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Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft über eine , die Preßfreiheit betreffende Petition des HelvetiaAusschusses.

(Vom 9. April 1860.)

Tit.!

Am 21. Januar h. a. haben Sie beschlossen, von uns einen Benicht darüber zu verlangen, a) ob nach dem Wunsche lV der Eingabe des Eentralausschusses der H e l v e t i a , vom ^. Januar l860, eine gesezliche Norm aufzustellen fei , nach welcher die Genehmigung der kantonalen Preßgeseze zu behandeln und b) wie es sich mit der Vollziehung des Bundesbeschluß, d. d. 20. Dezeinber ^854, betreffend die Abänderung der kantonalen Preßgefeze, verhalte.

Jndem wir anmit uns beehren, Jhnen den verlangten Bericht vorzulegen, erlauben wir uns, mit dem leztern der beiden Punkte zu beginnen, weil er sich aiif die Darstellung dieser Materie in der Vergangenheit und Gegenwart bezieht und daher die Grundlage bildet, auf welcher der erste Punkt, nämlich die Frage der Gestaltung der Zukunft in Preßsachen, beruhen muß.

Wir haben schon im Geschäftsberichte vom Jahre 1854 einen Bericht über die Vollziehung des uns ertheilten Auftrages , die Preßgeseze der Kantone zu prüfen , aufgenommen. Dieser Bericht ist aber nur kurz und allgemein gehalten. Er lautet so : ,,Jn Folge einex Weisung der h. Bundesversammlung wurden die ,,Preßgeseze. der Kantone im Laufe des Berichtsjahres einer Prüfung ,,unterworfen, unt zu untersuchen , ob dieselben dem in die Bundes,,versassung niedergelegten Prinzip der Preßfreiheit, wie es von dex ,,obersten Bundesbehörde verstanden und in mehrfachen Richtungen ,,ausgelegt war, entsprechen. Wo dieses nicht der Fall war, wurde

428 ,,durch geeignete Bemerkungen auf Abhilfe hingewirkt.

Jn den ,,Kantonen, in welchen keine besondern Preßgefeze existiren , wir^ ,,eingeschritten, in so fern die Praxis in Preßsachen Anlaß zu be,,gründeten Beschwerden bietet....

Da sich die damalige h. Bundesversammlung durch diese allgemeine Erklärung befriedigt fand, so blieb die Sache natürlich ans sich beruhen.

Die neue Anfrage, wie es sich mit der Vollziehung des erwähnten Bundesl^schlnss^s verhalte, müssen wir also dahin verstehen, daß nähere Anf^ schlüsse ertheilt werden, in welcher Weise und in welchem Sinne die kantonalen Preßgeseze revidirt worden seien.

Dieser Gegenstand wurde durch zwei bei der h. Bundesversammlung anhängige Beschwerden gegen das bernische Preßgesez vom 30. April 1852 angeregt. Eine Reihe von Artikeln dieses Gesezes waren ange^ griffen als unverträglich mit dem Prinzipe der Preßfreiheit, wie dasselbe nach Art. 4.5 der Bundesverfassung verstanden werden müsse. Allein, obwol man in beiden gesezgebenden Räthen von der Ansieht ansgieng , daß die Presse nicht bloß durch Präventiv- , sondern auch durch Repressivmaßregeln auf eine mit dem Wesen der Preßfreiheit unvereinbare Weise beschränkt werden könne, so fand man gieichwol, daß Inan der kantonalen Gesezgebung innerhalb gewisser Schranken einen etwas freien Spielraum gestatten müsse. Deßhalb wurden nicht alle Beschwerdegründe gegen das bernische Gesez , obwol sie vom Standpunkte einer möglichst freie...

Presse und eines möglichst umfassenden Jnterventionsrechts des Bundes alte Berechtigung verdienten, als erheblich betrachtet, sondern es wurden nur gewisse allzutief eingreifende Bestimmungen ais unzulässig erklärt, und so entstand folgender Beschluß vonI l. Februar 1854: Jn E r w ä g u n g ,

daß die Bestimmungen der Artikel 3, 41, 42 und 43 theils in ihrer Bedentung an sich, theils in ihrer Wechselwirkung auf einander, niit dem Wesen der im ^rt. 45 der Bundesverfassung gewährleisteten ^reßfreiheit nicht vereinbar sind, wird beschlossen: Es wird die vom Bundesrathe den im Eingang erwähnten Vor^ fchristen des bernischen Preßgesezes ertheiite Genehmigung zurük^ gezogen.

2) Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses be^ auftragt und überdieß eingeladen. dafür zu sorgen, daß die in andern Kantonen bestehenden, mit Artikel 41. 42 und 43 des bernischen Preßgesezes übereinstimmenden Vorschriften ebenfalls außex Krast treten.

1)

Diese beanstandeten Artikel sind folgenden Jnhalts : Der Art. 3 be^ .stimmte, daß entgegen den allgemeinen Grundsäzen über Konkurrenz vo^ .Verbrechen und Vergehen jedes Preßvergehen für sieh abgeurtheiit und be^

42.^ straft werden soll. Der Art. 4l bezeichnete als Gerichtsstand für Preßvergeheu.

nach der Wahl des Klägers oder Anklägers dasjenige Gericht , in dessen^ Bezirk die Schrift entweder herausgekommen oder verbreitet worden ist...

Nach Art. 42 können auch auswärtige Herausgeber. Verfasser, Verleger^ und Druker vor die bernischen Gerichte gezogen werden, wenn die Schrift^ im Kanton verbreitet wurde , oder einen sträflichen Angriff gegen das Jnland , dessen Behörden oder egegen eine Person im Jnland enthält. Ge-.

niäß Art. 43 endlich kann eine auswärtige Zeitschrift^ von der Regierung.

verboten werden , wenn ihr Herausgeber dem wir er ihn ergangenen Urtheile nicht Genüge leistete.

Das waren ^die Grundsäze , welche im bernischen Preßgeseze als unzulässig aufgehoben wurden, während man andere ebenfalls angefochtene Bestimmungen fortbestehen ließ. Für den Kanton Bern war rnit der Vollziehung dieses Beschlusses die Sache erledigt, und für die übrigen Kantone .gab dex leztere dem Bundesrath einen Maßstab an die Hand, in Verbin.dung namentlich mit den Grundsäzen und Anschauungen. welche in die ein..

läßlichen Kommissionsberichte der beiden Räthe niedergelegt waren.

Wir entheben dem Berichte der ständeräthtichen Kommission folgende altgemeine Betrachtung: ,,Wir können daher das Wefen der Preßfreiheit, so wie die-.

,,setbe in der ..Schweiz aus dem Kampfe Init der Eensiir unmittelbar her,,vorgegangen ist. folgendermaßencharakteristren: Jedermann darf seine^ ,,Gedanken mittelst der Presse mit gleicher Freiheit, wie durch die Rede ,,oder Schrift Ini.tbeilen ^ Verbrechen oder Vergehen, welche mittelst der ,,Presse verübt werden^ stehen unter dem gemeinen Strafrechte, welches ,,bloß darin eine Modifikation erleidet, daß man zwar, wenn mehrere ,,Personen bei einem Preßvergel..en mitgewirkt haben, sich damit begnügt,.

,,eine einzige verantwortlich zu machen , daß man dann aber auch umge,,kehrt Garantien dafür verlangt, daß diese Verantwortlichkeit nicht eine ,,bloß illusorische sei, oder mit andern Worten: Für jede Drukschrist muß ,,für die allsälhg dadurch verwirkte Strafe mit Jnbegriff der Kosten eliie^ ,,Person einstehen, welche moralisch oder ökonomisch eine gewisse Garantie ,,darbietet, die dann aber auch dadurch, daß sie die Verantwortlichkeit ,,übernimmt, alle andern Mitschuldigen frei macht. ...^ir
glauben uns.

,,nicht zu irren, wenn wir behaupten, daß diese Auffassung der Preßfrei,,heit auch zur Zeit der Annahme d.^r schweizerischen Bnndesversassung im ,,Schweizervolke noch die vorherrschende gewesen sei . ..viewol in den Kam,,psen, welche die politischen Parteien in den beiden lezten Jahrzehnte^ ,,mit einander durchgesochten h.^tt.^n , an dem fraglichen Prinzip nach ver,,schiedenen Seiten hin gerüttelt worden war, indem die Einen jede, wenn ,,auch noch so harmlose Präventiv-Maßregel auszuschließen und auch das ,,gemeine Strafrecht gegenüber der Presse direkt oder indirekt zu entwaffnen.

,,suchten, während die .Andern sich mit nicht geringerm Eiser bemühten, ,,den Eensurzwang durch zermalmende Repressiv^Bestiiiiinungen und gerichtBliche und polizeiliche Ehieanen aller ^lrt zu erfezen. Wir sind keineswegs ..der Ansicht, daß die Entwiklung des Begriffes der Preßfreiheit für alle

^30 ..,,Zukunft abgeschlossen sei, aber wir glauben, daß zur Z e i t die aufge-.

