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Schweizerisches Bundesblatt XII Jahrgang. l.

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Nr. 14.

24. März 1860.

Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 19. März 1860.)

Jn der Savonerangelegenheit hat der Bundesrath folgendes Kreisschreiben an sämmtliche eidgenössische Stände erlassen:

Bern. den 19. März 1860.

Tit.!

Die Wendung, welche in neuster Zeit die Savonerfrage genommen, veranlaßt uns, mit gegenwärtigem Kreisschreiben an die h. eidgenössischen Stände zu gelangen.

Es ist Jhnen erinnerlich , daß wir aus Anlaß der vorjährigen Eroignisse diejenigen Sehritte gethaIi haben, welche geeignet schienen, die Rechte zu wahren, welche der Schweiz in Beziehung auf einzelne ProHinzen Savoyens vertragsgemäß bestehen. Jn dieser Hinsicht beziehen wir uns auf unsere an die europäischen Mächte, als Garanten der Verträge von 1815. gerichteten Noten vom 14. März und 18. November 1859, so wie auf die einläßliche Denschrift über die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem neutralisirten Savo.)en, welche Jhnen in einer größern Anzahl von Exemplaren übermittelt worden ist.

Als dann zu Anfang des gegenwärtigen Jahres die Frage wegen Zession Savoyens auftauchte, beeilten wir uns, die Jntentionen bezüglich derjenigen Provinzen in Erfahrung zu bringen , auf welche der Schweig bestimmte Ansprüche zustehen und die ihr durch den projektirten Uebergang Savovens von Pieniont an Frankreich nicht geschmälert oder gar .verloren gehen dürfen. Jn der That erhielten wir dann auch die von

Bundesblatt. Jahrg. XII Bd. I.

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432 fidentielle, aber nichts desto weniger auch offizielle Zusage, daß im Falle.

der Eession die neutralisirten Provinzen Ehablais und Faueigny der Schweiz überlassen werden sollten ; -- ein Auskunftsmittel, das allein der gegenwärtigen Situation zu entsprechen vermag.

Um so auffallender mußten die Proklamationen erscheinen, welche von den Gouverneuren von Annech und Chambery am 8. und I0. dieß erlassen worden sind und in welchen die Sache so dargestellt wurde, als ob die Bevölkerung nur zwischen Piemont und Frankreich sich zu entscheiden hätte, während in jenen Aktenstüken der Schweiz überall nicht gedacht war.

Es lag in unserer Pflicht, hiegegen Einsprache zu thun und gegen ein Verfahren zu protestiren, durch welches unsere Rechte in hohem Grade bloßgestellt würden. Wir haben deßhalb unsere Vertreterin Turin und Paris hiernach instruirt und es sind die betreffenden Proteste mittlerweile wirklich abgegeben worden. Wir machten mit aller Entschiedenheit darauf aufmerksam, daß einer Eefsion vorgängig mit uns ein Einverständniß erzielt sein und daß über den Abstimmnngsmodus mit uns ebenfalls eine Verständigung getroffen werden müsse. Bereits früher. und zwar mit Noten vom 9. März, hatten wir darauf gedrungen, daß an die Stelle der frühern, bloß mündlichen Zusagen nachgerade positivere Verpflichtung gen treten möchten.

Endlich, in der Ungewißheit, welchen Erfolg diese unsere Schritte haben werden. richten wir an die Mächte diejenige Note, von welcher wir hier eine Abschrift Jhnen beizulegen die Ehre haben.

Das Ergebniß aller dieser Schritte ist vorerst zu gewärtigen ; inzwischen sprechen wir znversichtlich die Hoffnung ans, daß die hohen Stände geneigt sein werden. unser bisherigem Versahren in dieser Angetegenheit wohlwollend zu würdigen und uns mit Jhrer ganzen Energie in einer Frage zn unterstüzen , welche mit den wichtigsten Jnteressen des Baterlandes, mit der Selbsterhaltung und mit der Wahrung unserer Unabhängigkeit in so innigem Zusammenhange steht.

Wir fügen noch Gegenwärtigem die .Abschriften der Protestationen bei, welche von unfern Gesandten in Paris nnd Turin den Regierungen von Frankreich und Sardinien zugestellt worden fin und benuzen übri.

geus diesen Anlass Sie, Tit. i nebst uns in den schuz des AllInächtigeI..

zu empfehlen.

