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Schweizerisches Bundesblatt.

Nr. 46.

VIH. Iahrg. ll.

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30. August 1856.

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Beitritt von Seite der Schweiz zum europaischen Seerechte in Kriegszeiten.

(Vom 25. Juni 1856.)

Tit.

Der bevollmächtigte Ministex der großbrittanischen Regierung bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, und ihm nachfolgend auch die Gefandten von F r a n k r e i c h , S a r d i n i e n , O e s t e r r e i c h , P r e u ß e n und Rußland theilten in. Auftrage ihrer Regierungen dem Bundespräsidenten die Erklärung des Parisex-Kongresses über die künftig zu befolgenden Grundfäze des Seerechts in Kriegszeiten mit, und verbanden damit die .Einladung, daß auch die Schweiz derselbeu beitrete.

Die Erklärung lautet: Les Plénipotentiaires qui ont signé 1e traité de Paris du trente Mars nIil huit cent cinquante-six, réunis en Conférence ,

Die Bevollmächtigten, welche den Pariser-Vertrag vom dreißigsten März eintausend achthundert sechs und fünfzig unterzeichnet, find zu einer K.onferenz zusammengetreten und find,

Considérant: :

in Erwägung

que le droit maritime, en temps de guerre, a été pendant longtemps 1'ohjet de contestations regrettables; que l'incertitude du droit et des devoirs en pareille matière donne 1ieu, entre les neutres et les belligérants, à des divergences d'opinion qui peuvent faire naItre des difficultés sérieuses et InèIne des

daß das Seerecht in Kriegszeiten seit Langem der Gegenstand bedauexlicher Streitigkeiten gewesen ist; daß die Unbestimmtheit dex Rechne

conflits; Bundesblatt. Jahrg. VIII. Bd. II.

herbeiführen können ;

und Pflichten in dieser Hinficht zwi.'.

schen den neutralen und den kxiegführenden Parteien zu Meinungsverschie-

denheiten Anlaß gibt, die ernstliche Mißheliigkeiten und selbst Konnte

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358 qu'il .^ a avantage , par consédaß demzufolge die Festsezuu^ quent, à établir une doctrine uni- gleichmäßiger Grundfäze über diesen bornie sur un point aussi IInpor.- so wichtigen Gegenstand zwekmäßig erscheint; tant; que 1es Plénipotentiaires asseIndaß die ans dem Kongreß zu Paris b1és an Congrès de Paris ne sau- versammelten Bevollmächtigten deu raient Inieux répondre anx inten- Absichten, die ihre Regierungen hetions dont 1eurs Gouvernements sont gen, nicht besser entsprechen könnten, animés, qu'en cherchant à intro- als indem sie in die internationalen duire dans les rapports internalo- Verhältnisse feste Gruudsäze in dieser.

naux des principes fixes à cet égard ; Hinsicht einzuführen suchen; diiInent autorisés , 1es susdits hiezu mit gehörigen Vollmachten P1énipotentiaires sont convenus de versehen, übereingekommen, sich über^.

se concerter sur les Inovens d'at- die Mittel zu diesem Zweke zu ver^ teindre ce but , et étant toinhés ständigen, und haben in gegenseitigem d'accord ont arrêté la déclaration Einverständniß folgende feierliche Erklärung aufgestellt : solennelle ci-après : 1) La course est et demeure abo1) Die Kaperei ist und bleibt ab-.

geschafft.

lie.

2) Le pavillon neutre couvre la 2) Die neutrale Flagge schüzt die marchandise ennemie, à l'exfeindliche Ladung, mit Aus...

ceptiou de la contrebande de nahme der Kxiegskontret.ande..

guerre.

3) Die neutrale Ladung, mit Aus^ 3) La marchandise neutre, à 1'exception de la contrehande de uahme der Krieg.^ontrebande,.

kann unter feindlicher Flagge guerre, n'est pas saisissante nicht als Prise erklärt werden.

sous pavillon ennemi.

4) Blokaden müssen. um verbind.^) Les blocus, pour ètre ol^ga.

toires , doivent ètre effectifs, lich zu sein , wirklich begehen, d. h. durch genügende Kräfte c'est-à-dire maintenus par une force suffisante pour interdire ausgeführt werden , um das.

réellement l'accès du littoral Betreten der seitlichen Küsten de l'ennemi.

wirksam zu verhindern.

