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Schweizerishces Bundesblatt.

XII. Jahrgang. II.

Nr. 37.

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11. Juli 1860

Bericht

der kommission des Nationalrathes über die Savoyerfrage.

(Vom 9. Juli 1860.)

Tit.!

Als die Savoyerfrage das letzte Mal im Nationalrathe behandelt wurde, erblickten wir die H a u p t a u f g a b e , welche in Betreff der Beziehungen . in denen die Schweiz zu der Savo.,.erangelegenheit steht , zu lösen ist, darin, dem p o l i t i s c h e n G e d a n k e n , w e l c h e r iin J a h r e 1815 d e r N e u t r a l i s a t i o n eines T h e i l e s v o n S a v o v e n z u Grunde lag, b e i v e r ä n d e r t e n V e r h ä l t n i s s e n , w e l c h e e i n e F o r t d a u e r d i e s e r N e u t r a l i s i x u n g nicht g e s t a t t e n , e i n e n d i e s e n v e r ä n d e r t e n Verhältnissen entsprechenden Ausdruck zu verl e i h e n , und wir hielten daher dafür, daß die Lösung d i e s e r A u s g a b e den H a u p t g e g e n s t a n d der Verhandlungen zu bilden habe, welche damals zwischen der Eidgenossenschaft und den betheiligten Staaten des Auslandes , sowie zwischen den letztern Staaten unterste.h, betreffend die Beziehungen der Schweiz zu der Savoverfrage angehoben worden waren.

Die Eommifston glaubte im fernern, es seien diese Verhandlungen noch nicht als e r s c h ö p f t anzusehen, und fie sprach daher den Wunsch aus, es möchte der Bundesrath dieselben, so weit an ihm, nachdrücklich f o r t s e t z en.

Der Bundesrath berichtet in seiner zweiten Botschaft, betreffend die Savoverfrage, über die w e i t e r n S c h r i t t e , welche er m i t t l e r w e i l e

dießfalls gethan.

Nachdem der Bundesrath schon bevor die Savoverangelegenheit der Bundesversammlung vorgelegt worden war, mit seiner Note vom 19. März 1860 die D a z w i s c h e n k u n s t dex Mächte, welche die Wienerkongreßakte unterzeichnet haben, Behufs Wahrung der Rechte und Jntexessen der Schweiz in der Savoyerfrage angerufen hatte, stellte er dann am 5... April, XII.

B d .

I I .

^

^ am Tage nach dem Schluffe der letzten außerordentlichen Session der .......undesversammlung , unter Berufung auf den Art. 4 des Protokolls des Aachenerkongresses vom 1^. November 181..... das bestimmte Gesuch an die Mächte, es möchten dieselben zu einer f ö r m l i c h e n K o n f e r e n z zufainmentreten, an w e l c h e r auch die S c h w e i z . T h eil n e h m e n w ü r d e .

Die Bestimmung von Zeit und Ort dieser Konferenz wurde der Weisheit der Mächte anheimgegeben und lediglich der dringende Wunsch ausgesprocheu, es möchte dieselbe mit t h un i ichster B e f ö r d e r u n g zusam.^ mentreten. Es geschah dieß namentlich auch in der Absicht, wenn immer möglich e i n e E r l e d i g u n g d e r A n g e l e g e n h e i t v o r e i n e r allf ä l l i g e n V e r ä n d e r u n g d e s S t a t u s q u o h e r b e i z u f ü h r e n . Trafen auch von allen Mächten e n t f p r e c h e n d e A n t w o r t e n auf das vermittelst der Note vom I9. März an sie gerichtete Gesuch um ihre Dazwischenkunft zur Wahrung der Rechte und Jnteressen der Schweiz in der ^avo^erfrage ein, und zeigte sich auch k e i n b e s t i m m t e r W i d e r s p r u c h gegen das mit Note vom 5. April gestellte Begehren der Abhaltung einer Konferenz, so v e r z ö g e r t e sich gleichwol der Zusammentritt der letztern fortwährend, so daß mittlerweile die Eession Savov.ens an Frankreich in's Werk gefetzt wurde und e i n e v o l l s t ä n d i g e B e s i t z e r g r e i f u n g auch d e s neu t r a l i s i r t e n S a v o v e n s v o n S e i t e n F r a n k r e i c h s er^ f o l g t e . Wie sehr auch die Eomniission mit dem Bundesrathe diesen Vorgang bedauert, so glaubt sie hinwieder erwarten zu dürfen , es werde von der E o n f e r e n z dem f a k t i s c h e n Vorgehen Frankreichs k e i n e allz u g r o ß e B e d e u t u n g beigemessen werden.

