#ST#

Schweizerisches Bundesblatt

XXI Jahrgang. l.

Nr. 1^.

#ST#

31. März 1860.

B otsch ast des

schweizerischen Bundesrathes an die h. gesezgebenden Rathe der Eidgenossenschaft, betreffend die Savoyerfrage.

(Vom 28. März 1860.)

Tit.!

Der schweiz. Eidgenossenschaft stehen gegenüber dem benachbarten Savoyen in Folge besonderer, wie allgemein europäischer Verträge wich.tige Rechte zu, deren Wahrung stets alle Aufmerksamkeit der Behörden in Anspruch genommen hat und um deren Fortbestand und Aufrechthaltung (m i t l e b h a f t e in B e d a u e r n s p r e c h e n wir es a u s ) , es sich im gegenwartigen Momente handelt.

Der Friedensvertrag vonI Jahr 1564. welcher von den unbetheiligten eidgen. ständen zwischen Bern und dem Herzog von Savoven vermlttelt worden ist, enthält die ausdrükliche Bestimmung, daß kein Theil das ihm zugesprochene Land einem andern Fürsten oder Gemeinwesen abtreten dürfe.

Dieser Vertrag ist von Frankreich und Spanien ausdrüklich garantirt und durch den Turinervertrag vom 16. März 1816 neuerdings bestätigt worden.

Als im Jahr l 81 5 Savoryen wieder dem Könige von Sardinien zuriikgegeben wurde, ward von schweiz. Seite darauf aufmerksam gemacht, wie unerläßlich es erscheine. daß der Schweiz eine gute Militargranze auf dieser Seite verschafft werde, um sie in den Stand zu sezen, den südwestlichen Theil Ihres Gebietes, insbesondere Genf, den Schlüssel der Simplonstraße Init Erfolg zu vertheidigen.

Jn Würdigung dieses Gesichtspunktes wurde. und zwar im Einverständnisse niit Sardinien durch die Wienerkongreßmächte ain 29. März 181^

Bundesblatt Jahrg. XII. Bd. I..

45

476 die Neutralisirung gewisser Gebietstheile von Savo.^en ausgesprochen. ..^ wurde nämlich damals als europäisches Völkerrecht festgesezt, daß die Provinzen Ehablais und Faueignv. und alles von Ugine nördlich gelegene ^and in der durch alle Mächte gewährleisteten schweiz. Neutralität inbegriffen sein sollen, so zwar, daß so oft die der Schweiz benachbarten Mächte sich im Zustande wirklich abgebrochener oder unmittelbar bevorstehender Feindseligkeiten befinden würden, die Truppen Sr. Majestät des Königs von Sardinien, welche allsällig in jenen Provinzen stehen möchten,

sich zurükziehen und dafür , wenn nöthig , ihren Weg durch das Wallis^

sollten Macht nigen, finden

nehmen können ; daß keine andern bewaffneten Truppen irgend ein^x sich dort aufhalten .oder durchziehen können, mit Ausnahme derjewelche die schweiz. Eidgenossenschaft daselbst aufzustellen für gut würde.

Dieser, der Schweiz so wichtige Rechte gewährleistende Vertrag^ wurde von den Mächten unterm 20. November 1815 ausdrüklich bestätigt und er bildet als Art. 92 einen integrirenden Bestandtheil der Wienerkongreßakte.

Als^im Frühjahr 1859 der Ausbruch eines Krieges in Jtalien unvernieidiich schien, erachteten wir es in unserer Stellung, den Standpunkt genau zu bezeichnen , welchen die Schweiz im Hinblike auf die Verträge gegenüber dem neutralisirten Theile Savons einzuhalten gedenke. Es geschah dieß in der Note vom 14. März vorigen Jahres, welche von den Mächten vollkommen gewürdigt und durch die Schlußnahnie der Bundesversaiunilung vom 5. Mai 1859 ausdrüklich bestätigt worden ist.

Der Friede von Villafranea stellte die Bildung eines italienischen Staatenbundes in Aussicht und es schien unerläßlich, die Stellung, welche das neutralisirte Savo^en in einer solchen italienischen Konföderation einzunehmen hätte. klar zu zeichnen. Jn einer Note vom 18. November v. J. , die wir hier als Beilage A. anzuschließen die Ehre haben, sprachen wir gegen die Garanten der Wienerverträge unsere Ansicht dahin aus, daß. wenn bei dem bevorstehenden europäischen Kongresse die völkerrechtlichen Beziehungen der Schweiz in Frage kommen, die Mitwirkung dex Eidgenossenschaft nicht abgelehnt werden dürfe. Die Schweiz müsse vielmehr verlangen, gehört ^n werden, wenn Sardinien anch mit den index schweizerischen Neutralität inbegriffenen Theilen Savo^ens in die italienische Konföderation eintreten sollte.

Aus allen diesen Vorgängen wollen Sie, Tit., ersehen. wie sehr wir es in unserer Pflicht erachteten, ein wachsames Auge auf die neutralifirten Provinzen Savo^ens zu richten, indem wir darin eine Garantie glaubten erbliken zu können. um die Neutralität der Schweiz wirksam zn behaupten und ihre Seibsterhaltiing zu sichern.

Bekanntlich ist der beabsichtigt gewesene Kongreß der europäischen Mächte zur Regelung der verschiedenen schwebenden Fragen nicht zu Stande gekommen. Dagegen tauchte bald nach dem Beginne dieses Jahres das

477 .Gerücht auf. daß Frankreich sich veranlaßt sehen werde, als Entschädigung für geleistete Kriegshilfe die Abtretung Savov.ens von Sardinien zu verlangen. Diese Jdee fand in der französischen Presse eine lebhafte Unterstüzung und gewann im Laufe des Monats Januar immer größern Bestand. Wir ermangelten nicht , diefe veränderte Situation in ernste Erwägung zu ziehen und unfere Gesandtschaft in Paris mit entsprechende^ Instruktionen zu versehen und ebenso unsern Gesandten in Turin.

