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Bundesblatt

73. Jahrgang.

Bern, den 16. Februar 1921.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Saltjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr: 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stampft * de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines Bundesgesetzes betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893/6. Oktober 1911.

(Vom 12. Februar 1921.)

I. Allgemeines.

Die infolge des Krieges eingetretene Geldentwertung hat sich auch auf dem Gebiete der Eechtspflege in einer Weise fühlbar gemacht, welche in verschiedenen Eichtungen eine Eevision der vor dem Jahre 1914 erlassenen prozessrechtlichen Vorschriften als dringend geboten erscheinen lässt.

Dies trifft in erster Linie zu hinsichtlich der für die Begründung der Zuständigkeit der Gerichte massgebenden Bestimmungen über den Wert des Streitgegenstandes. Infolge des Umstandes, dass der durchschnittliche Streitwert der Prozesse der Verminderung der Kaufkraft des Geldes entsprechend gestiegen ist, dio die Voraussetzungen für die Weiterziehung an eine höhere Gerichtsbehörde umschreibenden Grundsätze dagegen unverändert geblieben sind, ist mehr und mehr eine Überlastung der obern Instanzen, ganz besonders des Bundesgerichtes, eingetreten. So ist beispielsweise die Zahl der bei diesem anhängigen Berufungen von 489 im Jahre'1914 auf 713 im Jahre 1919, d. h. um zirka 45 % angewachsen, während der Personalbestand keine Änderung erfahren hat. Dass die Rechtspflege hierunter notgedrungen leiden muss, bedarf keiner weitern Begründung. Abgesehen davon hat die Überlastung des Gerichtes zur Folge, dass der Zeitraum zwischen dem Eingange der Berufung und dem Abspruchstermin sich stets vergrössert, und dies wiederum führt dazu, dass eine beträchtliche Anzahl von aussichtslosen Berufungen eingelegt wird mit der unverkennbaren Absicht, lediglich den Eintritt Bundesblatt 73. Jahrg. Bd. I.

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194 der Rechtskraft und damit die Exequierbarkeit des letztinstanzlichen kantonalen Urteils hinauszuschieben. Abhülfe kann hier nur dadurch geschaffen werden, dass entweder die Zahl der Eichter und Gerichtsbeamten vermehrt oder das Rechtsmittel der Berufung in eine Kassationsbeschwerde umgewandelt wird oder endlich die für die Zulässigkeit der Anrufung des Bundesgerichtes massgebenden Bestimmungen über den Streitwert abgeändert werden.

Allein nicht nur die Vorschriften über die funktionelle Zuständigkeit bedürfen der Anpassung an die veränderten Verhältnisse, sondern auch diejenigen über das Gerichtskostenwesen (Gerichtskosten im engern Sinne, Parteientschädigungen, Anwaltsgebühren etc.).

Infolge der starken Erhöhung der Besoldungen des Gerichtspersonals und der Verteuerung aller Kanzleibedürfnisse hat sich die Ökonomie des Gerichtsbetriebes ganz erheblich zu Ungunsten des Staates verschoben. Die frühere Relation zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Rechtspflege lässt sich nur dadurch wiederherstellen, dass die Gerichtsgebühren (Spruchgebühren) und die für die Ausfertigungen zu erhebenden Schreibgebühren entsprechend erhöht werden. Ebenso revisionsbedürftig sind auch die übrigen Kostenbestimmungen, namentlich diejenigen über die Anwaltsgebühren und die Parteientschädigungen; auch hier stimmen die im Gesetze vorgesehenen Ansätze mit den konkreten Verhältnissen nicht mehr überein.

Das Bundesgericht hat in seinen Geschäftsberichten wiederholt auf die soeben erwähnten Umstände hingewiesen und eine Revision des Organisationsgesetzes angeregt (BEI 1918,1, S. 426; 1919, I, S. 440; 1920, I, S. 617). Der Bundesrat glaubte indessen, einstweilen noch eine abwartende Stellung einnehmen zu sollen, von der Erwägung ausgehend, dass eine Änderung der Bestimmungen über den Streitwert, wodurch eine erhebliche Anzahl von Prozessen der bundesgerichtlichen Kognition entzogen wird, nicht gestützt auf die Erfahrungen einzelner, infolge der Kriegsereignisse abnormaler Geschäftsjahre, sondern erst nach Eintritt einer gewissen Konsolidierung der Verhältnisse ins Auge gefasst werden dürfe. Wir halten dafür, dass nunmehr der Zeitpunkt für die Vornahme der Revision des Organisationsgesetzes im Sinne einer Anpassung desselben an die veränderte Wirtschaftslage gekommen ist und beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem
Bundesgesetze betreffend die Abänderung des B G über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. Märzr 1893/6. Oktober 1911 zu unterbreiten.

Der vorliegende Entwurf ändert~'zunächst ab: die Bestimmungen über den Streitwert der sogenannten direkten Zivilprozesse.;

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soweit ein solcher für die Zuständigkeit des Bundesgerichtes überhaupt in Betracht fällt; ferner die Bestimmungen über den Streitwert im Berufungsverfahren und verschiedene Kostenbestimmungen (Taggelder und Entschädigungen der Ersatzmänner, der Untersuchungsrichter, der eidgenössischen Geschwornen und der Zeugen; Gerichtsgebühren). Sodann beantragen wir bei diesem Anlasse ausser diesen durch die Geldentwertung bedingten Abänderungen, einem vom Bundesgerichte geäusserten Wunsche entsprechend, auch die Eevision einiger das Berufungsverfahren beschlagender Vorschriften, wodurch indessen die rechtliche Natur des Kechtsmittels in keiner Weise verändert wird.

II. Die einzelnen Reyisionspunkte.

A. Direkte Zivilprozesse.

(Art. 48, Ziff. 2, 4; Art. 52, Ziff. l, OG.)

Nach dem geltenden Organisationsgesetze ist die Zuständigkeit des Bundesgerichtes als einzige Zivilgerichtsinstanz durch den Wert des Streitgegenstandes insofern bedingt, als es auf die Beurteilung von Streitigkeiten zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bunde als Beklagten (Art. 48, Ziff. 2), zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits (Art. 48, Ziff. 4, OG) und zwischen Parteien, welche eine Proroga tionsvereinbarung getroffen haben, nur einzutreten hat, wenn der Streitgegenstand einen «Hauptwert von mindestens. Fr. 8000» besitzt (Art. 52, Ziff. l, OG). Die in den erwähnten Artikeln umschriebenen Kompetenzen waren schon in der Bundesverfassung vom 12. September 1848 vorgesehen, mit dem Vorbehalte, dass es sich dabei um Streitigkeiten von einem «beträchtlichen» Werte handeln müsse, dessen Bestimmung der Bundesgesetzgebung obliege. (Art. 101/02). Im Bundesgesetze vom 5. Juni 1849. betreffend die. Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 47) wurde alsdann der Mindeststreitwert auf Fr. 3000 angesetzt. Daran ist bei der Eevision der Bestimmungen über die Organisation der Bundesrechtspflege in den Jahren 1874, 1892/93 und 1910/11 stets festgehalten worden. Es liegt auf der Hand, dass schon vor dem Kriege der seit dem Jahre 1849 unverändert gebliebene Streitwert von Fr. 3000 mit den auf dem Geldmarkte gegebenen Verhältnissen nicht mehr in Übereinstimmung stand; noch viel weniger ist dies naturgemäss heute der Fall, und es dürfte daher eine Erhöhung auf Fr. 5000 in den Prozessen nach Art. 48, Ziff. 2 und 4, und auf Fr. 10,000 in denjenigen nach Art. 52, Ziff. l, wie wir sie vorschlagen, sich ohne weiteres rechtfertigen. Zudem

196 hat die in Art. 52, Ziff. 1. OG dem Bundesgerichte zugewiesene Kompetenz für das rechtsuchende Publikum heute ohnedies bei weitem nicht mehr die Bedeutung, die ihr früher zugekommen ist.