.,,stellte Definition der Anschauungsweise und dem Bedürfnisse des Schweizer,,volkes am besten entspreche, und wir würden dieselbe unbedenklich zum ..,,Prüfstein der kantonalen Preßgefezgebungen wählen, wenn der erste Saz .,,des Art. 45 der Bundesverfassung allein stehen würde. Wir geben nun ^.aber zu, daß der zweite Saz, welcher die kantonalen Gesezgebungen .,,ermächtigt, über den Mißbrauch der Presse die erforderlichen Bestim,,mungen zu treffen . jenen ersten Saz einigermaßen beschränkt und den .,,örtlichen Auffassungen. welche hin und wieder von denjenigen, was wir ,,als die vorherrschende Ansicht der Mehrheit des Schweizervoikes bezeichnet ^haben, abweichen, einen gewissen Spielraum läßt. So weit, wie die ^ ..Regierung von B^.rn. welche annimmt, daß in Folge dessen die Bundes.,,behörden in die kantonalen Gesezgebungen, wenn dieselben nur die Eensur ^nicht einführen, sich im Uebrigen gar nicht einmischen dürfen, könnten wir .,,dann aber jedenfalls keineswegs gehen. Die Bundesverfassung unterwirft ^alle kantonalen Vorschriften zur Verhinderung des Mißbrauchs der Presse ,,nicht bloß diejenigen , in denen offen oder verstekt eine eensurähnliche Be^ .,,fchränkung liegen könnte , unbedingt der Genehmigung des Bundesrathes.

^Um daher den Bundesbehörden wie den Kantonalbehörden ihr volles Recht ,,widerfahren zu lassen, muß nicht nur die Besugniß der Kantone, die er,,forderlichen Vorschriften über den Mißbrauch der Presse zu erlassen. fo.^ ,,dern auch das Genehmigungsrecht des Bundesrathes anerkannt werden.

.,,Wenn es fich sodann frägt, was für eine Norm der Bundesrath anzu.,,wenden habe, wenn es sich darnm handle. einein kantonalen Preßgeseze ,,die Genehmigung zu ertheiien oder zu verweigern , so glauben wir , es ,,sei in jedem Falle dieser Art sorgfältig und gewissenhaft ..u untersuchen, ^.ob nicht dnreh die Bestimmungen über den Mißbrauch der Presse auch der .,,rechtmäßige Gebrauch, der im ersten Saze des ..^lrt. 4.5 garantirt ist, ^verhindert oder doch in hohem Grade gefährdet oder erschwert werde. ^ So viel aus dem Berichte derständeräthlichenkommission ; und in gleichein Sinne spricht sich diejenige des Nationalrathes aus.

Als nun das Justiz- und Polizeidepartement die kantonalen Preßgefezgebungen uns vorlegte ,
geschah dieses init folgenden einleitenden Worten : ,,Durch Beschluß der h. Bundesversammlung vom 1. Februar h. a.

...wurde der Bundesrath beauftragt, dafür zu sorgen, daß die in andern ,,Kantonen (außer Bern^ bestehenden, mit Art. 4l, 42 und 43 des der^ ..nifchen Preßgefezes übereinstimmenden Vorschriften ebenfalls außer Kraft .,,treten.

Es ist woI daö..i stillschweigend verstanden, daß auch andere ...Bestimmungen aufgehoben werden, weiche mit Art. 45 und dein Wesen ,,der Preßsreiheit im Widerspreche stehen.

,,Das Departement hat nun die kantonalen Preßgeseze durchgesehen ^und beantragt nunmehr, dieselben fueeessive je nach Maßgabe der übrigen.

431 ^Geschäfte ^in den Sizungen vorzunehmen und Artikel für Artikel zu ver,,lesen, wobei das Departement bei den einzelnen Stellen. welche zu Be^merkungen oder Bedenken Anlaß geben, dieselben wie folgt, mittheilen .^wird...

Erst am 20. Dezember 18^4 , d. h. in einem Zeitpunkt, wo die Prüfung der kantonalen Preßgeseze beinahe beendigt ^.ar, sprach die h.

