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Schweizerisches Bundesblatt

Xll. Jahrgang. III.

Nr. ^5.

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25. August 1860.

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des .Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft betreffend die Volkszählung in den Kantonen Luzern und St. fallen.

(Vom 1^. Juli I860.)

. .

Tit.!

Jhrer Einladung Folge leistend, hat der schweizerische Bundesrath die Ehre, Jhnen nachstehenden Bericht über das von den Regierungen der Kantone Lu.ern und St. Gallen gestellte Begehren, daß man, mit Rüksicht auf die im Monat Januar d. J. bei ihnen stattgehabten Volkszählungen . sie von der auf den Dezember nächsthin angeordneten eidgenössischen Volkszählung ausnehmen möchte, zu erstatten.

Die Volkszählung im Kanton L u z e r n fand gleichzeitig niit einer Viehzählung am ^. bis 10.. Jänner d. J. statt, und zwar wurde, wie die Luzerner-Regierung bemerkt, diese Volkszählung ..geniäß Vorschrift der luzernischen Verfassung und mit Rüksicht auf die. dießjährigen Großrathsernenerungswahlen angeordnet. Mit dieser Motivirung stimmt der Art.

.)l der luzernifchen Staatsverfassnng nicht ganz überein, indem derfelbe verfügt: ,,Alle zehn Jahre, von 1 8 3 7 an g e r e c h n e t . hat eine Volkszählung vor sich zu geben. nach welcher jeweiien die hundert Mitglieder des Großen Rathes auf die Wahlkreise ve.rtheilt werden sollen... Allein es scheint. man habe im Kanton Luzern diese Versassungsvorschrist dahin interpretirt. daß die in derselben festgesezte Periode, so wie sie früher von der eidgenössischen Volkszählung von 1837 an gerechnet wurde, nunmehr, da die lezte eidgenössische Volkszählung von 1850 datirt, von dieser au.

Bundesblatt Jahrg .^1. Bd. III.

10

^0 zu rechnen sei. Das Formular, welches die Regierung von Luzern dieser Volkszählung zu Grunde legte, ist, wie sie berichtet, dasjenige der eidgenössischen Volkszählung von I850; indessen sind zwei Rubriken : ..Jrre..'

und. ,,Blöd^ oder Stumpfsinnige^ beigefügt worden. ^Verglichen nIit der

Volkszählung von 1850 erzeigt diejenige von I860 solgende besonders

bemerkenswerthe Resultate : a. Gesammtbevölkerung (abgerechnet durchreisende Ausländer u^d politisehe Flüchtlinge, vergleiche das Dekret der Bundesversammlung vom

3. Dezember 1850 .^) und das Bundesgesez über die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes vom 21. Dezember I850) ^) I .

^ 0 .

.

^ 0 .

132,789

130,720

die^Geldseala vom 9. Juli 1851) ^) 132,843

130,757

b.

GesaInIntbevötkerung (eingerechnet durch..

reisende Ausländer und politische Flucht.^ linge , vergleiche das Bundesgesez uber

^ . c.

Schweizerische Bevölkerung (vergleiche das.

Bundesgesez über die Mannschaftsfeala vom

27. August 185l) ^^) . . . . . 132,242

^

1.^90

Diese Abnahme der Bevölkerung im Kanton Luzern wäre ohne Einsluß auf die Repräsentation des Kantons im Nationalrathe , Luzern hätte wie bis dahin Anspruch auf sieben Repräsentanten im Nationalrathe.

Etwas anders gestalten sich die Endergebnisse nach der Zahlung iu

St. G a l l e n . welche daselbst am .23. bis 28. Jänner d. J. statthatte.

Hervorgerufen wurde diese Zählung durch eine spezielle Einladung des Versassungsrathes. Das Formular der allgemeinen Volkszählung von 1850 diente, wie in Liizern . zur Grundlage, nur scheint die Rubrik ,,politische Flüchtlinge^ weggelassen worden zu sein. und andererseits wurde das Scheuia^durch einige Rubriken über die Anzahl der in kantonalen und in eid-

genöfsifchen Angelegenheiten stimmfähigen Bürger vervollständigt.