Denn zufolge der nahezu vollständigen Vereinheitlichung des Privatrechtes steht den Parteien die Möglichkeit zu Gebote, die Grosszahl dieser Streitigkeiten, die unter der Herrschaft des kantonalen Eechtes an sich der Bundesgerichtsbarkeit entzogen waren und ihr nur durch die in Art. 52 0 G enthaltene Spezialbestinimung unterstellt werden konnten, an das Bundesgericht als Berufungsinstanz weiterzuziehen.

Die Erhöhung des Streitwertes und die infolgedessen zu erwartende Verminderung der direkten Prozesse bedeutet für das Bundesgericht eine ganz erhebliche Entlastung, weil es sich bei diesen Prozessen · nicht nur mit der Beurteilung der Bechtsfrage, sondern auch mit der häufig umfangreichen und zeitraubenden Instruktion der Sache zu befassen hat.

Die Bevision von Art. 48, Ziff. 2 und 4; OG führt dazu, dass auch die in der übrigen Bundesgesetzgebung enthaltenen Bestimmungen, wonach bei einem Streitwert von mindestens Fr; 3000 das Bundesgericht als einzige Instanz angerufen werden kann, im Sinne einer Erhöhung dieses Betrages auf Fr. 5000 abgeändert werden müssen. Dies trifft beispielsweise zu hinsichtlich des Art. 113, lit. a, des Bundesgesetzes betreffend das Postwesen vom 5. April 1910, welcher in Anlehnung an die gegenwärtige Fassung von Art. 48 OG bestimmt, dass Klagen gegen die Postanstalt beim Bundesgerichte anzubringen sind, sofern der Streitgegenstand einen Hauptwert von Fr. 3000 besitzt. Ein irgendwie stichhaltiger Grund, bei den Klagen gegen die Postverwaltung an einem Streitwert von Fr. 3000 festzuhalten, wenn derjenige für die übrigen Klagen gegen den Bund auf Fr. 5000 erhöht wird, liegt zweifellos nicht vor.

B. Die Berufung.

1. Beruflingsvoraussetzungen.

(Art. 59, Abs. 1; Art. 63, Ziff. l, OG.)

Der Schwerpunkt der vorliegenden Bevision des Organisationsgesetzes liegt in der beantragten Abänderung von Art. 59, Abs. l, OG, wonach der Mindeststreitwert für die Zulässigkeit der Berufung in vesmögensrechtlichen Streitigkeiten von Fr. 2000 auf Fr. 4000 heraufgesetzt wird. Die Grundlage für die Berechnung des Streitwertes bleibt die gleiche wie im geltenden Becht, indem die Bevision daran festhält, dass dieser nach Massgabe der Bechtsbegehren zu ermitteln ist, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren.

197 Würde es sich bei dem Sinken des Geldwertes nur um eine vorübergehende Erscheinung handeln, so wäre die gegenwärtige Überlastung des Bundesgerichtes als eine unvermeidliche Kriegsfolge in den Kauf zu nehmen, und wir könnten unter diesen Umständen eine Eevision von Art. 59, Abs. l, OG nicht befürworten. Dabei möchten wir ausdrücklich bemerken, dass das Bundesgericht selbst diesen Standpunkt eingenommen hat, indem es in der Begründung zu seinen Abänderungsanträgen ausführte, dass es keineswegs der Tendenz huldige, die Zuständigkeit des eidgenössischen Zivilrichters mehr als notwendig einzuschränken und ganz damit einverstanden sei, dass die Anrufung des obersten Gerichtshofes nach Möglichkeit allen Klassen offenstehen solle. Erwägt man aber, dass auf absehbare Zeit hinaus mit einer Verminderung des Geldwertes um zirka 50 % zu rechnen ist, so steht heute -- objektiv betrachtet -- überhaupt nicht eine Veränderung der Bestimmungen über die Zuständigkeit in Frage, vielmehr handelt es sich darum, die Zuständigkeit des Bundesgerichtes, die sich "in den letzten Jahren infolge der mehrfach erwähnten Umstände automatisch nach unten verschoben hat, den nunmehr gegebenen Verhältnissen anzupassen, um der für die Bechtspflege schädlichen Überlastung des Gerichtes Einhalt zu gebieten. Es ist allerdings richtig -- worauf oben schon hingewiesen worden ist --, dass dieses Ergebnis, statt durch das rein mechanische 'Mittel der Erhöhung der Kompetenzgrenze, sich auch durch eine Vermehrung der Zahl der Eichter oder eine Änderung der Struktur des Rechtsmittels der Berufung erreichen lassen würde. Der erstere Weg ist ohne weiteres von der Hand zu weisen und der letztere scheint uns deswegen nicht gangbar zu sein, weil hierzu umfangreiche Vorstudien notwendig wären, Massnahmen zur Entlastung des Gerichtes aber dringend und nicht mehr aufzuschieben sind. Zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das Bechtsmittel der Berufung durch eine reine Kassationsbeschwerde zu ersetzen oder allenfalls ein dem Verfahren vor der Chambre des requêtes des französischen Kassationshofes analoges Vorprüfungsverfahren einzuführen ist, wird sich bei der in absehbarer Zeit ohnehin notwendig werdenden Totalrevision des Organisationsgesetzes Gelegenheit bieten.

Die Abänderung von Art. 59, Abs. l, OG hat zur Folge, dass der in Art. 68, Ziff. l,
OG genannte Betrag von Fr. 2000 ebenfalls durch Fr. 4000 ersetzt werden muss.

2. Bernfangsverfahren.

(Art. 65, Abs. 2, 67, 68; Abs. l, 70,. 71 ; Abs. 3 und 4, 72, 78, OG.)

Die beantragte Abänderung des Berufungsverfahrens beschlägt im -wesentlichen dessen Form, indem der Schriftlichkeit ein grösseres

19S Anwendungsgebiet eingeräumt werden soll, als dies bis anbin der Fall gewesen ist.

Nach den geltenden Vorschriften des Organisationsgesetzes ist die Berufung in allen Fällen schriftlich zu erklären, und zwar bei dem Gerichte, welches das angefochtene Urteil gefällt hat (Art. 67, Abs.

l, ÒG). Mit Bezug auf die Begründung der Parteianträge besteht dagegen ein Unterschied zwischen den Prozessen mit einem Streitwert von weniger als Fr. 4000 und allen übrigen Streitigkeiten.