Wir haben nämlich die Mittheilung zu machen, daß die jezi.gen Umstände uns danach angethan schienen, um die Absendung eines diplomatischen Bevollmächtigten nach Tnrin zu rechtsertigen. Durch die Einverleibung der Lombardie in das Königreich Sardinien hat nämlich die Bedeutsamkeit dieses Staates für die Schweiz außerordentlich zngenoinnien . da die Eidgenossenschaft nunniehr von ihrem äußersten östlichen Ende bis zum westlichsten ganz an Sardinien gränzt. Der schon früher aufgetauchte Wunsch, in Turin diplomatisch vertreten zu sein, mußte in doppelter Stärke auftreten, da die Beziehungen zu Mailand und zur Lombardie nicht geringer sind als diejenigen zu Turin und Piemont. Man mußte sich vergegenwärtigen , daß schon die gewöhnlichen Verkehrsverhältnisse eine persönliche Vertretung der Schweiz in Turin bedingen nnd daß namentlich im gegenwärtigen Momente eine Reihe von Fragen politischer, militärischer iind kommerzieller Natur mit Sardinien zu verhandeln seien, welche nur durch eine persönliche Vertretung eine entsprechende Erledigung finden könnten. Gestiizt auf diese Gründe haben wir bereits unterm 30. Januar einen außerordentlichen Abgeordneten in der Person des Herrn Staatsrath T o u r t e von Gens bei Sardinien akkreditirt. Da^ Nähere dieses Verhältnisses liegt anßer dem Bereiche des gegenwärtigen Rapportes und fällt in den gewöhnlichen Geschäftsbericht. - Wir glaubten diese wenigen Andeutungen zum bessern Verständnisse de^ Folgenden Jhnen immerhin schuldig zu sein.

Wir wollen nun nicht ermangeln, den geschichtlichen Hergang dieser erhängnißvollen und an politischen Ueberrasehungen reichen Episode in den nichtigsten Zügen Jhren Augen vorzuführen.

Nach vorläufigen Verhandlungen mit dem französischen Ministerium wurde unser Gesandte angewiesen, bei Sr. Majestät dem Kaiser selbst ine Audienz nachzusuchen, um theils die Absichten wegen einer Eefsion Savo^ens im Allgemeinen , theils insbefondere die waltenden Dispositionen n Beziehung auf die nentralisirten Provinzen und deren eventuelle Stellung ur Schweiz in Erfahrung zu bringen.

Diefe Audienz wurde am 31.

Januar gewährt und es hat unser Minister es sieh angelegen sein lassen, die großen Jntexessen , welche für die Schweiz in Frage kommen, eintäßiich zu entwikeln und die Erwartung aufzusprechen, daß in dieser Sache ichts abgeschlossen werde,
ohne daß man sich in Bezug auf die neutraliirten Provinzen niit der Schweiz in's Einvexftändniß gesezt haben werde.

Vorderhand spreche sich die Schweiz für den Status quo aus, wenn aber

478 .von einer Annexion Savoyens an Frankreich die Rede fein sollte, so müßte sie Init der größten Entschiedenheit daraus dringen , daß ihr auf dem neutralisirten savoyischen Gebiete eine solche Gränze angewiesen werde ,

.welche eine möglichst günstige militärische Vertheidignngslinie bilden würde,

wie solche nach dem Urtheile unserer tüchtigsten Militärs unumgänglich nöthig sei, wenn nicht die schweizerische Neutralität zur Jlluston herabsinken solle. Diese Gränze würde naturgemäß die Provinzen Ehablais und Faueigny und einen Theil des Genevois bis an das Flüßchen 1es lusses .Iinfassen. Eine bestimmte Zusage konnte in dieser Audienz um so weniger erwartet werden , als die Frage wegen der Eession Savovens no.x. nicht als unmittelbar bevorstehend bezeichnet wurde, dagegen ward von Sr. Ma^jestät die Geneigtheit ausgesprochen, eventuell den von unserm Minister gegebenen Aufschlüssen und den daran geknüpften Propositionen alle Ansrnerksarnkeit zu widmen.

Offenbar im Zusammenhange mit dieser Audienz und als erste Folge derselben ist die Mittheilung zu betrachten, welche am 6. Februar von Seite des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten unserem Gesandten .gemacht worden ist. Die Savoyerfrage, bemerkte Herr Thouvenel, stehe im Zusammenhange mit der Frage wegen Annexion von Eentralitalien und vielleicht auch der Romagna an PieInont. Leztere hinwieder hänge von der ...lbstimniung der betreffenden Völkerschaften ab. Sprechen sich diese für ein Eentral..Königreich aus. so begehre Frankreich keinerlei Vergrößerung.

Wenn fie aber - was wahrscheinlicher -- auf ihrer Vereinigung mit PieInont bestehen, so müsse Frankreich gegenüber einem so groß gewordenen Staate, wie PieInont es durch seine Annexion würde , aus eine andere und bessere Gränzlinie dringen . wie es eine solche nur durch die Eession von Savoyen erhalten könnte. Aber auch in diesem Falle werde die Abstimmung der Bevölkerung von Savoven maßgebend sein. Sollte die Abstimmung für Annexion sich aussprechen, und somit Savoyen an Frankreich übergehen, so liege es nicht von ferne in der Absicht des Kaisers, die neutrale Stellung der Schweiz zu gefährden oder zu schwächen; dagegen theile Seine .Majestät ganz die vom schweizerischen Gesandten entwikelte Ansicht, daß in solchem Falle die Fortdaner des Systems der Neutralisation weder der.