^Bundesversammlung bei Anlaß einer Beschwerde gegen das luzernisehe 'Pxeßgesez die Erwartung aus, der Bundesrath werde den am 1. Februar ^8.54 erhaltenen Austrag dahin verstehen, daß überhaupt alle Bestim^uungen der kantonalen Preßgefeze, welche mit Art. 45 der Bundesver^ fassung unvereinbar seien . ausgehoben werden müssen. Nach dem Gesagten wird man sich überzeugen . daß der Bundesrath , weit entfernt , an dem Sinn und Geist des Beschlusses vom 1. Februar zu mäkeln und denselben in einem preßfeindlichen Sinne anzuwenden , ihn vielmehr von sich aus und von vornherein in einem sreiern Sinne auslegte. Freilich konnte er in dieser Richtung nicht mit unbeschränkter Freiheit handeln ; er mußte darauf Rüksicht nehmen , daß die Kantone auf die gleiche Behandlung von Seite des Bundes Anspruch haben , u^.d er konnte sich daher nicht für be..

xechtigt halten, gleiche oder analoge Bestimmungen, welche die h. Bundesversammlung dem Kanton Bern durchgehen ließ, andern Kantonen wegzudekretiren. Es ist daher natürlich, daß hier wie dort noch einzelne Vorschriften sich stnden mögen . welche man vom Standpunkte der unb...dingtesten Freiheit aus kritisiren kann ; dagegen ist wol keine Vorschrift stehen geblieben. welche im Sinn und Geist der KomnIisstonsberichte des Nationalund Ständerathes als unvereinbar mit Art. 45 der Bundesverfassung betrachtet werden könnte. Uin sich hievon zu überzeugen, muß man natürlich die bestehenden Preßgeseze einer Prüfung unterwerfen. Wir können lediglich auf dieselben hinweisen und hier noch die Verfügungen bezeichnen, zu welchen wir uns bei Durchsicht der kantonalen Preßgeseze veranlaßt sahen.

Hinsichtlieh der Geseze von Zürich, Luzern, Freiburg, Thurgan und W.eadt .wurde der Vorbehalt gemacht, daß die außerhalb dem Kanton erschienenen ^Blätter nicht im Kanton strafrechtlich verfolgt werden können, sondern nur am Drukorte oder im Doinieil der verantwortlichen Persona. Betreffend das Gesez von Basel..Stadt wurde bemerkt, daß unter ausländischen Biät-^ t^rn oder Schriften , deren Verkauf wegen ihres verwerflichen und straf^ baren Jnhalts von der Regierung verboten worden , nur nicht schweizerische Blätter verstanden werden können. Jm tesstnischen
Preßgeseze wurden vier ..^rti^el als unzulässig erklärt, nämlich Art. 3 .^. 1 und 3 , Art. 14 ^. ^, Art. 23 und 31. Der Art. 3 macht nämlich jede freie Kritik religiöser Systeme, jede philosophische Forschung, jede freie Aeußerung iiber Religion fast unmöglich , zumal die Gerichte in solchen Sachen an das Gutachten des Bischofs gebunden sind. Art. 14 verweigert einem solvenden Bürger anderer Kantone das Recht , im Tefstn selbststän...

.dig ein Blatt herauszugeben. Art. 23 gestattet die Unterdrükung eines

.^.......d^blati.. .^abx^. ^II. .^d. II

3^

432 .Blattes, wenn der Herausgeber desselben aus die zweite Aufforderung ein....

Erwiderung nicht ansnimint. ^rt. 31 endlich schreibt bei Privat injurien den Gerichtsstand des Kiäg..^ vor. und bei schwerern Preßvergehen den Gerichtsstand der Hauptstadt des Kantons. J.n Preßgeseze ..wn Walli.^ wurde ein Artikel nicht genehmigt, welcher vorschreibt. daß beim Rükfall...

außer andern Strafen , ein Zeitungsblatt unterdrükt werden soll.

Mit Ausnahme der vorgenannten Bestimmungen wurden die kanto..^tlen Preßgeseze genehmigt , so weit solche vorhanden waren, und in Kan^ tonen, wo keine solche existirten. wurde auf Beschwerden hin im Sinne des Art. 45 der Bundesverfassung eingeschritten. Jm Uebrigen aber ver..

uahm man , daß die Praxis bei Bestrafung von Preßvergehen in der Regell ^ die Strafgefeze in einem milden Sinne anwendet.

