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Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Ankauf der österreichischen Dampfschiffe.

(Vom 6. Januar 1860.)

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Bekanntlich hatte sich die österreichische Besamung von Laveno in Folge der Kriegsereignisse zu Ansang Juni lezten Jahres veranlaßt gesehen. ihren Sta.tionsort aufzugeben und sich auf den österreichischen Danipfbooten nach den schweizerischen Gewässern des Langensee's und beziehungsweise nach dem Kanton Tessin Zurückzuziehen. Nach Entlassung der Besazungsmannschaften in die Heimat verblieben die Fahrzeuge mit der zirka 37 Mann zählenden Schiffsmannschaft in d..n heriwärtigen Gewässern unter eidgenössischem Schuze.

Die Flottile bestand aus folgenden Schiffen: 1) aus dein Kriegsdanipfer ,,Radetzki+ von 100 Pferdekräften. seit sechs Jahren im Gebrauche und im Jahr 1858 vollkommen restaurirt; 2) dem Kriegsdampfer ,,Tirino.. von 40 Pferdekräften. auch feit sechs Jahren im Gebrauche; 3) dem Schraubendampfer ,, Benedet" von 20 Pferdekräften, ebenfalls.

sechs Jahre ini Gebrauch und 1858 restaurici.

Dazu kommen noch verschiedene Boote. nämlich ein eisernes Schleppboot,.

ein eisernes Raketenboot, zwei hölzerne Beiboote zum Radetzki, ein eisernes Beiboot zum Tirino und ein eisernes Beiboot zum Benedek.

Als nach dem Friedensschlusse von V i l l a s r a n e a es sich daruin handelte, dieser Flottille wieder eine Bestimmung zu geben. mußte sür uns die Frage in Erwägung fallen, ob es nicht im. wohlverstandenen Jnteresse der Schweiz liegen möchte, diese Schiffe sammt dem Kriegsmaterial und der Armiriing sür die Eidgen ossenfchast zu erwerben. Es war um so inehr Grund vorhanden. diese Frage näher in Erwägnna zu ziehen, als das f. f. Ministerium bereits unterin 26. August unseren Geschäftsträger eröffnet hatte, wenn die Eidgenossenschaft die fraglichen Schiffe für sich zu erwerbe beabsichtige, so würde die kaiserliehe Regierung einem dießfälligen Angebote den Vorzug vor jedem andern einräumen.

^12 Wir ermangelten nicht, die Schiffe, so wie die dazu gehörigen Essekten durch Sachverständige untersuchen und schälen zu lassen, und auf deren günstigen Bericht hin suchten wir zu erfahren, zu welchem Preise die kaiserliche Regierung die Schiffe mit allen danIit zusammenhängenden ^Gegenständen abzutreten bereit sein würde.

Hierauf wurde uns durch die k. k. Gesandtschaft eröffnet , daß sie ^ermächtigt sei, .diese fämnItlichen Boote mit allen Ausrüstungsgegenständen ^unI den Kaufpreis von Fr. 40^,000 der Eidgenossenschaft zu überlassen, .obwol ein vie.i höheres Angebot von Seit.. einer solvenden Gese.lschaft^ vorliege.

Nach den vorgelegten Ausweisen betrug der Ankaufspreis für die Schiffe fl. 197,350. Hiezn kommen fl. 20,000 für Material. Reserverequistten, Maschinen u. s. w. und fl..i4.910 als Wertl./des Kanonenmetalls, so daß die Originalschäzung auf fl. 252.260 oder zirka Fr.

.630,000 stch beläuft. Es ergibt fich sonach, daß die österreichische Re.^gierung einen Abzug von ungefähr Fr. 230,000 zn machen bereit war, was iIn Verhältniß zu der Zeit zu stehen schien, während welcher die Schiffe im Dienste und Gebrauche gestanden hatten.

Bei Erörterung der Frage, ob die Schiffe für die Schweiz aequirirt werden sollten, mußte eben sowol der politische. wie der militärische und kommerzielle Standpunkt in Berechtigung fallen.

Durch das Ergebniß des jüngsten italienischen Krieges haben sieh die Verhältnisse des Langenfee's wefentlich geändert. Früher war er durch drei Staatsgebiete begränzt, durch Oesterreich , Piemont und die Schweiz.