Die

nämlichen Vergleichungen. wie sie so eben in Betreff ....uzerns angestellt wurden, zeigen bezüglich St. Gallens folgende Zahlen:

...8^0.

a.

I8^.

Gefamnitbevölkerung, in sofern sie niaßgebend ist für die Anzahl der Vertreter im

Nationalrathe . . . . . . . . 169,508 und demgemäß Mitglieder im Nationalrathe Gesammtbevölkerung (eingerechnet durch..

reisende Ausländer und politische Flüchte

178,972

8

9

linge) . . . . . . . . . . 169.62..^ c. Schweizerische Bevölkerung . . ^. . 166,334 ^) S. eidg. Gesezfammlnna Band Il, S.^.. 133.

179,100 173,581

b.

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Das Ergebniß für St. Gallen wäre also eine Vermehrung seiner politischen Repräsentation im Nationalrathe.

Ganz abgesehen .von der Frage, ob dermalen noch Gründe vorliegen, um wie 1850 die politischen Flüchtlinge bei Berechnung der Bevölkerung nicht niit in ...l n sa z zu bringen. wird die vermehrte politische Repräsentation. welche St. Gallen anzusprechen hätte, aus keinen Fall dadurch asfizirt, daß in dem Formulare seiner Volkszählung vom Januar 1860 keine Rubrik ,,politische Flüchtlinge.. ausgenommen war; St. Gallen würde selbst dann, wenn man nur die schweizerische Bevölkerung anrechnen und a l l e Ausländer von der Berechnung ausschließen wollte, dem ungeachtet Anspruch auf 9 Mitglieder im ^Nationalräthe haben.

Die Bevölkernngsvermehrung. welche St. Gallen seit 1850 ausweist (.^..,5857 %^ in 9^ Jahren. oder 0.568% in einem Jahre) ist an und

sür sich nicht ungewöhnlich stark; ste erscheint nur auffallend im Vergleich mit den Kantonen Luzern und Bern, von denen der erstere im ^ahr l 860, der leztere im Jahr 1856 eine Abnahme der Bevölkerung herausgestellt haben, und im Vergleich mit dem Kanton Zürich, wo eine sehr gewissen-

hafte Berechnung für die Jahre 1850 bis 1857 (Schräinli. Bevöekernngs..

statistik des Kantons Zürich S. 64) eine Zunahme von bloß 0,29 - 0,33 %.

im Jahr erzeigt hat.

Was den bei diesen Volkszählungen in St. Gallen und Lu;ern angewendeten Mechanismus betrifft, so haben beide Kantone die Jnstruktion

sür die Volkszählung von 1850 (Bundesl.latt 1850, Bd. 1, S. 79) im Wesentlichen beibehalten.

Der Vorwurf der Ungenauigkeit.

welcher der

st. gallischen Zählung in Nr. 7 des ,,Archivs für schweizerische Statistik^ gemacht worden ist. verdient dieselbe nur in sofern. als sich einige .^rrthümer in den. der Zusammenstellung der Ergebnisse angehängten ,,Ve.glei-

chungen zu Tabelle. A und zu Tabelle B^ vorfinden ; das Resultat der

Zahlung selbst wird durch diese Jrrthü.ner ^ich: in seiner Znverläßigkeit geschwächt.

.. So weit also das dem Bundesrathe Initgetheilte Material ein Urtheil über diese beiden Volkszählungen zuläßt, kann dasselbe nicht in einem verwersen^en Sinne ausfallen und es liegt keine besondere Veranlassung vor, dieselben nicht als Zutrauen verdienende Arbeiten anzuerkennen ; dagegen stellt sich die Sache ganz andere, wenn man die Frage so sich vorlegt, wie sie von den Regierungen von Lnzern und St. Gailen gestellt wird, nämlich in ihrer Beziehung auf die beschlossene eidgenössische. Volkszählung ini Dezember d. J.

Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet. wider^ streitet das Beehren der Regierungen von Luzern und St. Gallen so sehr dem Interesse der Sache, daß es wol besser gewesen wäre. keine eidgenössische Volkszählung für diesem Jahr anzuordnen, als zu gestatten, daß zwei der größern Kantone von derselben sich ausschließen.