^ ^ Les ^Gouvernements des PléuipoDie Regierungen der unterzeichne^.^^ent.i.^re^ .^on^ign.^ ^engagent à ten Bevollmächtigten machen sich verporter cette déclaration à la cou- bindlich, gegenwärtige Erklärung den ^ naissance^ des Etats qui n'ont pas Staaten , die nicht zur Theilnahme ^^été Appelés. à participer au Con- am Pariser-Kongreß berufen wurden,
^gri^ de Pari^ et à les inviter à ^ mitzutheilen und sie zum Beitritte accéder.

einzuladen.

Convaincus que 1es InaxiInes qu'ils Ueberzeugt, daß die ganze Welt viennent de proclamer ne sauraient die so eben ausgesprochenen Grundétre accueillies qu'avec gratitude säze mit Dank begrüßen wird, zweipar 1e Inonde entier, les Piénipo- feln die unterzeichneten Bevollmächtentiaires soussignés ne doutent p^s tigten nicht, daß d^ Bemühungen

359 que 1es efforts de leurs Gouverneniants pour en généra1iser 1'adoption ne soient couronnés d'un p1ein succès.

.

La présente déclaration n'est et ^ne sera oh1igatoire qu'entre 1es Puissances qui v ont ou qui .^ auront accédé.

l^ait à ^ris , 1e sei.^e Avri1, .nn1 hnit cent cinquante-six.

(Sig.) ^uol-Schaueusteiu.

A. ^alems^i.

Clarendon.

^anten.^el.

^rlo^.

^.. ^...aoonr.

Aali.

ihrer Regierungen , denselben allgemeine Anerkennung zu verschaffen,

vou günstigem Erfolge begleitet sein

werden.

Gegenwärtige Erklärung ist und wird nur unter den Mächten verbindlich sein, die derselben bereits beigetreten sind oder beitreten werden.

So geschehen in Paris, den sechzehnten April eintausend achthundert sechs und fünfzig.

^übner.

^onr^u.enel.I.

^.owlei,.

^atzfeldt.

Brunnom.

^e ^illamiirina.

^eliemmed ^jemil.

Die genannten Regierungen machten die weitere Eröffnung , es sei die Meinung des Kongresses, daß die Grundfäze, welche den Jnhalt dieser Erklärung bilden, untheilbar seien, weßhalb ein bloß theilweifer Beitritt oder ein solcher unter beschränkenden Bedingungen nicht zulässig sei. Es

hätten sich nämlich die Bevollmächtigten, wie das Protokoll Nr. ..^lV es besagt, im Namen ihrer Regierungen verpflichtet, in Zukunft in keinerlei Verkommniß über die Anwendung des Seerechts in Kriegszeiten einzutreten, das nicht die strenge Beobachtung der vier Punkte obiger Erklärung feftstelle; deßhalb könnte ein beschränkter Beitritt nicht angenommen werden.

Was die Form des Beitrittes betreffe, so habe der Kongreß aus Rükfichten für die an demselben nicht vertretenen Regierungen darüber nichts bestimmt, und es sei diese folglich dem Ermessen der beitretenden Regieruugen überlassen.

Wir beehren uns , darüber folgendes Gutachten abzugeben : Die Grundsäze, welche in der Erklärung des Pariser^Kongxesses niedergelegt sind, enthalten unleugbar einen großen Fortschritt des internationalen Rechtes zur See. Bisher ward es als Recht einer kriegführenden Macht behauptet und oft geübt, an Privaten Kaperbriefe auszustellen. Beim Beginn des jüngst abgelaufenen Krieges erklärte die Regierung von Großbxittauien jedoch bereits, daß sie in der Abficht, die Uebel des Krieges so viel als möglich zu vermindern und ihre Operationen aus die regelmäßige, organiate Macht zu beschräuken, für einmal die Ertheilung von .Kaperbriefen an Privaten nicht gestatten werde. Durch die Deklaration des Pariser-Kongresses wird nun die Kaperei definitiv und für alle Zukunft

360 . untersagt , wodurch die Kriegführung zur See mit derjenigen zu Lande i....

analoge Gränzen gewiesen wird.

Bisher ward von kriegführenden Mächten ferner als Recht beansprucht und geübt , obschon von andern Mächten wieder bestritten , daß feindliche Waaxen ^aus neutralen Schiffen als gute Prise behandelt werden können.

