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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Postulat der nationalrätlichen Bundesbahnkommissio betreffend die Finanzlage der Bundesbahnen und ihr Elektrifizierungsprogramm und zum Postulat Gelpke betreffend die bisherigen Betriebsergebnisse des elektrischen Traktionsdienstes.

(Vom 7. Juni 1921.)

Am 18. Januar dieses Jahres sind dem Bundesrate ein Postulat der nationalrätlichen Bundesbahnkommission und ein solches des Herrn Nationalrat Gelpke überwiesen worden. Das erstere lautet: «Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Bäten in kurzer Zeit Bericht zu erstatten: 1. über die Finanzlage der Bundesbahnen und die Herstellung des Gleichgewichtes in der Gewinn- und Verlustrechnung und über die zur Deckung des bestehenden Defizites vorgesehenen Massnahmen; 2. über das Elektrifizierungsprogramm der Bundesbahnen und über die finanziellen Aufwendungen zur Umwandlung des Dampfbetriebes in den elektrischen Betrieb.» Das zweite : «Der Bundesrat wird eingeladen, den Bäten ein Memorial zu unterbreiten über die bisherigen Betriebsergebnisse im elektrischen Traktionsdienste auf der 90 km langen Gotthardbahnstrecke BrstfeldBiasca, mit einer vergleichenden Gegenüberstellung der Zugsbeförderungskosten zwischen Elektrizität und Dampf auf der Basis der nachfolgenden Dienstkohlenpreise : a. Fr. 150 pro Tonne, l. Fr. 110 pro Tonne, c. Fr. 70 pro Tonne.»

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Die beiden Postulate stehen in gewissem Zusammenhange und wurden auch im Nationalrate gemeinsam erörtert, so dass es zweckmassig ist, sie in einem Berichte zu behandeln. Wir beehren uns, der an uns ergangenen Einladung nach Anhörung der Generaldirektion der Bundesbahnen mit nachstehenden Ausführungen Folge zu geben.

A. Postulat der nationalrätlichen Bundesbahnkommission.

1. Finanzlage der Bundesbahnen und Herstellung des Gleichgewichtes in der Gewinn- und Verlustrechnung ; Massnahmen zur Deckung des bestehenden Defizites.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen und die ständige Kommission ihres Verwaltungsrates haben mit Bericht vom 12. März 1920 dem Verwaltungsrat über die Finanzlage des Unternehmens und über die zur Deckung des Defizites möglichen Massnahmen eine eingehende Auskunft erteilt. In diesem Bericht, der den Mitgliedern der eidgenössischen Bäte seinerzeit zugestellt worden ist, war auch ein Voranschlag über die Ergebnisse der Jahre 1920--1924 enthalten, der eine allmähliche Abnahme des Defizites der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnungen voraussah. Bei diesem Voranschlag konnte es sich natürlich nur um ganz approximative Zahlen handeln, da es damals nicht möglich war, die Entwicklung der .wirtschaftlichen Verhältnisse, von denen die Einnahmen und Ausgaben der Bundesbahnen vor allem abhängen, auch nur für die nächste Zeit vorauszusehen.

Es zeigt sich denn auch jetzt schon, dass die im vorerwähnten Bericht enthaltenen Zahlen nicht stimmen, weil sich seither die wirtschaftliche Lage nicht nur der Schweiz, sondern der ganzen Welt, in höchst unerwarteter Weise geändert hat. Die eingetretenen Änderungen beeinflussen die Finanzlage des Unternehmens teils in günstigem, teils in ungünstigem Sinne.

Dabei bemerken wir immerhin, dass auch heute noch nicht mit stabilen Verhältnissen gerechnet werden kann und daher die nachfolgenden Zahlen durch die Wirklichkeit noch da und dort eine Korrektur erfahren dürften.

Betriebseinnahmen.

Die Transporteinnahmen des Jahres 1920 stellten sich gegenüber dem im Bericht vom 12. März 1920 enthaltenen Voranschläge

527 ziemlich höher, zum Teil infolge eines stärkern als des angenommenen Verkehrszuwachses, zum Teil infolge der auf den 1. August 1920 durchgeführten Tariferhöhungen. Die vor einigen Monaten eingetretene wirtschaftliche Krisis hat indessen einen Verkehrsrückgang bewirkt, so dass mit der früher angenommenen jährlichen Verkehrszunahme von 5 % im Personenverkehr und von 4 % im Güterverkehr nicht mehr gerechnet werden darf. Die Bundesbahnen setzen denn auch in ihren neuen Berechnungen für das Jahr 1921 keine Verkehrszunahme mehr voraus. Sie rechnen bloss noch mit einer Mehreinnahme aus der letzten Tariferhöhung, die im Vorjahr nur auf die Ergebnisse der letzten 5 Monate einwirkte, während sie im Jahre 1921 für das ganze Jahr zur Geltung kommt. Für die folgenden Jahre rechnen sie mit einer massigen, von Jahr zu Jahr uni ein weniges ansteigenden Verkehrszunahme, und zwar im PersonenGüterJahre verkehr verkehr 1922 2% 1% 1923 2% 3% 1924 4% 3% Die Bahnverwaltung glaubt dagegen, die verschiedenen Einnahmen etwas höher als in dem Bericht von 1920 ansetzen zu können, weil die Pacht- und Mietzinse seither gestiegen sind und in den nächsten Jahren auf ihre weitere Vermehrung Bedacht genommen wird.

Damit stellt sich der neue Voranschlag für die Betriebseinnahmen wie folgt: . .

Transporteinnahmen

Verschiedene Einnahmen

Total der Betriebseinnahmen

Fr.

Fr.

Fr.

1920 laut Eechnung rund 381,000,000 13,000,000 394,000,000 nach Bericht vom 12.

März 1920 (343,000,000) (10,700,000) (353,700,000) 1921 401,000,000 13,100,000 414,100,000 1922 406,200,000 13,200,000 419,400,000 1923 415,600,000 13,300,000 428,900,000 1924 429,400,000 13,400,000 442,800,000 Wir halten diese Zahlen nicht für übersetzt. Wenn auch die gegenwärtige Krisis die Einnahmenentwicklung möglicherweise in stärkerem Masse hemmt als nach diesen Annahmen, so wird dafür nach ihrer Überwindung wahrscheinlich eine viel bedeutendere als die vorgesehene Verkehrs Vermehrung eintreten.

528 .

Betriebsausgaben.

Die Betriebsausgaben können in Anbetracht der unbeständigen Verhältnisse gleich wie die Betriebseinnahmen nur annähernd geschätzt werden. Für das Jahr 1920 überstiegen sie mit Fr. 846,000,000 den im Bericht vorgesehenen Betrag von Fr. 845,600,000 nur wenig.

Die im Bericht enthaltenen Voranschläge für die Jahre 1921--1924 werden dagegen, soweit heute vorauszusehen ist, folgende Änderungen erfahren : 1. Die im Gange befindliche Revision des eidgenössischen Besoldungsgesetzes und des Lohnreglementes wird, wenn nicht ein starker Preisabbau eintritt, wahrscheinlich eine Ausgabenvermehrung mit sich bringen. Auf Grund des vom eidgenössischen Finanzdepartement aufgestellten Gesetzesentwurfes und des Personalbestandes vom 1. April 1921 ist die jährliche Mehrbelastung auf rund Fr. 5,000,000 anzusetzen. Diese vermehrte Aufwendung wird sich voraussichtlich vom Jahre 1922 an geltend machen.

Für die folgenden Jahre ist eine weitere Erhöhung nicht vorgesehen, weil die überwiegende Zahl von Beamten am Gehaltsmaximum angelangt ist und die noch eintretenden Erhöhungen voraussichtlich durch den natürlichen Abgang von Personal ausgeglichen werden.

2. Im Voranschlag des Jahres 1921 sind an Teuerungszulagen an die Pensionierten Fr. 4,400,000 aufgenommen worden. Diese Zulagen fallen als Betriebsausgabe weg, wenn zukünftig die Pensionsund Hilfskasse dafür aufkommen soll. Diese Verschiebung wird dann allerdings eine Vermehrung des Defizites der Pensions- und Hilfskasse zur Folge haben, dessen Verzinsung und Amortisation wiederum den Bundesbahnen obliegt.