^2 Die Gründe dieser Anficht. find in Kürze folgende .

1) Man ist allseitig darüber einverstanden. daß die f a k t i s c h e Be..^

.völkerung (population de fait.. d. h. die im M o m e n t der Z ä h l u n g im Staatsgebiet anwesende Klasse der B e w o h n e r die Grundlage jeder

.zuverläßigen Volkszählung bilden muß, ohne daß indeß damit die Aus..

^nittlung mancher. die r e c h t l i c h e Bevölkerung (population de droit .die Gesanimtheit der S t a a t s a n g e h ö r i g e n , auch der nicht gerade im .Augenblik der Zählung anwesenden) betreffenden Beziehungen ausgeschlossen sein soll. Eben so wenig wird hierdurch der Frage präjuzidirt, in welchen Beziehungen die faktische und in welcher Rü.ksicht die rechtliche Bevölkerung den Maßstab für praktische Folgerungen bilden solle ; die ^uGrundlegung und scharfe Abgränzung der faktischen Bevölkerung ist zunächst .^ur ein Grundsaz der Methodik einer Volkszählung, und es ist vollkom,.

..men gerechtfertigt. daß man z. B. bei Be^iminung des politischen Re.präseutationsverhältniffes die vorübergehend Abwesenden mitzählt , dagegen Durehreisende nicht mitrechnet. obwol Inan bei Festsezung der] Summe der faktischen Bevölkerung gerade das Umgekehrte thut. Will man aber .an jenem obersten Grundjaze sür die Methodik einer Volkszählung fest.halten . so darf nIan nicht die Jnkonsequenz begehen und einen Zeitraum .von mehreren Tagen für die Aufnahme der Zählung anberaumen, sondern man muß einen bestimmten Tag als den maßgebenden Zeitpunkt aufstellen .und als zu zählende Individuen alle. Diejenigen bezeichnen, welche an diesem Täge sich iin Staatsgebiete aufgehalten haben. Geschieht dies. nicht, so find Auslassungen und mehrfache Eintragungen des näinlichen Jndivi.duums ganz unvermeidlich, und dermalen hat sich die Notwendigkeit einer

ganz präzisen Festfezung des Zeitpunktes, aus welchen die ganze Zählung

zu beziehen ist. so allgemein fühlbar gemacht. daß außer den auf statist.isch.em Gebiete anI weitesten vorgeschrittenen Staaten ^ England, Belgien, Niederlande, Schweden und Sachsen, selbst ein Staat von so großer Ansdehnung wie Oesterreich, in welchem die Verschiedenheit der Nationalitäten und Jnstitutionen jeder gleichförmigen Maßregel so ungeheure Schwierigkeiten entgegensezt, seine lezte Volkszählung im ganzen Umfange der Monarchie an dem einen und nämlichen Tage, 31. Oktober 1857, ausgeführt hat. Ohne Zweifel wird die Schweiz, die sich sonst .mit Recht ^enen zii höherer .Kultur entwikelten Staaten an die Seite stellen kann , in tiefem Punkte nicht hinter Oesterreich zurükstehen dürfen.

Gerade hierin erfüllt aber weder die luzernische, noeh die st. gallische Volkszählung die Anforderungen, weiche man heut zu Tage an eine solche .Operation zu stellen berechtigt ist. Die lnzernifche Zählung hat 9 (2 bis

..0. Jänner), die st. gallische 6 Tage (23. bis 28. Jänner) gedauert,

.^nd es ist unter solchen Umständen rein unmöglich, vollkommen zuverläßige Resultate zu erlangen. Jst der Aufenthalter ini Kanton Litern , der sich am 2. Jänner noch iin Kanton befand und am 4. oder 5. Jänner seinen

93 Aufenthalt wieder aufgab, mitgezählt worden oder nichts Jst derjenige, ^er erst im Laufe der Zählungsperiode seinen Aufenthalt im Kanton auf-

schlug. gezählt oder weggelassen wordene Sind die im gleichen Zeit-

rauine vorgekommenen Geburten mit eingerechnet oder nicht berüksichtigt ..vorden^ Hat man die nach dem 2. Januar Gestorbenen noch unter die anwesende Bevölkerung gezählt, oder hat man alle vor dem 10. Januar Gestorbenen von der Bevölkerungssurnme abgezogen .^ Das alles find Fragen, über welche jede Volkszählung, die nicht aus eine einzige bestimmte ^ Nacht gegründet ist, keine Antwort zii geben im Stande ist.