Wir kommen nun zur zweiten Frage, ob eine gesezliche Norm auf^ zustellen sei, nach welcher die Genehmigung der kantonalen Preßgeseze zu behandeln wäre. Man kann dieses Requisit einer gesezlichen Norm fowoI aus die Form des Versahrens beziehen, als aus die Grund säze , welche bei der Kritik der Preßgeseze angewendet werden sollen. Wir denken indeß , daß damit nicht die Forin des Verfahrens gemeint sei ; denn die Prüfung der Preßgeseze steht verfassungsgeinäß dem Bundesrathe zu , und das Gesez über die Organisation des leztern bestimmt bereits seinen Geschäftsgang ; sodann ist gegen seine Verfügung der Rekurs an die BundesVersammlung zulässig. Hiemit ist das Verfahren gegeben, und es scheint uns kein Grund vorhanden zu sein, dasselbe abzuändern.

Wir nehmen daher an, es sei uI.ter der gesezlich^n Norm die Aufstellung gewisser Grund^ säze verstanden . die bei de^ Kritik der kantonalen Preßgeseze ihren .^lusvrnk und ihre Anwendung finden sollen. Nun versteht es sich von selbst, daß nach gewissen Grundsäzen verfahren werden muß. daß gewisse BestimuIungen d^r Preßgeseze, die nach dem Sinn und Geist der Verhandlungen der h. Bundesversammlung mit dem Wesen der Preßfreiheit unvereinbar find, überall entfernt werden müssen. Darin liegt gerade die Aufgabe, welche der Art. 45 der Bundesverfassung vorzeichnet. Ueber die wesent^ lichen Grundsäze . welche die Preßfreiheit bedingen , is^ man wol im All^.

gemeinen ziemlich einverstanden. Sezen wir z. B. folgende: 1) Ein Verbot, die Gedanken
durch den Druk zu verbreiten, ist unzulässig. und es kann daher eine Zeitschrift weder zur Strafe wege.u einzelner Nummern . noch um die Vollziehung eines Urtheils zu er^ zwingen. unterdrükt werden.

.....) Für den Mißbrauch der Presse h^tet man n.^ich den allgemeinen Grundfäzen des Strafrechts.

3^ Von mehrern Miturhebern oder Gehilfen haftet indeß in der Reg^ nur Einer strafrechtlich.

4) Die Preßvergehen können nur da eingeklagt werden, wo eine Druk..

schrift erschienen ist, oder wo die verantwortliche Person wohnt.

433 5) Die erforderlichen Vorschriften und Maßregeln, um eine wirkliche, nicht bloß scheinbare Verantwortlichkeit zu begründen und Preßver^.

gehn verfolgen zu können , sollen nicht vexatorisch sein, sondern nur so weit gehen , als es der Zwek verlangt.

Diese oder ähnlich lautenden Grundfäze niögen das Wesentliche ent.halten, was die Preßsreiheit, so wie sie jezt in ^dex Schweiz verstanden wird, begründet ; und wenn darauf geachtet wird, daß die kantonalen Geseze sich innerhalb dieser Schranken halten . so darf der Zustand mit Recht als ein verfassungsmäßiger bezeichnet werden. Jn der Oeffentlichkeit der Geseze, in der Presse und in dem Recht der Befchwe.rdesührung an den Bun..

desrath und an die Bundesversammlung liegen nun aber hinreichende Garantien dafür, daß der in der Verfassung des Bundes und der Kantone aufgestellte Grundsaz der Preßfreiheit eine Wahrheit bleibe.

Mit diese.. Beachtung gewisser allgemein anerkannter Schranken, über Welche die kantonalen Geseze nicht hinausgehen sollen, scheint aber die Pe.tition des Erntralau^schusfes der Helvetia nicht befriedigt , fondern fie scheint zu verlangen . daß gewisse gleichförmige oder gleichlautende Bestimmungen in die kantonalen Gesezgebungen aufgenommen und daß die leztern zu diesem Behufe nochmals revidirt werden. So muß man wenigstens aus den Klagen schließen, welche, wenn auch nur in allgemeinen Ausdrüken , über den gegenwärtigen Zustand der Presse in di.ser Petition geführt werden. Jnsofern die Petition wirklich diefen Sinn hat, so scheint uns ein so we^t gehendes Beßren weder zulässig , noch durch die Verhältuisse als nothwendig gerechtfertigt. Man darf vorerst nicht übersehen, daß die Bundesverfassung kein einheitliches Preßgesez vorschreibt , sondern den .Kantonen die fre.e Gestaltung der dießsälligen Gesezgebung unter dem Vorbehalt der Genehmigung überläßt. Das Recht des Bundes ist also mehr negativer Naiur ^ er hat ein Veto gegen unzulässige Bestimmungen, aber er hat nicht das Recht , die Aufnahme einer Reihe positiver Detailbestimmungen zu verlangen. Wäre die leztere Richtung zulässig , so müßte sie in ihrer Konsequenz zur einheitlichen Gesezgebung führen ; denn niit der Aufnahme einiger allgemeinen Grundsäze wäre es nicht gethan, indem alle einzelnen Artikel des Gefezes geprüft werden müssen. Man muß als^ entweder alles voni
Bunde aus positiv gestalten können . oder beim j.ezigen allein versassungsniäßigen Svsteme stehen bleiben , die kantonalen .Geseze zu prüfen und denjenigen Artikeln die Genehmigung zu versagen , welche man mit dem Wesen der Preßfreiheit nicht vereinbar findet. Wollte man aber auch gewisse allgemeine Grundsäze aufstellen , nicht um sie deI..