3. Für Gehälter und Löhne sind im Voranschlag des Jahres 1921 Mehrausgaben vorgesehen als Folge der vollständigen Durchführung des revidierten Arbeitsgesetzes. Durch die von der Kommission für die Untersuchung der Arbeits- und Personalverhältnisse auf den Bahnhöfen als möglich erachtete Personalverminderung werden jedoch die Ausgaben für Gehälter beim Betriebsdienste, selbst wenn der augenblicklich etwas geringere Verkehr wieder erheblich zunimmt, nicht in dem Masse wachsen, wie für die Inkraftsetzung des Arbeitsgesetzes berechnet wurde. Genaue Angaben über den Umfang der durch die erwähnte Massnahme zu erzielenden Ersparnisse können noch nicht gemacht werden. Die Organe der Kreise haben, in Anwendung der von der Kommission aufgestellten Grundsätze, schon von sich aus Vereinfachungen eingeführt; immerhin kann das überschüssige Personal besonders mit Bücksicht auf die zurzeit bestehende

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allgemeine Arbeitslosigkeit nicht in kürzester Frist entlassen werden, sondern die Verminderung erfolgt in der Hauptsache allmählich durch den natürlichen Abgang. Indessen steht heute schon fest, dass zufolge der eingeführten Eeformen und teilweise auch wegen des Verkehrsrückganges die vollständige Durchführung des Arbeitsgesetzes im Jahre 1921 (Gewährung der vermehrten Ruhetage und der verlängerten Ferien, ferner der verkürzten Dienstbereitschaft und der verlängerten Nachtruhe) nicht nur ohne neue Personalvermehrung möglich ist, sondern dass eine weitere Personalverniinderung vorgenommen werden kann. Die im Bericht vom 12. März 1920 in Anschlag gebrachte Erhöhung der Personalausgaben beim Betriebspersonal wird also, und zwar infolge Verbesserung der Organisation des Dienstes auf den Bahnhöfen und Stationen, nicht praktisch werden. Der Mehrbetrag ist deshalb im neuen Voranschlag in Abzug zu bringen. Die S. B. B. schätzen die durch die Reformen zu erreichende Verminderung der Ausgaben für das Personal des Betriebsdienstes im Jahre 1921 auf 7 Millionen, für 1922 auf 8 Millionen und für 1928 und 1924 auf je 9 Millionen Franken.

4. Von erheblicher Bedeutung sind die Änderungen, die bei den von der Bundesbahnverwaltung zu leistenden Einlagen in die Pensions- und Hilfskasse eintreten werden. Auf 1. Oktober 1920 sind die Grundteuerungszulagen in die Versicherung voll einbezogen worden, und die ständigen Betriebs- und Werkstättearbeiter werden voraussichtlich mit Rückwirkung auf 1. Januar 1921 in die Kasse aufgenommen. Im Voranschlag des Jahres 1921 sind die Leistungen, die sich für die Versicherung der Grundzulage und für die auf 1. April 1921 erfolgenden Gehaltserhöhungen ergeben, berücksichtigt worden, nicht aber die Erweiterung der Kasse durch Aufnahme der ständigen Arbeiter. Der statutengemässe Beitrag von 5 Monatsbetreffnissen der gesamten Grundzulagen wurde damals auf Fr. 25,000,000 geschätzt und hierfür eine erste Annuität von Fr. 3,237,600 in den Voranschlag aufgenommen in der Absicht, dio Tilgung dieser ausserordentlichen Einlage auf 10 Jahre, bei einer Verzinsung von 5 %, zu verteilen. Der gesamte von den Bundesbahnen im Jahre 1921 an die Pensions- und Hilfskasse zu leistende Beitrag erreichte damit Fr. 14,580,000.

Die im Entwurf vorliegenden neuen Statuten der Pensions- und Hilfskasse werden
die Beitragsleistung wesentlich ändern. Nach diesem Entwurf wird das Personal statt 4 Monatsbetreffnisse der durch Einrechnung der vollen Grundteuerungszulage eintretenden Erhöhung des Gehaltes nur einen kleinen Teil der Erhöhung eineuzahlen haben. Dementsprechend vermindern sich auch die Einzahlungen der Verwaltung. Der Beitrag wird statt Fr. 25,000,000

5SO

nur noch Fr. 8,400,000 betragen. Auch hier ist aber, wie hinsichtlich des oben erwähnten Wegfalls der Teuerungszulagen an die Pensionierten, zu bemerken, dass diese Herabsetzung des Beitrages zu einer Vergrösserung des Defizites der Kasse führen muss, dessen Deckung schliesslich wieder der Bundesbahnverwaltung obliegt.

Die Ausdehnung der Versicherung durch die neuen Statuten auf die ständigen Arbeiter wird ebenfalls eine bedeutende Zunahme des Defizites zur Folge haben. Es ist in Aussicht genommen, zu dessen Verminderung den technischen Zinsfuss für die Aufstellung der Bilanz, der bisher zu 3% % angenommen wurde, auf 5 % zu erhöhen.

Dies hätte zur Voraussetzung, dass die Bundesbahnverwaltung der Kasse diese Verzinsung gewährleistet, dass sie also für den Fehlbetrag aufkommt, wenn die Wertschriften, in denen das Deckungskapital angelegt ist, diese Verzinsung nicht erreichen. Ferner ist in Anpassung an die Statuten der Versicherungskasse des Personals der Bundesverwaltung vorgesehen, den ordentlichen Beitrag der Bundesbahnen von 7 % derBesoldungen des Personals vom Jahre 1924 an um jährlich l % zu erhöhen, bis er 11 % erreicht.

Wie hoch sich unter der Herrschaft der neuen Statuten das versicherungstechnische Defizit der Eingangsbilanz stellen wird, kann heute nocht nicht gesagt werden. Es müssen hierfür nach Annahme der neuen Statuten genaue Berechnungen gemacht werden.

Vorläufig sehen die Bundesbahnen vor, in bisheriger Weise jährlich Fr. 1,500,000 zur Verzinsung und Tilgung des Defizites auszurichten.

Nach Feststellung des neuen Fehlbetrages wird dafür gesorgt werden müssen, dass er innerhalb einer bestimmten Frist getilgt wird.

Wie sich aus den obigen Erörterungen ergibt, bilden die Beiträge der Bundesbahnverwaltung an die Pensions- und Hilfskasse eine schwere Belastung der Betriebsrechnung. Duroh die in Aussicht genommene, für das Personal günstigere Gestaltung der Pensionsverhältnisse werden in den nächsten Jahren noch grössere Opfer erfordert. Dieser Umstand hat Anlass zu Vorschlägen gegeben, die auf eine Verminderung dieser Lasten hinzielen, sei es durch teilweise Stundung der an die Kasse zu leistenden Beiträge bis zur Überwindung der gegenwärtigen schwierigen Finanzlage, sei es durch Änderung des Versicherungssystems in dem Sinne, dass das bisherige Deckungsverfahren durch das
Umlageverfahren ersetzt wird. Wir vermögen solchen Vorschlägen nicht beizustimmen. Die zukünftigen Verpflichtungen der Kasse würden keine Änderungen erfahren, sondern es ergäbe sich nur eine Entlastung der Gegenwart auf Kosten der Zukunft. Es liegt aber keineswegs im Interesse des Bundesbahnunternehmens, die zukünftigen Lasten allzusehr zu steigern.

531

Bei den Hilfskassen der Privatbahnen muss an der Beobachtung des Deckungsverfahrens unter allen Umständen festgehalten werden, weil nur auf diese Weise den Beamten die Ausrichtung der Pensionen gesichert werden kann. Nachdem bei den Bundesbahnen die Pensionsund Hilfskasse wie bei den Privatbahnen als besondere, von dein Bahnunternehmen unabhängige Einrichtung verwaltet wird, empfiehlt ea sich, auch dasselbe Versicherungsverfahren anzuwenden. Die Pensions- und Hilfskasse der Bundesbahnen soll den privaten Unternehmungen als Vorbild dienen.