Weder^ St. Gallen noch Lnzern haben so wenig als es 1850 bei der allgemeinen Volkszählung geschehen ist -- in ihren Jnstrnktionen jene zweiselhaften Fragen gelöst, und es lag daher ganz im Belieben eines jedeu Zählnngsbeaniten. dieselben so oder anders zu beantworten, den ersten oder den lezten oder den mittleren Tag der anberanniteu Zählungsperiode als den entscheidenden anzunehmen, oder, i. as in der Mehrzahl der Fällen eingetroffen fein wird nnd die Konsusion am größten machen mußte. nach.

gar keiner Regel. sondern auf's Gerathewobl zu verfahren. Natürlich

wächst die Unzuverläßigkeit^ solcher Zählungen im gleichen Maße. wie di^

Dauer der Zählnngsperiode, so daß im vorliegenden Falle eine günstigere Vermuthung sür St. Gallen als für Luzern spricht.

Daß die Volkszählung von 1850 an diesem nämlichen Mangel leidet, gereicht ihr nicht zum Vorwurfe, denn erst feither ist durch die statistischen Kongresse nnd den Aufschwung. den in Folge derselben die statistische Wissenschaft genoInnien hat, die Einsicht in die Unzuverläßigkeit an Volkszählungen, die mehrere Tage dauern, vollkommen klar und allgemein geworden. Aber jezt, wo diese Anforderungen überall Gemeingut der Theorie und Praxis geworden sind. darf die Schweiz nicht bei einer längst verurtheilten Methode stehen bleiben. welche nothwendig Jrrthümer im Gefolge

führt, ohne zugleich Mittel übrig zu lassen, durch welche der Jrrthum

berichtigt oder wenigstens die wahrscheinliche Größe desselben ungefähr geschäzt werden könnte.

2) Mit diesen Anforderungen stehen noch andere. auf den MechanisInus einer Volkszählung bezügliche Regeln inI engsten Zusammenhange..

Eine überall am gleichen Tage vorzunehmende Zählung läßt sich kaum ausführen. wenn Inan , wie es seither in der Schweiz und in Frankreich.

üblich war. den inquisitorischen Weg betritt. d. h. Zählnngsbeamte von Haus zu Haus fchikt. welche über jede^ einzelne Jndividnnm Jnformation einziehen und aufzeichnen. Zudem ist diese Art der Aufnahme durchaus.

.un.^uverläßig : entweder verfahren die ZählungsbeaInten streng nnd gewissen..

hast und trachten nach vollkommener Genauigkeit ihrer Ausnahme, -..- dan.^ belästigen sie mit dieser ^rt von Haussuchung das Publikum. erregen Ab.neigiing und Uebelwollen und sezen stch gerade dadurch muthwilligen Tau.^chungen aus. oder aber sie inqniriren und vergewissern sich möglichst.

..)4 wenig, sondern verlassen sich auf die Auskunft, die ihnen von dem eineI^ .oder andern Gliede einer Familie gutwillig ertheilt wird : -..- dann ist die Wahrscheinlichkeit von Auslassungen sehr bedeutend und die Genauigkeit der Aufnahme wieder sehr problematisch.