A. Note des Bundesrathem an Frankreich Grossbritannien. besterreich, Preussen n11d Russland und an Portugal, Sardinien Schweden und Spanien vom 19. Marz 1860.

Als zu Ansang des vorigen Jahres der Friede Europas ernstlich bedroht zu sein schien nnd der Ausbruch von Feindseligkeiten in Oberitalier..

..

433 .gewärtigt werden mußte, hatte der schweiz. Bundesrath sich veranlaßt gesehen, den hohen Mächten mit aller Loyalität diejenige Stellung zu eutwikeln., welche die Eidgenossenschaft im Kriegsfalle denjenigen savovifchen Provinzen gegenüber einzunehmen gesonnen sei, welche in der schweiz.

Neutralität inbegriffen find und bezüglich welcher nach den europäischen Verträgen und Stipulationen vom 29. März, 9. Juni und 20. November 1815 der Schweiz so bedeutende Rechte zustehen.

Jn den Rükäußerungen, welche der Bundesrath aus diese seine Note vom l 4. März 18..)9 zu erhalten die Ehre hatte, wurde der dießfalls von der Schweiz eingenommene Standpunkt von den hohen Mächten

allseitig gewürdigt.

Nach Beendigung des Krieges und nach abgeschlossenem Frieden zu Zürich war sodann der Bundesrath abermals in der Lage, die Aufmerksamke.it der hohen Mächte auf das Verhältniß der Schweiz zu den erwähnten nentralisirten Provinzen Savoryens zu lenken. Damals nämlich schien ein Kongreß der Mächte bevorzustehen, mit der Aufgabe, die Angelegensten Italiens zu ordnen und zwar auf Grundlage der Präliminarien von Villasranea, in denen die Bildung einer italienischen Konföderation vorgesehen war.

Jn seiner Note vom 18. November 1859 sprach der Bundesrath seine Ansicht dahin aus, daß, wenn bei den in Aussicht gestellten V e r Handlungen bestehende völkerrechtliche Beziehungen der Schweiz berührt werden, die Mitwirkung der Eidgenossenschaft wol nicht abgelehnt werden könne. Solche völkerrechtliche Beziehungen der Schweiz werden nnn aber offenbar betroffen, wenn eine italienische Konföderation wirklich gebildet werden und wenn Sardinien auch mit den in der schweizerischen Neutralität begriffenen Theilen Savoryens in dieselbe treten sollte. Deßhalb ge-

langte die Schweiz mit dem Begehren an die Mächte, daß sie, so weit

es ihre Beziehungen zu dein neutraiistrten savovischen Gebiete betreffe, zu den Verhandlungen des Kongresses zugelassen werde.

Bekanntlich hat sich dieser projektirte Kongreß der Mächte zerschlagen und ist insbesondere seit dem Beginn des gegenwärtigen Jahres die Jdee einer anderweitigen Gruppirung der mittelitalienischen Staaten in den Vordergrund getreten.

Jn unmittelbarem Zusammenhange niit der Bildung eines größern italienischen Staates, mit der Annexion der Herzogtümer an das Königreich Sardinien stand die weitere Jdee der Eession Savoyens an Frank..

reich. Diese Jdee hat einen bestimmten Ausdrnk erhalten durch die Thronrede, mit welcher die Session der hohen Staatskörper von seiner Majestät dem Kaiser der Franzofen am 1. diefes Monats eröffnet worden.

ist. Darin findet sich auf unzweideutige Weise ausgesprochen. daß Angesichts der Umgestaltung Norditaliens, welche einem mächtigen Staate alle Alpenpäffe überliefere, es die Pflicht Frankreichs gewesen sei, zur Sicherheit seiner Gränzen die französischen Abhänge der Gebirge zu verlangen.

434 Jn gleicher Weise hat auch der französische Minister der auswärtig gen Angelegenheiten und zwar schon in einer Note vom 2.4. Februar gegenüber dem französischen Gesandten in Turin sich vernehmen lassen.

Auch in diesem Aktenstüke wurde darauf hingedeutet. daß bei einer größern oder geringern Annexion der Staaten Mittelitaliens an Sardinien der Besiz Savoyens sich als eine geographische Nothwendigkeit sür die Sicherung der französischen Gränzen darstellen müsse. Jn sehr ver...ankenswerther Weise hatte der Herr Minister die Erläuterung beigefügt, daß die Jnteressen der Schweiz. welche Frankreich immer zu berülsichitgen wünsche, gewahrt werden sollen.