Gegenwärtig gränzen nur. noch Pieniont und die Schweiz ai^ dieses Binnen.gewässer, und nachdem insbefondere das rechte und das linke Ufer an Piemont gefallen und dadurch die Konkurrenzen ^von fardinisehen und österreichischen DampfschiffnnternehnIungen dahin gefallen find. mußte es nothwendig für die Schweiz in jeder Beziehung wichtig und bedeutsam werden, ^urch eigene Schiffe aus dem See vertreten zn werden. Es erweist fich dieß als eine politische Notwendigkeit. damit nicht der Kanton Tessin in seinen Verbindungen in gänzliche Abhängigkeit von den Anordnungen des ^Nachbarstaates falle. Eine schweizerische Dampfschiffahrt auf dern Langenfee wird dazu dienen. das Gewicht und den Einfluß der Eidgenossenschaft jenseits der Alpen zu verstärken, während der Uebergang alter Schifffahrt in .die Hände bloß einer Macht ihn erheblich schwächen müßte.

Jn m i l i t ä r i s c h e r Beziehung müssen wir uns erlauben, was die Spe.zialitäten betrifft, auf die bei den Ulkten liegende Expertise zu verweifen.

.Jin Allgemeinen bemerken wir hier, daß die Verteidigung des^ südlichen Gebietes vom Kanton Tesfin ohnehin mit Schwierigkeiten verbunden ist, ^weßhalb die Schweiz kein Mittel unberüksichtigt lassen, fondern vielmehr .i.n Friedenszeiten Alles vorbereiten sollte^ um eine .wirksame Abwehr zr..

1I3 ermöglichen , wozu in erster Linie auch die Beherrschung der Seen gehört, was bei dem jüngsten Konflikte der Schweiz mit dem ..luslande vollkommen anerkannt und durch die energischen Anordnungen des damaligen Oberbe^ fehlshabers klar zur Anschauung gebracht worden ist. Wenn , wird bemerkt, der südliche Theil des Kantons Tessin ohnehin schwer zu vertheidigen ist. so darf diese Schwierigkeit nicht dadurch noch erhöht werden, daß man von vornherein den Langensee vollständig einer andern Macht Preis gibt; vielmehr sind gerade an solchen schwachen Gränzpunkten alle militarischen Vortheile um so sorgfältiger auszusuchen und zu wahren. Jn Kriegszeigten lassen sich die Schiffe leicht armiren und dienen trefflich zum Schuze der Seegränze, zur Verbindung der Ufer. z^in Transporte von Leuten, Munition und Verpslegungsgegenständen. Dieser Umstand ist um so höher anzuschlagen, weil nach der veränderten politischen Situation die schwel zerischen Jnteressen auf dem Langensee vollständig abhängig würden, wenn sie nicht mit eigenen Mitteln vertheidigt und gewahrt werden können.

Vom k o m m e r z i e l l e n Standpunkte aus ist ebenso einleuchtend, welch' hohes Jnteresse die Schweiz haben muß, auf dem Langensee ihre eigenen Verbindungen zu haben. Hat die Schweiz ihre eigenen Schiffe, so werden die beiderseitigen Unternehmungen sich über Fahrten und Tarife ins Einverständniß sezen müssen, wobei die schweizerischen Jnteressen mit denjenigen Sardiniens in ein billiges Gleichgewicht gebracht werden können. Unterbrechungen der Handelsverbindungen, wie solche mit großer Beeinträchtigung des schweizerischen Handels zur Zeit des jüngsten Krieges vorgekommen sind, könnten alsdann so leicht nicht mehr eintreten . während beim Abgange eigener Schiffe die Schweiz in kommerziel^postalische.r Hinsicht der Diskretion der italienischen Unternehmungen überliesest wäre.

Als Handelsschiffe würden ^war die drei Dampsboote nach der Ansicht der Experten nicht hinreichend rentiren ; allein das größte Schiff müßte mehr die Bestimmung eines Militärschiffes erhalten ui:d würde dein für die Handelsfahrten bestimmten Dampfboot T i r i n o .nur als Reserveschiff dienen.

Von den Unterhandlungen mit einer neu zu gründenden Danipfbootgesellschaft wird es übrigens abhangen, welcher Verwaltung das Darnpsboot B e n e d e k zngetheilt werden
soll. und welchen Antheil jede Verwaltung an der Kaufsumme zu übernehmen hätte.

^ Dieß sind die wesentlichen Punkte, die uns bei der Ankaufsfrage geleitet haben. Bevor wir jedoch auf den Ankauf selbst eintraten, versuchten wir, eine Gesellschast, freilich eine schweizerische, ^i finden, welche unter gewissen, der Eidgenossenschaft immerhin einen Einfluß sichernden Bedingungen die Schiffe übernehmen würde. Die daherigen Unterhandlungen führten jedoch nicht zu dem gewünschten Ziele und deßhalb sahen wir uns, um nicht als dringlich erkannte Jnteressen irgendwie Preis zu geben, veranlaßt, selbsthandelnd einzuschreiten.