Erreicht nämlich der Streitwert den Betrag von Fr. 4000 nicht, so hat der Berufungskläger der Berufungserklärung eine Eechtsschrift beizulegen, welche die Berufung begründet, ansonst diese als unzulässig von der Hand zu weisen ist (Art. 67, Abs. 4, OG). Die Eechtsschrift wird von dem vom Präsidenten mit der Instruktion der Sache betrauten Mitgliede des Gerichtes dem Berufungsbeklagten zur Beantwortung innerhalb einer Frist von 10 Tagen im ordentlichen und von 5 Tagen im beschleunigten Verfahren zugestellt (Art. 72, Abs. l, OG), sofern sich die Berufung "nicht mangels des Vorliegens der Berufungsvoraussetzungen von vornherein als unzulässig herausstellt (Art. 71, Abs. 4, OG), in welchem Falle die Sache durch Nichteintretensbeschluss ohne Anhörung des Berufungsbeklagten erledigt wird. Dem Berufungsbeklagten steht es frei, die Berufung zu beantworten oder nicht (Art. 72 OG). Die Anschlussberufung, die innerhalb von 10 bzw. 5 Tagen von der Mitteilung der Berufung durch die kantonale Instanz erklärt werden kann (Art. 70, Abs. l, OG), bedarf ebenfalls der schriftlichen Begründung. In diesem Falle wird dem Berufungskläger Gelegenheit geboten, sich schriftlich zur Anschlussberufung auszusprechen, wobei aber ebenfalls keine Eechtsnachteile eintreten, wenn die Beantwortung unterbleibt.

Eine mündliche Parteiverhandlung findet in diesen Fällen nicht statt. Das Gesetz sieht zwar die Möglichkeit einer Ladung der Parteien von Amtes wegen zum mündlichen Vortrage der Streitsache vor (Art. 73, Abs. 2, OG), doch macht die Praxis von diesem Verfahren keinen Gebrauch. Den Parteien wird vielmehr lediglich der Tag der Urteilsfällung angezeigt, damit sie der Beratung des Gerichtes beiwohnen können (Art. 73, Abs. l, OG). Beträgt dagegen der Streitwert Fr. 4000 oder mehr oder unterliegt die Streitsache ihrer Natur nach keiner vermögensrechtlichen
Schätzung, so sind die Parteianträge stets mündlich zu begründen ; indessen wird die Partei, welche ' bei der Hauptverhandlung ausbleibt, von keinem Eechtsnachteil betroffen (Art. 74, Abs. 3, OG). Allfällig eingereichte Eechtsschriften werden, sofern das mündliche Verfahren stattfindet, als prozessual unzulässig aus dem Eechte gewiesen (vgl. z. B. BGE 42, II, S. 403, Erw. 2).

199 Das soeben beschriebene Verfahren ist jedoch im Jahre 1918 ganz erheblich modifiziert worden. Infolge der im Interesse der Kohlenversorgung des Landes notwendig gewordenen Einschränkungen des Fahrplanes war für die in der Ost- und Südschweiz wohnhaften Anwälte ein Vorstand vor Bundesgericht mit solchen Umtrieben verbunden, dass sie häufig auf den mündlichen Vortrag verzichteten. Wenn sie gleichwohl zur Hauptverhandlung erschienen, so standen nicht selten der Zeitverlust und die den Parteien erwachsenden Kosten zu der Bedeutung des Prozesses in keinem Verhältnis.

Eine schriftliche Begründung durfte in den im mündlichen Verfahren zu führenden Prozessen nicht berücksichtigt werden, und so war das Gericht häufig in die unangenehme Lage versetzt, Prozesse beurteilen zu müssen, ohne die Einwendungen der Parteien gegen das angefochtene Urteil zu kenn en. Anderseits hatten diese Umstände eine durch nichts gerechtfertigte faktische Bevorzugung der in der Nähe des Gerichtssitzes wohnenden Parteien und Anwälte zur Folge.

Als auf den 1. Dezember 1918 der 5. reduzierte Fahrplan in Kraft gesetzt wurde, wodurch die gerügten Übelstände sich noch ganz bedeutend verschärfen mussten, entschloss sich das Bundesgericht, Abhülfe zu schaffen. Dies geschah durch den Beschluss vom 30. November 1918 über das Berufungsverfahren während der Dauer des reduzierten Fahrplanes (BEI 1918, V, S. 502; BGE 44,_JI, S. 446).

Danach steht es in den Fällen, wo der Streitwert den Betrag von Fr. 4000 erreicht oder der Streitgegenstand keiner Schätzung unterliegt, dem Berufungskläger frei, innert der Berufungsfrist die Berufung schriftlich zu begründen, wenn er zugleich auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Macht der Berufungskläger von dieser Möglichkeit Gebrauch, so teilt der Präsident dem Berufungsbeklagten die Eechtsschrift mit und wartet mit der Vorladung zur mündlichen Verhandlung im ordentlichen Verfahren während 10 und im beschleunigten Verfahren während 5 Tagen zu. Eeicht der Berufungsbeklagte innert dieser Frist eine schriftliche Antwort ein, in welcher er ebenfalls auf die mündliche Verhandlung verzichtet, so unterbleibt diese. Andernfalls werden beide Parteien zur Hauptverhandlung vorgeladen und es findet das gewöhnliche mündliche Verfahren statt, mit der einzigen Abweichung, dass die Eechtsschrift des Berufungsklägers
bei den Akten bleibt. In Anwaltskreisen erfreute sich dieses Verfahren bald grosser Beliebtheit; denn dadurch Hess sich in minder wichtigen Fällen die Beise nach Lausanne vermeiden, ohne dass die Partei .darunter leiden musste. Für das Gericht war es insofern von Vorteil, als infolge des Wegfalles der Plädoyers die Sitzungen nicht unwesentlich verkürzt wurden und den Eichtern mehr Zeit zum Studium der Akten und zur Vorbereitung der Eeferate zur Verfügung stand.

200 Diese Gründe veranlassten das Bundesgericht, dieses Verfahren beizubehalten auch als die Verkehrsverhältnisse wieder normal .geworden waren (Beschluss vom 13. Februar 1920. BEI 1920, I, S. 408; BGE 46, II, S. 76). Das Gericht befürwortet wärmstens, die gegenwärtige Partialrevision des Organisationsgesetzes dazu zu benutzen, dieses fakultativ schriftliche Verfahren auszubauen und ihm eine gesetzliche Grundlage zu verschaffen. Wir pflichten diesem Wunsche bei, indem die Sanktionierung der in dem Beschlüsse vom 30. November 1918 niedergelegten Verfahrensgrundsätze eine rationellere Ausnutzung der Arbeitskraft der Eichter ermöglicht und sich daher neben der Erhöhung des Minimalstreitwertes als eines der wirksamsten Mittel erweist, um der Überlastung unseres obersten Gerichtshofes entgegenzutreten.

Die das Berufungsverfahren beschlagenden Bestimmungen des vorliegenden Entwurfes halten an dem im geltenden Eecht mit Bezug auf die Begründung der Parteianträge bestehenden Dualismus fest, doch wird die Grenze von Fr. 4000 auf Fr. 10,000 verlegt. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von weniger als Fr. 10,000 findet nach wie vor in der Eegel das rein schriftliche Verfahren statt (Art. 73) ; indessen wird die Bestimmung beibehalten, wonach auch in solchen Fällen das Gericht eine mündliche Verhandlung beschliessen und die Parteien zu diesem Zwecke vorladen kann. Eine Modifikation des geltenden Eechtes ist nur insofern vorgesehen, als der Schriftenwechsel nicht mehr vom Instruktionsrichter geleitet wird, die Eechtsschrift des Berufungsklägers vielmehr durch die Vorinstanz dem Berufungsbeklagten zuzustellen ist (Art. 68, Abs. 1; 70, Abs. 1). Hierdurch lässt sich das für alle Beteiligten lästige Auseinanderfallen des Anfangstermines für die Frist zur Beantwortung der Berufung und zur Erklärung der Anschlussberufung vermeiden und es wird dadurch dem Berufungsbeklagten ermöglicht, in ein und derselben Vorkehr die Hauptberufung zu beantworten und die Anschlussberufung zu begründen.