Bei dieser Sendung der Dinge konnte der Bundesrath unmöglich

länger gleichgültig zusehen, vielmehr lag es in seiner Pflicht, die Absichten der zunächst betheiligten Mächte in Beziehung aus die neutralisirten Provinzen für den Fall kennen zu lernen, daß eine Abtretung Savoyens ins Werk gesezt werden sollte. Er hat daher schon die erforderlichen Schritte gethan und er hat von Frankreich die beruhigende Zusicherung erhalten. daß die Frage der Abtretung Savoyens an Frankreich gegenwärtig nicht in Behandlung liege, daß aber auf jene Eventualität hin die Provinzen Ehablais und Faueigny der Schweiz überlassen würden. Diese Erklärung wurde in mündlicher Unterredung theils durch die französische Gesandtschaft in Bern, theils durch Seine .Exzellenz, den Minister der Auswärtigen Angelegenheiten an den schweizerischen Gesandten in Paris Anfangs Februar dieses Jahres abgegeben. Zii gleicher Zeit wurde dem Regierungspräsidenten von Gens eine gleiche Eröffnung durch den dortigen französischen Vizekonful gemacht.

Es ist auch kein Geheimniß mehr, daß die französische Regierung schon am 5. Februar in vollkommen gleicher Weife sich gegen das großbritannische Ministerium ausgesprochen hat und daß bald nachher eine übereinstimmende Erklärung von der französischen Gesandtschaft in London an das sardinische Ministeriuni gelangt ist.

Dieje Thatsachen waren geeignet, den Bundesrath zu beruhigen; er dachte, daß, sofern der Status quo, dessen Beibehaltung er jeder Aenderung vorgezogen hätte, nicht aufrecht erhalten werden könne, die Rechte uud Jnteressen der Schweiz immerhin gewahrt und die Resultate durch die Mächte bestätigt und gewährleistet werden würden. Dessen ungeachtet bemühte er sich bestimmtere schriftliche Zusagen zu erwirken, ohne indessen fich beunruhigt zii zeigen.

Um so größer war die Ueberrafchung, als man den Proklamationen der Gouverneure von Annech und Chambery vom 8. und 10. März entnehmen mußte, die Bevölkerung Savoyens werde berufen, sich lediglich darüber auszusprechen, ob sie bei Piemont verbleiben oder für den Anschluß an Frankreich sieh entscheiden wolle. während in diesem wichtigen Aktenstüke der Schweiz und ihrer feierlich garantirten Rechte auf einzeln savo.^ische Landestheile mit keinem Worte gedacht war.

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Unmöglich konnte der Bundesrath ein derartiges Vorgehen mit Stillschweigen hinnehmen.

Er hätte einer schweren Verlezung an den ihm anvertrauten Landesintereffen sich schuldig gemacht, wenn er nicht mit aller Entschiedenheit gegen das angedeutete Procedere sich würde ausgesprochen haben. Mit Noten vom 12. .März wurden daher die Vertreter der Schweiz in Paris und Turin angewiesen, die respektiven Ministerien darauf aufmerksam zu machen, daß bei einem allsälligen Arrangement in .Beziehung aus Savoyen der Schweiz das Gehör nicht verschlossen werden dürfe; die Eidgenossenschaft stehe gerade mit Beziehung auf Savoven, ^um dessen Abtretung es sich gegenwärtig handle, mit Sardinien in deu engsten Vertragsverhältnissen, welche bis auf die jüngste Zeit herab von den sämmtlichen betheiligten Mächten Europas in ihrer vol.len Jntegrität anerkannt worden feien. Die Schweiz glaube daher ein Recht darauf zi...

haben, daß die Abtretung der neutralsten Provinzen lediglich unter ihrer als eines der Hauptpaeiszenten Mitwirkung zu erfolgen habe und ohne ihr Einverständniß nicht gefchehen dürfe, wenn der jezige Zustand wirklich unhaltbar sein sollte.

Die Schweiz gewärtige daher rü.sichtlich der fraglichen Provinzer..

solche positive Erklärungen, welche sie zu beruhigen im Stande wären und die Besorgnisse wegen etwaiger Beeinträchtigung ihrer wohl erworbenen Rechtsansprüche zu heben vermöchten.

Die Vertreter der Schweiz wurden angewiesen , gegen den von den Gouverneuren angekündigten Abstimmungsmodus zu protestiren und zu verlangen , daß vor der Abstimmung eine Verständigung mit der Schweiz .Piaz greise, indem. wenn ihr nicht entsprochen werden sollte, sie genöthigt wäre, die Garanten der europäischen Verträge uin ihre Vermittlung anzugehen.