So wurde unterm 16. Oktober der Kauf auf. die SiiInnie von Fr. 400,000 abgeschlossen, und es wurden die sämmtlichen Objekte, wie dieBnndesblatt. ..^ahr^. XlI. Bd.I.

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1l4 selben iu deu Verzeichnissen d. d. Kloster Neuburg, 1.^. August und Loearuo, 14. September 1859 genau spezifizirt worden find, am 26. Ok..

tober abhin von dem k. ... österreichischen Gesandten unsern Bevollmächtigten, deu Herren Staatsrath Demarchi und Artilleriehauptmann Floxi, zuhanden ^.er Eidgenossenschaft in bester Form übergeben.

Wir verkennen hiebet nicht , daß der Natur der Sache nach die Frage wegen des Ankaufs dieser Objekte der h. Bundesversammlung zugestanden hätte; allein die Sache war dringlich und doch nicht der Art, um die Bundesversammlung außerordentlich einzuberufen. Bei den unläugbaren Jnteressen, die hier in Frage standen, glaubten wir, denjenigen Weg un..^ bedenklich einschlagen zu dürfen, welcher uns im Art. 14 des Organisationsgesezes vorgeschrieben ist, wornach dringliche Ausgaben vorbehalten, aber bei der ersten Versammlung der gesezgebenden Räthe zu rechtfertigen und nachträgliche Kredite zu beantragen sind. Es könnte eingewendet werden, daß die Schweiz in Wahrung ihrer militärischen und kommerziellen BeZiehungen auch später in^der Lage gewesen wäre, fich eigene Dampfschiffe auf dem Langensee anzuschaffen. so daß man also nicht uöthig hätte, die eben dargebotene Gelegenheit dazu zu benuzen. Allein es ist unverkennbar, daß sie sich später in einer unvorteilhaften Lage befunden haben würde, indem es gegenüber allen schon bestehenden Schiffen viel schwieriger hielte, in Konkurrenz zu treten, als jezt, wo es sich bloß um llebernahnie eines Theils der bereits vorhandenen Schiffe handelt.

Uebex die Frage, wie künftig die Schiffe nuzbar gemacht werden können , sind wir noch nicht im Falle , Jhnen einläßliche Ausschlüsse zu gewähren. Jn erster Linie werden wir versuchen, uns mit der sardinischen Regierung über die Ausführung der gegenseitigen Dampsbootfahrten auf dem Langenfee zu verständigen und hiebei möglichst günstige Bedingungen sür die schweizerischen Handels-, Verkehrs. und Postinteressen zu erzweken.

Zngleich werden wir darnach streben , eine schweizerische Gesellschaft zu gründen, welche die für Handelsfahrten bestimmten Schiffe ans ihre Rechnung zu übernehmen oder .zu miethen hätte; das größte Schiff dagegen, der eigentliche Kriegsdampfer, je nach Umständen auch das kleine Schraubenboot Benedek, würden, wie angedeutet, Eigenthum der Eidgenossenschaft verbleiben
und von dieser bloß zu Bitweiser Benuzung unter angemessenen, schüzenden Bedingungen zur Aushilfe überlassen.

Kommt eine solche Gesellschaft zu Stande, so wird daraus Bedacht zu nehmen sein, daß die Gesellschaft sich verpflichte, im Falle der Noth die Schiffe gegen verhältnißmäßige Entschädigung zu Kriegszweken zu überlassen.

. Kommt hinwieder eine solche Gesellschaft nicht zu Stande und müssen die Fahrten in Regie betrieben werden , so werden wir in der Lage sein, darnach unsere Maßregeln zu treffen. Nach beiden Richtungen müsseu wir uns eine spätere Berichterstattung vorbehalten, und wir schließen daher mit

1^ dem Antrage, daß es Jhnen gefallen möge, den von uns unterm 16. Oktobex 185..) geschlossenen Kauf der österreichischen Dampfschiffe aus dem Langensee sammt Zugehör nachträglich zu ratifizieren und den erforderlichen Kredit im Betrage vou Fr. 400,000 zu bewilligen.

B e r n , den 6. Januar 1860.

Jm Namen des schweizerischen Bundesrathes , Der Bundespräsident: .^. .^.re^Herosee.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

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Bericht des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Ankauf der österreichischen Dampfschiffe. (Vom 6. Januar 1860.)

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14.01.1860

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