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Schweizerisches Bundesblatt.

VIIL Iahrg. I.

Nr. 9.

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23. Februar 1856.

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der ständeräthlichen Kommission über den Freundschafts-, .Handelsund Niederlassungsvertrag mit Großbrittanien und Jrland.

. (Vom 26. Januar 1856.).

Tit.

Die Kommission in ihrer Mehrheit ist mit dem in Bexathung liegenden Staatsvertrage einverstanden, und zwar im Wesentlichen ganz in Uebereinstimmung mit den vom Bundesrathe in seiner Botschaft vorgelegten Motiven.

Eine Minderheit der Kommisston hatte gegenüber einzelnen Bestimmnngen Bedenken vorgebracht, stch aber vorbehalten, erst in der Sizung dieselben näher zu begründen und gutsindenden Falls förmliche Minoritätsanträge zu sormuliren.

Jch werde daher in der Berichterstattung die einzelnen Bestimmungen etwas näher hervorheben, welche in der Kommisfion von Seite eines Mitgliedes Widerspruch fanden und deßhalb die Gesichtspunkte geltend machen, von denen die Mehrheit der Kommission ausgeht.

Es wurde iu der Kommission zuerst die Frage aufgeworfen..

Jn welchem Umfange wird der Staatsvertrag, wenn ex sanktionirt wird,.

feine Anwendung finden.. Gilt derselbe auch für die englischen Kolonien..

...

Darüber kann, im Hinblike ans Art. 1, kein Zweifel walten, indem es darin ausdrüklich heißt. ,,in allen Gebieten des vereinigten Königreichs von Großbrittanien und Jrland... Es ist dieß von Wichtigkeit, indem die Zahl der Schweizer, die in englischen Kolonien niedergelassen sind,

ungleich gxößer ist, als diejenige der Schweizer, welche fich in England selbst aufhalten.

Die Artikel 1 und 2 sanden keinen Widerspruch. Art. 1 trägt in Bezug auf die Verhältnisse der Jsraeliten den Vorschriften unserer Bundesverfassung Rechnung. Ungern wurde von England diese Beschränkung

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180 ausgenommen ; aber der Bundesrath hielt dieselbe fest. Die Delegirten des Bundesraths erklärten bei den Unterhandlungen jeden hierauf bezüg-

lichen Vorbehalt als unzuläßig.

Axt. 2 behält in gewissen , in dei^ Bundesverfassung. näher angeführten Fällen, den Kantonen das Recht der Wegweisung vor, und stellt in

dieser Beziehung d.ie Engländer den Schweizerbürgexn gleich.

Da.ge^e^ wax es der Artikel^ 3, erstem Alinea, welcher in de... K.om.^ mission von. S^eite der Minorität Widerspruch fand, und zwar insbesondere die Bestimmung, daß eine Durchsuchung der Wohnungen ..... nur geschehen dürfe , kraft eines ,, schr i f t l i ch abgefaßten Urtheils eines Gerichts oder Erlasses einer kompetenten Behörde.^ Dagegen wurde angeführt ^ es sei eine schriftliche Verfügung in m.ancheu. K a n t o n e n bis j.ezt nicht g e f o r d e r t und es enthalte solche Forderung einen Eingriff in die Kantonalgesezgebung.

Die Mehrheit der Kommission kann zunäch^ nicht zug.el.^u, daß in Staatsverträgen keinerlei Bestimmungen aufgenommen werden dürfen, die ...a oder dort in den Kantonen gewisse Beschränkungen auferlegen, sogar gegenüber gesezlichen Vorschriften.

Wenn man dieses Prinzip annehmen wollte, so würde der Abschluß solcher Staatsverträge wesentlich erschwert, fast unmöglich gemacht. Es ist gerade ein Hauptzwek, beim Abschluß solcher Verträge übex gewisse

.Verhältnisse eine gleichmäßige Behandlung zu erhalten; und dieß ist nux möglich, wenn man fich gegenüber bisherigen Zuständen zu

gewissen

Beschränkungen verpflichtet. Es^ muß hierin natürlich ein gewisses Maß

gehalten werden; aber es wäre außerordentlich schwer, ja unmöglich diese Falle auszuscheiden. Eine Garantie süx die Kantone liegt darin, daß solche Verträge an die eidgenössischen Räthe gebracht werden. Diese haben zu prüfen, ob der Bundesrath im einzelnen Falle zu weit gehende Zugeständnisse macht.

