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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige (Vom 3. September 1957)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Die Fürsorge für Schweizerbürger in Frankreich und für Franzosen in der Schweiz ist seit 1932 umfassend geregelt. Am 9. Dezember 1952 haben Sie einer Vereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland über die Fürsorge für Hilfsbedürftige zugestimmt, die von gleichen Prinzipien ausgeht. Das vorliegende Abkommen mit der Republik Österreich lehnt sich an diese Vereinbarungen an.

'Es drängte sich auf, da die geltende Eegelung völlig ungenügend ist und den Erfordernissen der heutigen Zeit nicht mehr entspricht.

Artikel 7 des schweizerisch-österreichischen Niederlassungsvertrages vom 7.Dezember 1855 verpflichtet die Vertragspartner, mittellose Staatsangehörige des anderen Staates, die auf ihrem Gebiet erkranken oder verunglücken, mitinbegriffen Geisteskranke, gleich ihren eigenen Angehörigen zu betreuen und bis zu dem Zeitpunkt verpflegen zu lassen, in dem die Heimkehr ohne Nachteil für sie oder für Dritte möglich ist. Für die in solchen Fällen aufgewendeten Kosten kann vom anderen Staat nicht Vergütung verlangt werden. Die Eegelung umfasst somit nur Kranke oder Verunglückte. Für andere Bedürftige fehlt eine vertragliche Eegelung.

Vor dem Anschluss Österreichs an Deutschland zahlten die zuständigen heimatlichen Behörden in Österreich ab und zu kleine Beiträge an die unterstützungsbedürftigen Österreicher in der Schweiz. In den meisten Fällen aber mussten die kantonalen und kommunalen Fürsorgestellen in der Schweiz die Unterstützung zu alleinigen Lasten übernehmen oder dann mit wesentlichen

531 Beiträgen ergänzen, sofern sie sich nicht für die Heimschaffung des Bedürftigen nach Österreich entschieden. Nach dem Anschluss Österreichs und -während des Krieges wurden die Unterstützten wie die deutschen Staatsangehörigen durch deutsche öffentliche oder private Organisationen unterstützt. Nach dem Kriege kam vorerst die deutsche Interessenvertretung auch für die bedürftigen österreichischen Staatsangehörigen auf. Vom Mai 1947 an begann sie jedoch ihre Hilfe einzuschränken und stellte sie am I.April 1949 gänzlich ein. Da Österreich im damaligen Zeitpunkt kaum in der Lage gewesen wäre, für seine bedürftigen Staatsangehörigen im Ausland aufzukommen oder sie in die Heimat zu nehmen, empfahl das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Kantonen, die Unterstützungen der österreichischen Staatsangehörigen in der Schweiz zu eigenen Lasten zu übernehmen, bis sich die Verhältnisse wieder normalisiert hätten.

, In der Folge versuchten die kantonalen Fürsorgestellen, in Einzelfällen von den österreichischen Behörden Beiträge an Unterstützungskosten für österreichische Staatsangehörige zu erhalten. Diese Begehren wurden aber abgelehnt mit der Begründung, dass keine Unterstützungen für Österreicher im Ausland geleistet werden könnten, dass aber andererseits bedürftige Schweizerbürger in Österreich von den österreichischen Fürsorgeämtern unterstützt würden. Aus Berichten der Kantone ergab sich jedoch, dass diese ihre bedürftigen Angehörigen in Österreich praktisch zu alleinigen Lasten unterstützen. Die Kantone haben somit sowohl für die mittellosen Österreicher auf ihrem Gebiet, wie für ihre Angehörigen in Österreich aufzukommen. Diese Sachlage ist vor allem aus fürsorgerischen Gründen, aber auch aus finanziellen Gründen höchst unbefriedigend. .

Diese Meinung bestand nicht nur auf schweizerischer Seite. Auch die massgebenden österreichischen Kreise sahen ein, dass die Fürsorgebeziehungen auf eine bessere Basis gestellt werden mussten. Die Anregung, Vertragsverhandlungen aufzunehmen, fiel deshalb auf fruchtbaren Boden.