Schweiz noch Frankreich zusagen könnte, Herr Thouvenel schloß mit folgenden Worten : ,,L'EInpereur ni'a chargé de vous dire, que si l'annexion "devait avoir lieu, il se ferait un plaisir par sympathie pour ,,la Suisse, à laquelle il porte toujours un intérêt particu,,1ier, d'ahandonner à 1a Suisse comme sou propre
territoire, ,,coInIne une partie de la Confédération helvétique les pro,,vinces dn Chahlais et du Faucigny" Eine wesentlich gleichlautende Erklärung wurde ebensalls ain 6. Februar von dem interimistischen Geschäftsträger Frankreichs dem Bundesprästdenten abgegeben. Derselbe bemerkte, er sei beauftragt, mündlich und ganz kon..

479 sidentiell zu eröffnen, daß. die Frage wegen Savoyens gegeIIwärtig noch nicht in Verhandlung liege, daß dieselbe aber für Frankreich sehr wichtig werden könnte, wenn PieInont durch Annexion mehrerer Provinzen eine stärkere Macht werden sollte. Alsdann müßte Frankreich von dieser Seite yer eine gute Militärgränze verlangen und in diesem Falle wäre Se.

.Majestät der Kaiser einer Eesfion der Provinzen Ehablais und Faueigny, welche der Schweiz überlassen würden, nicht entgegen. Diefelbe Eröffunng erfolgte am 7. Februar durch den französischen Konsul in Genf an den Präsidenten des dortigen Staatsrathes. Der Herr Konsul bemerkte, im Fall der Annexion Savovens an Frankreich, sei der Kaiser geneigt, die Provinzen Ehablais und Faueignv sich mit der Schweiz vereinigen zu lassen. Daß endlich hiemit übereinstimmende Eröffnungen in Turin und London gemacht worden sind und zwar ebenfalls Anfangs Februar ist kein Geheimniß mehr.

Hätten diese Zusicherungen noch einer Bekräftigung bedurft, so würd^ dieselbe in einer Aeußernng zu finden sein, mit welcher am 19. Februar der schweizerische Gesandte ^vom Kaiser empsangen worden ist und wobei Se. Majestät bemerkte. der Gesandte werde durch Herrn Thouvenel ersahren haben, welches die kaiserlichen Absichten in Beziehung auf die Schweiz seien. sofern der Gegenstand der kürzlich stattgehabten Audienz seine Lösung finden solle.

Jn ein entscheidendes Stadium trat die Angelegenheit mit der Thronrede, durch welche die Session der hohen Staatslörper ani 1. März eröffnet worden ist. Darin wurde auf unzweideutige Weife ausgefprochen, daß Angesichts der Umgestaltung Norditaliens, welche einem mächtigen Staate alle Alpenpässe überliefere, es die Pflicht Frankreichs gewesen sei, .zur Sicherheit seiner Gränzen die französischen Gebirgsabhänge zurükzuverlangen.

Man weiß nun, daß aiieh der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten und zwar schon unterm 24. Februar in gleicher Weise sich gegenüber dem französischen Gesandten in Turin erklärt hat. Herr Thouvenel deutete daniais daraus hin, daß bei einer größern oder geringern Jnkorporirung von mittelitalienischenchen Staaten in .Sardinien der

Besiz Savoyens sich als eine geographische Notwendigkeit sii r die Siche-

rung der französischen Gränzen herausstellen müßte, wobei jedoch, wie rex Herr Minister ansdrüklich hinzufügte, die Jnter.sfen der Schweiz, welche Frankreich immer zu berüksiehtigen wünsche, gewahrt werden sotten.

Wir haben diese so bestimmten Zusagen mit all' dem Vertrauen hingenommen, das wir einem befreundeten Staate glaubten schuldig zu sein

nnd das auch durch die feindselige nnd gehässige Haltung nicht erschüttere

werden konnte. welche die französische ossiziöse Presse gegen die Schweiz in dieser angelegenheit eingenommen hat. Wir haben lediglich unsere Vertreter in Paris und Turin wiederholt angewiesen, geeignete Schritte

480 zu thun, ^damit die geinachten Zusagen eine schriftliche Bestätigung er^halten möchten.

Da die Bemühungen unserer Abgeordneten in Paris und ^Turin, statt der bloß mündlichen Versprechungen bestiinnite schriftliche Ziisicherungen zu erhalten . nicht voin erwünschten Erfolge begleitet gewesen sind, so ^ertheilten wir daher am 9. März die Weisung sowol in Paris als in Turin eine Note abzugeben (Beilage B), in welcher .^ra.^aufmerksanr gemacht werde. daß bei einem allfälligen .Arrangement in Beziehung auf Savo^en der Schweiz das Gehör nicht verschlossen werden könne. Die Eidgenossenschaft stehe bezüglich Savo^ens, uni dessen Abtretung es si.^ .gegenwärtig handle, niit Sardinien in den engsten Vertragsverhältnissen, die bis auf die jüngste Zeit herab von sämIntlichen betheiligten Mächten Europas in ihrer Jntegrität anerkannt worden seien. Sie glaube dal.er .^in Recht darauf zu haben. daß die Abtretung der neiItralisirten Provin..en unter ihrer, als eines der Hauptpaeiszenten Mitwirkung ersolgen müsse .und ohne ihr Einverständniß nicht geschehen dürfe. wenn ül..erb..upt deI^ ^ezige Znstand unhaltbar geworden sein sollte. Sie gewärtige mithin rüksichtlich jener Provinzen solche positive Erklärungen. welche fie zii beruhigen und die Besorgnisse wegen etwaiger Beeinträchtigung ihrer woblerworbenen Rechte zu heben vermöchte.

Ganz unerwartet und niit den bisherigen Zusagen im Widerspruche erschienen dann die Proklamationen der Gouverneure in Aniiech und EhanI^ .berr^ voni 8. und 10. März.

