden und die Bedingungen vorzuschreiben, unter denen sie ausgerichtet werden sollen.

Der Bund wird sich demnach darauf beschränken, seine Mithilfe da zu gewähren, wo die Kantone die Zulagen grundsätzlich beschliessen. Dagegen wird er die nähern Bedingungen' festsetzen, unter denen die Bundesbeiträge gewährt werden. Diese Bedingungen sind den .Ausführungsvorschriften vorbehalten. Wir können aber schon jetzt erklären, dass wir die Gewährung von Bundesbeiträgen insbesondere von zwei Bedingungen abhängig machen werden, einerseits davon, dass der Kanton einen gleich hohen Beitrag leistet, und anderseits davon, dass nur Arbeitslose, die während einer längern Dauer (über 60 oder 90 Tage) arbeitslos gewesen sind, berücksichtigt werden.

459

Am 31. August 1921 betrug die Zahl der gänzlich Arbeitslosen 63,182. Zieht man davon diejenigen ab, welche erst seit kurzer Zeit arbeitslos geworden sind oder bei denen sonstige Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage fehlen, so werden für die Herbstzulage ungefähr 50,000 Arbeitslose in Betracht kommen. Den Kantonen wird anheimgestellt, die Zulagen nach der Grosse der Familie der Arbeitslosen und den besondern Umständen abzustufen. Rechnet man im Durchschnitt für den Arbeitslosen mit einem Bundesbeitrag von Fr. 50, so ist ein Kredit von 2 J /2 Millionen Franken notwendig. Wir halten diesen Betrag für ausreichend; es ist möglich, dass er nicht vollständig zur Verwendung gelangen wird.

Mit Rücksicht auf diese Erwägungen beantragen wir, beiliegenden Entwurf zum Beschlüsse zu erheben und diesen, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft zu setzen.

B e r n , den 5. Oktober

1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

460 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an eine ausserordentliche Herbstzulage für Arbeitslose.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 5. Oktober 1921 beschliesst: Art. 1. Dem Bundesrat wird ein Kredit im Höchstbetrag von 21/a Millionen Franken eröffnet zur Ausrichtung von Bundesbeiträgen an die Kantone an eine ausserordentliche Herbstzulagefür Arbeitslose.

Art. 2. Der Bundesrat wird beauftragt, die näheren Bedingungen für die Ausrichtung der Beiträge festzusetzen und die nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

Art. 3. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.



Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an eine ausserordentliche Herbstzulage für Arbeitslose. (Vom 5. Oktober 1921.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1921

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

1485

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.10.1921

Date Data Seite

456-460

Page Pagina Ref. No

10 028 095

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.