Jm vorliegenden Falle kann die Mehrheit dieses nicht finden. Was wird gefordert.^ Der schristliche Erlaß e i n e r k o m p e t e n t e n Be^hörde.. Es ist dieß eine leicht zu erfüllende Formalität. Wenn übrigens der betreffende kompetente Beamte die Untersuchung selbst vornimmt, so bedarf es wol einer solchen Formalität nicht; wenn aber z. B. ein untergeordneter, für sich nicht kompetenter Polizeiangeftellter beauftragt wird, so ist es eine ganz angemessene Vorsicht, die in den meisten Kantonen schon beachtet wird und deren Beachtung überall im Jnteresse einer guten Ordnung liegt, leicht erfüllt werden kann und soll.

Wenn man diesen Akt hätte von einem gerichtlichen Urtheil abhängig machen wollen,^ so hätte eine solche Bestimmung mit mehr Grund Widerspruch finden können. Dieses ist aber offenbar nicht der Fall.

Die Mehrheit kann also auch in diesem Artikel keinen Grund finden, die Ratifikation zu verweigern.

Art. 4. Mit etwas mehr Grund können Bedenken gegen den Art. 4 erhoben werden, und wenn irgend Hoffnung vorhanden wäre, daß auf

181 dem Wege neuer Unterhandlungen Günstigeres erzielt werden könnte, so würde die Kommission sehr gerne darauf antragen, diesen Artikel zu modi-

fiziren. Derselbe sichert zwar im Allgemeinen gegenseitig das Recht zu,

. Eigenthum zu erwerben und zu besizen , das Recht der Ueber.raguug des . Eigenthums durch Erbschaft oder auf andere Weife., das Recht des Wegzuges von Vermögen ohne besondere Abzugsgebühren. ^ Wenn man uunden Wortlaut des Vertrags in's Auge faßt, so scheint .derselbe alles zu gewähren, was man in Verträgen mit andern Staate^ bereits erhalten hat, z. B. im Vertrage mit Frankreich und Sardinien.

Jn der Wirklichkeit ist dem uicht so. Es enthält dieser Artikel eine

sehr wesentliche Beschränkung , indem txoz dieses Vertrags kein Schweizer in England Grundeigentum erwerben kann. Es^ heißt darin: ^toute espèce ^de propriété dont 1es 1ois du pavs permettent la poss^s^on.^ Nun ist aber nach altenglifchem Recht .der Erwerb .von Grnndeigenthu^ den Ausländern untersagt, und bleibt es auch nach diesem Vertrage. .Es

werden also faktisch die Schweizer in England weniger günstig gestellt fein,

als die Engländer in der Schweiz. .

Der Bundesrath führt unter andexm dafür, daß dessen ungeachtet der Vertrag für uns aeeeptabel sei, den Grund an, ,,daß dadurch d.eu ,,Engländern kein neuer Vortheil eingeräumt werde, sondern es best....^ ,,nur die bisherigen Verhältnisse fort.^ Die Kommission kann diesem Argument kein Gewicht beilegen, weil eben gerade durch solche Verträge

so unbillige Ungleichheit in der Behandlung gegenseitig aufgehoben wex^

den sollten.

Dennoch möchte die ^Kommission deßwegen die Ratifikation nicht verweigern : 1) weil daran das Zustandekommen jedes Vertrags scheitern würde; 2) weil, sobald irgend einem andern Staate dieses Recht eingeräumt wird, auch. die Schweiz darauf Anspruch hat; 3) weil die Bundesversammlung die gleichen Grundsäze im Vertrag mit der nor^amerikanischen Union genehmigt hat, obgleich dort nach Art. 5 jenes Vertrags ähnliche Beschränkungen fortbestehen. Bekanntlich .wurde in jenem .Artikel die Gefezgebuug der einzelnen Staaten vorbehalten und nach der Gesezgebnng vermiedener Staaten der nordamerikanifchen Union ist die Erwerbung von Grundeigentum dem Ausländer nicht gestattet.