Jn diesen Akteustiiken wird der Bevölkerung angekündigt . daß sie demnächst berufen sein werde, .über das künftige Schi.sal ihres Landes zu entscheiden. Dabei wurde aber die Sache so hingestellt, als ob .ediglich zwischen Piemont und Frankreich zu wählen und jede andere Stimmgebung ausgeschlossen sei. Der Schweiz und ihrer Ansprüche wurde mit keinen. ^orte gedacht. ^aum hatten wir Kenntiiiß von diesen auffallen.den Kundgebungen, so beauftragten wir unsere Abgeordneten in Paris ^Ind Turin gegen diese A^stiniinungsweise Protest einzulegen und zu ver..

langen, daß man sich vorher mit der Schweiz verständige. Trüge man diesem Begehren keine Rechnung, so wären wir genöthigt, uns an die ^Garanten der europäischen Verträge zu wenden. Dieser Protest wurde in Turin ain l 4., in Paris am 15. abgegeben. Unser Minister in .Paris that diesen Schritt erst dann, als er nach einer nochmaligen BeBrechung mit Herrn Thouvenel sich hatte überzeugen müssen. daß die Proklamationen der Gouverneure in Savo.^en nicht auf einem bloßen Mißverständnis^ beruhen könnten. i.^.r erklärte nämlich Herrn Thoiivenel, Verschiedene übereinstimmende und zuverlässige Berichte gehen dahin. daß .^s in der Absicht Frankreichs liege, g a n ^ Savo^en sieh zii annexiren.

^omit auch die neutraiisirten Provinzen , welche in der schweizerischen Neutralität inbegriffen seien. Jn der legten Audienz babe Herr Thoii^enel eröffnet, daß der Abstimniungsniodus noch nicht festgesezt sei un^

.

.

.

48I

daß es sich noch um Modifikationen desselben handle. Auf diese Eröffriung hin habe Herr Kern die Eingabe einer Protestation damals noch unterlassen. Seither habe er aber ganz zuverläßig erfahren, daß es sich bei den in Frage liegenden Modifikationen keineswegs darum handle, di...

Generalabstinimung uber Annexion an Frankreich oder Verbleiben bei Piemont durch eine Separatabstimmung nach Provinzen in dem Sinne zu ^erfezen, daß die Mehrheit im Ehablais und im Faueign.^ sich für Annexion an die Schweiz erklären könnten ; sondern es handle sich nun darum, den.

.König von Sardinien zu bestimmen. daß er vorerst ganz Savoven au Frankreich eedire und daß diese Eeffion durch eine allgemeine Stimmgebung bestätigt werde.

Herr Thouvenel anerkannte diese Bemerkung. als richtig. Frankreich finde allerdings, es müsse eine E.ssion des Königs von Sardinien jeder Abstimmung vorausgehen. Jin Uebrigen sei auch jezt noch nichts Näheres festgefezt über Zeit und Art der Abstimmung.

Wenn es möglich werde, Ehablais und Faueign^ der Schweiz zu überlassen , ohne daß Frankreich riskire, die Annexion der übrigen Provinzen an Frankreich zu vereiteln, so werde sich die französische Regierung stets geneigt finden, auf die srühere Kombination einzutreten.

Herr Kern bemerkte hierauf, die ihm gewordenen Berichte im Zusaminenhalte niit der offiziöfen französischen Presse lassen ihn hiefür wenig hoffen, und er erlaube fich daher die Anfrage, ob der Herr Minister ihm hierüber etwa beruhigende Zusicherungen zu geben im Falle sei , worauf jedoch Herr Thouvenel bloß erwiderte, er müsse sich ans das beziehen, was er bereits gesagt habe.

Ans diesem Punkte angelangt, konnte unser Minister nicht anstehen, diejenige schriftliche Protestation einzugeben, welche den Akten angeschlossen

ist. (Beilage C.)

Herr Thonvenel ermangelte nicht, in einer an den französischen Geschäststräger in Bern gerichteten Note vom 17.. wovon uns Abschrift gegeben worden ist, sich ül..er die Protestation zu verbreiten. Bevor wir jedoch dieses Aktenftük besprechen, müssen wir mit zwei Worten der Note gedenken, welche Frankreich an die Großmächte gerichtet hat. zumal dieses Aktenstük ebenfalls Zeugniß davon abgibt, wie sehr nian die Befriedigung unserer Ansprüche in den Hintergrund zu stellen suchte.

Jn der Eirkularnote voin 13. März wird. wie dieß in der Thronxede angekündigt worden war, l,ie Nothwendigkeit der Annexion von Savoven und Niza an Frankreich in Folge der territorialen Veränderengen in Jtalien einläßlich erörtert. Es wird darauf hingewiesen, daß durch eine solche Annexion bloß legitime Ansprüche befriedigt werden, daß dieselbe Europa in keiner Weise beunruhigen könne und daß. da sie mit Zustimmung des Königs von Sardinien geschehe. darin nur ein legaler Akt erblikt werden dürfe. der sich eben so wol aiis der Konfiguration de^ Landes, wie nach dem Eharakter der Sprache, den Sitten und Gewohn...

4.^2 heiteu der betreffenden Bevölkerungen rechtfertige. Jn diesem Aktenstük^ wird der Schweiz und ihrer erworbenen Rechte auf das neutralisirte Savoyen nur beiläufig erwähnt, was um so auffallender erscheinen mußte,^ an einem Dokumente, welches die Bestimmung hat, mit der Angelegenheit diejenigen Mächte zu behelligen, von denen der Schweiz die erwähnte^ Rechte .feierlich gewährleistet worden sind und welche berufen zu sein scheinen,.

ebenfalls ein Wort mitzusprechen, wenn es sich um die Beseitigung dieser^ Rechte. und eine Unigestaltung dessen handeln soll, was im Jahr 1815

iu so ausdrüklicher Weise als ein Theil der gesellschastlichen Ordnung Europas garantirt worden ist.