Man hat deßhalb nach dem Muster Englands und Belgiens fast überall, z. B. namentlich in ^er sardinischen Volkszählung von 18^8. eine andere ^ählnngsweise ein^ geführt, bei welcher dem Vorstande einer ^jeden Hanshaltung ein Zettel zum Ausfüllen zugestellt wird, welchen dann am Tage der Zählung der Beamte eingeht. Ans diese ..^eise vermeidet nian den gehässigen inquisir torischen Charakter der zeierst genannten Methode. und hat doch den Vor-^ theil einer bessern Kontrole.. denn mit der EinsamuIluug der Zettel ist zugleich auch eine rasche Prüfung und, je nach den Umständen. sofortige Verifikation des Jnhaltes verbunden. Auch hier war der Vorzug der neuen Methode vor der altern so einleuchtend, daß z. B. gerade auch in Oesterreich die leztere nur noch da beibehalten wurde, wo es wegen des geringen Bildungsgrades der Einwohner unmöglich gewesen wäre, von ihnen die Ausfüllung von Formniarien zu verlangen. Jn der Schweiz wird ^ diese Ausnahme, zu der man nur in den a In tiefsten stehenden Be^.

zirken Oesterreichs genöthigt war, wol nicht als Regel anerkannt werden müssen; dessen ungeachtet haben sowol St. Gallen als Luzern vollständig ^as ältere. auch im Jahr 1850 besolgte Versahren beibehalten.

.....

Fassen wir das unter Ziffer 1 und 2 Gesagte zusammen, so geht daraus hervor, daß gewisse Garantien. welche heut zu Tage als Voraus..

sezung und Bedingung der Genauigkeit einer Volkszählung angesehen wer..

den müssen. in den Zählungen vo^I Luzern und St. Gallen nicht gegeben sind, während die Eidgenossenschaft bei der im Dezember dieses Jahres vorzunehmenden Volkszählung diese Garantien ohne Zweisei fordert. ^i^ Eidgenossenschaft darf aber auf die Forderung nicht verzichten. daß Volks..

Zahlungen. auf welche irgend welche prattifche Folgerungen in Betreff des Verhältnisses z.vifchen Bund und Kantonen gegründet werden sollen, nach den Vorschriften und Anordnungen des B u n d e s und unter Beobachtung der Garantien, welche der Bund für nothwendig erachtet, vorgenommen werden; allein abgefehen hievon und angenommen, Formnlar und Mecha^ nisnius der Zählungen von Luzern und St. Gallen feien genau diejenigen ^er allgemeinen .^ählung ini Dezember dieses Jahres. so liegt 3) in dem Zeitunterschiede von 11 Monaten. der zwischen diesen.

kantonalen Zählungen und der bevorstehenden eidgenössischen stattfindet, .ein unübersteigliches Hinderniß für die Gewinnung allgemeiner Resultate..

Bon der eidgenössischen Volkszählung. welche in den Jahren 1836 - 1838 stattfand.. hat nian mit vollem Recht gesagt (Botschaft des Bundesrathe^

.über die Volkszählung von 1850, Bundes^tt 1850. Bd. 11l. S. 544^..

,,Der größte llebelstand war die bedeutende Verschiedenheit des Zeitpunktes, .in wachem die Zahlung in den Kantonen vorgenommen wurdet und es^

9.^ Bürste kaum an der Zeit sein, jezt in einen Fehler zurükzusinken, dessen Beseitigung nian damals mit Recht als eine große Errungenschaft der.

rieuen Bundeseinrichtungen ansah. Eine jede Zusammenstellung. eine jede ^ergleichung, welche auf einer solchen ungleichartigen. Grundlage^ ruht, .schließt einen vollkommen bewußten Faktor des Jxrthurns in sich ; die ^Wissenschaft, die Beh.örden, welche solche Zusammenstellungen hinnehmen nnd benuzen , als seien sie der Ausdruk des nämlichen tatsächlichen Zustandes, begehen damit ..im Grunde fortwährend eine Fälschung. Statt einer eidgenössischen Volkszählung besäßen wir in Wahrheit nur drei par...tielle Zählungen: eine in Luzern, eine in St. Gallen, eine in den ^3 übrigen Ständen, und diese mit jenen um so weniger vergleichbar, als .außer dem verschiedenen Zeitpunkte auch die Methode der Aufnahme eine verschiedene ist, und gerade hierdurch auch die Ergebnisse wesentlich berührt und bedingt werden. Man hat, um die Schweiz in Einklang zu bringen .mit der von den statistischen Kongressen allen europäischen Staaten anem^fohlenen Regel, eine durch die Bundesverfassung nicht vorgeschriebene 'Volkszählung auf den Dezember dieses Jahres angeordnet; und nun, nach..