Der A r t . 5 handelt von der Befreiung vom Militärdienste und vont

Militärpflichtersaz.

Auch hier wurde in der Kommission von der gleichen Minorität die Ansicht geäußert, daß dieß^eine Beschränkung der den Kantonen nach ihrer Sonveränetät zustehenden ^Befugniß sei. Die Mehrheit kann und will dieß nicht bestreit.en. Es ist eine Beschränkung in der Ausübung der Steuexgesezgebung. Es gilt hierüber alles, was wir oben bei Art. 3 gesagt haben und daher hier nicht wiederholen wollen. Wir erinnern nur .noch daran, daß schon in ^en Sta^atsverträgen mit Frankreich und Sardinien ähnliche Bestimmungen Aufgenommen werden find.

^82 Die Artikel 6 und 7 gaben zu keinen Bemerkungen oder l^inwenduugen Veranlassung.

Art. 8, 9 und 10. Die wichtigsten, man dürfte sagen, die den Abschluß des vorliegenden Vertrags für sich allein rechtfertigenden Bestimmungen find diejenigen der Art. 8, 9 und 10, wornach in Bezug auf Handel und Verkehr mit Fabrikaten sowol als Landesprodukten die Angehörigen der kontrahirenden Staaten in jeder Beziehung gleichgestellt find .mit den Jnländern und wornach jede Begünstigung, die in Zukunft irgend einem Staate eingeräumt wird, eo ipso auch auf die Angehörigen der kontrahirenden Staaten ihre Anwendung finden soll , ganz in gleicher Weife, wie dieß auch in dem Vertrage mit der nordamexikanifchen Union gegenseitig zugesichert worden ist.. Die Kommission ist der Ansicht, daß gerade diese Bestimmung für eine Jndustrie und Handel treibende Bevölkerung, wie diejenige der Schweiz es ist, von solcher Bedeutung, von solchem Wexthe fei, daß die Bundesversammlung um so weniger Bedenken tragen soll , diesem Vertrag ihre Sanktion zu ertheilen , als diesen Bestimmungen gegenüber die Beschränkungen, welche durch diesen Vertrag den einzelneu .Kantonen auferlegt werden, in keinen Betracht kommen können, jedenfalls duxch denselben werden ausgewogen we.rden. Die Schweiz soll dahex, nach der Ansicht der Mehrheit d.r Kommission, keinen Anstand nehmen, mit ^England einen Vertrag abzuschließen, der, wie fie hofft, .n der Zukunft den kommerziellen Jnteresseu unserer Bevölkerung entsprechendere weitere Zugeständnisse zur Folge haben dürste.

Von diesen Ansichten ausgehend , beantragt Jhnen die .Kommission mit dem Bundesrath folgenden Beschlußentwurf : Die Bundesversammlung der schweiz. Eidgenossenschaft, nach Einsicht des vom 6. Herbstmonat 1855 datirten, zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Jhrex Majestät der Königin der ver..'

einigten Reiche von Großbrittanien und Jrland abgeschlossenen Freundschafts..., Handels- uud Niederlassungsvertrages; nach Einficht des Vorschlages des Bundesrathes, und in Anwendung des Art. 74, Ziff. 5 der Bundesverfassung,

b efch lie ß t .

Art. 1. Der genannte Vertrag ist seinem ganzen Jnhalte nach ^ genehmigt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Auswechslung der RatifiNationen und der Vollziehung beauftragt.

B e r n , den 26. Januar 1856.

Die Mitglieder der Eommifsion : .0r. ..^.ern, Berichterstatter.

N. ^la.^on.

.^. ^. J. Mailer.

^. J. Bietet.

^. ^. planta.

Anmerkung. Der Bericht der nationalräthlichen Kommifsion über den Bertrag mit England ist vom .^. (nicht vom 2^.) Februar d. ......

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsvertrag mit Großbrittanien und Irland. (Vom 26. Januar 1856.)

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1856

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.02.1856

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179-182

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