D i e Verniuthung, e s d ü r s t e g a r nicht z u m Z u s a m m e n t r i t t e e i n e r E o n f e r e n z k o m m e n , hat sich .n neuerer Zeit , in Folge der wiederholt Statt gehabten Verschiebungen derselben, immer Inehr verbreitet. Die E o m m i s s i o n ist nun a b e r im F a l l e , J h n e n die Mittheilung zu machen, daß d i e n e u s t e n von den d i p l o m a t i s c h e n A g e n t e n der E i d g e n o s s e n s c h a f t im A u s ^ l a n d e e i n g e t r o f f e n e
n Berichte d a s b e f ö r d e r l i c h e Z u s t a n d e kommen der E o n f e r e n z in beinahe gewisse Aussieht zu n e h ^ Inen g e s t a t t e n . Wenn also der Bundesrath in seiner zweiten Botschaft sagt, es stehe der Erfolg seines erneuerten Antrages auf Abhaltung der Eonferenz zu gewärtigen, so kann die Eommission diesen Bericht auf Grundlage der gegenwärtigen Sachlage dahin vervollständigen, daß dem Antrage des Bundesrathes nunmehr tatsächliche Folge gegeben werden zu wollen seheint.

Soll sich die B u n d e s v e r s a m m l u n g über die von den Abgeordneten der Eidgenossenschaft zu der Eonferenz zu b e o b a c h t e n d e Haltung und üoer die ihnen zu e r t h e i l e n d e n J n s t r u k t i o n e n a u s s p r e c h e n . ^ Der B u n d e s r a t h bemerkt am Schlnsse seiner zweiten Botschaft, daß er

sich noch nicht in der Lage befinde, mit eigentlich sachlichen An-

t r ä g e n an die Bundesversammlung ^ zu gelangen. Wir glauben, daß bei dem S t a d i u m , in welchem sich die S a v o y e r a n g e l e g e n h e i t zur

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.

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Z e i t b e f i n d e t , dieses Verfahren des Bundesrathes unsere Billigung und in Folge dessen auch unsere Nachahmung verdient. Jn den parlamentarifchen Körpern aller Länder gilt es als feststehende Regel, daß, so lange d i p l o m a t i s c h e U n t e r h a n d l u n g e n mit f r e m d e n S t a a ten schwebend find und v o l l e n d s , w e n n sie sich noch in i^hren ersten Anfängen befinden, dieselben nicht zum Gegenstande ö f f e n t l i c h e r Besprechungen im Schooße j e n e r K ö r p e r gemach t. w e r d e n sollen. Die Nachtheile, die aus einem entgegengesetzt ten Versahren unausbleiblich hervorgehen müssen, find allzu einleuchtend, als daß sie hier weiter auseinander gesetzt zu werden brauchten.

Jndem aber der Bundesrath eigentlich sachliche Anträge an die Bundesversammlung gelangen zu lassen zur Zeit noch für ungeeignet hält, e r k l ä r t er hinwieder, daß er beim E i n t r e t e n e r n s t e r e r Umstände, o d e r w e n n es sich um die G e n e h m i g u n g e i n e r U e b e r e i n k u n f t h a n d e l n s o l l t e , natürlich nicht ermangeln werde, die Bund e s v e r s a m m l u n g unverzüglich w i e d e r e i n z u b e r u f e n . Die Eommission kann diese Eröffnung des Bundesrathes nur g u t h e i ß e n , und sie glaubt es auch dießmal wieder aussprechen zu sollen, daß sie in derselben die Ansehanung erblickt, es w ä r e n , .wenn v e r ä n d e r t e V e r hältnisse ein Vorgehen erheischen sollten, welches gem ä ß d e n V o r s c h r i f t e n d e r B u n d e s v e r f a s s u n g i n d e n Be..

reich d e r B e f u g n i s s e d e r B u n d e s v e r s a m m l u n g f a l l e n w ü r d e , die daherigen Schlußnahmen den beiden Räthen v o r z u b e h a l t e n , u n d z w a r i n e i n e r W e i s e , b e i w e l c h e r ihnen die volle Freiheit ihrer Entschließung g e w a h r t bliebe.