^em man dem Jnteresse der Vergleichbarkeit unserer Zustände mit denjeni.gen des Auslandes dieses Opfer gebracht hat, ^sollte man nicht einmal die .erste Bedingung der Vergleichbarkeit unserer kantonalen Zustände unter sich erfüllen ^ Eine Volkszählung , die gemeineidgenössifchen Eharakter tragen soll, wäre die Kosten und die Arbeit, welche sie erfordert, kaum werth, wenn nian zugibt. daß sie in drei Partialzählnngen zersplittert werde. Es mangelt ihr das wichtigste Element, von welchem die Brauch-

barkeit .des statistischen Materials abhängt : die gleichartige Grundlage

der einzelnen Beobachtungen , aus welchen allgemeinere Ergebnisse und Säze abgeleitet werden sollen.

4) Wollte man indessen auch von diesem großen Uebelstande absehen, so müßten immerhin, um die einzelnen Rubriken zu allgemeinen Resul..

taten zu verarbeiten, die Rubriken der luzernischen und st. gallischen Zähtung die nämlichen sein, wie diejenigen der eidgenössischen Zahlung.

Fin^et man es nun dermalen für zwekniäßig. einzelne Rubriken des Formulars von 1850 in mehrere zu zerlegen oder ganz neue Rubriken beizufügen , so ergeben dieselben , wenn rnan dem Begehren Luzerns und St. Gallens willfahrt, keine die ganze Eidgenossenschaft umfassende Summe, und es bliebe dem Bundesrathe nur die Wahl, e n t w e d e r von vorn herein auf jede Aenderung an den Formularien von 1850 zu verziehten .Ind sich seines Rechtes, das neue Formular selbfiständig und mit Beriiksichtigung des h e u t i g e n Standes der Statistik festzustellen, deßhalb zu .begeben, weil zwei Kantone bereits präjuzidirt und das ^Formular von ..l8!50 unverändert belassen zu wollen erklärt r.aben, oder aber, wenn er Dieses Recht wahren und Aenderungen vornehmen wollte, denselben den .gemeineidgenössischen Eharakter zu benehmen. Ersteres ist, iuI Vergleich

^6 zu den Fortschritten anderer Staaten, mit der Würde der Schweiz nicht^ vereinbar; lezteres wäre unzulässig. weil es dem Worte und Sinne einer .allgemein schweizerischen Volkszählung widerspräche. Das Gleiche, was von einer Veränderung der Rubriken gilt , ist von Abweichungen in der Jnstruktion zu sagen. Wenn man z. B. in den Jnstruktionen an die^ Zählungsbeamten den Begriff ,,Haushaltung^ schärfer bestimmt, als es 1850 der Fall war; wenn man die Vorschriften näher detaillirt, nach.

welchen Regeln Aufenthalter oder vorübergehend Anwefende in die Tabellen eingetragen werden sollen (Beides ist z. B. in Sardinien, Eng^ land, Belgien, Sachsen geschehen, und zu welch' endloser Verwirrung ^ Mangel an Sorgfalt in lezterm Punkte führen kann, davon ist die sranzösische Volkszählung von 1836 ein bekanntes Beispiel^-- siehe Garnier,^ éléments de finances et de statistique, page l 82), so erlangt man dadurch ganz andere Resultate, als wen^ man solche Begriffe nur annähern^ fixirt und ihre Auslegung dem größern oder geringern Grade von richtiger Einsicht der Zählungsbeamten anheimstellt. Als Beispiele von Rubriken, welche das Formular für die eidgenössische Volkszählung dieses Jabres hinzufügt oder abändert, oder in Beziehung auf welche es genaue ere Begriffsbestimmungen aufstellt, mögen hier angeführt werden: Unterscheidnng derjenigen christlichen Religionsbekenntnisse. die sich nicht zu den.