: Es bedurfte dann allerdings noch ziemlich langer Vorverhandlungen, bis endlich vom 11. bis 14. Januar 1955 in Zürich die ersten Verhandlungen mit einer österreichischen Delegation stattfinden konnten. Dabei kamen vorerst die entgegengesetzten Auffassungen in der Frage der
Unterstützungspflicht eigener Staatsangehöriger im Ausland zum Ausdruck. Die schweizerische Delegation machte den Abschlüss eines Fürsorgevertrages davon abhängig, dass im Vertrag der Grundsatz des gegenseitigen Kostenersatzes enthalten sei. Die'österreichische Delegation erklärte sich trotz grosser Bedenken schliesslich bereit, sich für die Aufnahme des Ersatzprinzipes in den Vertrag bei der österreichischen Regierung einzusetzen. Sie vertrat aber den Standpunkt, dass der Heimatstaat vom Aufenthaltstaat jederzeit die Heimschaffung des Hilfebedürftigen verlangen könne, ohne dass der Aufenthaltstaat ein Mitspracherecht hätte.

Die schweizerische Delegation vertrat, demgegenüber die Auffassung, dass für die Frage der Heimschaffung nicht finanzielle Gründe des Heimatstaates mass-

5B2 gebend sein sollten, sondern in erster Linie Menschlichkeitsgründe berücksichtigt werden müssten. Es sollte nach ihrer Auffassung vermieden werden, dass Familienbande zerrissen oder enge Beziehungen zum Aufenthaltstaat, die durch einen Wohnsitz von sehr langer Dauer entstanden sind, zerstört würden. Eine weitere grundsätzliche Auseinandersetzung ergab sich in der Frage, wie lange der Aufenthaltstaat hilfsbedürftige Angehörige des anderen Staates unterstützen müsse, bis er Kostenersatz verlangen könne. Nach schweizerischer Auffassung sollte nach Ablauf von dreissig aufeinanderfolgenden Unterstützungstagen die Ersatzpflicht des Heimatstaates beginnen. Diese Zeit, während welcher der Aufenthaltstaat die Unterstützungskosten allein zu tragen hat, war nach österreichischer Auffassung zu kurz.

Diese Differenzen machten es notwendig, die Verhandlungen in einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Die österreichischen Unterhändler hatten übrigens den Verhandlungen von Anfang an mehr den Charakter eines ersten Meinungsaustausches beigemessen. Gestützt auf die erzielten Ergebnisse sollte den Verhandlungspartnern Gelegenheit gegeben werden, die Frage mit den zuständigen inländischen Stellen weiter abzuklären.

Die Polizeiabteilung nahm daraufhin erneut mit den Fürsorgedirektionen der Kantone Fühlung. In einer von ihr einberufenen Konferenz kam mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Kantone nur an einem Abkommen interessiert sind, das im wesentlichen den von den schweizerischen Unterhändlern verfochtenen Grundsätzen entspricht.

In der zweiten Etappe der Verhandlungen, die vom 17. bis 21. November 1955 in Wien stattfanden, wurde ein Entwurf zu einem Vertrag ausgearbeitet, dem das Kostenersatzprinzip zugrunde lag, und nach dem wohl der HeimatStaat über die Heimschaffung entschied, der aber doch gewichtige Einschränkungen dieses Eechtes vorsah. Offen blieb aber vor allem die Frage, wie lange die erste Hilfe durch den Wohnsitzstaat dauern sollte, bis dieser Kostenersatz verlangen kann. Österreichischerseits wurde neues statistisches Material verlangt, das den Behörden der Länder der Bundesrepublik unterbreitet werden sollte.

Diese Unterlagen konnten in der Folge dank der einlässlichen Erhebungen, die die Fürsorgedirektion des Kantons Zürich veranlasst hatte, geliefert werden.

Sie enthielten deutliche
Anhaltspunkte über die durchschnittliche Dauer von Fürsorgefällen und vermochten auch die Haltung der österreichischen Delegation in den Verhandlungen zu beeinflussen. In der letzten Etappe der Verhandlungen, vom 24. bis 28. September 1956 wiederum in Zürich, gelang es denn auch.

in allen Punkten eine Einigung zu erzielen. In einem Abkommen wurden die Grundsätze der Fürsorgebeziehungen geregelt, während in einer Verwaltungsvereinbarung Verfahrensvorschriften enthalten sind. Der Fürsorgevertrag unterliegt Ihrer Genehmigung und muss nachher ratifiziert werden.

