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Bundesblatt

73. Jahrgang.

Bern, den 6. Juli 1921.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bundesgesetz betreffend

die Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/ 6. Oktober 1911 über die Organisation der Bundesrechtspflege.

(Vom 25. Juni 1921.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung der Artikel 106 bis 114 der Bundesverfassung; in Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/6. Oktober 1911 über die Organisation der Bundesrechtspflege; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 12. Februar 1921, beschliesst:

I.

Die Art. 48, Ziff. 2 und 4, Art. 52, Art. 59, Abs. l, Art. 68, Ziff. l, Art. 65, Art. 67, Art. 70, Art. 71, Abs. 3 und 4, Art. 72, Art. 73, Art. 202, Abs. l, Art. 203, Abs. l und 2, Art. 204, 207, 208, Art. 214, Ziff. 2 und 3, Art. 215, Abs. 2, Art. 217, 218, Art. 220, Ziff. 2, Art. 221, Abs. 2 und 7, Art. 222, Ziff. l, 2, 3 und 4, und Art. 225, Ziff. l, des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege und der Nachtragsgesetze vom 28. Juni 1895, 24. Juni 1904 und 6. Oktober 1911*) werden aufgehoben und erhalten folgenden neuen Wortlaut: *) Siehe Eidg. Gesetzsammlung, Bde. XIII, S. 455, XV, S. 289, XX, S. 149, und XXVIII, S. 45.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. III.

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Art. 48, Ziff. 2 und 4 : 2. zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bunde als Beklagten, sofern der Streitgegenstand einen Hauptwert von wenigstens Fr. 4000 hat; 4. zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits, wenn der Streitgegenstand einen Hauptwert von mindestens Fr. 4000 hat und die eine oder andere Partei es verlangt, -- ohne Unterschied, ob die Streitigkeiten nach der kantonalen Gesetzgebung im ordentlichen Prozessverfahren auszutragen sind oder ob dafür ein besonderes Verfahren vor besondern Behörden vorgeschrieben ist.

Von dieser Bestimmung sind die Expropriationsstreitigkeiten ausgenommen.

Art. 52 : Das Bundesgericht ist verpflichtet, die erst- und letztinstanzliche Beurteilung anderer als der in den vorhergehenden Artikeln genannten Rechtsfälle, auch wenn es sich nicht um rein zivilrechtliche Streitigkeiten handelt, zu übernehmen : 1. wenn dasselbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegenstand einen Hauptwert von mindestens Fr. 10,000 hat (Art. 111 der Bundesverfassung); 2. wenn durch die Verfassung'oder Gesetzgebung eines Kantons, bestimmte Streitigkeiten an das Bundesgericht gewiesen werden, wozu jedoch die Genehmigung der Bundesversammlung erforderlich ist.

Art. 59, Abs. l : In Eechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche ist die Berufung nur dann zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Eechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000 beträgt.

Art. 63, Ziff. 1: 1. Bei Schadenersatz- und ähnlichen Ansprüchen ist, wenn dieselben nicht in Ziffern ausgedrückt sind, in der Klage anzugeben, ob der geforderte Höchstbetrag mindestens Fr. 4000 erreicht.

Art. 65: Die Berufung ist binnen 20 Tagen von der schriftlichen Mitteilung des Urteils (Art. 63, Ziffer 4) an gerechnet zu erklären.

Vor Ablauf dieser Frist tritt die Rechtskraft des Urteils nicht ein.

Der Eintritt der Rechtskraft wird durch die Berufung gehemmt.

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Art. 67: Die Berufung erfolgt durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung bei dem Gerichte, welches das Urteil erlassen hat.

In der Erklärung ist anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden. Soweit die Berufung das Vorliegen aktenwidriger Feststellungen geltend macht, sollen diese und die damit in Widerspruch stehenden Akten bezeichnet werden.

Hängt die Zulässigkeit der Berufung vom Werte des Streitgegenstandes ab und besteht letzterer nicht in einer bestimmten Geldsumme, so ist auch der Streitwert anzugeben.

Wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von Fr. 8000 nicht erreicht, so hat der Berufungskläger der Berufungserklärung eine Rechtsschrift beizulegen, welche die Berufung begründet.

Art. 70 : Der Berufungsbeklagte kann innerhalb zehn Tagen, vom Empfang der in Art. 68, Abs. l, vorgeschriebenen Anzeige an, durch Einreichung von Abänderungsanträgen bei dem Bundesgerichte, eventuell mit einer dieselben begründenden Rechtsschrift, der Berufung sich anschliessen.

Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn die Berufung zurückgezogen oder wenn auf die Berufung vom Bundesgerichte nicht eingetreten wird.

Art. 71, Abs. 3 und 4: Stellt sich die Berufung nicht sofort als unzulässig dar und liegt eine Streitsache vor, deren Hauptwert den Betrag von Fr. 8000 erreicht oder die ihrer Natur nach keiner vermögensrechtlichen Schätzung unterliegt, so setzt der Präsident den Tag der Beurteilung fest, bezeichnet einen Richter als Referenten und erlässt an die Parteien die Ladung zur bundesgerichtlichen Verhandlung.

Erseheint die Berufung nicht von vornherein als unzulässig, erreicht aber der Streitwert den Betrag von Fr. 8000 nicht, so betraut der Präsident einen Richter mit der Instruktion der Sache.