Katholiken oder Protestanten zählen ; Angabe des Geburtsortes (ein Faktor, .welcher zur Sehäzung desjenigen Theils der Bevölkerung, den mai^ das Moment der Unruhe nennen könnte, weit wichtiger ist, als die Angabe des H e i m a t h o r t e s ) ; Unterscheidung der selbstständig einen Berns betreibenden Personen von bloßen Gehilfen, Gesellen, Taglöhnern u. s. w. ;.

Angabe der M o n a t e des Alters bei Kindern im ersten Altersj.ahre.

Die Formularien der luzermfchen und st. gallischen Volkszählung haben^ die nämlichen Mängel, welche an dem. Formular der eidgenössischen Zählung.

von I8.....0 bemerkt worden sind. So z. B. halten sie die Ausenthalts..

Verhältnisse der verschiedenen Arten (Niederlassung. Aufenthalt, Durchreife) nicht gehörig gesondert von den Heimathsverhältnissen ; in Folge dessen.

werden die in ihrer Gemeinde gezählten Gemeindsbürger gar nicht nach.

Ausenthaltsverhältnissen geschieden, während es
doch klar ist, daß der Ge-.

meindsbürger , wenn er schon keiner Niederlassung- oder Ausenthaltsbe-.

willigung in seiner .^eimathgenIeinde bedarf, doeh sehr wol nur als Aufenthalter oder nur als Durchreisender in derselben anwesend sein kann ; bei den Bürgern anderer Gemeinden des Kantons oder anderer Kantone,.

alsdann fehlt die Rubrik ,,Durchreisende.^., so daß'im Auslande wohnende^ und nur auf der Durchreise in der Schweiz befindliehe Schweizerbürger, wenn sie nicht zufällig bei der Zählung in ihrer Heiniathgemeinde betroffen würden, entweder ganz außer Anschlag fallen oder dann unter die ,,Auf-nthalter^ gerechnet werden müßten; bei den Ausländern findet sich eine^ .ganz überflüssige und unlogisch angebrachte (in St. Gallen übrigens mit Recht weggelassene) Rubrik ,,politische Flüchtlinge.., die gar kein eigen^

.

^

thümliches Verhältniß des Aufenthaltes in der Schweiz. sondern vielmehr^ eine persönliche Beziehung des Fremden zu feinem Heimath^nde bezeichnet, welche nicht ausschließt, daß er Niedergelassener oder Aufenthalter ode..^ Durchreisender sein kann. Ferner sollen nach den Jnstruktionen zu .diesen..

Volkszählungen die vorübergehend von .Hause Abwesenden zwar auch mit-.

eingerechnet und an ihrem gewöhnlichen Wohnsize gezählt werden ; allein..

dafür, daß das Formular darüber Ausschlüsse gebe, weiche von den Ver....

zeichneten im Angenblike der Zählung vorübergehend abwesend waren , ^ ist^ nicht gesorgt. Beim Familienstand findet sieh keine Rubrik für geschiedene^ Ehegatten, unter Konfession keine solche für Christen, welche sich weder^ den Protestanten noch den Katholiken beigesellen. Der Frage, ob solche.

Mängel bei der Volkszählung im Dezember dieses Jahres beseitigt werden.

dürfeu, .wäre bereits in einem ,. allem Fortschritt ans diesem Gebiete zuwiderlaufenden Sinne präjuzidirt, wenn man die .Zahlungen St. Gallen.^.

und Luzerns , so wie sie vorliegen, als genügend anerkennen würde; denn...

natürlich würde durch jede Verbesserung, die man aIu Formulare von 185..^ anbrächte. die Kluft zwischen diesen Zählungen und der in den .^.

ubrigen Ständen, die im Dezember stattfände, nur immer größer.

.

Wenn die Regierungen von Luzern und St. Gallen fich bereit er-.

klären, die Ausfüllung von Rubriken, welche in dem für die eidgenöffifche^ Volkszahlung aufzustellenden Formular neu hinzukommen möchten, nachzutragen, so ist diefes Anerbieten, abgesehen von den bereits hervorgehobene^.

