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Bundesrathes an den schweiz. Ständerath über Interpretation des Bundesbeschlusses, betreffend die Patenttaren der Schweiz. Handelsreisenden.

(Vom

27. November

1860.)

Tit.!

Sie haben uns mit verehrlicher Zusehrist vom 13. Juli a. c. den Rekurs der Regierung des h. Standes T h u r g a i i an die h. Bundesversanimlung, dein sich später noch derjenige des h. Standes Z u g an..

reihte. zum Bericht überwiesen. diesem Auftrage nachkommend, beehren wir uns, darüber Folgendes mittheilen : Die h. Bundesversammlung hat unterm 29. Juli 1859 in Sachen der Patenttaxen der Handelsreisenden beschlossen : ,,Die Kantone werden ,,angewiesen, von schweizerischen Handelsreifenden keine Patenttaxen oder ,,anderweitige Gebühren Inehr zu beziehen, in fofern diefe Handelsreifenden ,,nur Bestellungen -- sei es mit oder ohne Vorweisung von Mustern -,,ausnehmen und k e i n e W a a r e n mit sich führen. ^ Kurz nach Erlaß dieses Bundesbesehlusses gelangten oon verschiedenen Seiten Eingaben an uns, in denen sich die Petenten beschwerten. die Ausiibung ihres Gewerbes werde ihnen in mehreren Kantonen dadurch nnmöglich gemacht, daß man sie wegen bloßem Vorweisen voIi Waarenmustern und Ausnahme von Bestellungen bei Privaten mit starken Bußen belege, ihnen diesen Handel entweder ganz verbiete, oder ihn nur gegen Lösung eines mit hohen Gebühren verbundenen Patentes gestatte. Gegen dieses Versahren, als mit dem Bundesbeschluß vom 29. Juli l 859 nieht im Einklangstehend,appellirten dieselben an die Bnndesbehörden. - Wir haben diese Besehwerden aus Motiven, die wir hienach entwikeln werden, für begründet gefunden uno uns, im Hinblik auf den vorstehend zitirten Bundesbeschluß, gegenüber den betreffenden Kantonsregierungen wie folgt ausgesprochen : ^ Siehe eida.. Gesezsammlung, Band VI, Seite 304.

.324 ,,Wir müssen Einsprache dagegen erheben, daß den Bestimmungen .,,des Art. 29 b der Bundesverfassung die Deutung gegeben werde. als .,,falle unter den Begriff von Hausiri^andel und könne soinit verboten werden .,,auch derjenige Handel. welcher nur zum Zweke hat, mit oder ohne .,,Muster, von Haus zu Hans Bestellungen auf Waaren aufzunehmen.

.,,Wir würden hierin eine zuweitgehende Beschränkung des garantirteu ....freien Verkehrs erbliken. Hingegen werden wir nichts gegen polizeiliche .,,Verfügungen einwenden , selbst wenn sie ein wirkliches Verbot in sich .,,fassen, sobald dieselben nur den wirklichen Haiisirhandel, d. h. das Feil^ .,,bieten, Herumtragen und .Einsammeln von Waaren von Haus zu Haus.^ .,,beschlagen...

Gegen diesen Entscheid rekurirte nun die Regierung von Thurgau durch .ihre Eingabe vonI 27. Juni a. c. ; nnd später folgte auch die Regierung .von ^ug, vermittelst ihrer Zuschrist vom l 3. Juli tezthin. Beide Regierungen.. halten die dnrch uns dem Bundesbeschluß vom 29. Juli .8.^9 gegebene Jnterpretation für unrichtig nnd im Widerspruch einerseits mit der durch den Bund garantirten Kantonalsouveränetät, namentlich im Hinblik aiif die Art. 3 und 29 der Bundesverfassung, andererseits für zu ^veit gehend in Bezug auf seine praktische Bedeutung.

Die Verschiedenheit der Ansichten zwischen den sich beschwerenden Regierungen u.^d nus besteht hauptsächlich darin, daß wir dein Begriff eines Handelsreisenden eine weitere Ausdehnung gegeben haben, als jene Regierungen dieß mit ihren Rechten und Jnteressen für verträglich halten.