Diese Notifikation wurde übergeben.

Eine entsprechende Gegenerklärung aber ist bis jezt nicht erfolgt, und wenn die Schweiz auch noch mit allem Vertrauen auf die Zusagen hinblikt, welche ihr Anfangs Februar gemacht worden find so glaubt ste bei der gegenwärtigen Lage der Dinge und bei den .bekannten Vorgängen in Savoyen die Pflicht uiid das Recht zu haben , eine solche Eröffnung zu verlangen. die geeignet wäre, sie in Beziehung auf ihre hier in Frage stehenden Jntereffen zu beruhigen.

Das rechtliche Fundament . auf welches die Ansprüche der Schweiz fußen. ist so bekannt,
und so mannigfach erörtert daß der Bundesrath sich dießfalls ans seine srühern Noten. namentlich auch auf die Denkschrift glaubt beziehen zu dürfen. welche seinem Zirkulare vom 18. November 1859 beigelegt war und in welcher der Gegenstand einläßlich in erschöpfender Weise dargelegt worden ist. Er glaubt daher sich auf die Hervorhebung einzelner der markantesten Punkte beschränken zu können.

436 Jn dem Friedensschluß, welcher im Jahr 1564 zwischen Bern und Savoven durch die übrigen eidgenössischen Stände vermittelt und durch Frankreich und Spanien gewährleistet worden ist, findet sich wörtlich fol.gende Bestimmung : ,,Kein Theil soll die ihm zugesprochenen Städte, Festungen, Land "und Leute einem andern Fürsten, Herren, Städten, Landen und Ge"meinden, wer sie auch sein möchten. weder kaufs. taufchs- noch einiger ,,andern Weise übergeben. damit ein Theil den andern fremder, ungete,,gener und beschwerlicher Nachbarschaft enthalte und ein jeder derselben "entladen sei und bleibe.

Diese Bestimmung des Friedensvertrages vom Jahr 1564 wurde durch Art. 23 des Turinervertrages vom 16. März 1816 Iuit allen ubrigen alten Traktaten bestätigt.

Das Jnstriinient, durch das von Seite Sr. Majestät des Königs ^on Sardinien eine Gebietsabtretung zu Gunsten des Kantens Gens erfolgte, enthält die nachstehende, von den hohen Mächten am 29. März 1815 .garantirte Bestimmung : ,,Daß die Provinzen Ehablais nnd Faueignv und alles von Ugine

,,nördlich gelegene. Sr. Majestät zugehörige Land in der durch alle Mächte

,,gewährleisteten schweizerischen Neutralität einbegriffen fein sollen ., d. h.

,,daß, so oft die der Schweiz benachbarten Mächte stch im Zuitande wirk,,lieh ausgebrochener oder unmittelbar bevorstehender Feindseligkeiten be,,finden werden, die Truppen Sr. Majestät des Königs von Sardinien, ,,welche allfällig in jenen Provinzen stehen möchten , sieh znrük..iehen und ,,dafür, wenn es nothwendig ist, ihren Weg durch das Wallis nehmen ,,können; daß keine andere bewaffnete Truppen irgend einer Macht sich dort ,,aufhalten oder durchziehen können. mit Ausnahme derjenigen. welche die ,,schweizerische Eidgenossenschaft daselbst auszustellen für gut finden würde, ,,wohlverstanden, daß dieses Verhäitniß die Verwaltung jener Provinzen ,,auf keine Weise beschränken soll, woselbst auch die Zivilbeamten Sr.

..Majestät des Königs die Bürgerwachen für Erhaltung guter Ordnung gebrauchen können. ..

Diese Bestimmung wird durch den Art. 92 der Wienerkontakte

ausdrüklich bestätigt.

Endlich wird in der Erklärung. ausgestellt und unterzeichnet zu Paris .ain 20. November 1815, Init klaren Worten gesagt: ,,Die Mächte anerkennen und gewährleisten gleichmäßig die Neutralität derjenigen Theile von Savoven, welchen diirch die Urkunde des "Wienerkongresses voin 29. März 1815 iind durch den Parifervertrag vom ...heutigen Tage der Genuß der schweizerischen Neutralität auf gleiche weis.

zugesichert wird, als wären sie Bestandteile dieses Landes.