Diese Eechtsschrift ist, wie nach dem geltenden Eechte, nicht bei der Vorinstanz, sondern direkt beim Bundesgerichte einzureichen, welches sie dem Berufungskläger zur Beantwortung zustellt, sofern eine Anschlussberufung eingelegt worden ist (Art. 70, Abs. 2).

Erheblicher sind die Abänderungen mit Bezug auf
das Verfahren in allen übrigen, d. h. denjenigen Streitigkeiten, die sich nicht auf vermögensrechtliche Ansprüche beziehen oder deren Streitwert Fr. 10,000 oder mehr beträgt. Hierbei fällt vorab in Betracht, dags die nur die Anträge enthaltende Berufungserklärung nicht mehr, genügt, sondern in allen Fällen innert der Berufungsfrist bei der Vorinstanz ausserdem eine die Anträge begründende Eechtsschrift

201 eingereicht werden muss. In dieser hat sich der Berufungskläger auch darüber auszusprechen, ob er eine mündliche Verhandlung verlangt (Art. 67). Dem Berufungsbeklagten, dem die Eechtsschrift durch Vermittlung der Vorinstanz zugestellt wird, steht es frei, sie binnen 20 Tagen im ordentlichen bzw. 10 Tagen im beschleunigten Verfahren zu beantworten und sich der Berufung anzuschliessen.

In der Antwort bzw. Anschlussberufung hat er auch zu erklären, ob er eine mündliche Verhandlung wünscht. Hat keine Partei ein ausdrückliches Begehren auf Anordnung einer mündlichen Schlussverhandlung gestellt, so findet eine solche nicht statt. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Gericht auf Antrag des Präsidenten oder des Referenten die Berufung als zum vornherein unbegründet erklärt hat (Art. 72). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, handelt es sich bei den erörterten Abänderungen des sogenannten mündlichen Verfahrens im wesentlichen um die gesetzliche Anerkennung der im Beschlüsse' vom 80. November 1918 aufgestellten Grundsätze, und es kann daher zur Begründung auf das oben hierüber Gesagte verwiesen werden. Die von dem erwähnten Beschlüsse sowohl als vom geltenden Eechte abweichende Bestimmung, wonach die Berufung in allen Fällen schriftlich zu begründen ist (Art. 67), bietet den Vorteil, dass die Eichter sich anlässlich des Aktenstudiums über die Standpunkte der Parteien orientieren können, was der Beurteilung des Prozesses zweifelsohne zugute kommt. Dabei bleibt es ja den Parteien unbenommen, ihre rechtlichen Ausführungen in der Hauptverhandlung zu vertiefen und zu ergänzen. Die Vorschrift, dass das Gericht auf Antrag des Präsidenten oder des Eeferenten trotz des von einer oder von beiden Parteien gestellten Begehrens beschliessen kann, von einer mündlichen Verhandlung Umgang zu nehmen, wenn die Berufung sich zum vornherein als aussichtslos erweist, etwa weil nur die vom kantonalen Eichter vorgenommene und von der Bundesinstanz nicht überprüfbare Beweiswürdigung gerügt wird, entspricht den Interessen des Gerichtes sowohl als der Parteien, den Interessen des Gerichtes, weil infolgedessen zwecklose Parteivorträge wegfallen, denjenigen der Parteien, weil sich unnütze Kosten ersparen lassen.

Ausserdem sieht der Entwurf eine das mündliche und das schriftliche Verfahren beschlagende Abänderung
des geltenden Eechtes vor, insofern er die Berufungsfrist im beschleunigten Verfahren von 6 auf 10 Tage verlängert (Art. 65, Abs. 2). Diese Abänderung rechtfertigt sich ohne weiteres mit Eücksicht darauf, dass nunmehr die Berufung in allen Fällen schriftlich begründet werden muss; denn eine Frist von nur 5 Tagen für die Ausarbeitung der Berufungsschrift, was in der Regel ein erneutes Studium der Akten und Besprechungen mit

202 der Klientschaft notwendig macht, ist zumal für vielbeschäftigte Anwälte ganz erheblich zu kurz bemessen. Die Verlängerung der Berufungsfrist führt zu einer entsprechenden Ausdehnung der Fristen für die Erklärung der Anschlussberufung (Art. 70, Abs. 1) und die Einreichung der Antwort auf die Berufung bzw. eine allfällige An· Schlussberufung (Art. 70, Abs. l und 2).

Endlich bedürfen noch die das geltende Hecht ergänzenden Vorschriften des Art. 67 über den Inhalt der Berufungsschrift der Erwähnung. Sie lassen sich von dem Bestreben leiten, die Prozesslage schon im Schriftenwechsel so weit als möglich abzuklären, um dem Eichter unnütze Arbeit zu ersparen. Was insbesondere die die Büge der Aktenwidrigkeit betreffenden Bestimmungen anbelangt (Art. 67, Ziff. 2), so handelt es sich, soweit das schriftliche Verfahren in Frage steht, nur um eine Kodifikation der bisherigen Praxis, mit Bezug auf das mündliche Verfahren dagegen um eine materielle Änderung. Nach Art. 81, Abs. l, des geltenden Gesetzes ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden, sofern diese nicht mit den Akten in Widerspruch stehen. Nach der bisherigen Praxis wurde die Eüge der Aktenwidrigkeit nur berücksichtigt, wenn -- sei es in der Berufungsschrift, sei es in der mündlichen Verhandlung -- die nach der Auffassung des Berufungsklägers aktenwidrigen Feststellungen einzeln dargelegt und die Aktenstücke, welche mit dem von der Vorinstanz festgestellten Tatbestande angeblich im Widerspruch standen, genau bezeichnet wurden (BGE 39, II, S. 84; 40, II, S. 403; 44, II, S. 432 Erw. 1). Der Entwurf versieht diese Praxis mit der gesetzlichen Sanktion und bestimmt zudem, dass auch in den Fällen, in denen eine mündliche Verhandlung verlangt wird, die Büge der Aktenwidrigkeit schon in der Berufungsschrift und nicht erst in der Hauptverhandlung geltend zu machen ist. Diese neue Vorschrift führt ebenfalls eine ganz wesentliche Entlastung der Mitglieder des Gerichtes herbei. Denn während der Bichter bisher in den im mündlichen Verfahren zu führenden Prozessen jede einzelne tatsächliche Feststellung der Vorinstanz auf ihre Übereinstimmung mit den Akten nachprüfen musste, um gegen Überraschungen in der Hauptverhandlung gewappnet zu sein, so kann er sich nach der vorgeschlagenen Begelung darauf verlassen, dass die
Parteien den von der Vorinstanz festgestellten Tatbestand anerkennen, sofern im Schriftenwechsel keine Einwendungen dagegen erhoben worden sind.

Dadurch wird er in die Lage versetzt, sich intensiver mit dem Studium der Bechtsfrage zu befassen, zum Nutzen der Parteien sowohl als der gesamten Bechtsprechung auf dem Gebiete des eidgenössischen Bechtes, deren Ausbildung und Fortentwicklung eine der vornehmsten Aufgaben des Bundesgerichtes bildet.

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C. Gerichtskostenwesen.

1. Besoldungen und Entschädigungen.

(Art. 202, Abs. 1; 203, Abs. l und 2; 204, 207, 208, OG.)

