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Schweizerisches Bundesblatt.

Vlll. Jahrg. Il.

Nr. 50.

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13. September l856.

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der

nationalräthlichen Kommission, betreffend die Rechtsverhältnis der Jsraeliten.

(Vom 19. Juli 1856.)

Tit.

Aus eine Beschwerde der Regierung von Aargau. vom Oktober 1854, gegen ein Gesez des Kantons Zürich vom 23. Dezember 1852 iiber den Markt- und Haufirverkehr, wurde vom Ständerath beschlossen :.

Der Bundesrath möge über die in den Kantonen bestehenden Beschxänkungen der Rechte der Jsraeliten Bericht erstatten , und darauf bezügliche Anträge für deren Aufhebung bringen, sofern solche der Bundesversassung widersprechen sollten.

Die dießfalts eingeholten Berichte aus den Kantonen ergaben , dass meistens kein Unterschied in den waltenden Beschränkungen zwischen schwei-.

zerischen und nichtschweizerischen Juden gemacht wird, und daß ereeptionelle Beschränkungen, somit auch gegen die schweizerischen Juden, mehrfach hestehen , und zwar

n. rüksichtlich des Rechts der Niederlassung;

b.

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so wie des Ausenthalts; des Marktbesuches ; des Hausirverkehrs und des Liegenschaftserwerbes u. s. f.

Die politischen Rechte der J s r a e l i t e n betreffend darf augenommen werden, daß wegen bisheriger Unwahrscheinlichst ...on zur Anwendung vorkommenden Fällen die kantonalen Geseze dießsalls keine b.e..

schränkenden Verbote enthalten, daß aber in d...r Prar.is die Lösung vou dem Willen der kantonalen Behörden abhieng. Dieß gilt bezüglich Exwexbung des Bürgerrechts, der Stimm- und Wahlfähigkeit, der Verheirathung uud der Gründung von Kirchen und Schulen. .-- So sind die.

Bundesblatt. Jahrg. VIII. Bd. II.

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422 den Gemeinden Lengnau und Oberendingen angehörenden Juden de^ Kantons A arg a u nach früheru Judenmandaten wahrscheinlich als bloße G e d u l d e t e , nach einem Gesez von 1809 als unter Schuz- und Schirmrecht stehende u n v e r t r e i b l i c h e A n s a ß e n , und laut dem Missiv der Regierung des Kantons A a r g a u vom 21. November 1855, als heimathhörige K a n t o n s ^ und S c h w e i z e r b ü r g e r betrachtet. Einzig sollen nach gleichem Aktenstüke sie noch nicht ,,im Befize eines vollen O r t s b ü r g e r ^ ,,rechtes im Sinne christlicher Bürgergenossenschaften, und deßhalb noth^ ,,wendigerweise auch nicht im Besize politischen Stimmrechts außer ,,ihrer G e m e i n d e sich befinden: und dieses Mangels eines Orts^ bürg errech te s wegen gesezlicherweise au^ die Einwilligung der Re^ gierung zur V e r h e i r a t h u n g bedürfen. Jhre Niederlassung außer ihren benannten zwei Gemeinden sei laut Niederlassungsgesez von. 7. Mai

1846 an gewisse Bedingungen geknüpft (an welche, ist nicht gemeldet).

Welche Bewandtniß es mit ihrer Fähigkeit des Liegeuschaftenerwerbes habe,

ist nicht ersichtlich; im Allgemeinen sagt die Regierung des Standes A a r gau, daß die^ Praxis die ar.gehörigen Jsraeliten im Gegensaz zu andern Kantonsangehörigen christlicher Konfession in b ü r g e r l i c h e n R e c h t s ^ b e z i e h u n g e n keinen anderweitigen Beschränkuugen unterwerfe.

Da in Beziehung auf den politischen R e c h t s z u s t a n d der schwei^.

zerischen Juden keine Klagen vorliegen, entschlägt sich die Kommission .auch der weitern dießfallsigen Untersuchungen und der nähern Erörterung der Frage : in wie weit der dermalige Zustand in den Kantinen den.