Der Bundesrath erwähnt in seinem Berichte, daß er sich im Anfange Aprils ^zur militärischen Besetzung von Gens veranlaßt^sehen habe. Die Eonimifsion hält dafür, daß diese Maßregel in der vielfach s c h w i e r i g e n und h e i k e l n Sachlage, welche sie hervorgerufen, eine durchaus genügende Rechtfertigung finde, und fie freut sich , in ihrem Berichte der b u n d e s b r ü d e r l i c h e n A u f n a h m e , weiche die Schweizerischen Truppen in Genf gefunden haben, mit warmer
Anerkennung gedenken zu können. Die kommission glaubt, Jhnen keine .Schlußnahme, b e t r e f f e n d . d i e F o r t d a u e r d e r B e s e t z u n g Genfs, beantragen zu sollen. Wir gehen von der Ansicht aus, es sei dem Bundesrathe hierin freie Hand zu lassen, und sind überzeugt, es werde derselbe, wenn eine V e r m i n d e r u n g oder eine g ä n z l i c h e E n t l a s s u n g der in Gens befindlichen Eidgenössischen Truppen als räthlich erscheint, einer solchen Statt zu geben keinen Anstand nehmen.

Der Bundesrath sehließt seine zweite Botschaft, betreffend die Savoverfrage mit der Erklärung , er beschränke sich für einmal lediglieh auf den Antrag, daß es der Bundesversammlung gefallen möge, die dem B u n d e s r a t h e u n t e r m 4. April e r t h e i l t e n Vollmachten w i e d e r zu erneuern. Obgleich die Verhältnisse in manchen Beziehungen a n d e r s gestaltet find, als sie es zur Zeit unserer letzte

.^74 außerordentlichen Session waren, und obschon in Folge dessen die Frage aufgeworfen werden könnte, ob das B e du r fn iß zur Gewährung b e s o n d e r e r Vollmachten außer denjenigen, mit welchen der Bundesrath ohnehin ausgerüstet ist, w i r k l i c h noch v o r h a n d e n sei, so steht die kommission gleichwol, b e r u h i g t durch d e n G e b r a u c h , d e n der B u n d e s r a t h bisher von den ihm e r t h e i l t e n V^ollm a c h t e n g e m a c h t h a t , nicht an, Jhnen zu beantragen. folgenden Beschluß zu fassen..

,,Die B u n d e s v e r s a m m l u n g ,,der schweizerischen Eidgenossenschaft, ,,nach Einsicht der zweiten Botschaft des Bundesrathes, betreffend ,,die Savo.^erfrage, vom .^5. Juni 1860,

,,beschließt.

,,Die dem Bundesrathe vermittelst Schlußnahine vom 4. April .1860 ,,übertragenen Vollmachten werden, so weit sie bei der gegenwärtigen ,,Sachlage noch Anwendung finden, erneuert.^ Wenn die Eommission Jhnen vorschlägt, die dem Bundesrathe a in 4. April ertheilten Vollmachten s o w e i t zu erneuern, als d i e s e l b e n bei der g e g e n w ä r t i g e n S a c h l a g e noch A n w e n d u n g f i n d e n , so

ist diese Beschränkung .eine durch die m i t t l e r w e i l e S t a t t gehabte U m g e s t a l t u n g der V e r h ä l t n i s s e g e b o t e n e . Am 4. April be^

fand sieh Savo^en noch im Besize von Sardinien : die d a In a l i g e n Verhältnisse rechtfertigten also die Ertheilung von Vollmachten an den Bundesrath zur Aufrechthaltung dieses der Schweiz g ü n s t i g e n Status quo vollkommen. M i t t l e r w e i l e hat sich nun aber Frankreich in den Besitz von Savoven gesetzt: es hat sich somit der Status quo z u Ung u n s t e n d e r S c h w e i z verändert. Unter d i e s e n Umständen kann es sich selbstverständlich n i eh t m e h r darum handeln. dem Bundesrathe Vollmacht zu ertheilen, um den g e g e n w ä r t i g e n Status quo. welcher der Schweiz n a c h t h e i l i g ist, s e s t z u h a l t e n .

Jndem die Eominission die Ehre hat, Jhnen den Beschlussesentwurs, den sie Jhnen^ vorlegt, e i n m ü t h i g zur Annahme zu empfehlen, benutzt sie auch diesen Anlaß, Jhnen, Tit., die Versicherung ausgezeichneter Hochachtung zu erneuern.

Bern, den 9. Juli 1860.

Namens der kommission , Der Berichterstatter :

^r. A. Ascher.

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Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Savoyerfrage. (Vom 9. Juli 1860.)

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