Darüber ist man allseitig einig, daß, da das Gewerbe eines Hausirers häufig dazu mißbraucht wird. um fich mit schlechten Abfichteu in die Häuser .einzureichen, polizeiliche Maßregeln, im Sinne des .^rt. 29 h der Bundesverfassung, gegen die Hausirer vollkommen gerechtfertigt erscheinen. ..Es. bleibt uns demnach hauptsächlich die Aufgabe. die Motive zu erläutern, xoelche uns veranlaßt haben, diejenigen Handelsreisenden. welche ohne Waaren, nur mit oder ohne Muster von Haus zu Haiis Bestellungen auf..

nehmen, nicht unter die eigentlichen Hausirer zu ^ählen. Hiezu wird es nothwe.ndig. in gedrängter Kürze einen Blik ans die uns vorgelegenen Beschwerden zu werfen.

Die zwei ersten waren gegen das Gewerbegesez des Kantons B e r n gerichtet. .^in in Murten niedergelassener
Marchand bailleur verkehrte in den angränzenden Remtern jenes Kantons und besuchte dort seine Kunden, mit einem Musterpaket versehen. Er wurde als Hansirer betrachtet. und da dieses Gewerbe im Kanton Bern. init wenigen Ausnahmen, verboten .ist. so verfiel er wiederholt in Strafe und konnte soinit dort nicht mehr ^feinen Beruf ausüben. Ganz ähnlich verhielt es sieh niit dein zweiten Falle. Ein N e n e n b u r g e r Handelshaus ließ im St. Jinnierthal bei .Privaten W.^aren aus Muster hin anbieten. Der Reifende erlitt wiederholte

325 .Bestrafung durch starke Bußen und sah fich genöthigt, seinen Verkehr in jener Gegend einzustellen. Die Regierung des h. Standes Bern hat übrigens unserer Anschauungsweise Rechnung getragen, die Vollziehung des beanstandeten Artikels ihrer Gewerbeordnung ststirt und dadurch den vor.

stehenden Beschwerden abgeholfen. - Nachher langten mehrere ähnliehe Klagen von Subseribentensainmlern und Buchhändlern ei^, eine gegen das Gewerbegesez von B a s e l . . L a n d s c h a f t , zwei fernere gegen die daherigen Gesezesbestimmungen des Kantons T h u r g a u gerichtet, welch' leztere den Anlaß zu dem vorliegenden Rekurs geboten haben. Endlich noch eine aus dem Kanton A a r g a u , wo ein dortiger Kaufmann in seinem eigenen ^Kanton, u..egen Aufnahme von Wagenbestellungen bei Privaten durch Vor., weisen von Mustern mehrere ^..ale bestrast wurde.

Die Sachlage gestaltete fich nun so, daß entweder eine zahlreiche Kategorie von Handelsreisenden von den V.^rtheilen des Bundesbeschluß vom 29. Juli l8^9 ausgeschlossen werden müßte, wodurch die .Ausübung ihres Gewerbes in einigen Kantonen zur Unmöglichkeit gemacht, in andern an hohe Gebühren geknüpft worden wäre, oder aber auch die nur mit Mustern, aber von Haus zu Haus verkehrenden Handelsreifenden, in den Mitgenuß der Bestimmungen des fraglichen Bundesbeschlusses zu fezen.

Wählte man den ersterii Weg, so entstunden daraus auffallende Ungleich..

heiten, nicht wohl verträglich niit dem Sinn und Geist des Bundesbe..

fehlusses vom 29. Juli I859, einerseits durch den vorerwähnten Ausschluß vieler Handelsreisenden von der Patenttaxenbefreiung , andererseits dadurch, daß gegenüber einer Menge von Reisenden, die, wie die .Händler mit Ehampagner. und andern feinen Weinen, wie die Agenten von Assekuranzen .e.

.ohne oder nur mit wenigen, leicht zu verheimlichenden Mustern ihre Geschäfte ebenfalls von Haus zu Haus betreiben, ein Haust..verbot oder eine Kontrole über Lösung von Pateuten gar nicht zu handhaben gewesen wäre.

Angesichts dieser Ungleichheiten und im Hinblik auf die Fassung des Bundesbeschlußes vom 29. Juli 1859, wo nur ganz allgemein von H a n^ d e l s r e i s e n d e n gesprochen wird, hielten wir es in unsere.. Pflicht, bei der Jnterpretatiou jenes Beschlusses im Sinne einer vollständigen Rechtsgleich..

heit und größerer Verkehrsfreiheit entscheiden zu sollen, indem wir uns an das in demselben selbst hervorgehobene Moment, V o r w e i s u n g von Mustern o h n e M i t f ü h r e n von W a a r e n als maßgebendes Unterscheidungszeichen hielten. Von der Ueberzeugung ausgehend, hiedurch nach dem in dem fraglichen Bundesbeschluß niedergelegten Willen der h. Bundesverfammlung gehandelt zu haben, ist nicht zu verkennen, daß unser Entscheid auch den Verkehrserfordernissen der Gegenwart gebührend Rechnung trägt, ohne, nach unferm Dafürhalten, den Rechten der Kantone irgendwie zu nahe zu treten.