.^

Wir säumten nun unsererseits ebenfalls nicht, unterm 19. März mit einer Eirknlarnote an die Garanten der europäischen Verträge zu gelan..

gen. Diese Note ist bereits der Oeffentlichkeit übergeben , Sie finden si.^ als Beilage ... angebogen.

Nach der Darlegung der faktischen und historischen Verhältnisse sprechen wir das Vertrauen aus, daß, wenn eine Aenderung d^es jezigen Zustandes in Savoyen stattfinden sollte, der Schweiz dnrch Zutheilun^ der neutralisirten Provinzen die Möglichkeit gegeben werde, ihre Neutra-

lität und Unabhängigkeit mit Ausficht auf Erfolg zu vertheidigen. J^

diesem Vertrauen werde die Schweiz sich um so weniger getäuscht sehen dürfen, als es sich nicht um bloß partikularistische Vortheile, fondern nm Jnteressen handle, denen von den hohen Mächten selbst eine allgemein europäische Bedeutung zuerkannt worden sei und als Frankreich ihr gegenuber noch in den jüngsten Tagen den Fortbestand seiner Geneigtheit be^ stätigt habe, diese Angelegenheit in einer Weife zu regeln, welche unsere Rechte und Jnteressen sicher zu stellen vermöge.

Wir kommen nun auf die angezeigte Note des französischen Ministeriurns vom 17. znrük. (Beilage E.) Darin spricht der Hr. Minister die Ansicht aus, die Schweiz habe so mannigfache Beweise der Freundschaft von Frankreich erhalten, daß dieses hätte erwarten dürfen , der Bundesrath würde volles.

Vertrauen in seine Gerechtigkeit sezen. Die Schweiz habe nm so wenige.^ Grund zu einer Protestation gehabt, als es wesentlich denI Prinzipe der Souveränität entspreche, daß ein Staat dem andern Zessionen machen könne , sofern hierdurch nicht das Gleichgewicht und die Machtstellung in Europa bedroht erfcheine. Jndem der König von Sardinien Savov.en an Frankreich abtrete. handle er lediglich innerhalb seiner Prärogativen und ube er ein Recht ans, das ihm von Niemand bestritten werden könne..

Es werde fich daher nur darum handeln , ob die Regierung von Sardinien in der Ausübung jenes Souveränetätsrechtes durch internationale.

Verträge beschränkt erscheine. Dieß vermöge aber das französische Ministerium nm so weniger zuzugeben , als der in erster Linie von der Schweig angerufene Friedensschluß von 1564 ausschließlich zwischen den Gnädige^ Herren von Bern und deni Herzog von Savo^en aufgerichtet worden, je^ doch durch die Macht der Verhältnisse seither erloschen sei.

48^

Durch die Verträge von 1815 habe Sardinien bloß beabsichtigt.

ein Theil Savovens mittels Einschließung in die schweizerische Neutra-.

lität sicher zu stellen und die Schweiz sei dieses Arrangement unter onerofen^ Titel eingegangen. Sie könnte daher bloß behanpten, daß fie in Folge einer Eeffion von jener übernommenen Last entbunden, keineswegs aber,..

daß dadurch ihre eigene Sicherheit bedroht werde.

Wir dursten diese Note um so weniger mit Stillschweigen hinnehmen, als darin versucht wird, die Nullität unserer Rechtstitel nachzuweisen un.^ dasjenige in Abrede zii stellen, was man bis anhin als gutes Recht dex .^Eidgenossenschaft zu betrachten gewohnt war.

Wir haben deßhalb unterm 24. März eine Erwiderungsnote an unsere Minister in Paris gerichtet, (Beilage l.) mit dem Auftrage, davon Hrn. Thouvenel abschriftlich Mittheilung zu machen. Wir verwiesen darin in der Haupte sache auf die Denkschrift, welche über die Beziehungen zwischen der Schweiz.

und Savo^en aus unsere Veranstaltung ausgearbeitet und den Mächten überreicht worden ist und in welcher alle hier in Frage kommenden Verhältnisse historiseh-politisch auf das Ausführlichste erörtert werden.

Speziell hoben wir hervor, daß der Friedenstraktat von l 564 keines.wegs bloß zwischen Bern und Savo.^en abgeschlossen, sondern durch eine^ schiedsrichterliche Dazwifchenkunft der eiis unbeteiligten eidg. Stände vermittelt und von F r a n k r e i c h und S p a n i e n ausdrüklich garantirt wor^den fei. Jn Beziehung auf die Gültigkeit dieses Vertrages scheine selbst Frankreich noch in neuerer Zeit von einer andern Ansicht ausgegangen zu.

sein , indem es das Rechte die Waadt militärisch zu besezen , im Jah..^ 1798 aus demjenigen Vertrage hergeleitet habe, dessen fortdauernde Wirkfamkeit heute, wo er von der Schweiz angerufen sei, in Zweisel gezogen werde.

Für die Gültigkeit des Vertrages fpreehe positiv der Artikel 23 des^ Turinervertrages vom l 6. März 1816, welcher die Verfügungen der alten Traktate. bestätige, insofern sie nicht ausdrüklich durch den mehrerwähnte^ Turinervertrag aufgehoben werden , was aber bezüglich des Friedensschlusses.

von 1564 durchaus nicht ^der Fall sei^ Mkt Beziehung auf die Verträge von 1815 so ergebe es sich aus.

den noch vorhandenen Protokollen und Korrespondenzen mit Bestimmtheit, daß gerade die Genfer-Abordnung
am Wienerkongresse den Gedanken einer.

theilweifen Neutralität Savovens angeregt und energifch verfochten habe^ Von jener Seite sei darauf hingewiefen worden, daß diefe Neutralisions ebensowohl ini Jnteresse der Schweiz als in denijenigen Sardiniens liege, daß ohne dieselbe die Kantone Wallis und Genf, insbesondere auch der^ Siniplonpaß fortwährend bedroht wären und daß ohne jenes Auskunftsmittel von einer wirksamen Aufrechthaltung der eigenen , schweizerischen^ Neutralität nicht die Rede sein könne. Gestüzt auf diese Grundanschauung..

seien in den Verträgen vom 29. März und 20. November 1815 bezüglich..