Kantonen wörtlich zu oltro^iren , fondern bloß, nm sie als Maßstab sür die Prüfung der kantonalen Preßgeseze zu benuzen, so kann immer wieder der nämliche Streit entstehe.., ob nämlich die einzelnen Bestimmungen eines Gesezes wirklich mit den allgemeinen Normen übereinstimmen, und es mußten solche Fragen doch wieder auf dem Wege der Befchwerde erledigt wer.den ; denn immer wird die Divergenz der Ansichten steh nicht sowol au^

434 allgemeine Grundsäze, sondern vielmehr auf ihre Anwendung beziehen, und.

wir sehen daher nicht ein , daß durch Aufstellung einer gesezlichen Norm irgend etwas Erhebliches gewonnen würde ; auch dürfte die Aufstellung einer solchen Norm auf große Schwierigkeiten stoßen und der Erfolg dürfte

leicht die gute Absicht täuschen. Entweder bliebe man nämlich bei einigeu allgemeinen Grundsäzen stehen ; dann wäre aus den eben angeführter^ Gründen schwerlich etwas. gewonnen ; oder man würde weiter gehen , nn.^ dann würde es immer schwieriger, die Gränze zu bestimmen und die Rechte des Bundes und der Kantone gehörig abzumessen. Soll z. B. der Bund den Thatbestand aller Verbrechen und Vergehen bestimmen , die durch di.^ Presse verübt werden können, und soll er auch das Strafmaß für alle dies^ ^ Vergehen , oder wenigstens das Maximum der Strafen bestimmen und so nicht nur in die eigentlichen Preßgeseze, fondern in die Strafgefeze der Kantone überhaupt eingreisen .^ Soll er alles nivelliren und gleichartig gestalten , wöhrend die Verhältnisse und Bedürfnisse der Kantone gan.. ver^ schieden find und eine Befriedigung der leztern in mannigfacher Gestalt innerhalb der Schranken der Preßfreiheit gar wol zulässig uiid gedenkbar ist^ Man würde sich wahrscheinlich in eine Easuistik verlieren. die viele unerfreuliche Verwiklungen znr Folge hätte. Die Bundesverfassung hat nicht dem Bunde, sondern den Kantonen die Jnitiative für die Preßgeseze.

überlassen, und zwar ohne allen Vorbehalt, auf dem Wege der Gesez^et.un^ Weiteres anzuordnen; es ist daher gegen dieses Prinzip der Bundesversassung, wenn der Bund präventiv eingreisen und den Kantonen z. B. ei^ verbindliches Muster zu einem Preßgeseze liefern wollte.

Eben so wenig dürfte es passend oder zulässig sein , der Aufstellung einer neuen gesezlichen Norm auf die bestehenden Preßgeseze der Kanton^ eine rükwirkende Anwendung zu geben. Diese Geseze find schon iin Jahr.^ 1854 vom Bundesrath genehmigt worden. ohne daß ein Rekurs dagegen ergriffen wurde , mit Ausnahme des Preßgesezes von Bern . welches nach..

erledigtem Rekurse ebenfalls Init den erforderlichen Modifikationen genehmigt wurde.

