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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 85bis und 90 der Staatsverfassung des Kantons Wallis.

(Vom 1. Februar 1921.)

Mit Schreiben vom 18. d. M. sucht der Staatsrat des Kantons Wallis beim Bundesrat um die Gewährleistung der in der Volksabstimmung vom 26. Dezember 1920 angenommenen Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 85bis und 90 der Staatsverfassung des Kantons Wallis nach.

Die alten und die neuen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut : Alt:

Art. 24. Der Steuerfuss auf das Vermögen und das kapitalisierte Einkommen ist zu anderthalb durch Tausend festgesetzt.

Art. 30. Der Volksabstimmung unterliegen :

Neu: Art. 1.

Der Art. 24 ist abgeändert wie folgt: Die Staats- und Gemeindesteuern werden durch die Gesetzgebung festgesetzt unter Wahrung der Grundsätze der Progression und eines gewissen Existenzminimums.

Art. 2.

Der Art. 30 ist abgeändert wie folgt : Der Volksabstimmung unterliegen :

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1.

2.

3. Die vom Grossen Rate ausgearbeiteten Gesetze und Dekrete. Ausgenommen sind : a.

b.

4. Jede Schlussnahme des Grossen Rates, welche eine ausserordentliche Ausgabe von 60,000 Fr. oder während drei Jahren eine durchschnittliche Ausgabe von 20,000 Fr. zur Folge hat, wenn diese Ausgaben aus dem Betrage der gewöhnlichen Einnahmen des Voranschlages nicht gedeckt werden können.

5. Jede Erhöhung der im Art. 24 festgesetzten Steuer auf das Vermögen und das kapitalisierte Einkommen, insofern dieselben nicht durch die ausserordentlichen Beiträge, welche die Eidgenossenschaft in Gemässheit des Art. 42 der BV den Kantonen auferlegen kann, notwendig geworden ist.

Art. 52. Die Vollziehungsund Verwaltungsgewalt ist einem aus fünf Mitgliedern gebildeten Staatsrate anvertraut.

Zwei derselben werden aus den Wählern des Kantonsteiles ernannt, welcher die gegenwärtigen Bezirke Goms, Brig, Visp, Raron, Leuk und Siders ùmfasst; einer aus jenen der Bezirke Sitten, Ering und Gundis; zwei aus denjenigen der Bezirke Martinach, Entremont, St. Moritz und Monthey.

1.

2.

3. Die vom Grossen Rate ausgearbeiteten Gesetze und Dekrete, ausgenommen : a.

b.

c. Die ausserordentlichen Beiträge, welche die Eidgenossenschaft in Gemässheit des Art. 42 der Bundesverfassung den Kantonen auferlegen kann.

4. Jede Schlussnahme des Grossen Rates, welche eine ausserordentliche Ausgabe von 200,000 Fr. zur Folge hat, wenn diese Ausgabe aus dem Ertrage der gewöhnlichen Einnahmen des Voranschlages nicht gedeckt werden kann.

5. Unterdrückt.

Art. 3.

Der Art. 52 ist abgeändert wie folgt: Die Vollziehungs- und Verwaltungsgewalt ist einem aus fünf Mitgliedern gebildeten Staatsrat anvertraut.

Einer derselben wird aus den Wählern des Kantonsteiles ernannt, welcher die gegenwärtigen Bezirke Goms, Brig, Visp, Raron und Leuk umfasst ; .einer aus jenen der Bezirke Siders, Sitten, Ering und Gundis, und einer aus denjenigen der Bezirke Martinach, Entremont, S$. Moritz und Monthey.

143 Die zwei andern werden aus den sämtlichen Wählern des Kantons ernannt. Jedoch darf nicht mehr als ein Staatsrat aus den Wählern des nämlichen Bezirkes ernannt werden.

Die Mitglieder des Staatsrates werden am gleichen Tage wie die Mitglieder des Grossen Rates direkt vom Volke gewählt und treten ihr Amt am darauffolgenden 1. Mai an. Ihre Wahl erfolgt nach dem Mehrheitssystem. Der Staatsrat konstituiert sich alljährlich selbst. Der ausscheidende Präsident ist nicht unmittelbar wieder wählbar.

Die frei gewordene Stelle eines Staatsrates ist nach 60 Tagen wieder zu besetzen, insofern die Gesarnterneuerung nicht innert vier Monaten erfolgt.