Nachtheilen einer jeden, nicht gleichzeitig ausgeführten Zählung, unansführbar. Rubriken, welche die ganze oder wenigstens fast die ganze Be.^.

völkernng beschlagen (wie z. B. Geburtsort, Aufenthaltsverhältniffe, Beruf oder Gewerbe) können nicht anders ausgefüllt werden, als indem man..

wieder Jndividnnm für Jndividunm durchgeht, d. h. ein neue Volkszäh...

lung veranstaltet. Und in jedem Falle gibt es kein Mittel, um nachträg-.

lich noch diejenigen Differenzen zu beseitigen, welche sich nothwendig er-.

geben, wenn man, gestüzt auf die Fortschritte der wissenschaftlichen Er-.

kenntniß und auf die Erfahrung , namentlich auf diejenigen Erfahrungen,.

welche wir selbst im Jahr 1850 gemacht haben, in den Jnstrnktionen^
genauere und vollständigere Vorschriften aufstellt , als es damals der.

Fall war.

Dieses sind die Gründe, welche den Bundesrath bestimmen, auf Verwerfung des von den Regierungen Lnzerns und St. Gatlens in Bezu^ ^.aus ihre Volkszählungen vom Januar d. J. gestellten Begehrens anzutragen. Er glaubt dieß um so eher thun zu müssen, als bereits unteI.^ der Herrschaft des Bundesvertrages von 181.^ ein. dem vorliegenden analoger Fall vorgekommen und eben so entschieden worden ist , wie es der^ Bundesrath dießmal beantragt. Bei der durch den Tagsazungsbeschluß^ .vom 7. September 1836 anbefohlenen eidgenössischen Volkszählung lie-^ fe.rte B e r n das Ergebniß einer Zählnng ein, welche es, veranlaßt durchs

^8 eine demselben vorhergegangene^Aufforderung des Vororts vom 4. Novem..

.ber 1835: ,,die Kantone möchten behufs Revision der Mannschaftsseala ^evölkerungstabellen einliefern^, im März und April des Jahres 1836 vorgenommen hatte , und obwöl im Allgemeinen^ die . Genauigkeit und Sorgfalt. mit welcher diese Zählung ausgeführt worden war, nicht ^bean.

fandet ward,^ so wurde Bern dennoch durch Beschluß der Tagsazung vom 14. Juli.I837 ..ingehalten, eine nochmalige Zählung im Spätjahr 1837 zu veranstalten. Dieser Beschluß war dadurch motivirt, daß Vern nicht, .^vie es der Tagsazungsbesehluß vom 7. September 1836 vorschrieb, die Einwohner namentlich verzeichnet hatte. und der Umstand. daß Bern, ^ .als es der vorörtlichen Anfforderung vom 4. November 1835 Folge lei..

stete, unmöglich voraussehen konnte, daß die Tagsazung die Forderung ^ n a m e n t l i c h e r Verzeichnisse der Einwohner stellen werde. wurde ihin nicht ..zur Entschuldigung angerechnet. G r a u b ü n d e n , welches schon vor jener ^orörtlichen Aufforderung, nämlich im Januar 1835, seine Volkszählung ^vorgenommen nnd diefelbe, nachdem der Tagsazungsbeschluß vom 7. Sep.teinber 1836 ergangen war, lediglich durchgesehen hatte, mnßte ebenfalls, .laut Tagsazungsbeschlnß vom 31. Juli 1837, im Jannar 1838 eine neue

.Zählung veranstalten (vergl. den Tagsazungsabschied von 1837, .,. ^1V).

Genehmigen Hochachtung.

Sie ,

Tit. ,

die Versicherung unserer vollkommenen

B e r n , den 16. Juli 1860.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

F. Fre.^.^erosee.

^ Der

Kanzler der Eidgenossenfchast:

Schieß.

^ote. Siehe den Bundesbes^luß über das Begehren der h. Ständet uz ern .^nd St. Gallen (eidg. Gesezfammlung. .^d. VI, S. 5^8).

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Bericht des Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft betreffend die Volkszählung in den Kantonen Luzern und St. Gallen. (Vom 16. Juli 1860.)

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45

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.08.1860

Date Data Seite

89-98

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