Will Inan nun weit gehen und annehmen , daß auch jezt noe^ ein Rekurs gegen jene Beschlüsse des Bundesrathes zulässig sei . si.^ müssen bestimmte einzelne Beschwerden forinnlirt nnd auf dem vorgeschrie..-.

benen Wege behandelt werden. Dagegen können die Kantone niit vollem Rechte sagen . daß sie die von der Bundesverfassung vorgeschriebene Bedingung erfüllt haben , daß dadurch ihre Preßgeseze dem Bunde gegenüber auf vollständige Anerkennung Anspruch haben und daß es
nicht zulässig sei^.

sie neuerdings ihrem ganzen Jnhalte nach in Frage zu stellen und eine.^ Revision zu unterwerfen. Wenn die Petition in dieser Beziehung sagt, die Genehmigung des Bundesrathes drüke einem ^reßgeseze nicht de^ Stämpel der Verfassungsmäßigst auf. d^nn die Preßsreiheit stehe aueh direkt unter dem Schuze der Bundesversammlung. welche vermöge ihrer selbstständigen. ans der verfassungsmäßigen Garantie^ dieses Rechtes fließenden Gewalt Sanktionsbeschlüsse des Bundesrathes jederzeit umstoßen oder

43.^ Beschwerden gegen die Anwendung genehmigter Preßgefeze annehmen uud^ darüber entscheiden könne , so anerkennen wir , daß die Bundesvex-.

sammlung berechtigt ist, solche Sanktionsbesehlüsse des Bundesrathes aufzuheben; so lange dieses aber nicht geschieht, gelten die vom Bundesrathe.

genehmigten Preßgefeze als verfassungsmäßig und dürfen angewendet und^ vollzogen werden , gerade wie die Militäxgeseze und Verkehrspolizeigeseze , welche ebenfalls der Genehmigung des Bundesrathes bedürfen. Nun wiederholen wir . daß jene Preßgeseze seit sechs Jahren in Kraft bestehen und^ daß von keiner Seite eine Beschwerde gegen die betreffenden Sanktionsbefchlüsse eingekommen ist.

Auch die vorliegende P e t i t i o n ist offenbar nicht ein Rekurs gegen jene Beschlüsse, sonst Inüßten die einzelnen Preß^geseze und die angefochtenen Bestimmungen der leztern speziell genannt.

werden, während kein einziges Preßgesez genannt ist, mit Ausnahme de^ neuesten bernischen, auf welches schon darum nicht eingetreten werden kann,.

weil es vonI Großen Rathe von Bern noeh nicht zweimal berathen und.

daher dem Bundesrathe noch nicht zur Genehmigung eingesandt wurde.

Werfen wir schließlich noch einen Blik aiif die Motive, aus welchen..

die Petition ein neues Einschreiten gegen die schon genehmigten Preßgeseze zu beantragen scheint (es ist nämlich nicht ganz klar , ob diese oder nu^

künftige Preßgefeze gemeint sind), so finden wir lediglich Folgendes^

Durch den Bundesbeschluß vom 1. Februar 1854 sei bestimmt, daß diI...

strafrechtlichen Grundsäze über Konkurrenz von Vergehen nicht zurn Nachtheil vo.n Preßvergehen ausnahmsweise abgeändert werden dürfen ; daraus folge, daß man die Preßvergehen andern Delikten habe gleichstellen wollen^ dessen ungeachtet bestehe in manchen Kantonen die lästige Auflage eines.

Zeitungsstämpels; es seien Kautionen vorgeschrieben für das Erscheinen.

.eines Blattes; es finden sich Thatbestände strafbarer Handlungen für die Presse ausgestellt , welche , wenn durch Rede oder Schrift begangen, untex^ kein Strafgesez fallen, oder es werden Besugnisse versagt, welche man fonst^

gestatte , z. B. hinsichtlich des Beweises der Wahrheit.

Was den Zeitungsstämpel betrifft, so stnd die dießfälligen Vorschriften.

nicht in den Preßgesezen, sondern in den Finanzgefezen der Kantone, und^ wir hatten dah.^r keine Veranlassung , uns über den Zeitnngsstämpel ans.-.

zusprechen. Dagegen ist unfers Wissens über diesen Gegenstand nie eine^ Beschwerde an die Bundesbehörden gelangt und bei den Verhandlungen vom Jahre 1854 ist weder von den Kommissionen der gesezgebendeu Räthe , noch sonst von Jemandem der Zeitungsstänipel gerügt worden. ^Mar.^ wird daher begreifen , daß wir bei Prüfung der Preßgefeze nicht uns ver.^ anlaßt fehen konnten , auch die Finanzgeseze einzufordern , urn zu untersuchen , ob und in welchem Maße ein Zeitungsstämpel in den Kantouel.t.

eingeführt sei. Wir müssen auch bezweifeln. daß es im Willen der Bundesverfammlung liege, den Kantonen aus dem Grunde der Preßfreiheit der^.

.Bezug einer Stämpeltaxe zu verbieten.