Die Wahl der Mitglieder des Staatsrates findet mittelst des gleichen Listenskrutiniums statt.

Werden die Wahlverhandlungen am bestimmten Tage nicht vollendet, so sind dieselben am darauffolgenden Sonntag wieder aufzunehmen. In diesem Falle wird das Ergebnis des ersten Wahlganges und die Wiederaufnahme der Wahlverhandlungen unverzüglich bekanntgegeben.

Hat sich im ersten Wahlgange die absolute Mehrheit nicht auf soviele Personen vereinigt, als zu wählen sind, so findet ein zweiter Wahlgang statt. In diesem zweiten Wahlgang gelten diejenigen als gewählt, welche die meisten Stimmen, und wäre

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es auch nicht die absolute Mehrheit derselben, erhalten haben.

Ist die Zahl derjenigen, welche die absolute Mehrheit auf sich vereinigt haben, grösser als die Zahl der zu Wählenden, so gelten diejenigen, die die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben, als gewählt.

Haben zwei oder mehrere Bürger des nämlichen Bezirkes die absolute Mehrheit erhalten, so gilt nur derjenige als gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat.

Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Art.

Art.

Art.

Art.

Art.

Art.

53. i 54.

55.

56.

57.

58.

Art. 4.

Die Artikel 53, 54, 55, 56, 57 und 58 sind in ihrer gegenwärtigen Fassung beibehalten*).

Art. 5.

Es wird folgender Art. 85bis in die Verfassung aufgenommen : Die Abgeordneten auf den Ständerat werden alle drei Jahre bei der ordentlichen Gesamterneuerung des Ständerates direkt vorn Volke gewählt. DieseWahlen erfolgen im ganzen Kanton als einziger Wahlkreis nach dem Mehrheitssystem.

*) Wir sehen davon ab, hier die unveränderten Artikel wiederzugeben ; sie betreffen die Befugnisse des Staatsrates, seine Verantwortlichkeit, seine Pflicht zur alljährlichen Ablegung eines Berichts über die Geschäftsführung, sowie die Unvereinbarkeit mit andern Beamtungen und Beschäftigungen (für diese Verfassuogsartikel haben Sie mit Beschluss vom 30. März 1908, anlässlich der Totalrevision der Kantonsverfassung, die Gewährleistung ausgesprochen).

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Die Wahl der Ständeräte findetmittelst des gleichenListenskrutiniums statt. Werden die Wahlen am bestimmten Tage nicht vollendet, so sind dieselben am darauffolgenden Sonntag wieder aufzunehmen. In diesem Falle wird das Ergebnis des ersten Wahlganges und die Wiederaufnahme der Wahl Verhandlungen unverzüglich bekanntgegeben.

Hat sich im ersten Wahlgange die absolute Mehrheit nicht auf soviele Abgeordnete vereinigt, als zu wählen sind, so findet ein zweiter Wahlgang statt. In diesem zweiten Wahlgang gelten diejenigen als gewählt, welche die meisten Stimmen, und wäre es auch nicht die absolute Mehrheit derselben, erhalten haben.

Ist die Zahl derjenigen, welche die absolute Mehrheit erhalten haben, grösser als die Zahl der zu Wählenden, segelten diejenigen, die die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben, als gewählt.

Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.

Art. 90. Die geistlichen und die bürgerlichen Amtsverrich-tungen sind unvereinbar.

Art. 43. Der Grosse Rat wählt in der ersten ordentlichen Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

. Art. 6.

Der Art. 90 der Verfassung ist aufgehoben.

Art. 7.

Der Art. 43 wird abgeändert wie folgt: 12

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Session jeder neuen Amtsperiode den Staatsrat und das Kantonsgericht.

Art. 44. Dem Grossen Rate stehen folgende Amtsbefugnisse zu : 8. Er wählt in jeder Maisession den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Staatsrates, den Präsidenten und den Vizepräsidenten desKantonsgerichtes.

9. Er wählt alle drei Jahre in der Maisession die Abgeordneten auf den Ständerat.

Der Grosse Rat wählt in der ersten ordentlichen Session jeder neuen A mtsperiode das Kantonsgericht und ernennt in jeder Maisession den Präsidenten und Vizepräsidenten dieser Behörde.