Die Besoldungen der Mitglieder des Bundesgerichtes (Art. 197 OG) sind durch Bundesgesetz vom 24. Juni 1919 (A. S. 35, S. 770) erhöht worden, während die Gerichtsschreiber und Sekretäre (Art. 198 OG) die Teuerungszulagen beziehen gleich wie die übrigen eidgenössischen Beamten. Ebenso hat der Bundesrat durch Beschluss vom 2. September 1919 (A. S. 35, S. 693) die Entschädigung der Mitglieder der eidgenössischen Schätzungskommissionen erheblich erhöht. Unter diesen Umständen ist es ein Gebot der Billigkeit, dass auch die Entschädigungen für die übrigen Organe der Bundesrechtspflege (Ersatzmänner des Bundesgerichtes, eidgenössische Untersuchungsrichter. Schriftführer derselben. Eidgenössische 'Geschworne) den heute gegebenen Verhältnissen angepasst werden.

Nach dem geltenden Eechte erhalten die Bundesgerichtssuppleanten ein Taggeld von Fr. 25 (Art. 202, Abs. l, OG). Die Entschädigung für besondere Arbeiten der Ersatzmänner ausserhalb der Gerichtssitzungen (Aktenstudiurn, Ausarbeitung von Referaten) wird vom Bundesgericht im Verhältnis des Zeitaufwandes bestimmt (Art. 202, Abs. 2). Der Entwurf sieht eine Verdoppelung dieses Ansatzes vor und dürfte damit jedenfalls nicht zu hoch gegangen sein, wenn man erwägt, dass die Mitglieder der Expropriationsschätzungskommissionen ein Taggeld von Fr. 50 für die Sitzungstage und die Keise an den Sitzungsort und zurück und von Fr. 30 für ausserhalb dieser Zeit geleistete Arbeit beziehen.

Die eidgenössischen Untersuchungsrichter werden nach dem geltenden Eecht (Art. 203) mit einem Taggeld von Fr. 25, ihre Schriftführer mit einem solchen von Fr. 10 bzw. Fr. 15 entschädigt, je nachdem sie an ihrem Wohnorte oder ausserhalb desselben iii Tätigkeit zu treten haben. Wir schlagen Ihnen vor, die Vergütung für den Untersuchungsrichter auf Fr. 40, diejenige für den Schriftführer auf Fr. 25 bzw. Fr. 30 zu erhöhen. Die Vorschrift von Art. 208, Abs. 3, OG, wonach das Gericht in Berücksichtigung ausserordentlicher Umstände eine angemessene Zulage bestimmen kann, bleibt auch nach dem Entwurfe zu Eecht bestehen.

Das Taggeld der Geschwornen, das gegenwärtig Fr. 10 beträgt, wird nach dem Entwurfe auf Fr. 20 erhöht.

Die Eeiseentschädigung der Ersatzmänner, Untersuchungsrichter, Schriftführer und Geschwornen richtete sieh bisher nach

204 dem Bundesgesetz betreffend Eeiseentschädigungen vom 16. August 1878 (A. S. 8, S. 656) ; wogegen die Eichter und Gerichtsbeamten, wenn sie sich in Amtsgeschäften von Lausanne entfernen, die effektiven Transportauslagen und ein vom Bundesrat zu bestimmendes Taggeld beziehen (vgl. Art. 199 OG; BEB vom 16. Januar 1912 und BEB betreffend Abänderung desselben vom 8. Oktober 1918).

Dieses System verdient zweifelsohne den Vorzug, indem dadurch die stossenden Ungleichheiten vermieden werden, welche das System der Kilometerentschädigungen in sich trägt und die sich noch erheblich verschärfen müssten, wenn das Kilometergeld erhöht würde. Abgesehen davon liegt auch für eine verschiedene Behandlung der ordentlichen und der ausserordentlichen Funktionäre der Bundesrechtspflege kein stichhaltiger Grund vor. Der Ausgleich für den Wegfall des die effektiven Eeisekosten übersteigenden Kilometergeldes besteht darin, dass neben dem Taggeld für auswärtiges Übernachten eine besondere Entschädigung von Fr. 5--10 ausgerichtet wird.

Dadurch ergibt sich dann auch die wünschbare Differenzierung zwischen der Entschädigung der Bundesgerichtssuppleanten und derjenigen der Mitglieder der eidgenössischen Schätzungskommissionen.

Die Bestimmung der Wagenklasse, auf welche die einzelnen Funktionäre Anspruch erheben können, sowie die Festsetzung des Betrages der Entschädigung für auswärtiges Übernachten, kann füglich dem Bundesgerichte überlassen werden.

Unter dem Titel Besoldungen und Entschädigungen ordnet das Organisationsgesetz auch die Zeugengelder (Art. 207). Nach dem geltenden Eechte erhält der Zeuge ein Taggeld von Fr. 2--10 (Art. 207, Abs. 1), wobei der Eichter für Mehrauslagen einen Zuschlag gewähren kann (Art. 207, Abs. 2). Die Vergütung der Eeiseauslagen erfolgt ebenfalls nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 16. August 1876. Auch diese Ansätze entsprechen den gegebenen Verhältnissen nicht mehr, und das Gericht war daher in den letzten Jahren fase durchweg genötigt, von der Bestimmung von Art. 207, Abs. 2, Gebrauch zu machen. Werden aber die Entschädigungsbestimmungen revidiert, so empfiehlt es sich auch, die Ansätze für die Zeugengelder neu festzusetzen. Unser Vorschlag (Fr. 5--30) -scheint uns angemessen zu sein, indem er dem Gerichte die nötige Freiheit lässt, um dem konkreten Falle Eechnung zu tragen. Das
System der Eeiseentschädigungen wird den für die Ersatzmänner, Untersuchungsrichter etc. aufgestellten Grundsätzen (effektive Eeiseauslagen plus besondere Entschädigung für auswärtiges Übernachten) angepasst, wobei der Entscheid über die vom Zeugen zu beanspruchende Wagenklasse und die Höhe der Entschädigung für auswärtiges Übernachten ebenfalls Sache des Gerichtes ist.

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2. Prozesskosten.

Die Notwendigkeit der Erhöhung der Gerichtskosten ist schon auseinandergesetzt worden (vgl. Ziff. I), und es dürften den von uns in dieser Beziehung gestellten Anträgen um so weniger Bedenken entgegenstehen, als die meisten Kantone dem Bundesgesetzgeber hier schon vorangegangen sind, so dass die vom Bundesgericht gesprochene Gerichtsgebühr heute nicht selten nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was die letzte kantonale Instanz bezogen hat.

Die vorgesehenen Abänderungen berühren das dem Gesetze zugrunde liegende Kostensystem nicht, sondern beschlagen lediglich die Kostenansätze, und zwar im wesentlichen nur die Maxima. Wir liessen uns dabei dem vom Bundesgerichte gestellten Antrage entsprechend von dem Bestreben leiten, einerseits durch die Belassung der Minima auf einem verhältnismässig geringen Betrage die Kosten der Bundesrechtspflege für die gewöhnlichen Fälle auf einem bescheidenen Niveau zu halten, anderseits aber dem Gerichte die Möglichkeit zu verschaffen, in Zukunft in den Fällen, wo entweder ein sehr hoher Streitwert oder eine besonders intensive Inanspruchnahme des Gerichtes vorliegt, eine wesentlich höhere Gebühr für die Staatskasse beziehen zu können. Das letztere trifft insbesondere zu für die auf Grund einer Prorogationsabrede dem Bundesgerichte als einziger Instanz zur Beurteilung unterbreiteten Prozesse und für die Instruktion und Beschlussfassung in Eisenbahnnachlassvertragsangelegenheiten, wo mit Bücksicht auf die Bedeutung der Sache sowohl als die dem Gerichte verursachte Arbeit und die die Gerichtskasse belastenden Beisespesen die geltende Maximalgebühr von Fr. 2000 als unverhältnismässig gering bezeichnet werden muss.