Ebenfalls beim Beginn des jüngsten Krieges proklamirte indeß die groß.bxittanisch.. Regierung , sie verzichte auf das Recht dex Wegnahme feindlicher Güter, welche an Bord neutraler Schiffe verladen sind, mit Aus. uahme der Kriegskontrebande. Die Erklärung des Paxiser-Kongxesses erhebt diesen Grunds^ nun ebenfalls zum vertragsmäßigen internationalen Seerechte, und es wird noch der weitere beigefügt, daß auch neutrale Waaxe unter feindlicher Flagge , mit Ausnahme der Kriegskontrebande , von der .Beschlagnahme frei ist , welcher Grundsaz für den jüngsten Krieg ebenfalls^ bereits proklamirt worden war.

Endlich werden die allgemeinen Blokadedekrete, wie die Gefchichte sie kennt, für die ^nkunst ausgeschlossen, und es wird statt ihrer der effektive .Blokus gefordert.

Bereits für den lezten Krieg hatte die Regierung G x o ß b r i t t a n i e n s diesen Grundsaz in der Weise proklamirt, daß sie das Kriegsrecht in Anspruch nehme, in Bezug auf neutrale, welche die Blokixung von feindlichen Forts , Seehäfen oder Küsten hemmen oder vereiteln wollen, die mit e n t s p r e c h e n d e r Macht a n g e o r d n e t wurde.

Das Gesammt^iel dieser Grundfäze geht dahin, den. Handel zur See auch für Kriegszeiten zu ermöglichen, was der Natur der Sache zufolge vorzugsweise den neutralen Staaten zu gut kommt.

Die S ch w e i z erscheint nun bei^ dieser Frage insofern nicht betheiligt, als sie keine Marine und keine eigene Seefchifffahrt besizt. Dagegen betreibt sie einen starken überseeischen Handel, und ihre Waaren durchkreuzen die Meere auf den Schiffen der verschiedensten Nationen. Von diesem Standpunkte aus hat sie an dem neuen internationalen Seerechte allerdings ein wesentliches Jnteresse ; denn je sicherer und ungestörter Schifffahrt und Handel zu Kriegszeiten betrieben werden können , desto weniger nachtheilig wirkt die Kriegführung dritter Staaten auf fie zurük.

Die Folgen des Nichtbeitrittes zur Erklärung für die S ch w e i z müßten darin gestehen.. daß fie sich in künftigen Kriegsfällen
auf die Grundsäze derselben mit Recht nicht berufen könnte und ihre Waaren zur See uicht unter dem Schuze derselben stünden. Der schweizerische Handel dürfte genöthigt werden , seine Waaren unter dem Namen eines andern , den Schuz des neuen Seerechtes genießenden Staates zu deklariren, wobei er uicht nur in die unangenehme Lage gexiethe, von d^em guten Willen dieses Staates abhängig zu sein, sondern voraussichtlich auch die Nationalität seiner Waaren zu vexläugnen.

Verpflichtungen oder irgend welchen Beschränkungen in Beziehung auf ihre internationale Stellung unterwirft sich die Schweiz durch den Beitritt nicht , da sie uicht zu den seefahrenden Staaten gehört, und die

361 Erklärung der Natur der Sache zufolge nur die . Handlungsweise diesex leztern iu Kriegszeiten berührt. Füx sie resultiren demnach aus dem Beitritte nur Vortheile und keine Nachtheile, und deßhalb kann sie sich un-

bedenklich dazu entschließen.

^

Was die foxmelle Seite der Frage betrisst, so ist nicht zu bezweifeln,.

daß die Entscheidung in den Kompetenzbereich der beiden gesezgebende.^ Räthe fällt, nngeachtet es sich nicht um einen eigentlichen Staatsvertrag^.

^ noch weit weniger um ein Bündniß mit auswärtigen Mächten handelt.

Es betrifft aber bleibende Prinzipien, die auf einen Zweig des internarloualen Rechtes Bezug haben, und hierüber ^kann nur die legislative, nichts die exekutive Behörde entscheiden. Die Bundesversammlung hat den Beitritt durch einfachen Beschluß anszusprechen und der Bundesrath fodauu.

denselben den Mächten, welche zum Beitritt eingeladen haben, in auge-^ messenex Form mitzutheilen.

Wir. schlagen Jhnen demnach den beiliegenden Beschlußentwuxf zur Annahme vox,^) indem wir auch diesen Anlaß benuzen, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 25. Juni 1856.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes ,

Der Bundespräsident : .^tämpsli.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: .^chie^.

*) Der ^erwähnte Beschtußentwurf wurde ohne Abänderung angenommen. (Siehe.

eidg. Gesezsammlung, Bd. V, S 337.)

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Beitritt von Seite der Schweiz zum europäischen Seerechte in Kriegszeiten. (Vom 25. Juni 1856.)

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30.08.1856

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