Vorschriften der Bundesversassung entspreche. Sie glaubt diese Verhältnisse ihrer natürlichen Entwiklung überlassen zu sollen , nachdem allseitig zuge.^ geben ist, daß die schweizerischen Juden als K a n t o n s ^ und S c h w e i z e r b ü r g er anerkannt werden m ü s s e n . Es wird fich die Schlußfolgerung von selbst ergeben , daß . sie nach ^lrt. 42 der Bundesverfassung also auch gleich den nbrigen K a n t o n s ^ und S c h w e i z e r b ü r g e r n zu behandeln.

seien, so weit die B u n d e s v e r s a s s u n g nicht Ausnahmen gestattet. Lezteres ist in Art. 41 ibid. rükfichtlich der N i e d e r l a s s u n g und d e x von der Niederlassung abhängigen R e c h t s v e r h ä l t n i s s e .

wirklich der Fall, und ebenso in Art. 48 der Bundesurkunde rük sichtlich

^des g a n z e n G e b i e t e s d e s k a n t o n a l e n G e s e z g e b u n g s r e c h t s .

Die r e c h t l i c h e S t e l l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n Juden ist daher ge^ mäß der Bundesurkunde möglicherweise immerhin äußerst bloß gestellt.

Die s r e m d e n Jsraeliten haben natürlich keiue besonderu R e c h t s ^ a n s p r ü ch e , wo solche nicht durch St a a t s v e r t r ä g e besonders

begründet sind. - Die V e r k e h r s b e r echt i g u n g der schweiz.

Juden in ihren eigenen und in andern Kautonen betreffend , so müssen Axt. 29 und 42 der Bundesverfassung immer als Regel so verstanden werden, daß den Kantonen nach Art. 48 der Bundesverfassung wohl gestattet fein möge, für die Jsraeliten in der Gefezgebung und im gerichtlichen Verfahren a n d e r e Vorschriften zu machen, als für die christlichen Kantons- und Schweizerbürger, aber nicht so weit, daß die Vorschriften

42^ ^der Bundesverfassung dadurch eingebrochen oder geschmälert würden, indem die Kantone nicht kompetent sind , über diejenigen Materien zu verfügen, die der Kompetenz des Bundes unterliegen, und vom Bunde in der Bundesurkunde regulirt wurden.

^s ist sonach die Behauptung der Regierung des hohen Standes

Z ü r i c h in ihrem Missiv vom 27. November 1854 nicht stichhaltig, daß

kein Unterschied zwischen Schweizerischen und nichtschweizerischen Jsraeliten gemacht werden müsse , im Gegentheil haben die Kantone den schweizerischen.

Jsraeliten diejenigen Rechte anzuerkennen, welche von der Bundesverfassung den Schweizerbürgern ohne V o r b e h a l t eingeräumt find.

Wenn also ein Kantonalgefez die einheimischen Jsraeliten, obfchon fie Kantonsbürger find, nach Art. 48 der Bundesurkunde ausnahmsweise ü b l e x behandeln dürste, als die christlichen Kantonsangehörigen, und txoz Art. 4 der Bundesurkunde . so dürsen gleichwohl die p o l i t i s c h e n B e r e c h t i g u n g e n und d i e j e n i g e n d e s V e r k e h r s , im Umsange der Artikel 42 und 29 der Bundesverfassung ihnen nicht durch ein Kantonalgesez entzogen werden.

Die schweizerischen Jsraeliten können daher kaum von gewissen aktiven und passiven Wahlberechtigungen, ^om Besuche der Märkte, vom Hausiren, vom Aufenthalte und von Waarenniederlagen ausgeschlossen oder mit exeeptionellen Taxen belastet werden , wo andere Schweizerbürger auch nicht beschränkt sind. Die Berufung aus das Revisionsprotokoll der Tagsazung (Seite 5 ^fs.) beweis in Bezug auf obige Berechtigungen rüksichtlich Stimmuno Wehrfähigkeit und Verkehr nichts anderes, weil dort nur vom Niederlassnngsrechte die Rede ist, welches nach Art. 41 der Bundesurkunde ausdrüklich an das Gutfinden der Ka^.tonalgesezgebung gesellt wurde.

Es müßte zu weit führer , wenn ^ie B u n d e s v e r s a m m l u n g a priori die Grande festsezen wollte , in wie weit die bestehenden Beschränknngen in den Kantonalgesezen zulässig seien oder nicht . die Kommission geht daher auch mit dieser Richtung des ständeräthlichen Beschlusses einig. wonach der Bundesrath beauftragt wird, bei vorkommenden Konflikten speziell zu remediren.

Wir schließen daher mit dem A n t r a g e:

dem einschlägigen Beschlusse des Ständerathes vom 15. Juii 185^ beizustimmen.

B e r n , den 19. Juli l 85l..

D i e M e h r h e i t d e r .^ o m ^n issi o n ^ ^o.^n.^nn, Berichterstatter.

Piaget.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission, betreffend die Rechtsverhältnisse der Jsraeliten. (Vom 19. Juli 1856.)

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13.09.1856

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