437 ,,Die Mächte, welche die Erklärung vom 20. März unterzeichnet haben, "anerkennen durch die gegenwärtige rechtskräftige Urkunde, daß die Neutra"lität und llnverlezbarkeit der Schweiz sowie ihre Unabhängigkeit von .... jedem fremden Einflusse dem wahren Jnteresse aller europäischen Staaten ,,entspreche."

Der leitende Gedanke, von welchem die hohen Mächte bei diesen Stipulationen ausgegangen find, ist offenbar kein anderer als der: die.

Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz ist durch die allgemein euro-

päische Wohlfahrt bedingt und um diese Neutralität und Unabhängigkeit nach Möglichkeit sicher zu stellen, werden in die schweizerische Neutralität .einzelne Gebietstheile Savoyens eingeschlossen, welche zu einer wirksamen ^Verteidigung der schweizerischen Unabhängigkeit absolut nothwendig erscheinen und ohne die der im europäischen Jnteresse liegende Zwek entweder nicht oder doch nur unvollständig erreicht werden könnte. Diese Gründe bestehen auch heute noch in gleicher Stärke.

Angesichts dieser Thatsachen, angesichts der von Europa der Eidgenossenschaft so .feierlich gewährleisteten Rechte darf die Schweiz ihre Ansicht .dahin ausfprechen , daß ihre Ansprüche auf die neutralisirten Provinzen Savoyens nicht durch eine einfache Eession und eben so wenig durch eiue Volksabstimmung vernichtet und verloren werden können.

Es kommt hier eben so wohl die geographische Notwendigkeit als die politische Zwekmäßigkeit in Frage. Wenn Frankreich seine eigene Lage gegenüber einein mächtigen Norditalien dahin präzistren zu. sollen glaubte, daß es in feiner Pflicht liege, zur Sicherung der Gränzen die franzöfifchen Ge.birgsabhänge zu reklamiren, um wie viel mehr wird eine solche Reklamation von Seite der Schweiz als begründet anerkannt werden müssen, uaI wie viel mehr wird es sich rechtfertigen lassen, daß die Schweiz in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft mit zwei großen Militärmächten für sich eine solche Gränze verlange, die ihr eine nachhaltige Verteidigung ihres westliehen Gebietes möglich mache und ohne die ihre Neutralität bedenklich

und täglich gefährdet wäre.

Die geographische Lage der fraglichen Provinzen weist offenbar auf die Schweiz und nicht auf Frankreich hin. Hier sind keine Gebirgsabhänge. welche nach Frankreich ausmünden, sondern es bilden die betref..

senden Landestheile die natürliche Fortsezung der Kantone Waadt, Wallis .und Genf; ihre natürliche Abgränznng findet sich gegen Osten in den Gebirgen, welche Savoven von der Schweiz scheiden, und gegen Süden in der Alpenkette. welche den Süden Savovens vom Norden trennt.

Die Anerkennung und Aufrechthaltung dieser Anschauung erweist sich eben so sehr als eine internationale Notwendigkeit; denn wenn die nordlichen Provinzen Savoyens nicht an die Geschike der Schweiz geknüpft sind, so muß der so wichtige Simplonpaß. derjenige über den Großen.

Bernhardsberg. sowie die Kantone Waadt und Gens fortwährend als bedroht erscheinen.

438 Der Grund, warum wenigstens von einer Partei die Abtretung von ganz Savoryen an Frankreich betrieben wird, scheint darin zu liegen , daß es dem natürlichen Gefühl widerspreche , ein Land zu zerstükeln , das eine.

so lange Reihe von Jahren zusammen gelebt und eine so inhaltsreiche Geschichte aufzuweisen habe.

Diese Pietätsrüksicht hätte allerdings ihre Berechtigung, wenn es sich überhaupt um die Lostrennung von einer Dynastie handelte, mit welcher Savoven seit Jahrhunderten verbunden war und deren Wiege in dem nun.

abzulösenden Landestheile gesucht werden muß.

Vermag man sich aber hierüber hinwegznsezen, und sich mit dem Gedanken vertraut zu machen , sein Schiksal an einen fremden Staat fortan zu knüpfen, so kann jener gegen eine Theihing des abzulösenden Landes vorgebrachte Grund kaum mehr von größerer Bedeutung erscheinen.