^.der Neutralisirung von Nordfavo.^en diejenigen Bestimmungen aufgenommen .worden, welche gegenwärtig zu erneuerter Bedeutung gelangen, und welche ^die Schweiz nicht als einen onerosen Titel, fondern als ein wohlerworbenes Recht glaube behalten zu dürfen. der anfängliche Widerspruch der Schweiz habe sich keineswegs auf Nordsavoven bezogen. sondern sich erst nach dem zweiten Parisersrieden und zwar deßhalb geltend gemacht , weil auch die jenseits des Gebirges gelegenen Landestheile mit Ehablais, Faueign^ und .Hoch^Genevois in die Neutralität eingeschlossen worden feien, wofür der Schweiz keine zureichenden Gründe vorzuliegen geschienen haben. Jn erster

Linie hätte die Schweiz allerdings die Beibehaltung des bisherigen ZuBandes gewünscht, indessen habe sie keine Schritte gethan , aus denen ein^ .absoluter Widerstand gegen eine Modifikation des Status quo abgeleitet werden könnte. Sie beachfichtige auch nicht in die Prärogativen des .Bönigs von Sardinien einzugreifen , sie enthalte sid., hier vielmehr einer Erörterung über die angeregten Attribute der Souveränetät. Die Schweiz ^erlange dagegen, daß ihre loyalen erworbenen, von den Mächten feierlich garantirten Rechte geachtet und daß darüber nicht ohne ihr Vorwissen ^Ind ohne ihre Mitwirkung verfügt werde. Wenn die Volksftimniung als .maßgebend angerufen werde . so dürfe die Schweiz verlangen , daß auch der Bevölkerung Nordsavovens die freie Meinungsäußerung gewahrt werde und daß seine 12.00.) Bürger nicht außer Beachtung fallen, welche bereits jezt schon sich für den Anschluß an die Schweiz erklärt und es aiis.gesprochen haben , daß ihre Jnteressen , Bedürfnisse und Sympathien andere seien, als diejenigen der südlichen Provinzen.

. Von einem Mißtrauen der Schweiz gegen Frankreich könne um so ^weniger die Rede sein. als sie die ihr gemachten Zusagen in gutem Giauben aufgenommen habe. Nachdem nun aber die Eessi onsfrage von Frank^ ^xeich selbst diirch die Note vom 13. März den Großmächten unterbreitet ^worden sei. habe man es der Schweiz doch nicht verdenken können , wenn auch sie sich an die Garanten der europäischen Verträge mit dem Begehren gewendet, daß in einer Angelegenheit. in welcher ihre wichtigsten Jntereffen in Frage stehen , nicht ohne ihr Hinzuthiin vorgegangen werde ; sie dürfe schließlich erwarten, daß Frankreich geneigt sein werde. diesen Standpunkt der Schweiz unparteiisch zn würdigen und ihr in Wahrung ihrer Jnte^ ressen freundnachbarlich an die Hand zu gehen.

Hätten über die Absichten gegen die Schweiz noch Zweifel walten können , so wären dieselben gehoben worden durch die Ansprache. mit .welcher eine Deputation aus Savo.^en, die allem Anfchein nach nicht einmal durch ein gefezliches Mandat legitiinirt w a r , von Sr. Majestät ^dem Kaifer am 2l. d. M. empfangen worden ist. Dieser Deputation, Welche sich die Aufgabe gesezt hatte , die Annexion von ganz Savo^en ^in Frankreich zu befürworten. wiirde erklärt: ,,Die Freundfchast für die Schweiz hätte Se. Majestät beinahe be.^wogen, dieser eine Gebietsabtretung zu versprechen, von welcher man ....angenommen, daß sie den Wünschen Savovens nicht entgegen sei ; allein

48.^

^sobald der Widerwille der Bevölkerung gegen die Zerstükeluug bekannt .....geworden. habe Frankreich aus diese Abtretung verzichtet. indem es nichts^destoweniger die Jnteressen der Schweiz wahren wolle. ..

Es schien uns durchaus unerläßlich. daß unser Minister in Paris ^ine nochmalige ^tudi^nz beim Kaiser nachsuche. um über die Situation mündlich nähere Aufschlüsse zu ertheilen. die übrigens der Gesandte in.

eineni zuhanden Sr. Majestät sorgfältig ausgearbeiteten Memoriale unterm 13. März einläßlich erörtert hatte. Diesem Austrage zuvorkommend, hatte .Herr Kern schon nach der verhängnißvollen Audienz vom ^ 5 . dem Herrn ^.Thouve^ei bemerkt, mit der abgegebenen Protestation trete die ganze AnGelegenheit in eine neue Phase. die Frage sei so wichtig. die möglichen .Konsequenzen, von so ernster Bedeutung , daß großer Werth daraus gesezt .würde, wenn der Kaiser geneigt wäre. Herrn Kern zu gestatten. die jezige Situation in mündlicher Besprechung zu entwikeln. Die nachgesuchte Au^ienz bei Sr. Majestät wurde dann wirklich am 22. März unserni GeSandten und dem mittlerweile in offiziöser Mission eingetroffenen Herrn .General Dusour gewährt. Der Erfolg war jedoch nicht günstiger. Auch .der Kaiser hielt, wie sein Minister, an der .Ansicht fest. daß, ohne die Annexion Savo^ens an Frankreich aufs Spiel ^u sezeu, die früher gegebene Znfichernng der Abtretung von Ehablais und Faneignv ni.^t in ...tusfüh.xnng gebracht werden könnte, wie dieß theils ans den Protestationen der .Provinzialräthe von Ehamber^ . und Anneev. theils aus Aeußerungeii eini^ger Abgeordneten ans Faueign.^ und theils aus Berichten von Turin zu entnehmen sei. Jnzwischen werde Frankreich, da jedenfalls eine neue Re^ulirung der Verhältnisse und Beziehungen Nordsavo^ens nothwendig folgen ^nüffe, hierbei den Jnteressen der Schweiz nach Möglichkeit Rechnung tra^.

