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nationalräthlichen Kommission über die Beschwerde des Priesters Codelaghi von Sementina.

(Vom 12. Juli 1856.)

Tit.

Am 5. Februar d. J. hat der Nationalrath eine vom 24. Januar datirte Beschwerde des Priesters E o d e l a g h i von Sementina, Kantons Tefsin, an den h. Bundesrath zur Berichterstattung gewiesen.

Den Grund zur Beschwerde bildet eine durch die Regierung vou Hessin am 26. November 1855 über den Priester Eodelaghi wegen einer gegen die Eivilehe gerichteten Predigt verhängte Buße von Fr. 250, wobei sich der Petent auf Art. 5 und 44 der Bundesverfassung stüzen zu können glaubt.

Eine ähnliche Beschwerde hatte der Priester E o d e l a g h i bereits am 2. Dezember v. J. an den Bundesrath gerichtet. Eine dritte Beschwerde endlich hatte der Petent am 23. Januar d. J. dem Bundesrath eingereicht, welche gegen einen Beschluß der Regierung von Tessin d. d. 14. Ja...uar gerichtet ist, durch welchen der Gemeindrath von S e m e n t i n a wegen Veröffentlichung eines unwahren, die Angelegenheit des Pfarrers betreffenden Zeugnisses mit Fr. 50 gebüßt worden war.

Diese leztere Beschwerde ist vom Bundesrath aus dem Grunde, weil der Priester E o d e l . a g h i nicht zur Sache legitimirt sei, abgewiesen worden. Jn Betreff der beiden ersten Beschwerden hat der Bundesrath einen vom 2. April d. J. datirten umständlichen Bericht erstattet, welcher mit der Anzeige sehließt .

der Bundesrath sei zu dem Schlusse gelangt: ,,daß die Beschwerden des Priesters E o d e l a g h i keine hinreichenden Gründe enthalten, um von .Bundes wegen zu interveniren."

Ganz zu demselben Schlusse ist nach Prüfung aller vorliegenden Akteu und der bezüglichen Geseze und Verordnungen auch Jhre Kommisston.

gelaugt.

Veranlassung zu der über den Priester Eodelaghi verhängten Geldbuße gab eine am 4. November 1855 gehaltene Predigt, iu welcher ex laut feiner eigenen am 20. November abgelegten Aussage sich dahin äußerte ^

36.^ ..Es wäre zu wünschen^ gewesen, daß die Mitglieder des Großen ^Rathes, als Katholiken, den Saznngeu und Verordnungen der Kirche

....mehr Rüksicht getragen hätten , indem die bürgerliche Ehe der Kirche

^gegenüber ungültig sei, und fie daher eine unhaltbare Sache beschlossen ...haben; wenn später dieses Gesez wieder aufgehoben und nur die kirchliche ^.Ehe gestattet werde, und wenn ^ann die Eheleute sich gegenseitig nicht ,,.mehr zusagen, so besorge er, der Spruch des Evangeliums könne iu ^Erfüllung gehen, nach welchem der Mensch nur das nicht trennen diirse, ^,,was von Gott verbunden sei; die uur bürgerlich Verehlichten wiirdeu ..nach dem tridentinischen Eonrilium als im Eoueubinate lebend und der ,,Absolution unwürdig betrachtet, wenn sie sich der kirchlichen Einsegnung ^nicht unterzögen ; fie würden daher von der Eommnni^on zurükgewieseu ...und des kirchlichen Begräbnisses unwürdig sein , wenn sie auf dem Tod^ bette nicht Reue bezeigen.^ ,,Wenn nun Jemand uach der Eivilehe die kirchliche Trauung ver..

,,langte, so müßte der Pfarrer ihnen vorher die Trennung befehlen, da ...ste vor jener Trauung nicht beisammen wohnen dürfen; auch könne er.

^die Ehe nicht einsegnen, bevor die Brautleute von ihm die Bewilligung ,,erhalten hätten; die von der Regierung bewilligte Dispenfation von Ehe.Hindernissen genüge nicht, sondern es .müsse auch die geistliche Dispeu.^sation eingeholt werden.^ Diese Ansdrüke wurden auch von andern

stätigt.

abgehörten Zeugen

be-

Die gesezliche Grundlage der durch die Regierung von T e f s i u .iber.

den Priestex E od e l aghi verhängten Geldbuße bildet eine RegierungsVerordnung vom. 29. März 1855, welche folgende Bestimmungen enthält^ 1) Jeder Pfarrer oder sonstige Geistliche ist ermahnt, sich jedes Amts..

mißbrauchs in politischen Dingen zu enthalten.

2) Des Amtsmißbrauchs schuldig erachtet wird jeder Geistliche, der sich der Kanzel, des Altars, der Beichte und sonst auf irgend eiue Weise seines Amtes oder seiner Stellung bedienen würde, um die Staatsbehörden oder ihre Handlungen, in der Absicht, sei es iu Mißachtung zu bringen, zu tadeln, und Anspielungen in diesem Sinne zu machen.

^) Ein solcher Amtsmißbrauch wird auf dem Administrativwege mit einer Buße von 100-500 Franken bestraft werden; bei schwerer^

und Wiederholungsfällen tritt die Verdopplung der Buße, Eiu-

stellung und Entziehung des Plaeets ein.

Diese Verordnung wurde aus den Petenten angewendet..

Es könnte nun allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob die .Verfassung des Kantons Tessin der Regierung eine derartige Strafbefug^iß, wie fie die Verordnung vom 29. März 1855 ausspxicht, einräume^ und wirklich hat der Bundesrath dießfalls vou Seite der Regierung vou

.^64 Dessin bestimmte Aufschlüsse verlangt, und selbst bezügliche Nachforschungen

angestellt.

Aus denselben ergibt es sich : daß die Verfassung des Kantons T essi n keine absolute und strenge.

Trennung der richterlichen und vollziehenden Gewalt, und ebensowenig eine genaue Ausscheidung der Befugnisse. des Großem Rathes von denen dex Regierung enthält, so daß die leztere die Besugniß zu Erlassung der Verordnung vom 29. März v. J. aus Art. 23 der Verfassung ftüzen konnte.

Und wirklich hat dex Große Rath die bezügliche Befugniß der Re^ giexung nicht nur nicht beanstandet, sondern am 17. Juni 1855 bei Au.^ laß der Beschwerden und Petitionen des Elexus um .Abschluß eine... Eou^ eoxdats ausdrüklich sowohl das politisch kirchliche Gesez, als die von der Regierung erlassenen Verordnungen bestätigt.

Bei dieser Sachlage muß die kommission die v^om Bundesrathe aus^ gesprochene Anficht theilen .

,,daß die Beschwerden des Priesters E od elaghi keine hinreichendem ...Gründe enthalten, um von Bundes wegen zu intervenire^

Bern, den 12. Juli 1856.

Namens der Commissione ^r. A. v. ^on.^enbach..

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Bericht der nationalräthlichen Kommission über die Beschwerde des Priesters Codelaghi von Sementina. (Vom 12. Juli 1856.)

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Jahr

1856

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46

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.08.1856

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362-364

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10 002 001

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