Das beträchtliche Deckungskapital, das sich bei der Versicherungsanstalt der Bundesbahnen allmählich ansammelt, kann übrigens nicht als brachliegendes Kapital betrachtet werden. Den Bundesbahnen steht es frei, die verfügbaren Mittel der Kasse gegen Abgabe von Depotscheinen, wie dies übrigens heute schon geschieht, zu Bauzwecken zu verwenden. Solange das Deckungskapital zunimmt, was noch während einer Eeihe von Jahren der Fall sein wird, bildet der jährliche Zuwachs für die Bundesbahnen einen willkommenen Beitrag an ihre Kapitalbedürfnisse für die Elektrifizierung ihrer Linien. Dieser Vorteil kann natürlich erst zur Geltung gelangen, wenn das finanzielle Gleichgewicht im Haushalte der Bundesbahnen hergestellt ist, die Beiträge an die Pensions- und Hilfskasse also ohne Vermehrung des Passivsaldos geleistet werden können.

5. Die in letzter Zeit eingetretene Verbilligung des Brennmaterials wird eine bedeutende Herabsetzung der Ausgaben für den Fahrdienst zur Folge haben. Doch kann diese infolge der vorhandenen grossen, noch zu hohen Preisen vorsorglich angeschafften Kohlenvorräte (ca. 700,000 Tonnen) nur allmählich zur Geltung gelangen. Im Jahre 1920 betrug der durchschnittliche Kohlenpreis Fr. 175 für die Tonne; für die folgenden Jahre rechnen die Bundesbahnen mit einem durchschnittlichen Tonnenpreis von Fr. 150 für 1921 (gegenüber Fr. 200 des Voranschlages), von Fr. 110 für 1922, von Fr. 90 für 1923 und von Fr. 80 für 1924.

Damit ergeben sich die nachstehenden Kosten für die in Betracht kommenden Fahrleistungen, wobei vom Jahre 1921 an ein mittlerer Kohlenverbrauch von 18,s kg für den Lokomotivkilometer angenommen ist: DampfLok.-km 1920 1921 1922 1923 1924

appr.

. . .

. . .

. . .

. . .

Elektr.

Lok.-km

29,000,000 1,000,000 28,500,000 2,230,000 30,000,000 5,000,000 32,000,000 7,200,000 32,000,000 9,300,000

Ausgaben fllr Brennmaterial Fr.

89,200,000 79,090,000 61,050,000 53,280,000 47,360,000

Kosten der el. Energie Fr.

800,000 2,370,000 4,500,000 6,^80,000 8,370,000

Total der Ausgaben Fr.

90,000,000 81,460,000 65,f>50,000 59,760,000 55,730,000

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Da die Ausgaben für Brennmaterial und elektrische Energie im Voranschlage pro 1921 mit rund Fr. 107,400,000 einbezogen sind, werden die voraussichtlichen Ausgaben der bevorstehenden Jahre nach obiger Berechnung erhebliche Minderbeträge aufweisen. Wir halten diese Berechnungen für vorsichtig aufgestellt. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sich der Preisrückgang noch schneller und in stärkerem Masse fühlbar machen wird.

6. Schliesslich ist noch eine Mehrausgabe für Unfallveraicherungsprämien zu erwähnen, die sich vom Jahre 1921 an infolge Erhöhung des bei der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt versicherten Lohnmaximums von Fr. 4000 auf Fr. 6000 ergibt.

Diese wird von den Bundesbahnen auf Fr. 250,000 für das Jahr geschätzt.

Auf Grund vorstehender Ausführungen werden sich die Ergebnisse der Betriebsrechnungen für die Jahre 1921 bis 1924 voraussichtlich folgendennassen gestalten:

W

1921

Betriebsausgaben : Betriebsausgaben gemäss Voranschlag für 1921 Diesen Ausgaben sind gemäss den vorstehenden Berechnungen folgende Beträge beizufügen, bzw.

abzuziehen : 1. Mehrausgaben wegen der Kevision der Gehalte und Löhne 2. Bückrechnung der im Voranschlage pro 1921 enthaltenen Teuerungszulagen an die Pensionierten 3 Minderausgaben für das Personal . .

4. Veränderung der Einlagen in die Pensions- und Hilf skasse : a. Wegfall der pro 1921 budgetierten gesamten Einlagen .

b. wogegen als Einlagen pro 1921 --1924 einzustellen sind 5. Minderausgaben für Brennmaterial und elektrische Energie gegenüber der pro 1921 budgetierten Ausgabe von Fr. 107,400,000 . . . .

6. Mehrausgaben für Unfallversicherungsprämien Voraussichtliche Betriebsausgaben Uberschuss der Betriebseinnahmen. . .

Überschuss naxih dem Bericht vom 12. März^l920

1922

1923

1924

Fi.

414 100 000

419 400 000

428 900 000

442 800 000

379,580,000

379,580,000

379,580,000

379,580,000

Fr.

+

5,000,000

Fr.

Fr.

+

5,000,000

+

5,000,000

-- 4,400,000 -- 8,000 000

-- 4,400,000 -- 9 000 000

-- 4,400,000 -- 9 000 000

-- 1 4 580 000 -- 14,580,000

-- 14 580 000

-- 14 580 000

+ 13760000

+ 13,310,000

+ 13,800000

+ 15,810,000

-- 25,940,000 + 250,000 341,670,000 72,430,000

-- 41,850,000 + 250,000 329,310,000 90,090,000

-- 47,640,000 + 250,000 323,010,000 105,890,000

-- 51,670,000 + 250,000 320,990,000 121,810,000

-- 10,600,000

26,600,000

41,500,000

-- 4,400,000 -- 7 000 000

01,000,000 1

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Gewinn- und Verlustrechnung.

Der Voranschlag der Gewinn- und Verlustrechnung des Jahre» 1921 scbliesst mit einem Ausgabenüberschuss von Fr. 48,888,290 ab, in welchem der Überschuss der Betriebseinnahmen mit Fr. 55,851,110 enthalten ist. Unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderausgaben gelangt man für die Jahre 1921 bis 1924 zu folgenden neuen Ergebnissen:

192t

1922

1923

1924

Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

-- 48,890,000

-- 48,890,000

-- 48,890,000

-- 48,890,000

+ 16,580,000

-f 34,240,000

+ 50,040,000

+ 65,960,000

-- 6,000,000 Die gesetzliche Amortisation wird infolge Verlängerung der Frist von 60 auf 100 Jahre weniger erfordern und somit das Ergebnis pro 1921 und der folgenden Jahre verbessern um rund . . . + 10,000,000 + 10,000,000 Die Einlagen in den Erneuerungsfonds sind infolge Vermehrung der Fahrleistungen und der Ausgaben für die elektrische Zugförderung zu -- 500,000 erhöhen um rund . .

. . . .

. .

Der Überschuss der Ausgaben (1921 --1923) bzw.

der Einnahmen (1924) der Gewinn- und Verlustrechnung wird demnach betragen .

. . . . · -- 22;310,000 -- 11,150,000

-- 12,000,000

-- 18,000,000

+ 10,000,000

+ 10,000,000

--

500,000

--

500,000

--

1,350,000

+

8,570,000

Überschusa der Gewinn- und Verlustrechnung pro 1921, rund Der Betriebsüberschuss ist hierin mit rund Franken 55,850,000 enthalten; derselbe vermehrt sich gemäss den vorstehenden Betriebsrechnungen um folgende Beträge Die Schuldenverzinsung wird vom Jahre 1922 an jährlich um zirka Fr. 6,000,000 für vermehrtes Baukapital anwachsen, was das Ergebnis ver-

ÜberschuBS nach dem Bericht vom 12. März 1920

--101,000,000

-- 71,800,000

-- 63,900,000

-- 50,400,000

536

Nach diesen Ergebnissen wird somit, wenn die den Berechnungen zugrunde liegenden Voraussetzungen annähernd zutreffen, im Abschlüsse des Jahres 1924 das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Bundesbahnen nicht nur erreicht, sondern die Eechnung dieses Jahres wird bereits einen kleinen Einnahmenüberschuss aufweisen.