Im einzelnen ist zu den gemachten Vorschlägen folgendes zu bemerken : a. Kosten im Zivilpi-ozesse.

(Art. 214, Ziff. 2 und 3; 215, Abs. 2; 217, 218, OG.)

Nach dem geltenden Bechte bestehen die Prozesskosten, welche von den Parteien an das Bundesgericht zu bezahlen sind: 1. In den Barauslagen des Gerichtes für Augenschein, Zeugen und Experten, jedoch mit Ausnahme der an das Gerichtspersonal zu verabfolgenden Taggelder und Beiseentschädigungen (Art. 214, Ziff. l, OG); 2. in einer Gerichtsgebühr von Fr. 25--500 (Art. 214, Ziff. 2, OG); 3. in den Kanzleigebühren für jede Ausfertigung eines Urteils oder Beschlusses, sowie für Kopiaturen, die Folioseite zu 60 Bp. (Art. 214, Ziff. 3, OG). In den Prozessen, in denen das Bundesgericht als forum prorogatum angerufen wird (Art. 52, Ziff. l, OG), beträgt

206

jedoch die Gerichtsgebühr (Art. 214, Ziff. 2, OG) statt Fr. 25--500 Fr. 100--2000 (Art. 215 OG); bei Erledigung des Prozesses durch Abstandserklärung oder Vergleich kann sie in allen Fällen bis auf die Hälfte reduziert werden (Art. 218 OG). Der Entwurf lässt Art. 214, Ziff. l, unberührt; dagegen wird der Spielraum für die Gerichtsgebühr in prorogierten Prozessen auf Fr. 200--10,000 angesetzt, während in allen andern Streitigkeiten der Minimalansatz von Fr. 25 beibehalten, das Maximum dagegen auf Fr. 3000 erhöht wird. Anderseits sieht der Entwurf, einem vom Bundesgerichte ausgesprochenen und auf Bedürfnissen der Praxis beruhenden Wunsche entsprechend, eine Abänderung von Art. 218 OG in dem Sinne vor, dass im Falle der Beendigung des Prozesses durch Erledigungsbeschluss infolge Abstandserklärung oder Vergleiches die Gerichtsgebühr in der Regel höchstens die Hälfte des für das Haupturteil zu erhebenden Maximalbetrages betragen soll. Die Schreibgebühren werden von 60 Ep. per Folioseite auf Fr. l erhöht, entsprechend dem nunmehr für die Bundeskanzlei geltenden Tarife (BEB vom 6. April 1920, Art. 2. A. S. 36, S. 215).

Im Zusammenhange mit den Kosten des Zivilprozesses ordneô das Organisationsgesetz auch diejenigen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nämlich des Verfahrens bei der Zwangsliquidation einer Eisenbahnunternehmung oder einer staatlichen Emissionsbank (Art.

217 OG). Abgesehen davon, dass diese Vorschrift mit dem geltenden Eechte nicht mehr übereinstimmt, indem einerseits Zwangsliquidationen von Emissionsbanken nicht mehr in Frage kommen, anderseits die Kompetenzen des Bundesgerichtes auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit dadurch eine Erweiterung erfahren haben, dass ihm die Instruktion und Beschlussfassung in Eisen bahnnachlassvertragsangelegenheiten übertragen worden ist (B G vom 25. September 1917, BEB vom 19. April 1919), so sind, wie bereits angedeutet wurde, auch die Kostenansätze (Fr. 200--2000) bedeutend zu tief gegriffen. Die vorliegende Eevision soll sowohl den Artikel mit dem geltenden Bundesrecht in Einklang bringen als die Gerichtsgebühr in angemessener Weise, nämlich auf minimal Fr. 500 und maximal Fr. 20,000, erhöhen.

b. Kosten im Strafverfahren.

(Art. 220, Ziff. 2, OG.)

Der Entwurf sieht eine Abänderung der im Strafverfahren (Verfahren vor den Bundesassisen, dem Bundesstrafgericht und dem Kassationshof) zu entrichtenden Kosten nur insofern vor; als die Gerichts- und Kanzleigebühren erhöht werden sollen. Nach

20.7 Art. 220, Ziff. 2,' OG beträgt heute die Gerichtsgebühr bei den Assisen Fr. 100--1000, beim Bundesstrafgericht Fr. 25--500 und beim Kassationshof Fr. 25--100. Die beantragte Erhöhung der Gebühr auf Fr. 500--5000 im Verfahren vor dem eidgenössischen Schwurgericht rechtfertigt sich mit Eücksicht auf den grossen Apparat, der für die Abhältung einer Assisenverhandlung in Bewegung gesetzt werden muss. Die Erhöhung der Gebühr im Verfahren vor dem Bundesstrafgerichte (Fr. 50---2000) erscheint als geboten, einerseits weil das Strafgericht in den Fall kommen kann, Strafsachen voa grosser Bedeutung beurteilen zu müssen, und anderseits, weil die Sitzungen in der Regel nicht am Gerichtssitze stattfinden können, die Bundeskasse daher mit nicht unerheblichen Eeiseentschädigungen belastet wird. Für das Verfahren vor dem Kassationshofe hält der Entwurf an dem bisherigen Minimalansatz fest, von der Erwägung ausgehend, dass eine Gerichtsgebühr von Fr. 25 in den häufig nur zum Zwecke der Erwirkung eines prinzipiellen Entscheides an den Kassationshof weitergezogenen, an sich aber unbedeutenden Straffällen (z. B. Übertretungen des Stempelgesetzes) auch heute noch genügend ist, während sich anderseits in den Kriegswucherfällen eine Gerichtsgebühr von Fr. 100 als erheblich zu niedrig gegriffen erwiesen hat, was uns veranlagst, die Erhöhung des Maximumsauf Fr. 500 zu beantragen. Die in Art. 214, Ziff. 8, vorgesehene Erhöhung der Schreibgebühren bezieht sich auch auf die im Strafverfahren ergebenden Urteile und Beschlüsse, indem Art. 220, Ziff. 8, hinsichtlich der zu erhebenden Kanzleigebühren auf Art. 214 OG verweist.

o. Kosten bei staatsrechtlichen Streitigkeiten.

(Art. 221, Abs. 2, OG.)

An dem Grundsatze, dass bei den staatsrechtlichen Streitigkeiten in der Regel weder Gebühren bezogen, noch Parteientschädigungen zugesprochen werden sollen (Art. 221, Abs. l, OG), hält der Entwurf fest. Auch nach geltendem Recht kann indessen das Gericht eine Gerichtsgebühr von höchstens Fr. 100 sprechen, wenn die Anhebung oder Veranlassung des Streites oder die Art der Prozessführung es rechtfertigt (Art. 221, Abs. 2, OG). Die Praxis hat von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht im Falle trölerischer Beschwerdeführung und wenn die zwar in der Form einer staatsrechtlichen Streitigkeit vor das Bundesgerieht gebrachte Sache sich ihrer
innern Natur nach als eine Zivilsache darstellte (z. B. Rechtsverweigerungsbeschwerden gegen Zivilurteile). Der Entwurf will dem Gerichte die Möglichkeit einräumen, in solchen Fällen Gerichtsgebühren bis auf Fr. 500 zu erheben.

208 3. Anwaltsgebühren und Parteientschädignng.

(Art. 222, 225, Ziff. l, OG.)