Wir gestatten uns, nachfolgend kurz den Inhalt des Vertragswerkes zu erläutern :

533 Umfang und Inhalt der Fürsorge Das Abkommen verpflichtet die beiden Staaten, den in ihrem Gebiet sich aufhaltenden hilfsbedürftigen Angehörigen des anderen Staates in gleicher Weise und unter gleichen Bedingungen wie den eigenen Angehörigen Fürsorge zu gewähren. Die Fürsorge richtet sich in der Schweiz nach der Armengesetzgebung der Kantone, in Österreich nach der Fürsorgegesetzgebung des Bundes und der Länder. Nach einer Bestimmung des Schlussprotokolls, das integrierender Bestandteil des Vertrages ist, können die vertragschliessenden Teile ihre Angehörigen im Gebiet des andern Teiles - wenn sie es für .angezeigt erachten - zusätzlich unterstützen, wobei diese zusätzliche Hilfe nicht auf die durch den Aufenthaltstaat festgesetzten Unterstützungsansätze angerechnet werden soll. Das ist in einzelnen Fällen für hilfsbedürftige Schweizerbürger wenigstens zur Zeit von Bedeutung, da die Unterstützungsansätze in Österreich noch verhältnismässig gering sind. Der Aufenthalt braucht nicht fremdenpolizeüich geregelt zu sein, die tatsächliche Anwesenheit genügt.

Beginn und Dauer der Fürsorge Der Aufenthaltstaat trägt die Kosten der Fürsorge während längstens dreissig Tagen vom Zeitpunkt der Hilfsbedürftigkeit an. MUSS im Einzelfall mit Unterbrechung mehrmals unterstützt werden und liegen zwischen zwei Unterstützungsperioden mehr als zwölf Monate, so hat der Aufenthaltstaat erneut für die Unterstützung während dreissig Tagen aufzukommen. Nach dreissig Tagen beginnt die Kostenersatzpflicht. Diese ist vom Heimatstaat bis zu einer etwaigen Heimschaffung zu leisten. Der Aufenthaltstaat hat dem Heimatstaat den Fürsorgefall spätestens am dreissigsten Tage vom Zeitpunkt der Hilfsbedürftigkeit an anzuzeigen. Sonst verliert er seinen Ersatzanspruch (vgl.

Art. 3, Abs. 2).

, Heünschaffung Während früher die Heimschaffung unterstützungsbedürftiger Ausländer die Eegel war, setzt sich immer mehr der Grundsatz durch, dass der Hilfsbedürftige aus seiner bisherigen Umgebung nach Möglichkeit nicht herausgerissen .werden sollte. Dieser Gedanke findet im vorliegenden Vertrag seinen Ausdrück darin, dass die Heimschaffung nicht erfolgen solle, wenn die Hilfsbedürftigkeit voraussichtlich nur vorübergehend ist, oder wenn Menschlichkeitsgründe dagegensprechen. Vor allem sollen engste Familienbande nicht zerrissen oder Beziehungen
zum Aufenthaltstaat, die durch einen Wohnsitz von sehr langer Dauer entstanden sind, nicht zerstört werden (Art. 5, Abs. 1). Nach Artikel 7, Absatz l, der Verwaltungsvereinbarung gelten als engste Familienbande jene zwischen Ehegatten und Verwandten in auf- und absteigender Linie, und nach Absatz 2 gilt als vorübergehend unterstützungsbedürftig, wer im Zeitraum eines Jahres voraussichtlich nicht länger als drei Monate unterstützt werden muss.

Die schweizerischen Behörden haben sich immer auf den Standpunkt gestellt, dass der Heimatstaat nicht allein über die Heimschaffung entscheiden

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sollte. Deshalb wird in Artikel 5, Absatz 2, der Heimatstaat verpflichtet, die Stellungnahme des Aufenthaltstaates darüber einzuholen, ob im wohlverstandenen Interesse des Hilfsbedürftigen eine Unterstützung im Aufenthaltstaat oder, die Heimschaffung geboten ist. Begehren um Heimschaffung können nach einer Bestimmung der Verwaltungsvereinbarung im übrigen nur das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, beziehungsweise das Bundesministerium für Inneres stellen. Dadurch wird eine weitere Instanz eingeschaltet, die zu prüfen hat, ob eine Heimschaffung verantwortet 'werden kann.