Laut der Gewinn- und Verlustrechnung für 1920 beträgt der Ausgabenüberschuss rund Fr. 32,000,000, so dass sich der gesamte Passivsaldo der Bundesbahnen auf Ende des nämlichen Jahres erhöht auf rund Fr. 191,000,000 Als Fehlbeträge der folgenden Jahre werden hinzukommen : für 1921 rund Fr. 22,800,000 » 1922 » » 11,150,000 » 1923 » » 1,850,000 >.

34,800,000 Total des Passivsaldos auf Ende 1923 rund . . Fr. 225,800,000 Hiervon wird in Abzug kommen der Einnahrnenüberschuss des Jahres 1924 mit » 8,570,000 Auf Ende des Jahres 1924, d. h. 'nach dem Wiedereintritt von Einnahmenüberschüssen, würde somit der Passivsaldo der Gewinn- und Verlustrechnung noch betragen rund Fr. 217,230,000 Durch das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1920 über die Änderung des Art. 7 des Eisenbahnrückkaufgesetzes, betreffend die Verlängerung der Frist für die gesetzliche Tilgung des Schuldkapitals von 60 auf 100 Jahre, wurde festgesetzt, dass der Überschuss an getilgtem Schuldkapital der Jahre 1903 bis 1919 im Jahre 1920 zur teilweisen Deckung des Passivsaldos zu verwenden sei. Dieser erfährt somit eine rechnungsmässige Verminderung um den Betrag des Überschusses an getilgtem Schuldkapital, der sich bis Ende 1919 beziffert auf rund » 98,400,000 Der Passivsaldo auf Ende des Jahres 1924 wird demnach betragen rund Fr. 118,830,000 welche Summe durch die weitern Einnahmenüberschüsse nach und nach zu tilgen ist.

In ihrem Berichte vom 12. März 1920 schätzten die Bundesbahnen für den Fall, dass keine besondern Massnahmen zur Verbesserung des Ergebnisses ergriffen würden, den auf Ende 1924 vor-

537 handenen Passivsaldo auf Fr. 522,000,000. Durch Taxerhöhungen und zeitweilige Aufhebung des Amortisationsfonds, sowie durch Sistierung der jährlichen Amortisationen des Schuldkapitals glaubten sie damals, diesen Fehlbetrag auf Fr. 198,000,000 herabsetzen zu können.

Nun zeigt es sich, dass neben den bereits durchgeführten Taxerhöhungen und der Änderung des Amortisationsverfahrens durch Eeformen im Betrieb und infolge der eintretenden wesentlichen Verbilligung des Brennmaterials die Finanzlage voraussichtlich eine weitere Verbesserung erfahren wird. Die neuen Berechnungen weisen auf Ende 1924 einen um rund 79 Millionen Franken niedrigem Fehlbetrag auf und lassen von diesem Jahre an eine weitere günstige Gestaltung der Finanzlage als wahrscheinlich voraussetzen, so dass eine allmähliche Deckung des Passivsaldos erwartet werden darf.

Auf alle Fälle kann festgestellt werden, dass die Generaldirektion der Bundesbahnen bestrebt ist,. die durch den Krieg geschaffenen schwierigen Verhältnisse nach Möglichkeit rasch zu überwinden und in ihrem Haushalte das Gleichgewicht herzustellen. Im Vergleiche mit den Bahnen der Nachbarländer, die jedes Jahr noch in die Milliarden gehende Defizite aufweisen, kann übrigens die Lage unserer Bundesbahnen noch als eine ver-hältnismässig günstige betrachtet werden.

Es wäre sehr zu wünschen, dass sich die neuen Berechnungen der Bundesbahnen wieder als zu pessimistisch erwiesen und infolgedessen der begonnene allgemeine Preisabbau auch auf die Bundesbahntarife erstreckt werden könnte. Die Taxen sind während des Krieges und in der Nachkriegszeit in einem Masse erhöht worden, das einer Verkehrsentwicklung hinderlich ist. Solange jedoch die Gewinn- und Verlustrechnungen Defizite aufweisen, kann an eine durchgreifende Herabsetzung der Tarife nicht gedacht werden.

Man wird sich vorläufig auf die Gewährung gewisser Erleichterungen, die eine Hebung des Verkehrs ohne finanzielles Eisiko für die Bundesbahnen herbeizuführen geeignet sind, beschränken müssen.

2. Elektrifizier ungsprogramm der Bundesbahnen und finanzielle Aufwendungen zur Umwandlung des Dampfbetriebes in den elektrischen Betrieb.

Die Generaldirektion der Bundesbahnen äussert sich mit Bericht vom 5. April 1921 über diesen Gegenstand wie folgt: «Bekanntermassen hat sich im Jahre 1903 eine Studienkommission für den elektrischen Betrieb gebildet, die sich die Aufgabe stellte, die technischen und finanziellen Grundlagen für die Einführung

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dea elektrischen Betriebes auf den schweizerischen Eisenbahnen zu studieren und abzuklären. Dieser Studienkommission gehörten die bedeutendsten schweizerischen Fachmänner auf dem Gebiete der Elektrotechnik und des Eisenbahnwesens an. Die Studien wurden auf breiter Grundlage an die Hand genommen und durchgeführt.

Allseitig herrschte Einverständnis darüber, dass die Einführung des elektrischen Betriebes auf den Ergebnissen dieser Studien zu fussen habe. Im Jahre 1912 erstattete die Kommission der Generaldirektion der Bundesbahnen einen die Studienergebnisse zusammenfassenden Bericht. Darin heisst es in bezug auf die Wirtschaftlichkeit, dass der elektrische Betrieb der Gotthardbahn, bei einem schwachen Verkehr wie im Jahre 1904, sich ungefähr gleich teuer gestellt hätte wie der Dampfbetrieb, dass er aber für einen stärkern Verkehr, wie er wahrscheinlich bei der Einführung des elektrischen Betriebes vorhanden sein werde, erheblich billiger sei als der Dampfbetrieb.

Dieser Berechnung war ein Kohlenpreis von Fr. 27 für die Tonne zugrunde gelegt.

«In bezug auf das Vorgehen bei der Einführung des elektrischen Betriebes bestand damals allgemein die Ansicht, dass die Gotthardlinie Luzern-Chiasso in Anbetracht ihres Längenprofils und der Zugsdichtigkeit, sowie im Hinblick auf die grosse Rauchbelästigung in den vielen Tunnels zuerst den elektrischen Betrieb erhalten solle und dass dann, je nach den gemachten Erfahrungen und den finanziellen Verhältnissen, die Elektrifikation fortzusetzen sei.

«Auf Grundlage des Berichtes der Studienkommission hat dann die Generaldirektion dem Verwaltungsrate im Jahre 1918 eine Vorlage mit Kreditbegehren für die Einführung des elektrischen Betriebes auf der Strecke Erstfeld-Bellinztma unterbreitet, und nach Erledigung des Plangenehmigungsverfahrens ist im Jahre 1916 mit dem Bau des Kraftwerkes am Ritomsee begonnen worden.

«Über die zeitliche Einführung des elektrischen Betriebes wurde fortwährend von vielen Seiten ein detailliertes Programm verlangt.

Es gab kaum eine von den Bundesbahnen berührte Gegend, deren Bevölkerung nicht Aufschluss über den Beginn der Elektrifikation zu erhalten und zu wissen wünschte, ob bei der Festsetzung der Reihenfolge für die Einführung des elektrischen Betriebes die für sie in Betracht kommenden Linien nach der ihnen zukommenden Bedeutung
berücksichtigt würden. Obschon die Generaldirektion sich wohl bewusst war, dass jedes ins einzelne gehende Programm binnen kurzem auf unvorhergesehene Verhältnisse stossen und sich daher bald als revisionsbedürftig erweisen werde, so konnte sie doch dem Drängen nicht länger widerstehen und unterbreitete im Jahre 1918 dem Verwaltungsrate das begehrte Programm.