Art. 72: Der Instruktionsrichter (Art. 71, Abs. 4) teilt die Rechtsschrift des Berufungsklägers dem Berufungsbeklaglen mit; dieser ist befugt, innerhalb einer Frist von zehn Tagen eine Antwort einzureichen.

Ein weiterer Sehriftenwechsel ist nur im Falle der Anschlussberufung gestattet.

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Art. 73 : Eine mündliche Parteiverhandlung findet, wenn die Streitsache den Wert von Fr. 8000 nicht erreicht, in der Regel nicht statt; den Parteien wird keine Ladung zugestellt, sondern nur durch die Bundesgerichtskanzlei der Tag der Urteilsfällung angezeigt.

Das Bundesgericht kann indessen von Amtes wegen verfügen, dass die Parteien vor Gericht zu laden seien, um die Streitsache mündlich vorzutragen.

Art. 202, Abs. 1: Die Ersatzmänner des Bundesgerichts erhalten ein Taggeld von Fr. 60.

Art. 203, Abs. l und 2: Die Untersuchungsrichter in Strafsachen erhalten ein Taggeld von Fr. 50, ihre Schriftführer ein solches von Fr. 25 und ausserhalb des Wohnortes Fr. 80.

Art. 204: Die Geschworenen erhalten ein Taggeld von Fr. 25.

Art. 207: Zeugen erhalten ein Taggeld von Fr. 5 bis Fr. 80.

Für besondere Auslagen eines Zeugen kann der Eichter eine weitere Entschädigung bestimmen.

Art. 208: Neben den Taggeldern erhalten die in den Art. 202 bis 207 genannten Personen eine Entschädigung von Fr. 8 bis Fr. 12 für jedes auswärtige Übernachten, sowie die Vergütung ihrer nötigen Eeiseauslagen.

Art. 214, Ziff. 2 und 3: 2. in einer Gerichtsgebühr von Fr. 25 bis Fr. 3000; 3. in den Kanzleigebühren für jede Ausfertigung eines Urteils oder Beschlusses, sowie für Kopiaturen, die Folioseite zu Fr. 1.

Art. 215, Abs. 2: In diesem Falle beträgt jedoch die Gerichtsgebühr Fr. 200 bis Fr. 10,000.

691 Art. 217: Für den Beschluss über die Zwangsliquidation einer Eisenbahn und für die Genehmigung eines Nachlassvertrages oder des Beschlusses der Gläubigerversammlung einer Eisenbahngesellschaft und das vorangegangene Verfahren ist neben den in Art. 214, Ziff. l und 3, erwähnten Auslagen und Gebühren eine Gerichtsgebuhr von Fr. 500 bis Fr. 5000 zu erheben.

Art. 218: Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so beträgt die Gerichtsgebühr in der Eegel höchstens die Hälfte des für das Haupturteil vorgesehenen Maximalbetrages.

2. in a.

b.

c.

Art. 220, Ziff. 2: einer Gerichtsgebühr: bei den Assisen von Fr. 200 bis Fr. 5000; bei dem Bundesstrafgericht von Fr. 50 bis Fr. 2000; bei dem Kassationshof von Fr. 25 bis Fr. 300.

Art. 221, Abs. 2: Das Bundesgericht kann Ausnahmen machen in Fällen, wo die Anhebung oder Veranlassung des Streites oder die Art der Prozessfübrung es rechtfertigt. Die Gerichtsgebühr darf indessen Fr. 500 nicht übersteigen.

Art. 221, Abs. 7;:°j;;"^r;; '<·'_ -..n ; "· Für das Verfahren vor dem Bundesrat gelten dieselben Vorschriften.

Art. 222, Ziff. l bis 4: 1. für einen Vorstand vor dem · Instruktionsrichter Fr. 40 bis Fr. 100; 2. für einen Vorstand vor Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Kassationshof oder Assisen Fr. 75 bis Fr. 500; 3. für jeden halben Tag wegen dieser Vorstände notwendiger Zeitversäumnis Fr. 25; 4. Vergütung der Eeiseauslagen.

Art. 225, Ziff. 1: 1. ein Taggeld von Fr. 25 für jedes notwendige Erscheinen vor dem Instruktionsrichter oder dem Gericht und Ersatz der dadurch veranlassten nötigen Eeiseauslagen.

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IL Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

Alle mit diesem Gesetze im Widerspruche stehenden Bestimmungen, namentlich Art. 113, lit. a, des Bundesgesetzes vom 5. April 1910 betreffend das schweizerische Postwesen*), werden aufgehoben.

Die neuen Vorschriften über die Berufung finden nur auf solche Fälle Anwendung, in denen das kantonale Urteil den Parteien nach dem Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes mitgeteilt worden ist.

Die neuen Bestimmungen über die Prozesskosten und die Anwalts- und Parteientschädigungen sind dagegen in allen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgefällten Urteilen anzuwenden.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 25. Juni 1921.

Der Präsident: Dr. J. Baumaim.

Der Protokollführer: Kaeslin.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 25. Juni 1921.

Der Präsident: Garbani-Nerini.

Der Protokollführer : G. Bovet.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 25. Juni

1921.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler:

Steiger.

Datum der Veröffentlichung: 6. Juli 1921.

Ablauf der Referendumsfrist : 4. Oktober 1921.

*) Siehe Eidg. Gesetzsammlung, Bd. XXVI, S. 1015.

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Bundesgesetz betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/ 6.

Oktober 1911 über die Organisation der Bundesrechtspflege. (Vom 25. Juni 1921.)

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