Nach Art. 222 OG wird die Entschädigung des Anwaltes für Aktenstudium und Abfassung von Eechtsschriften usw. vom Gerichte nach freiem Ermessen festgesetzt, während die Vergütungen für Gerichtsvorstände, Zeitversäumnis und Reiseauslagen tarifiert sind. Für einen Vorstand vor dem Instruktionsrichter beträgt die Entschädigung Fr. 15--50 (Art. 222, Ziff. l, OG), für einen Vorstand -vor Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Kassationshof oder Assisen Fr. 25--200 (Art. 222, Zif. 2, OG), für einen Tag Zeitversäumnis Fr. 20. Die Reiseentschädigung der Anwälte wird nach dem Kilometersystem bestimmt (20 Rappen per Kilometer. Art. 222, Ziff. 4, OG). Diese schon für die Verhältnisse der Vorkriegszeit bescheidenen Ansätze sind heute vollends ungenügend geworden, namentlich im Hinblick auf die von verschiedenen Kantonen in den' letzten Jahren erlassenen neuen Anwaltstarife. Es ist denn auch aus Anwaltskreisen wiederholt auf diese Umstände hingewiesen worden, und das Bundesgericht suchte deii geäusserten Wünschen nach Möglichkeit zu entsprechen; indessen waren -- wie im Geschäftsberichte des Bundesgerichts für das Jahr 1919 ausgeführt wird -- diesem Vorgehen enge Grenzen gezogen, weil nach dem Gesagten die einzelnen Faktoren, aus denen die Entschädigung sich zusammensetzt, im Gesetze festgelegt sind, was dem Ermessen des Gerichtes einen äusserst geringen Spielraum gewährt (BB1 1920, I, S. 618). Auch hier lässt der Entwurf die leitenden Grundsätze des geltenden Rechtes unberührt und begnügt sich mit einer Erhöhung der gesetzlichen Ansätze, und zwar einer geringen Erhöhung der Minimal-, einer namhafteren der Maximalansätze, um dem Gerichte die Möglichkeit zu bieten, die Verhältnisse des konkreten Falles besser zu berücksichtigen, als dies bis anhin geschehen konnte. Wir beantragen, die Entschädigung für die in Art. 222, Ziff. l--3, genannten tarifierten Verrichtungen wie folgt festzusetzen: Vorstand vor dem Instruktionsrichter Fr. 25--100; Vorstand vor Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Kassationshof oder Assisen Fr. 50--500; ein halber Tag wegen dieser Vorstände notwendiger Zeitversäumnis Fr. 25. Mit Bezug auf die Reiseentschädigung enthält der Entwurf eine prinzipielle Abweichung vom geltenden Recht, in dem Sinne, dass an Stelle des
Kilometergeldes eine vom Gerichte festzustellende Vergütung der Reiseauslagen tritt (Art. 222, Ziff. 4). Die Gründe, welche uns zu diesem Antrage veranlassen, ergeben sich aus den zu Art. 208 gemachten Ausführungen (vgl. lit. c, Ziff. l, hiervor). Auch hier ist für uns das Bestreben nach Vermeidung der Ungleichheiten massgebend, die dem System

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des Kilomptergeldes innewohnen ; denn es ist klar, dass den vermehrten Auslagen, die dem in grosser Entfernung vom Gerichtssitze wohnhaften Anwalte gegenüber dem in dessen Nähe domizilierten erwachsen, besser Eechnung getragen wird, wenn das Gericht die Eeisekosten auf Grund der Eisenbahn- und Posttarife mit einem angemessenen Zuschlag für die Hotelauslagen in jedem einzelnen Falle bestimmen kann.

Endlich fasst der Entwurf auch eine Erhöhung des von der unterliegenden Partei der obsiegenden für das Erscheinen vor dem Gerichte oder dessen Vertreter zu bezahlenden Taggeldes ins Auge mit der weitern Abweichung, dass nur das notwendige Erscheinen, und zwar mit einem Betrage von Fr. 25 statt höchstens Fr. 10, zu entschädigen ist. Mit Bezug auf die B-eiseontschädigung tritt auch hier an Stelle des Kilometergeldes die Vergütung der effektiven Eeiseauslagen (Art. 225, Ziff. l, OG).

Indem wir Ihnen den beiliegenden Entwurf zur Annahme empfehlen, benutzen wir diesen Anlass, Sie unserer vorzüglichsten Hochachtung zu versichern.

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B e r n , den 12. Februar 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

Bundesblatt.

73. Jahrg.

Bd. I.

17

210 (Entwurf.)

Bundesgesctz betreffend

die Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/ 6. Oktober 1911 über die Organisation der Bundesrechtspflege.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Ausführung der Artikel 106 bis 114 der Bundesverfassung; in Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/6. Oktober 1911 über die Organisation der Bundesrechtspflege; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 12. Februar 1921, beschliesst: I.

Die Art. 48, Ziff. 2 und 4, Art. 52, Ziff. l, Art. 59, Abs. l, Art. 68, Ziff. l, Art. 65, Abs. 2, Art. 67, Art. 68, Abs. l, Art. 70, Art. 71, Abs. 3 und 4, Art. 72, Art. 73, Art. 202, Abs. l, Art. 203, Abs. l und 2, Art. 204, 207, 208, Art. 214, Ziff. 2 und 3, Art. 215, Abs. 2, Art. 217, 218, Art. 220, Ziff. 2, Art. 221, Abs. 2, Art. 222, Ziff. l, 2, 3 und 4, und Art. 225, Ziff. l des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorn 22. März 1893 und der Nachtragsgesetze vom 28. Juni 1895, 24. Juni 1904 und 6. Oktober 1911 werden aufgehoben und erhalten folgenden neuen Wortlaut: Art. 48, Ziff. 2 und 4 : 2. zwischen Korporationen oder Privaten als Klägern und dem Bunde als Beklagten, sofern der Streitgegenstand einen Hauptwert von wenigstens Fr. 5000 hat; · 4. zwischen Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten anderseits, wenn der Streitgegenstand einen Hauptwert von mindestens Fr. 5000 hat und die eine oder andere Partei es verlangt, ohne Unterschied, ob die Streitigkeiten nach der kantonalen Gesetzgebung im ordentlichen Prozessverfahren auszutragen sind oder ob dafür ein besonderes Verfahren vor besondern Behörden vorgeschrieben ist.

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Von dieser Bestimmung sind die Expropriationsstreitigkeiten ausgenommen.

Art. 52, Ziff. 1: 1. wenn dasselbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegenstand einen Hauptwert von mindestens Fr. 10,000 hat (Art. 111 der Bundesverfassung);

Art. 59, Abs. l : In Bechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche ist die Berufung nur dann zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Eechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000 beträgt.

Art. 63, Ziff. l : 1. Bei Schadenersatz- und ähnlichen Ansprüchen ist, wenn dieselben nicht in Ziffern ausgedrückt sind, in der Klage anzugeben, ob der geforderte Höchstbetrag mindestens Fr. 4000 erreicht.

Art. 65, Abs. 2: Im beschleunigten Verfahren beträgt die Frist nur 10 Tage.