Bundesbla..^ .^ahxa ^II. Bd. III.

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^ Wirklich dürfte auch die Behauptung der h. Regierung von Thurgau. unser Entscheid stehe im Widerspruch mit der durch den Bund garantirten Kantona.fouveränetät, kaum stichhaltend fein. Den Kantonen ist nämlich allerdings durch die Bestimmungen des Art. 29 h der Bundes..

verfassung das Recht zu polizeilichen Verfügungen über die Aasübung

von Handel und Gewerbe vorbehalten . allein selbstverständlich liegt in den gleichen Bestimmungen die Kompetenz der Bnndesbehörden, über das Maß und die Art solcher Verfügungen zu entscheiden, indem sonst leicht, unter dem Namen derselben, eine Masse von Gebühren und Taxen eingeführt werden könnten, bedeutend genug, um den garantirten freien Verkehr vollständig zu paralisiren. -- Wenn übrigens die rekurirenden Regierungen^ sich noch speziell aus unsere eigene Argumentation in der Botschaft, be..

treffend die Patenttaxen der Handelsreisenden , berufen und damit ihre Rechte begründen wollen, so halten wir diesen Standpunkt für irrig, indem es sich nicht mehr, wie damals, um das Prinzip selbst, .das durch den Bundesbeschluß voni 2.). Juli 1859 entschieden worden ist, handelt, son..

deru einzig iiin die Jnterpretation dieses Beschlusses, wobei selbstverständ.

lich die von uns zur Begründung unserer frühern Anträge geltend gemachten Motive um so weniger mehr anwendbar sein können, als die erfolgte Schlnßnahme mit jenen Anträgen nicht übereinstimmte.

Wir halten es nach dem Vorgesagten nicht mehr sür nothwendig, auch noch in eine nähere Widerlegung aller der von den Regierungen von Thurgau und ^ug in ihrem Rekurse hervorgehobeneu Punkte einzii..

treten. Nur darauf glauben wir noch aufmerksam macheu zu sollen, daß, nach den Angaben der Regierung von Thurgau selbst, es sich sür Thur..

gau nicht sowol um eine polizeiliche Verfügung, als vielmehr uin eine förmliche Besteurung der Hausirer handelt. zu dereu Begründung dann aber der angerufene Art. 29 der Bundesverfassung nicht mehr paßt.

Auch die befürchtete finanzielle jährliche Einbuße wird nur ein relativer Verlust sein; denn was der Staat allsällig weniger einnimmt, gewinnen seine Biir.zer dadurch , daß sie bei Ausdehnung ihrer Geschäfte über die Kantonsgränzen der bisherigen doppelten Vesteurung in Zukunft entgehen.

-- Aus den gleichen Gründen fällt auch die von der Regierung von Zug geäußerte Befürchtung dahin, als werden durch unfern Entscheid in Sachen der Patenttaxen der Handelsreisenden die Einwohner des Kantons Zug in eine nachtheiligere Stellung versezt. als die Ka.ito.IsfrenIden. ..Miller..

dings zahlen erstere ihre Gewerbesteuer; allein sie zahlen sie dann nicht mehr doppelt und dreifach. wenn sie nach den benachbarten Kantonen Handel
treiben. Es findet sich somit auch in dieser Richtung überall eine billige Kompensation.

Jn Fragen , wo es sich , wie in der vorliegenden , um die Durchführung des Grundfazes a l l g e m e i n e r Rechtsgleichheit handelt, haben

327 wir uns stets für diese Rechtsgleichheit ausgesprochen. W.r stehen deßhalb auch dießmal nicht an, unfern Bericht mit deni Antrage .,u schließen : die hohe Bundesversammlung wolle von dem Rekurse der h. Regierungen von Thnrgau und ZIIg, in Sachen der Patenttaren der Handelsreisenden, als nicht begründet Umgang nehmen.

Wir bennzen diesen Anlaß, Sie, .Tit., unserer vollkommensten Hoeh.^ achtung zn versichern B e r n , den 27. November 1860.

JIn Namen des schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s . d e n t :

F. Fre^-^er^see.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Bericht des Bundesrathes an den schweiz. Ständerath über Interpretation des Bundesbeschlusses, betreffend die Patenttaxen der Schweiz. Handelsreisenden. (Vom 27.

November 1860.)

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03.12.1860

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