.^en. Jn welcher Weise dieß geschehen solle, erhellt nirgends klar. nur .wurde darauf hingedeutet, daß die Neutralisirung der betreffenden Gebietstheile auch nach der Annexion fortdauern und daß in handelspolitischer .Rü.sicht eine sogenannte freie Zone zu Gunsten Nordsavo.^ens geschaffen ..werden könnte. Wie ungenügend dieses Auskunftsmittel wäre, wie wenig dainit die Jnteressen der Schweig gewahrt und die Grundbedingung ihrer Existenz gesichert sein wurde, haben wir in unserer Zirkularnote
vom 19.

.dieß umständlicher erörtert.

Die Nentralisirung der fraglichen Provinzen hätte für die Schweiz Durchaus keinen reellen Gehalt, wenn dieselben mit Frankreich vereiniget sind. Ein Zustand. der gegenüber von Sardinien seine volle Berechtigung ^hatte, müßte jeder rationellen Grundlage baar sein, gegenüber einer der ersten Militärmächte von Europa.

Die Schaffung einer freien Zone würde wesentlich nur im Juteresse ^on Savo^en liegen und müßte für die Schweiz vielfache Jnkonvenienzen ^nr Folge haben. Zudem würde. wie sich von selbst versteht, der für ^ie S.^weiz fo bedeutungsvolle Zwek nicht im Mindesten erreicht, welcher ^urch die Verträge von 1815 iu's Auge gefaßt worden ist.

^86 Wir müssen auch noch der militärischen Maßnahmen gedenken, welche wir, wenn auch nur in ganz beschränktem Umfange , glaubten treffen zi..

sollen. Die fortwährend eingelangten höchst allarmirenden Berichte un..^ '^ie dadurch verursachte Beunruhigung ließen es rathfam erfcheinen, nicht länger damit zuzuwarten, und die Angelegenheit in eidgenössische Leitung zi.^ nehmen. Auch ist es wol außer Zweifel , daß die französische Armee ihren Rükweg ans Jtalien nach Frankreich über Savoven bewerkstellige^ wird. Unter solchen Uniständen kann es der Schweiz in keiner Weise ver..^ dacht werden , wenn sie im Jnteresse ihrer Sicherheit und zur Bern^iguna^ der Bevölkerung zu einigen militärischen Vorkehrungen geschritten ist.

Wir wünschten übrigens dabei ansdrüklich alles unnöthige Aufsehen zi...

vermeiden und von vorneherein den Einwurf zu befeitigen . daß die Schweig zu kriegerischen Rüstungen und zu militärischen Provokationen übergegangen sei. Jn dieser Absicht haben wir, ohne eine Piketstellnng der Armee zi.^ verfügen, nur einzelne Trnppentheile der Kantone Bern, Glarus, Frei^ burg , Waadt, Wallis und Neuenburg etwas früher als es sonst geschehen.

wäre, zu einem Wiederholnngskiirfe einberufen: die betreffenden Truppen^ körper machen die Uebungen in ihren respektiven Kantonen durch , und si^ stehen für einmal noch nicht förmlich unter eidg. Kommando.

Hinwieder schien es den Umständen ganz angemessen, den betreffenden hohen Ständen die Tragung der daherigen Kosten ans Bundesmitteln zuzusichern. Da^ Gleiche ist auch gegenüber Genf geschehen , das bereits früher schon eiI.^ Bataillon Jnfanterie und eine Batterie Artillerie zu einem Wiederholung^ knrse einberufen hat.

Einer Genehmigung dieser lediglich im Jnteresse der eigenen Sicherheit getroffenen Verfügungen dürfen wir nm so mehr versichert fein , als dieselben durchaus keinen solchen Eharakter haben, uni darauf Ankl^en gegei^ die Schweiz , von wein immer auch nur mit einem Anscheine von Rech^ begründen zu können.

Beinahe zum Schlusse unserer Berichterstattung vorgerükt, erhalte^ wir noch Kenntniß von dem Eessionsvertrag . welcher am 24. dieß zwischen Frankreich und Sardinien abgeschlossen worden ist. Wir gestehen .^ daß der in diesem Jnstruinente in Beziehung auf die neutralisirten Pro^ vinzen aufgenommene Vorbehalt die Schweiz unmöglich beruhigen
kann und daß wir unse.re Ansicht abermals bestätigen müssen . welche dahin geht,.

daß die Abtretung von Nordsavoven ohne unsere Einwilligung und Mi^ wirkung eine Verlezung der Verträge in sich schlöße. Wir haben dahe.^ auch unverzüglich unsere Repräsentanten in Paris und Turin angewiesen, gegen jede Besiznahme des neutralisirten Savovens , dieselbe inöge ein^ militärische oder bloß eivile sein, zu protestiren und zu verlangen, das^

vorerst die in Aussicht gestellte Verständigung mit den Mächten und mit de^ Schweiz stattgefunden habe. Wir verlangten abfolute Festhaltung des Statn^ quo bis zur erfolgten Verständignng. Wir verlangten ferner positiv eine.

Vereinigung der Mächte mit unserer eigenen Beteiligung. Eine vorgän^ gige militärische oder eivile Besitzergreifung, ehe diese Verständigung statte

^487 .