Behörden In der Verwaltungsvereinbarung wird bestimmt, dass die kantonalen Fürsorgedepartemente, die einem österreichischen Staatsangehörigen Fürsorge gewähren, direkt mit der für den Unterstützten zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretung in der Schweiz verkehren. In Österreich sind es die Ämter der Landesregierungen, die mit der schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung allenfalls Verbindung aufnehmen müssen. Auf eine zentralistische Lösung wurde verzichtet, weil beiderseits die Überzeugung bestand, dass der Dienstweg zwischen Fürsorgestellen und rückerstattungspflichtigen Stellen möglichst kurz sein sollte. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das Bundesministerium für Inneres werden nur eingeschaltet, wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen dieses Abkommens Meinungsverschiedenheiten bestehen (Art. 7) oder wenn die Heimschaffung verlangt werden soll. Können sich diese beiden höheren Instanzen über Meinungsverschiedenheiten nicht einigen, wird von beiden Teilen eine Schiedsinstanz bestimmt, die aus je einem ihrer Vertreter und einem im gegenseitigen Einverständnis bezeichneten Vorsitzenden besteht. Diese Schiedsinstanz entscheidet mit Stimmenmehrheit endgültig.

Schluss- und Übergangsbestimmungen Das Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Jeder der beiden Staaten kann es unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende des Kalenderjahres kündigen, jedoch nicht vor dem 81.Dezember 1959. Für Österreich erfordert dieser Vertrag eine grundsätzliche Umstellung, wobei das einschlägige Bundesgesetz wie die Gesetze der einzelnen Länder abgeändert werden müssen. Um den Übergang vom bisherigen zum neuen System zu erleichtern, hat sich die schweizerische
Delegation in einem Schlussprotokoll, das integrierender Bestandteil des Abkommens ist, zu folgendem Entgegenkommen bereit erklärt: Während des Zeitraumes von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens soll dessen Artikel 2 mit der Massgabe Anwendung finden, dass der Aufenthaltstaat die Kosten der Fürsorge für Angehörige des anderen Staates während längstens sechzig Tagen (anstelle von dreissig Tagen) zu tragen hat.

535 Das vorliegende Abkommen bietet unseres Erachtens Grundlage, für eine dauerhafte Ordnung der gegenseitigen Fürsorgebeziehungen. Wir empfehlen Ihnen, das Abkommen durch Annahme des beiliegenden BundesbeschlussEntwurfes zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 3. September 1957.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Streuli Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und der Republik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 3. September 1957, beschliesst:

Art. lDas zwischen der Schweiz und der Eepublik Österreich abgeschlossene Abkommen über die Fürsorge für Hilfsbedürftige vom 5. Juni 1957 wird genehmigt. Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Abkommen zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Eepublik Österreich sind, von dem Wunsche geleitet, die Fürsorge für Schweizerbürger in Österreich und für österreichische Staatsbürger in der Schweiz zu regeln, und im Bestreben, dabei vor allem das Wohl der Hilfsbedürftigen zu berücksichtigen, übereingekommen, das nachstehende Abkommen abzuschliessen. · . ; Zu diesem Zwecke haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Minister E. Hohl, Schweizerischer Gesandter in Wien ; Der Bundespräsident der Eepublik Österreich: Herrn Minister L.Figl, Aussenminister.

Die Bevollmächtigten haben, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und diese in guter und gehöriger Form befunden haben, folgendes vereinbart : Artikel l 1. Jeder vertragschliessende Teil verpflichtet sich, den in seinem Gebiet sich aufhaltenden hilfsbedürftigen Angehörigen des andern Teiles in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Angehörigen Fürsorge zu gewähren.

2.. Ausserdem hat jeder vertragschliessende Teil gegebenenfalls für eine schickliche (angemessene) Bestattung der in seinem Gebiet verstorbenen hilfsbedürftigen Angehörigen des andern Teiles zu sorgen.

3. Die Fürsorge richtet sich in der Schweiz nach der Armengesetzgebung der Kantone, in Österreich nach der Fürsorgegesetzgebung des Bundes und der Länder.