Art. 8.

Der Art. 44 ist in dem Sinneabgeändert, dass die Ziffern & und 9 wegfallen.

Art. 9.

Die gegenwärtige Amtsdauer des Staatsrates läuft mit dem 30. April 1921 und diejenige der Ständeräte am Vorabend des ersten Montags Dezember 1922 ab.

Die Abänderung der Art. 24 und 30 bringt Neuerungen im Gebiete des Finanzwesens des Kantons.- Der neue Art. 24 setzt den Steuerfuss für das Vermögen und das kapitalisierte Einkommen nicht mehr fest, sondern überlässt die Festsetzung der Staats- und Gemeindesteuern einem Gesetz, das nach den modernen Grundsätzen der Progression und eines gewissen steuerfreien Existenzminimums aufgebaut sein soll.

Der abgeänderte Art. 30 gibt dem Grossen Rat die Befugnis, über ausserordentliche Ausgaben bis zu 200,000 Fr. zu beschliessen ; die zeitliche Grenze wird fallen gelassen. Ferner hebt der neue Artikel den 1907 aufgenommenen Absatz 5 wieder auf, da die Annahme des neuen Art. 24 eine Abstimmung über die Erhöhung des Steuerfusses für das Vermögen und das kapitalisierte Einkommen überflüssig macht. Schliesslich legt der Artikel in einer litera c der Ziffer 3 fest, dass die ausserordentlichen Beiträge, welche die Eidgenossenschaft gemäss Art. 42 der

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Bandesverfassung den Kantonen auferlegen kann, der Volksabstimmung nicht unterliegen.

Durch den neuen Art. 52 hat der Kanton Wallis für die bisher vom Grossen Rat gewählten Mitglieder des Staatsrates die direkte Volkswahl eingeführt. Dadurch wird dem gegenwärtigen Zug nach Erweiterung der Volksrechte Rechnung getragen. Die neue Bestimmung will eine gleichmässige Vertretung der verschiedenen Landesteile und zugleich der beiden Sprachgebiete im Staatsrat sicherstellen, indem sie jedem Kantonsteil wenigstens einen Vertreter zusichert. Ausserdem lässt der Artikel dem Volke die Möglichkeit, aus den sämtlichen Wählern des Kantons zwei Mitglieder des Staatsrates zu wählen; dies um nicht die Volksrechte abzuschwächen. Die übrigen Bestimmungen des Art. 52 ordnen nur die Einzelheiten der Wahl.

Der in die Verfassung neu eingefügte Art. 85bis bringt ebenfalls eine Ausdehnung der Volksrechte, indem er, wie es bereits in der Mehrzahl der Kantone der Fall ist, die Wahl der Abgeordneten in den Ständerat direkt dem Volke überträgt. Der Artikel regelt zugleich die Einzelheiten der Wahl.

Endlich ist zu erwähnen, dass das Volk des Kantons Wallis den Art. 90 seiner Staatsverfassung, der die geistlichen und die bürgerlichen Amtsverrichtungen als unvereinbar erklärte, aufgehoben hat.

Die Abänderung der Art. 43 und 44 war bedingt durch die neuen Verfassungsbestimmungen.

Die revidierten Artikel der Staatsverfassung des Kantons Wallis enthalten ohne Zweifel nichts dem Bundesrecht Zuwiderlaufendes. Wir beantragen Ihnen daher, ihnen durch Annahme des nachfolgenden Beschlussesentwurfs die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 1. Februar 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schnlthess.

Der Bundeskanzler :

Steiger.

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(Entwurf.)

Bimdesbeschluss betreffend

die Gewährleistung der Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 8§bis und 90 der Staatsverfassung des Kantons Wallis.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Kenntnisnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 1. Februar 1921 betreffend die Gewährleistung der Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 85bi8 und 90 der Staatsverfassung des Kantons Wallis, in Erwägung, dass die abgeänderte Verfassung nichts dem Bundesrechte Zuwiderlaufendes enthält, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, b eschliesst: 1. Den in der Volksabstimmung vom 26. Dezember 1920 angenommenen Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 85bl8 und 90 der Staats Verfassung des Kantons Wallis wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der Art. 24, 30, 43, 44, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 85bis und 90 der Staatsverfassung des Kantons Wallis. (Vom 1. Februar 1921.)

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1921

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02.02.1921

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