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«In dem Berichte zu diesem Programme wurde ausgeführt, dass die Elektrifikation der Bundesbahnen einen Aufwand von mindestens 8 /4 Milliarden Franken erfordern werde. Dabei wurde in Aussicht genommen, dass die Elektrifikation in einem Zeiträume von 80 Jahren zur Durchführung gelange und dass dafür im Mittel pro Jahr ein Betrag von 25 Millionen Franken auszugeben sei. In diesem Betrage waren die Kosten der Beschaffung der elektrischen Lokomotiven nicht inbegriffen. Es konnte davon abgesehen werden, diese Kosten besonders in Anschlag zu bringen, da man in Zukunft elektrische Lokomotiven an Stelle der jedes Jahr unbrauchbar werdenden Dampflokomotiven anschaffen wird, statt diese wie bis anhin durch neue zu ersetzen.

«Zur Wegleitung für die zeitliche Durchführung der Elektrifikation wurde das Bundesbahnnetz in drei Gruppen eingeteilt, in der Meinung, dass die erste Gruppe im ersten Jahrzehnt, d. h. irn Zeitraum von 1919 bis 1928, elektrifiziert werde.

«Von der Annahme ausgehend, dass die Erstellungskosten ungefähr 50 % höher sein werden als vor dem Kriege, wurde damals ausgerechnet, dass der gesamte jährliche Bauvoranschlag der S. B. B.

mit Einschluss der Elektrifikation während des ersten Dezenniums auf folgende Beträge kommen würde: Elektrifikation (ohne elektrische Lokomotiven) . Fr. 25,000,000 Neue Linien » 4,000,000 Ergänzungsbauten » 86,000,000 Kollmaterial » 27,000,000 Fr. 92,000,000 «In bezug auf die Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes wurde im Berichte über das Bauprogramm von 1918 ausgeführt, dass infolge der Verschiebung aller Verhältnisse durch den Krieg eine Änderung zugunsten des elektrischen Betriebes eingetreten sei.

«Im Jahre 1919 wurde im Hinblick auf das Postulat Wettstein die Frage der Eeduktion der Einfübrungsdauer von 30 Jahren auf 10 bis 15 Jahre einer Prüfung unterzogen. Diese Untersuchung führte zu folgenden Schlüssen: 1. Es ist nicht ratsam, für die Einführung der Elektrifikation des Bundesbahnnetzes den in Aussicht genommenen Zeitraum von 80 Jahren auf 10 bis 15 Jahre zu reduzieren; hingegen ist es möglich, diese Zeitdauer auf 20 Jahre herabzusetzen.

2. Es kann dies erreicht werden, ohne dass in den ersten zehn Jahren (d. h. 1919--1928) andere als die in der Gruppe I des Programmes vorgesehenen Linien zu elektrifizieren wären. Dabei ist

540

aber vorausgesetzt, dass während dieser Zeit jährlich rund 125 Millionen für Bauzwecke bewilligt werden.

3. Wenn dann für die Einführung des elektrischen Betriebes auf den Strecken der Gruppen II und III das gleiche Tempo beibehalten wird und das jährliche Baubudget 125 Millionen Franken betragen darf, so kann die Elektrifikation in weitern 10 Jahren (anstatt 20) zu Ende geführt werden. Es wäre aber verfrüht, heute schon darüber zu beschliessen; vielmehr wird es richtiger sein, erst gegen Ende des ersten Jahrzehnts einen Entscheid zu treffen. Von den alsdann bestehenden Verhältnissen und Anschauungen wird es abhängen, in welchem Zeitraum die Linien der Gruppen II und III zu elektrifizieren sein werden.

«Eine detaillierte Berechnung der für die nächsten Jahre erforderlichen Aufwendungen, wie eine solche bei Aufstellung des Programmes für das Jahr 1918 und bei Behandlung des Postulates Wettstein noch nicht möglich war, hat nun ergeben, dass im Hinblick auf die heutigen Preise mit einer Bauvoranschlagssumme von 125 Millionen Franken in den nächsten Jahren, wenn man das Programmdurchführen will, nicht auszukommen ist.

«Die Durchführung des Programms von 1918 (mit einer Verschiebung wegen des um ein Jahr spätem Baubeginnes des Bupperswiler Kraftwerkes) würde, gestützt auf die Preise vom Herbst 1920, folgende Gesamtbeträge des Bauvoranschlages erheischen: Jahr Höhe des Bauvoranschlages 1922 167 Millionen Franken 1923 191 » » 1924 198 » » 1925 167 » » 1926 143 » » 1927 187 » » 1928 201 » » 1929 179 » » 1930 155 » » 1931 133 » » also im Mittel der 10 Jahre 172 Millionen Franken gegenüber den bei der Beantwortung des Postulates Wettstein vorgesehenen 125 Millionen Franken.

«Wenn die Elektrifikation nach diesem Programm durchgeführt würde, so hätten Ende 1931 1730 Kilometer oder 60 % des Bundesbahnnetzes den elektrischen Betrieb; ferner wäre die Elektrifikation auf weitern 239 Kilometern in Ausführung begriffen.»

541 Aus Vorstehendem folgt, dass sich unter den obwaltenden Umständen die Notwendigkeit ergeben hätte, entweder jährlich grössere Summen zu bewilligen oder das Tempo der Durchführung des Programmes zu verlangsamen.

Das Jahr 1921 brachte jedoch eine bedeutende Änderung der Verhältnisse. Es kam der unerwartet starke Preissturz der Kohlen.

Der Zinsfuss hingegen ist noch nicht wesentlich gefallen, und für die Bauarbeiten und Lieferungen zur Elektrifikation ist erst eine Ermässigung der Preise um etwa 20 % eingetreten. Auf Grund dieser Preisermässigung vermindert sich der vorstehend zu 172 Millionen Franken berechnete mittlere Betrag der Höhe der Gesamtbauvoranschläge für die 10 Jahre 1922 bis 1931 auf 188 Millionen Franken.

Geht der Preisabbau noch weiter, so nähert man sich dann bald der im Mai 1919 bei Beantwortung des Postulates Wettstein für die nächsten 10 Jahre in Aussicht genommenen Höhe des Voranschlages von 125 Millionen Franken. Darin waren die Kosten für Elektrifikation und Piollmaterial mit rund 85 Millionen, die übrigen Bauausgabeu mit 40 Millionen Franken enthalten.

Die Wirtsehaftlichkeitsberechnung werden wir im Zusammenhange mit dem Postulat Gelpke behandeln, zu dem wir nun übergehen.

B. Postulat des Herrn Nationalität Gelplce.

Wir lassen zunächst einige Ausführungen aus dem von der Generaldirektion der Bundesbahnen am S. April 1921 erstatteten Berichte folgen: Betriebsergebnisse der elektrischen Zugförderung auf der Gotthardlinie.

«Unter den Betriebsergebnissen, über die der Herr Postulant Auskunft wünscht, sind wohl die Erfahrungen zu verstehen, die mit den neuen Einrichtungen für die elektrische Zugförderung am Gotthard bei deren Inbetriebsetzung und seither gemacht wurden. Nach den Ausführungen, mit denen das Postulat im Eate begründet wurde, wären diese Erfahrungen ungünstig, die Einrichtungen zum Teil unzulänglich; es soll an Voraussehung gefehlt haben und schweres Lehrgeld gezahlt worden sein.