.Befunden. müßte wiederholt als eine Verlezung der der Schweiz zustehen.^en Rechte aufgefaßt und ebenso müßte die vorgängige Bestzergreifung al^ ^ine Beeinträchtigung der freien Willensäußerung der betreffenden BevölGerungen angesehen werden. Ueber die Anordnung einer Abstimmung in ^eu neutralisirten uordsavo.)ischen Provinzen müsse die Schweiz erneuert ihre Anhörung und Einwilligung verlangen.

Von dieser abermaligen Protestation ist den Garanten der Verträge ^n Ergänzung der Eireularnote vom 19. dieß ebenfalls unverweilt Kenntniß gegeben worden.

.. ^ Nachdem diese Verfügung bereits getroffen war , nämlich am 27.

^Abends, ward uns dann vom französischen Herrn Geschäftsträger von einer ^Note Kenntniß gegeben , welche unterm 26. dieß vom kaiserl. französischen ^Ministerium an ihn gerichtet worden ist. (Beilage G.^ Jn dieser Note .wird der die Schweiz vorzüglich berührende Artikel 2 des Vertrages wörtlich Herausgehoben.

,, Il est entendu, dit cet article, que Sa Majesté le Roi de Sardaign^ .^Ie peut transférer les parties neutralisées de la Savoie qu'aux conditions auxquelles il les posséde 1ui-InéIne , et qu'il appartiendra à Sa Majesté .l'EInpereur des français de s'entendre à ce sujet, tant avec 1es Puissance^.

représentées au Congrès de Vienne qu'avec la Confédération Ilelvétique,^ ^t de l^ur donner les garanties qui résultent des.stipulations rappelées dans ^e présent article. ^ Es wird von dem Herrn Minister bestimmt betont, daß dieser Artikel geeignet sein werde. die Schweiz vollständig zu beruhigen, weil das hier hauptsächlich in Frage stehende Verhältniß, nämlich die Stellung des neu.tratisirten Savo^ens zur Eidgenossenschaft unter Mitwirkung der übrigen Mächte sowohl als der Schweiz selbst seine Regelung finden soll.

Wir verkennen die Absicht, welche dieser Note zum Grunde liegt, keineswegs , vielmehr haben wir sie mit Rükstcht auf ihre beruhigende Haltung mit Befriedigung entgegengenommen. Jnzwifchen werden wir ^as französische Ministerium daraus hinweisen , daß eine Beunruhigung sich vorzüglich deßhalb der Bevölkerung habe bemächtigen müssen, weil der Antrag der Schweiz in der Eessionsfrage angehört und zur Mitwirkung berufen zu werden , die gewünschte Berechtigung nicht gefunden habe. Die Schweiz müsse wiederholen, daß d a s ihr zur vollständigsten Beruhigung.

.gereichen müßte
, wenn sie die bestimmte Zusicherung erhielte , daß keine Besizergreisung, weder eine militärische noch eine eivile, eintreten solle, be.^or eine Verständigung mit der Schweiz bezüglich ihrer Ansprüche auf Nordsavo^en erfolgt sein werde.

Auf diesem Punkte angelangt, mußten wir uns gestehen, alle Mittel erschöpft zu haben, um zu demjenigen Ziele zu gelangen, das sür die Schweiz als eine Lebensbedingung aufgefaßt werden muß und. das uns, wie gezeigt worden ist, ursprünglich zugesagt war.

.^ir haben das Bewußtsein, ein durchaus loyales Verfahren eiuge.halten zu haben, und wir können nur unser lebhaftes Bedauern aus..

488 sprechen, daß dasselbe nicht vom gewünschten Erfolge begleitet worden ist.

Bei der iezigen Lage der Dinge war es unsere Pflicht und entsprach es.

unfern verfassungsmäßigen Zuständen. die obersten Räthe der Nation un..

uns zu vexsamnieln und ihnen die weitern Verfügungen anheimzugeben.

S.e werden, eingedenk ihrer hohen Mission und eingedenk des Ernstes der.

Situation diejenigen Beschlüsse fassen . welche der Ehre und Würde, sowie der Wohlfahrt des Volkes entsprechen und denen der Patriotismus der Bürger mit vollem Vertrauen entgegen sieht.

Wir können den gegenwärtigen Bericht nicht schließen, ohne der Beweise von Sympathie zu gedenken, welche ein großer Theil der Bevölke- .

rnng in den neutralisirten Provinzen Savovens zu Gunsten des Anschlusses an die Schweiz an den Tag gelegt hat. Sie sind einer ehrenvollen Stellung würdig, es gebührt ihnen die lebhafteste Anerkennung von Seite der Eidgenossenschast. Ein besonderer Ausschuß hat alle möglichen Schritte gethan, um die Verbindung des neutralisirten Savovens mit der Schweiz zu verwirklichen; er hat sich zu diesem Zwecke sowol an uns, a^s an die Monarchen von Frankreich und Sardinien gewendet. (Beilage ll, l, K.^ Er hat auch die Vermittlung der hohen Garanten der europäischen Verträge in Anspruch genommen (Beilage L) und bereits haben über 12.000 Bürger mit anerkennenswertem Freimnthe die Erklärung abgegeben , daß sie nur in der Verbindung mit der Schweiz eine glükliche Zukunft für ihr Heimathland zu erbliken vermögen. Sie habeu damit das Bestreben

besiegelt, daß schon in den Jahren l 81 4 und 1815 das Endziel ihrer Väter war.

licher sein.

Mögen die Söhne in ihren Hoffnungen und Wünschen glük-

Jndern wir. Sie zum Schlusse auf unsere Anträge verweisen , welche wir Jhrer Würdigung und Entscheidung zu unterbreiten im Falle find, benuzen wir auch diesen Anlaß ^e.

Bern, den 28. März 1860.

.

JIn Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident : ^. ^re.^.-Herose^ Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des schweizerischen Bundesrathes an die h. gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Savoyerfrage. (Vom 28. März 1860.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1860

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

16

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.03.1860

Date Data Seite

475-488

Page Pagina Ref. No

10 003 027

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.