Artikel 2 1. Der Aufenthaltstaat trägt die Kosten der Fürsorge für Angehörige des andern vertragschliessenden Teiles während längstens dreissig Tagen vom Zeitpunkt des Eintritts der Hilfsbedürftigkeit an. Die Kosten der Bestattung trägt auf jeden Fall der Aufenthaltstaat.

538 2. MUSS im Einzelfall mit Unterbrechung mehrmals unterstützt werden und liegen zwischen zwei Unterstützungsperioden mehr als zwölf Monate, so hat der Aufenthaltstaat erneut für die Unterstützung während dreissig Tagen aufzukommen.

Artikel 3 1. Der Heimatstaat trägt dafür Sorge, dass dem Aufenthaltstaat alle weiteren Fürsorgekosten, die dieser für den Hilfsbedürftigen aufgebracht hat, bis zu einer etwaigen Heimschaffung erstattet werden.

2. Diese Verpflichtung besteht nur dann, wenn der Aufenthaltstaat dem Heimatstaat den Fürsorgefall, spätestens am dreissigsten Tage vom Zeitpunkt des Eintritts der Hilfsbedürftigkeit an, angezeigt hat (Anzeigeverfahren). Andernfalls trägt der Aufenthaltstaat die Kosten der Fürsorge über die in Artikel 2, Absatz l, bezeichnete Frist hinaus bis zum Ablauf von dreissig Tagen, von dem Zeitpunkt an gerechnet, in dem die Anzeige erstattet wurde. Alle weiteren Fürsorgekosten bis zu einer etwaigen Heimschaffung trägt der Heimatstaat.

3. Durch die Bestimmungen der Absätze l und 2 werden die Vorschriften des Artikels 5, Absatz 4, nicht berührt.

Artikel 4 Ansprüche, die sich aus Verpflichtungen des Hilfsbedürftigen oder dritter Personen zum Ersatz von Fürsorgekosten ergeben, bleiben den vertragschliessenden Teilen gewahrt; Jeder Teil sichert dem andern die nach den einschlägigen Gesetzen zulässige Hilfe zur Geltendmachung dieser Ansprüche zu.

Artikel 5 1. Der Heimatstaat kann vom Aufenthaltstaat jederzeit die Heimschaffung des Hilfsbedürftigen verlangen. Die Heimschaffung ist ausgeschlossen, wenn der Hilfsbedürftige oder eine von der Heimschaffung nach Absatz 3 mitbetroffene Person nicht transportfähig ist. Der Hilfsbedürftige soll auch dann nicht heimgeschafft werden, wenn die Hilfsbedürftigkeit voraussichtlich nur vorübergehend ist oder wenn Menschlichkeitsgründe dagegen sprechen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn engste Familienbande zerrissen oder Beziehungen zum Aufenthaltstaat, die durch einen Wohnsitz von sehr langer Dauer entstanden sind, zerstört würden.

2. Der Heimatstaat hat die Stellungnahme des Aufenthaltstaates darüber einzuholen, ob im wohlverstandenen Interesse des Hilfsbedürftigen Unterstützung im Aufenthaltstaat oder Heimschaffung geboten ist, sofern sich der Aufenthaltstaat hierüber nicht schon gleichzeitig mit der Anzeige des Fürsorgefalles
geäussert hat. Langt eine Stellungnahme des Aufenthaltstaates nicht binnen dreissig Tagen beim Heimatstaat ein, kann dieser die Heimschaffung ohne weiteres Anhören des Aufenthaltstaates verlangen.

539 3. Soweit nicht besondere fürsorgerische Gründe entgegenstehen, erstreckt sich die Heimschaffung auch auf den Ehegatten und die mit dem Hilfsbedürftigen in Hausgemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder. Personen,.die die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltstaates oder eines dritten Staates besitzen, : können nicht in die Heimschaffung einbezogen werden.

4. A^erlangt der Heimatstaat vom Aufenthaltstaat die Heimschaffung des Hilfsbedürftigen, so ist der Heimatstaat nach Ablauf von dreissig Tagen, vom Eingang des Heimschaffungsbegehrens beim Auferithaltstaat an gerechnet, von jeder Kostenersatzpflicht entbunden, sofern dieser nicht die Transportunfähigkeit des Hilfsbedürftigen nachweist.