«Es wäre verwunderlich, wenn die Inbetriebsetzung einer Anlage, die aus so manchen Teilen zusammengesetzt ist und so viele wesentlich neue Einzelheiten in sich schliesst, wie diejenige für den elektrischen Betrieb am Gotthard, und die dazu noch unter den Erschwernissen sowohl der Kriegszeit als auch des ununterbrochenen Dampfbetriebes er-

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stellt werden musste, gar keine Schwierigkeiten bereiten und gar keine Nacharbeiten oder Ergänzungen als nötig erscheinen lassen würde. Es wäre noch verwunderlicher, wenn das Betriebspersonal im Bereiche einer so ausgedehnten Anlage mit den besondern Einrichtungen und allen Mitteln zur Vermeidung oder zeitlichen Abkürzung von Betriebsstörungen schon vertraut wäre. Nun dürfte aber allgemein bekannt sein, dass die streckenweise Aufnahme des elektrischen Betriebes am Gotthard seit Mitte September des letzten Jahres mit bemerkenswerter Sicherheit und Buhe und ohne einen einzigen Bückschlag vollzogen wurde. Der regelmässige elektrische Betrieb auf der ganzen Bergstrecke Erstfeld-Biasca wurde Mitte Dezember 1920, d. h. nur einen Monat später, aufgenommen, als nach der Voraussage im Geschäftsberich't der Bundesbahnen für 1919 erwartet werden konnte.

Die Ausdehnung bis Bellinzona verzögerte sich bis am 4. April dieses Jahres wegen des Umbaues des Bahnhofes Bellinzona. Es kann also, beurteilt nach dem jedermann sichtbaren äussern Erfolge, nicht so schlimm bestellt sein mit der Qualität der neuen Einrichtungen und mit dem elektrischen Betrieb am Gotthard.

«Diese Ausführungen über das bisher sehr befriedigende Verhalten der Elektrifikationsanlagen des Gotthard im ganzen und in den meisten Einzelheiten mögen genügen. Es soll nun noch kurz eingetreten werden auf die vom Herrn Postulanten erwähnten Dinge und auf die wenigen wirklichen Schwierigkeiten, die, übrigens ohne Störung des Fahrdienstes, zu beseitigen waren oder noch beseitigt werden.

«Die Fahrleitungen über 220 km Streckengeleise, wovon 28 km in Tunneln, und über den vielen Stationsgeleisen erforderten einzig in einem Kehrtunnel der Südrampe eine auf nicht genügende Präzision bei der Montage zurückzuführende Ausbesserung von geringem Umfang.

Die vereinzelten, an der Fahrleitung vorgekommenen Schäden sind fast ausnahmslos darauf zurückzuführen, dass neben dem elektrischen Betrieb während einiger Zeit der am Gotthard bekanntlich besonders rauchreiche Dampfbetrieb weitergeführt werden musste.

«An den Turbinen, Generatoren und Transformatoren des Kraftwerkes Bitom zeigten sich teils bei den Übernahmeversuchen, teils im Betrieb gewisse Mängel, zu deren Behebung in eigenen Kosten sich die Lieferanten zufolge der von ihnen gegebenen technischen Garantien
entschliessen mussten. Nach der Beseitigung der Mängel werden die Lieferungen ihren Urhebern alle Ehre machen, da es sich um grosse, zum Teil neuartige und besonders harten Anforderungen genügende Objekte handelt. Nach aussen in die Erscheinung tretende Betriebsstörungen oder gar grössere Stillstände des Fahrbetriebes wurden nicht verursacht.

543 «Die bis jetzt in Betrieb gesetzten Unterwerke oder Transformatorstationen arbeiteten ohne nennenswerte Störung.

«Erhebliche Schwierigkeiten, die der Herr Postulant erwähnte, ergaben sich bei den Hochspannungskabeln der Übertragungsleitungen, jedoch wiederum ohne dass der Fahrbetrieb dadurch wesentlich beeinträchtigt wurde. Solche Schwierigkeiten waren vorausgesehen; sie mussten von vornherein in den Kauf genommen werden, weil die Anwendung von Kabeln nicht umgangen werden konnte. Sie waren deshalb unangenehm, weil sich die Lieferungen und Arbeiten der Kabelunternehmer sehr verzögerten und die Betriebsversuche bereits in den elektrischen Fährbetrieb hineinfielen.

«Es handelte sich übrigens bei den entstandenen Störungen eigentlich nicht um vorausgesehene, sondern insofern um unerwartete, als sie hauptsächlich durch die Unzweckmässigkeit des Materials verursacht wurden, das einer der Kabelunternehmer zur Füllung der Kabelverbindungsmuffen verwendet hatte. Dieses Material ist inzwischen vom Unternehmer auf eigene Kosten durch geeignetes ersetzt worden. Die Kabel selbst scheinen gut zu sein. Einige Störungen im Betriebe der Hochspannungskabel wurden durch Beschädigung bei den Geleiseverlegungen auf den umgebauten Stationen Göschenen und Airolo veranlasst.

«Es wurde ferner erwähnt, es träten in den Leitungen so grosse Verluste auf, dass von der Fahrspannung von 15,000 V. nur noch 7500 V. übrig blieben. Diese Aussetzung beruht jedoch auf einem Irrtum, der mit wenig Worten aufgeklärt werden kann. Die Generaldirektion der Bundesbahnen nahm schon im Jahre 1913 in ihrem Berichte an den Verwaltungsrat in Aussicht, dass die Fahrspannung «rst nach Aufhören des Dampfbetriebes zwischen Erstfeld und Bellinzona auf 15,000 V., vorher aber auf nur 7500 V. eingestellt werden solle. Die Fahrspannung betrug daher am Gotthard seit der Aufnahme des elektrischen Betriebes projektgemäss nur 7500 V., was während des Ausfallens eines Unterwerkes infolge Störung au der betreffenden Übertragungsleitung allerdings dazu nötigte, gewisse Zugsbelastungen und Zugsgruppierungen womöglich zu vcrmeidw;.

Die Anwendung der niedrigen Spannung während der Zeit dos Überganges vom Dampf- zum elektrischen Betrieb dürfte für das Gegenteil von mangelnder Voraussehung zeugen ; sie wurde von (W Bundesbahnverwaltung als nötig erachtet,
damit bei den vollständig verrussten Fahrleitungsisolatoren der Übergang vom Dampf- zum elektrischen Betrieb ohne Verkehrsstörung durchgeführt werden könne. Dieser Zweck ist vollständig erreicht worden.

544

«Die Isolatoren werden, nachdem Dampflokomotiven nicht mehr verkehren, gereinigt; der Übergang zur Fahrspannung von 15,000 V.

wird im Laufe des kommenden Sommers vollzogen.

«Der Herr Postulant machte auch die Bemerkung, in Erstfeld fange der elektrische Betrieb gar nicht an; denn da fahre eine Dampflokomotive hinter der elektrischen Lokomotive her. Wenn er dies auf einer Fahrt über den Gotthard selbst beobachtete, so lag gerade der zuweilen vorgekommene Fall vor, dass mangels eines besondern Heizwagens eine kleinere Dampflokomotive hinter der elektrischen Lokomotive in den Zug eingestellt wurde und dann einen Beitrag an Kraft zur Beförderung des Zuges leistete. Solche Fälle waren lediglich die Folge davon, dass nicht immer genug Heizwagen zur Verfügung standen und dass insbesondere die Beschaffung, elektrischer Heizwagen nicht nach Wunsch möglich gewesen war.» Diese und noch einige andere bei Begründung des Postulates' vorgebrachte Aussetzungen sind übrigens bereits im Eate selbst vom Vorsteher des Eisenbahndepartements richtiggestellt worden.

Über die bisherigen Erfahrungen mit den elektrischen Lokomotiven äussert sich die Kreisdirektion V in ihrem IV. Quartalbericht 1920 wie folgt: «Bei Aufnahme des elektrischen Betriebes auf jeder Teilstrecke ergaben sich jeweilen anfänglich zahlreiche Verspätungen, wegen des starken Verschleisses der Schleifstücke der Stromabnehmer infolge des schlechten Kontaktes an dem durch den Dampfbetrieb verrussten Fahrdraht. Durch andere Defekte an.

den Lokomotiven wurden nur wenig Betriebsstörungen verursacht, trotzdem solche Defekte, die an Lokomotiven neuer Konstruktion unvermeidlich sind, in ziemlich grosser Zahl auftraten.

«Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der Übergang vom Dampfbetrieb zum elektrischen Betrieb auf der Strecke Erstfeld-Biasca verhältnismässig glatt und ohne grosse Störungen vollzogen hat. Die bisher mit der neuen Betriebsart gemachten Erfahrungen sind durchaus befriedigend und lassen erwarten, dass es gelingen wird, die unvermeidlichen Anfangsschwierigkeiten, bald zu überwinden.» Vergleich der Zugîorderungskosten.

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der elektrische Betrieb« am Gotthard Mitte September auf der Strecke Göschenen-Airolo> begann und dass er von da an etappenweise auf weitere Strecken

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ausgedehnt wurde, bis endlich Mitte Dezember 1920 die ganze Strecke Brstfeld-Biasca dem elektrischen Betrieb übergeben werden konnte. Der gemischte Betrieb, wie er während dieser Übergangszeit bestanden hat, kann nun aber keinesfalls als Grundlage für Vergleichsrechnungen dienen, sondern es muss für solche die vereinfachende Annahme gemacht werden, dass der durchschnittliche Verkehr der Monate Oktober 1920 bis Januar 1921 entweder ganz durch Dampf oder ganz durch Elektrizität bewältigt worden sei.

Das Ergebnis einer solchen Eechnung ist aus naheliegenden Gründen für den elektrischen Betrieb kein günstiges. Es kann aber auch nicht zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes benützt werden. Noch weniger darf es als ausschlaggebend für die Fortsetzung der begonnenen Elektrifizierung angesehen werden. Die Hauptfehler, die diesen Berechnungen anhaften, liegen darin, dass man die als Folge des Weltkrieges ausserordentlich hoch ausfallenden Gestehungskosten für die elektrische Energie, die an Stelle der Brennmaterialkosten treten, den z u k ü n f t i g e n Kohlenpreisen gegenüberstellt und dass man solche Vergleichsberechnungen auf einen Zeitraum begrenzt, wo die Verdrängung des Dampfbetriebes durch den elektrischen erst im Werden begriffen ist und eine Anpassung des gesamten Zugförderungsdienstes an die neuen Verhältnisse noch gar nicht stattgefunden hat und nicht stattfinden konnte. Eine einwandfreie Ermittlung der Kosten des elektrischen Betriebes wird daher erst möglich sein, wenn der Gestehungspreis der elektrischen Energie ganz genau bekannt und die Organisation des Betriebes den vollständig veränderten Verhältnissen angepasst sein wird.

Eine von den S. B. B. unter tunlichster Berücksichtigung dieser Umstände durchgeführte Eechnung zeigt, dass für die Strecke Erstfeld-Biasca die elektrische Energie bis zu den Stromabnehmern der Lokomotiven bei Fr. 150 per Tonne Kohlen Fr. 415,140, » » 110 » » » » 812,840, » » 70 » » » » 210,540 im Monat kosten dürfte, urn gleich hohe Gesamtausgaben beim Dampf- und elektrischen Betrieb zu ergeben. Diese Ausgabeposten für elektrische Energie beziehen sich auf den bewältigten Verkehr der Monate Oktober 1920 bis Januar 1921, bzw. auf die von den elektrischen Lokomotiven bei diesem Verkehr irn Monatsdurchschnitt verbrauchte Strommenge von 1,731,900 kWh. Die Kosten der kWh dürften somit betragen:

546

bei Fr. 150 per Tonne Kohlen . . , . = "

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Demgegenüber stellen sich die Gestehungskosten für die elektrische Energie ab Fahrdraht, d. h. am Bügel abgenommen, nach den Bechnungen der Bundesbahnen bei einem Zinsfuss von 6 % und annähernd voller Ausnützung der Werke auf höchstens 13 Cts. per kWh.

Der vom Oktober 1920 bis Januar 1921 bewältigte Verkehr betrug im Monat, durchschnittlich: im Personenverkehr 9,126,000 Bruttotonnenkilometer, im Güterverkehr 19,922,000 » Er hätte nach den statistischen Nachweisen der S. B. B. einen monatlichen Verbrauch von 2588 Tonnen Kohlen bedingt, welche gekostet hätten: bei einem Tonnenpreis von Fr. 150 Fr. 388,200, » » » » » 110 » 284,700, » » » » » 70 » 181,200, während sich der Preis für die entsprechende elektrische Energie auf Fr. 225,150 im Monat belaufen hätte.

Bei den Kohlenpreisen von Fr. 150 und Fr. 110 per Tonne ergeben sich daraus die Ersparnisse von Fr. 163,050 und Fr. 59,550, bei Fr. 70 dagegen eine Mehrausgabe von Fr. 43,950 im Monat. Nun hat aber eine Vergleichsrechnung nicht nur die Kosten der Energie zu berücksichtigen, sondern auch die Minderauslagen, die bei der elektrischen Zugförderung in personeller und sachlicher Beziehung entstehen, und die Mehrkosten, die sie für den besondern Heizwagendienst und für die Verzinsung und Amortisation der Neuanlagen, der Lokomotiven und Heizwagen im Gefolge hat.

Daraus ergibt sich zum Schlüsse, dass der elektrische Betrieb auf der Strecke Erstfeld-Biasca bei Fr. 150 und Fr. 110 für die Tonne Kohlen monatlich um Fr. 189,990 bzw. Fr. 87,690 billiger und bei Fr. 70 monatlich um höchstens Fr. 14,610 teurer zu stehen kommt als der Dampfbetrieb unter den gleichen Bedingungen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer Vergleichsrechnung, bei der der Strompreis am Fahrdraht abgenommen eingestellt wird, der Preis der auf die Lokomotive verladenen Kohlen eingesetzt werden muss. Die Verteuerung der Kohle von der Grenze

547

bis zu den Verbrauchsstellen in der Zentralschweiz schwankt nach den Nachweisen der Bundesbahnen, je nach dem Kohlenpreise, bei einem Zinsfuss von 6 % zwischen rund Fr. 8 und Fr. 12 für die Tonne.

Um diesen Betrag müsste der Kohlenpreis in den Vergleichsrechnungen erhöht werden, wenn unter den Fr. 150, Fr. 110 und Fr. 70 der Preis an der Landesgrenze verstanden sein sollte, d. h-, der Gestehungspreis an der Grenze dürfte sich bei den vorstehenden Eechnungen nur auf etwa Fr. 138, Fr. 100 und Fr. 62 belaufen.

Beizufügen ist noch, dass der in Berücksichtigung gezogene Verkehr im Vergleich zu der Vorkriegszeit ein sehr schwacher ist und dass die Wirtschaftlichkeit des elektrischen Betriebes mehr hervorgetreten wäre, wenn den Berechnungen ein grösserer Verkehr zugrunde gelegt worden wäre. Beim Dampfbetrieb steigt der Kohlenverbrauch ziemlich proportional mit dem Verkehr, bzw. den geführten Bruttotonnenkilometern, im Gegensatz zum elektrischen Betrieb, wo die Gestehungskosten für die elektrische Energie bis zur Vollausnützung der Kraftwerke fast gleich bleiben.

0. Zusammenfassung.

Wir müssen neuerdings betonen, dass der gegenwärtige Zeitpunkt der allgemeinen Krisis für derartige Untersuchungen möglichst ungünstig gewählt ist. Alle Zukunftsrechnungen beruhen auf Schätzungen und Annahmen; keine einzige Zahl kann ohne Vorbehalt eingesetzt werden, und keine einzige darf zu weitern Kechnungen und Schlüssen verwendet werden, ohne dass man genau weiss und angibt, auf welchen Voraussetzungen sie beruht.