4.^ Was die Kautionen anbetrifft , so sind diese allerdings eine Art Prä^ .ventivmaßregel ; allein es find dieselben in den KoniInisfionalberichten de^ ^esezgebenden Räthe ausdrüklich als zulässig erklärt worden , insofern fie vernünftige Gränzen nicht überschreiten. Dieses wurde damit motivirt, daß, wenn man im Gegensaz mit dem gemeinen Strafrecht zu Gunsten der Presse unter mehrern Mitschuldigen nur Einen verantwortlieh erkläre, ruan auch befugt fei , Maßregeln zu treffen , damit diese Verantwortiichkiet.

nicht eine illusorische sei. Wenn nun auch die Ansichten darüber verschieden sein können , so kann man bei dieser Sachlage gewiß nicht sagen, da^.

es dem Sinn und Geist der damaligen .Verhandlungen entgegen sei, wenn der Bundesrath die Kautionen , wo solche bestanden , hat fortbestehe^ ..^ lassen.

Hinsichtlich der Behauptung , daß hie und da besondere Tatbestände strafbarer Handlungen für die Presse aufgestellt seien , müßten wir ein^ nähere Bezeichnung haben , um darauf eintreten zu können. Die Preß^ vergehen sind gewöhnlich entweder Jnjurien oder Aufreizung zu irgend einen^ Verbrechen ; im erstern Falle ist natürlich der Thatbestand der Jnjurie maßgebend. Jin leztern derjenige des betreffenden Verbrechens. Das bernisch^ Preßgesez enthielt allerdings daneben noch zwei Bestimmungen. denen man bis auf einen gewissen Punkt den Vorwurs eines eigentümlichen Thatbestandes machen konnte. Jn Art. 32 und 34 wurde Init Strafe bedroht..

wer gegen die Unverlezbarkeit des Eigenthums sich Angriffe erlaubt, oder we.

erdichtete oder entstellte, für den Staat nachtheilige oder die öffentlich^ Ruhe und Sicherheit gefährdende Nachrichten oder Gerüchte verbreitet.^ Allein ^ungeachtet auch diese Bestimmungen Gegenstand der Beschwerde bil..

deten , wurden sie gleichwol von der Bundesversammlung nicht gestrichen.

Sollten nun , was wir zwar nicht glauben , ähnliche Bestimmungen noch in ein paar andern Kantonen bestehen . so wird man uns wol nicht den Vorwurf machen können , daß wir nicht im Sinn und Geist der Bundes^ versammlung gehandelt haben ; denn wir müssen bei derselben vor allem.

aus Gerechtigkeit vorausfezen und daher annehmen, daß andern Kantone^.

auch erlaubt sei , was man Bern durchgehen ließ.

Ganz dasselbe gilt von der lezten Behauptung, daß man bei Preß.^ vergehen den Beweis der Wahrheit nicht
zulasse , während er sonst g.^ stattet sei. Ausgeschlossen ist dieser .beweis nicht , wol aber beschränkt.^ Auch dieser Punkt war Gegenstand der Beschwerde beim bernischen Preßgesez, allein die Bundesversammlung fand die Beschränkung zulässig und nicht unvereinbar mit dem Wesen der Preßfreiheit.

Natürlich mußten dahe^ ahnliche Beschränkungen auch in andern .Kantonen gestattet werden.

Das ist nun alles, was gegen die kantonalen Preßgeseze vorgebracht .wurde. Es wird Sie wol hinreichend überzeugen. daß der Bundesrath den ihiu gemachten Vorwurf, als hätte et bei der Prüfung und Sank^oI^

4^ ^er Preßgeseze dem Sinu und Geist der dießfälligen Verhandlungen der Bundesversammlung entgegengehandelt , mit aller Ueberzeugung und Be..ruhigung ablehnen darf. Sie werden nun auch ermessen können, ob wirk.lich erhebliche Uebelstände bestehen und ob die Preßfreiheit in der Schweiz ^nterdrükt sei. Wir stehen. gestüzt auf obige Motive, in der Ansicht, daß ^icht hinreichende Gründe vorhanden seien , um auf dem Wege der Gesez^ebung einzuschreiten , und daß vielmehr genügende Garantien sür die ^...reßfreiheit existiren.

Bern, den 9. April 1860.

^

.

JIn Namen des schweiz. Bundesrathes , Der Bundespräsident: ^. ^re^^He^osee.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft über eine , die Preßfreiheit betreffende Petition des Helvetia-Ausschusses. (Vom 9. April 1860.)

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Bundesblatt

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In

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Jahr

1860

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

33

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.06.1860

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427-437

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10 003 102

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