5. Auch der Aufenthaltstaat kann vom Heimatstaat jederzeit die Übernahme eines Hilfsbedürftigen verlangen. In diesem Fall gelten die Bestimmungen der Absätze l bis 3 sinngemäss.

6. Angehörige des einen Staates, die sich noch nicht seit mindestens einem Jahr ununterbrochen auf dem Gebiete des andern Staates aufhalten, können ohne Eücksicht auf die Bestimmungen der Absätze l bis 3, jedoch gegen vorherige Anzeige an den Heimatstaat, heimgeschafft werden, wenn sie transportfähig sind.

Artikel 6 Die Kosten der Heimschaffung und des Transportes des Hausrates bis an die Grenze trägt der Aufenthaltstaat.

Artikel?

1. Bestehen zwischen den vërtragschliessenden Teilen über die Auslegung einzelner Bestimmungen dieses Abkommens Meinungsverschiedenheiten, so verständigen sich das Eidgenössische Justiz- und: Polizeidepartement und das Bundesministerium für Inneres.

2. Wird eine Einigung nicht erzielt, so bestimmen die vërtragschliessenden Teile eine Schiedsinstanz, die aus je einem ihrer Vertreter und einem im gegenseitigen Einverständnis bezeichneten Vorsitzenden besteht. Die Schiedsinstanz entscheidet mit Stimmenmehrheit endgültig.

Artikel 8 Die vërtragschliessenden Teile regem die Durchführung dieses Abkommens in einer Verwaltungsvereinbarung.

': Artikel 9 Dieses Abkommen, das in zwei Urschriften ausgefertigt ist, bedarf der Eatifikation. Die Eatifikationsurkunden werden sobald als möglich in Bern ausgetauscht.

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Artikel 10 1. Das Abkommen tritt am ersten Tag des zweiten auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Monates in Kraft.

2. Bestimmungen früherer Vereinbarungen zwischen den vertragschliessenden Teilen, die dem vorliegenden Abkommen entgegenstehen, werden aufgehoben.

Artikel 11 Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Jeder der beiden Staaten kann das Abkommen unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende des Kalenderjahres kündigen, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1959.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten beider Staaten dieses Abkommen unterzeichnet und mit Siegeln versehen.

Geschehen zu Wien, den 5. Juni 1957.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft: (gez.) B. Hohl

Für die Republik Österreich: (gez-) Leopold Figl

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Schlussprotokoll zum

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige

Bei der Unterzeichnung des am heutigen Tage zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich abgeschlossenen Abkommens über die Fürsorge für Hilfsbedürftige haben die Bevollmächtigten der vertragschliessenden Teile die folgenden Erklärungen abgegeben: 1. Während eines Zeitraumes von zwei Jahren nach Inkrafttreten des heute unterzeichneten Abkommens findet dessen Artikel 2 mit der Massgabe Anwendung, dass der Aufenthaltstaat die Kosten der Fürsorge für Angehörige des andern Teiles während längstens sechzig Tagen zu tragen hat, ·2. Die vertragschliessenden Teile können ihre Angehörigen im Gebiete des andern Teiles zusätzlich unterstützen. Solche Unterstützungen dürfen nicht auf die durch den Aufenthaltstaat festgesetzten Ansätze angerechnet . werden.

3. Die vertragschliessenden Teile erklären sich bereit, den Transfer der Kostenersatzbeträge oder andere mit dem Abkommen in Zusammenhang stehende Überweisungen in beiden BichtungeiT im Wege des jeweils vereinbarten gebundenen Zahlungsverkehrs zu bewilligen.

: Die Begelung in Ziffer l erfolgt auf Wunsch der österreichischen Delegation, um die Einführung des für die Eepublik Österreich und für die österreichischen Bundesländer neuen Systems der zwischenstaatlichen Fürsorge zu erleichtern.

Dieses Schlussprotokoll ist integrierender Bestandteil des heute abgeschlossenen Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bepublik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige.

Gefertigt in zwei Urschriften in Wien, am 5. Juni 1957.

iFür die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die Bepublik Österreich:

(gez.) E. Hohl

(gez-) Leopold Figl

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Fürsorge für Hilfsbedürftige (Vom 3. September 1957)

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1957

Année Anno Band

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12.09.1957

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