Die Grundlage der ganzen Berechnungen bilden die Verkehrsmengen und deren Zunahme in den nächsten Jahren. Je nachdem man die letztere optimistisch oder pessimistisch einschätzt, ändert sich das Bild. Zinsfuss, Materialpreise und Arbeitslöhne schwanken, und wenn sie auch heute eher in der Abnahme begriffen sind, so wird niemand mit Sicherheit angeben oder gar nachweisen können, wie sie sich auch nur in der nächsten Zukunft, geschweige denn in 10 und mehr Jahren gestalten werden. Die Erfahrungen der letzten wenigen Monate belegen diese Unsicherheit in schlagender Weise. Wir halten dafür, dass man sich durch diese Verhältnisse in den Entschliessungen nicht beirren lassen darf. Wir erinnern daran, dass, nachdem während des Krieges in Versammlungen und in der Presse die heftigsten Vorwürfe gegen die Bundesbahnen wegen angeblicher Verzögerung der Elektrifizierung erhoben worden sind, das von der Generaldirektion im Juli 1918 aufgestellte Programm für die Elektrifizierung des Bundesbahnnetzes eine Frist von 30 Jahren vorsah und dass diese

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Frist durch das im September 1919 im Ständerat unwidersprochen erledigte Postulat Wettstein auf 20 Jahre hätte gekürzt werden sollen.

Durch das Postulat selbst sollte der Bundesrat eingeladen werden, darauf hinzuwirken, dass die Elektrifizierung der Bundesbahnen in einem Zeitraum von nicht mehr als 10--15 Jahren durchgeführt werde. Wir erinnern ferner daran, dass die Kohlennot der Jahre 1917--1919 unsere mit Dampf betriebenen Bahnen zu Smaligen Einschränkungen des Fahrplans zwang und dass der Kohlenpreis ungefähr auf das Tfache der Vorkriegskosten stieg. Bei Anlass der Beratung des Bundesgesetzes über die Unterstützung der privaten Eisenbahn und Dampfschiffunternehmungen zum Zwecke der Einführung des elektrischen Betriebes, vom 2. Oktober 1919, wurde sogar davon gesprochen, dass eine Unterstützung dieser Bahnen nicht in Aussicht genommen werden dürfte, wenn sie eine wesentliche Verzögerung der Elektrifikation der Bundesbahnen zur Folge haben sollte.

Heute wird nun von der Elektrifikation, weil angeblich unrentabel, abgeraten. Ein solches Hin- und Herschwanken der Ansichten über die Notwendigkeit der Elektrifikation ist der Sache höchst nachteilig.

Die Elektrifikation der schweizerischen Bundesbahnen ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit und muss kommen, wenn die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes zu allen Zeiten gesichert und zu erträglichen Bedingungen ermöglicht werden soll. Wir dürfen nicht auf alle Zukunft hinaus vom guten Willen des Auslandes abhängig sein, das uns die Kohlen vorenthalten oder uns doch dafür rücksichtslos die Preise diktieren kann. Die Tatsache, dass vom Gesamteingang des Jahres 1920 von rund 991,700 Tonnen 303,914 Tonnen, d. h. 30,5 %, aus England und 553,986 Tonnen oder 55,9 % aus Amerika stammen, während unsere frühern Hauptlieferanten, Belgien, Saargebiet und Euhrbecken, uns zusammen nur 65,500 Tonnen oder 6,c % abgaben, zeigt, von wieviel Zufälligkeiten unsere Kohlenversorgung und damit die Betriebsbereitschaft unserer Bahnen abhängig ist, ganz abgesehen von den durch Streiks, Transportschwierigkeiten usw. bedingten Störungsmöglichkeiten.

Nicht gering einzuschätzen ist ferner, dass die Elektrifikation unserer Bahnen eine bessere Fahrplangestaltung und damit eine Belebung des Verkehrs und die Vermehrung der Einnahmen ermöglicht. Es ist unrichtig, wenn behauptet wurde,
der elektrische Betrieb gestatte keine Geschwindigkeitsvermehrung und also auch keine raschere Zugsfolge. Tatsächlich wird die reine Fahrzeit ErstfeldBiasca und umgekehrt schon im neuen, auf den elektrischen Betrieb «ingerichteten Fahrplan vom 1. Juni 1921 bis um 25 Minuten gekürzt, und es besteht kein Zweifel, dass diese Kürzungen in der Folge

549 noch weiter gehen können, sobald der elektrische Betrieb sich eingelebt haben wird.

Es versteht sich von selbst, dass in Anbetracht der gewaltigen Summen, welche in Frage kommen, das Vorgehen bei der Elektrifikation weiterer Betriebsgruppen sehr sorgfältig erwogen werden muss.

Wenn sich auch vernünftigerweise das Tempo der Durchführung den Verhältnissen anzupassen hat, so geht es doch nicht an, bei jeder Änderung der Kohlen- und Eohmaterialpreise das Programm für die Elektrifikation wieder umzustürzen.

Der weitere Ausbau muss nach gleichem Grundsatze erfolgen wie die in Ausführung befindliche Etappe, d. h. mit der Erstellung eines Kraftwerkes müssen zugleich alle diejenigen Elektrifikationsarbeiten (Übertragungsleitungen, Unterwerke, Fahrleitungen usw.)

in Angriff genommen werden, die jeweilen eine volle Ausnützung des betreffenden Kraftwerkes ermöglichen; denn ein unvollständig ausgenütztes Kraftwerk erhöht natürlich die Betriebskosten der betreffenden Gruppe.

Da dem Ausbauprogramm eine gewisse Steigerung des Verkehrs zugrunde gelegt wurde, die sich vielleicht nicht sofort im berechneten Masse einstellt, so ist es unter Umständen möglich, an ein erbautes Kraftwerk Linien anzuschliessen, die ursprünglich einer spätem Gruppe zugeteilt waren.

Es darf wohl schliesslich noch ganz besonders hervorgehoben werden, dass die Elektrifizierung unserer Bahnen dem Lande Arbeit verschafft und dass von den dafür verausgabten Summen annähernd 3 /4 im Inland verbleiben. Dazu kommt, dass sich der dem Ausland für die Deckung unseres je nach Verkehr und Fahrplan 500,000 bis 700,000 Tonnen betragenden jährlichen Kohlenbedarfs zu entrichtende Tribut mit jeder ersparten Tonne um deren Anschaffungspreis vermindert.

Wir kommen deshalb mit der Generaldirektion zum Schlüsse, dass die Elektrifikation der Bundesbahnen nicht einzustellen sei; sie soll vielmehr systematisch und ungefähr in derEeihenfolge des Programmes vom Juli 1918 fortgesetzt werden. Mit Bezug auf das Tempo ist den verantwortlichen Behörden die Freiheit einzuräumen, dieses den Umständen anzupassen. Jedenfalls ist das Bitomwerk voll auszubauen, und es sind die in Angriff genommenen Werke Amsteg und Barberine ohne Unterbrechung zu vollenden und die damit elektrisch zu betreibenden Bahnstrecken hierfür einzurichten.

Es ist anzunehmen, dass sich
mittlerweile die Verhältnisse wiederumjabklären und stabilisieren werden, so dass sich der Verkehr, die Möglichkeit der Kapitalbeschaffung, sowie die Fragen der Erstellung Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. III.

37

550

neuer Kraftwerke und ihrer Gestehungskosten so weit überblicken lassen, dass auf sicherer Grundlage an die Fortsetzung des grossen Werkes geschritten werden kann. Die jährlichen, vom Verwaltungsrate der S. B. B. aufzustellenden und von den eidgenössischen Bäten sra genehmigenden Voranschläge werden der Generaldirektion die verfügbaren Mittel bezeichnen.

Wir beehren uns daher, Ihnen zu beantragen: 1. Es sei von diesem Berichte in zustimmendem Sinne Vormerkung zu nehmen; 2. es sei zurzeit von der Aufstellung eines neuen Elektrifikationsprogrammes abzusehen, und es seien die Arbeiten im Sinne der vorstehenden Ausführungen und nach Massgabe der jährlichen Voranschläge weiterzuführen.

Wir benützen diesen Anlass, um Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 7. Juni 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident;

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Postulat der nationalrätlichen Bundesbahnkommission betreffend die Finanzlage der Bundesbahnen und ihr Elektrifizierungsprogramm und zum Postulat Gelpke betreffend die bisherigen Betriebsergebni...

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1921

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1431

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.06.1921

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525-550

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