Art. 67: Die Berufung erfolgt durch Einreichung einer Bechtssehrift bei dem Gerichte, welches das Urteil erlassen hat. Die Beehtsschrift muss enthalten: 1. wenn die Zulässigkeit der Berufung vom Worte des Streitgegenstandes abhängt und dieser nicht in einer .bestimmten vor den kantonalen Gerichten fixierten Geldsumme besteht; die Angabe des Streitwertes; 2. die Anträge des Berufungsklägers und eine Begründung derselben, wobei auf im Urteil oder in den Akten protokollierte Ausführungen vor den kantonalen Instanzen Bezug genommen werden kann. Erging das angefochtene Urteil, über verschiedene Posten, so ist genau anzugeben, auf welche sich die Berufung bezieht; soweit die Berufung das Vorliegen aktenwidriger Feststellungen geltend macht, sind diese und die damit im Widerspruch stehenden Akten genau zu bezeichnen; 3. wenn der Streitwert Fr. 10,000 übersteigt oder seiner Natur nach keiner vermögensrechtlichen Schätzung unterliegt oder wenn es sjch um einen der in Art. 62 bezeichneten Streitgegenstände handelt: die Angabe, ob eine mündliche Verhandlung verlangt werde.

212

Art. 68, Abs. l : Die kantonale Gerichtsstelle hat sofort der- Gegenpartei durch Zustellung des Doppels der Eechtsschrift von der Berufung Kenntnis zu geben und innerhalb zehn Tagen, im beschleunigten Verfahren innerhalb 5 Tagen seit der Berufung, eine Abschrift des Urteils samt den Akten dem Bundesgerichte einzusenden.

Art. 70: =.

Der Berufungsbeklagte kann innerhalb der Frist · von 20, im beschleunigten Verfahren von 10 Tagen vom Empfange der Eechtsschrift des Berufungsklägers an, beim Bundesgericht eine schriftliche Beantwortung der letztern einreichen und sich durch Stellung von Abänderungsanträgen der Berufung anschliessen, -- in letzterm Falle sind die Vorschriften des Art. 67, Ziff. 2, zu beachten.

-- Verlangt er innerhalb der erwähnten Frist in den in Art. 67, Ziff. 3, erwähnten Fällen nicht ausdrücklich eine mündliche Verhandlung, so wird angenommen, dass er auf eine solche verzichte.

Ist eine Anschlussberufung erklärt worden, so ist die Antwortschrift rechtzeitig vor der bundesgerichtlichen Verhandlung dem Berufungskläger zur Beantwortung innert einer Frist von 20, im.

beschleunigten Verfahren von 10 Tagen, zuzustellen.

Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn die Berufung zurückgezogen oder wenn auf die Berufung vom Bundesgerichte nicht eingetreten wird.

Art. 71, Abs. 3 und 4 werden aufgehoben.

Art. 72: Stellt sich die Berufung nicht sofort als unzulässig dar und liegt eine Streitsache vor, deren Hauptwert den Betrag von Fr. 10,000 erreicht oder die ihrer Natur nach keiner vermögensrechtlichen Schätzung unterliegt, so bezeichnet der Präsident einen Richter als Referenten und setzt den Tag der Beurteilung fest.

Eine Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung erfolgt nur, wenn eine der Parteien eine solche verlangt und das Gericht nicht auf Antrag des Präsidenten oder des Referenten die Berufung als zum vornherein unbegründet erklärt hat.

Art. 73: Erscheint die Berufung nicht von vornherein als unzulässig, erreicht aber der Streitwert den Betrag von Fr. 10,000 nicht, so findet eine mündliche Parteiverhandlung in der Regel

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überhaupt nicht statt. Den Parteien wird keine Ladung zugestellt, sondern nur durch' die Bundesgerichtskanzlei der Tag der Urteilsfällung angezeigt.

Das Bundesgericht kann indessen von Amtes wegen verfügen, dass die Parteien vor Gericht zu laden seien, um die Streitsache mündlich vorzutragen.

Art. 202, Abs. l : Die Ersatzmänner des Bundesgerichts erhalten ein Taggeld von Fr. 50.

Art. 203, Abs. l und 2: Die Untersuchungsrichter in Strafsachen erhalten ein Taggeld von Fr. 40, ihre Schriftführer ein solches von Fr. 25 und ausserhalb des Wohnortes Fr. 30.

Art. 204: Die Geschworenen erhalten ein Taggeld von Fr. 20..

Art. 207: Zeugen erhalten ein Taggeld von Fr. 5 bis Fr. 30.

Für Mehrauslagen eines Zeugen kann der Richter eine weitere Entschädigung bestimmen.

Art. 208: Neben den Taggeldern erhalten die in den Art. 202 bis 207 genannten Personen eine Entschädigung von Fr. 5 bis Fr. 10 für jedes auswärtige Übernachten, sowie die Vergütung ihrer effektiven Eeiseauslagen.

Art. 214, Ziff. 2 und 3: Die Prozesskosten, welche von den Parteien an das Bundesgericht zu bezahlen sind, bestehen in: l 2. einer Gerichtsgebühr von Fr. 25 bis Fr. 3000; 3. den Kanzleigebühren für jede Ausfertigung eines Urteils oder Beschlusses, sowie für Kopiaturen, die Folioseite zu Fr. 1.

Art. 215, Abs. 2: In diesem Falle beträgt jedoch die Gerichtsgebühr Fr. 200 bis Fr. 10,000.

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Art. 217: Für dea Beschluss über die Zwangsliquidation einer Eisenbahn und für die Genehmigung eines Nachlassvertrages oder des Beschlusses der Gläubigerversammlung einer Eisenbahngesellschaft und das vorangegangene Verfahren ist neben den in Art. 214, Ziff. l und 3, erwähnten Auslagen und Gebühren eine Gerichtsgebühr von Fr. 500 bis Fr. 20,000 zu erheben.

Art. 218: Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so beträgt die Gerichtsgebühr in der Eegel höchstens die Hälfte des für da.s Haupturteil vorgesehenen Maximalbetrages.

Art. 220, Ziff. 2: 2. in einer Gerichtsgebühr: a. bei den Assisen von Fr. 500 bis Fr. 5000; b. bei dem Bundesstrafgericht von Fr. 50 bis Fr. 2000; c. bei dem Kassationshof von Fr. 25 bis Fr. 500.

Art. 221, Abs. 2: Das Bundesgericht kann Ausnahmen machen in Fällen, wo die Anhebüng oder Veranlassung des Streites oder die Art der Prozessführung es rechtfertigt. Die Gerichtsgebühr darf indessen Fr. 500 nicht übersteigen.

1.

2.

3.

4.

Art. 222, Ziff. l bis 4: für einen Vorstand vor dem Instruktionsrichter Fr. 25 bis Fr. 100; für einen Vorstand vor Bundesgericht, Bundesstrafgericht, Kassationshof oder Assisen Fr. 50 bis Fr. 500; für jeden halben Tag wegen dieser Vorstände notwendiger Zeitversäumnis Fr. 25; Vergütung der Eeiseauslagen.

Art. 225, Ziff. l : 1. ein Taggeld von Fr. 25 für jedes notwendige Erscheinen vor dem Instruktionsrichter oder dem Gericht und Ersatz der dadurch veranlassten effektiven Eeiseauslagen.

215 II.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

Alle mit diesem Gesetze im Widersprüche stehenden Bestimmungen, namentlich Art. 113, lit. o, des Bundesgesetzes betreffend das schweizerische Postwesen vom 5. April 1910, werden aufgehoben.

Die neuen Vorschriften über die Berufung finden nur auf solche Fälle Anwendung, in denen das kantonale Urteil den Parteien nach dem Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes mitgeteilt worden ist.

Die neuen Bestimmungen über die Gerichtskosten und Anwaltsentschädigungen sind dagegen in allen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgefällten Urteilen anzuwenden.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines Bundesgesetzes betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893/6. Oktober 1911. (Vom 12. Februar 1921.)

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