Dem Typus der mittelalterlichen Staatenbildnng folgend, ist, ausgehend vom kleinen Anfange , erst nach und nach durch Eroberung und Sueeesfion dasjenige Landesgebiet entstanden , welches gegenwärtig als Herzogthum Savoven vor Angen liegt. Der Kernpunkt , von dem aus das spätere Savoven sich entwikelte, ist in der heutigen Provinz Maurienne.

zu finden, von wo aus es sich im Laufe der Jahrhunderte weiter entfaltete und felbst solche Theile in sich faßte, welche gegenwärtig schon zur schwel zerischen Eidgenossenschaft gehören. Wie beim Beginne, fo folgten im Verlaufe der Zeiten die einzelnen Landestheile , welche Gesammt-Savoyen ausmachten, dem Prinzipe der Theilung und Zerstükelung. Die Kantone Waadt, Unterwallis und Genf gehören feit Jahrhunderten zur Schweiz, während andere Parzellen , wie das Bugch und die Bresse sich ebensalls gegenwärtig schon Frankreich zugetheilt finden. . Wie bereits bemerkt,

deutet in Beziehung auf das jezige Savoyen die geographische Lage selbst auf eine Theilung hin, indem die Provinzen der südlichen Abdachung naturgeniäß zu Frankreich, diejenigen der Nordabdachung aber ebenso natürlich zur Schweiz gehören.

Wichtiger aber , als diese geographische Lage ist ein anderer Faktor,..

nämlich die Bevölkerung selbst, deren Wohlfahrt doch in erster Linie ir..

Berechtigung fallen wird. Nach ihren wichtigsten Lebensverhältnissen, in ihrem täglichen Verkehre, im Austausche der Landes- und Industrieprodukte , mit einem Wort, im ganzen Handel und Wandel ist die Be.völkerung der neutralisirten Provinzen vorzugsweise und beinah ausschließe lich auf die Schweiz angewiesen, während sie nach allen diesen Beziehungen zu dem übrigen Savoyen in keinem organischen, lebendigen Zusammenhange steht. Wie sehr diese Bevölkerung die eben dargelegten Verhältnisse zu.

würdigen weiß, wie sehr sie den Ernst ihrer Lage begreift, wie ängstlich.

sie der Zukunft entgegenblikt, dafür legt der llmstand vollgültiges Zengniß ab, daß bereits jezt schon über 11,000 Bürger aus freiem Antriebe ihren Wunfeh zu erkennen gegeben haben, mit der Schweiz vereinigt zu werden,

439 .wenn die Stunde des Ausscheidens aus dem pieInontesischein bande gekommen sei.

Staatsver-

Um aus dieser schwierigen Lage herauszukommen , ist auch auf den Ausweg hingedeutet worden, daß in Beziehung auf die neutralisirten Provinzen der Status quo selbst dann festgehalten werden könnte, wenn gan^ Savoven an Frankreich abgetreten würde.

Der Bundesrath kann sich der Mühe überheben, auf eine Zergliederung.

dieser Hypothese einzutreten und deren Unhaltbarkeit nachzuweisen. Eiu.

Zustand, der gegenüber einer Mittelmacht noch einen Sinn haben konnte, müßte als geradezu irrationell erscheinen gegenüber einer der größten Militärmächte Europas ; er müßte ebenso sehr der Würde des einen wie des andern Staates widersprechen.

Jst ganz Savoyen an Frankreich eedirt, so wird dieser Staat entweder die Anerkennung des Status quo von sich ablehnen oder es erhält der bisherige Zustand für die Schweiz nur noch eine rein nominelle Bedeutung ohne allen realen Gehalt. Die Bestimmung. nach welcher die.

französischen Truppen. die zu einem gegebenen Zeitpunkte in den neutralifirten Provinzen stehen würden, sieh eventuell durch den Kanton Wallis.

und über den Simplon znrükziehen sollten , würde fortan keinen Sinn.

mehr haben.

Nach Darlegung aller dieser verschiedener Gesichtspunkte, darf die Schweiz es wagen , in einer für ihre ganze Zukunft so wichtigen und inhaltfchweren Angelegenheit die Vermittlung der hohen Mächte in Anspruch zu nehmen ; sie thut dieß mit all' dem Vertrauen , das sie den Bürgen der allgemeinen gesellfchastlichen Ordnung Europas , ..den Garanten der Verträge, auf denen das Völerrecht beruht, -- schuldig ist.

Mit Vertrauen darf sie die Ausrechthaltung der ihr . vertragsmäßig zugesicherten Rechte erwarten; sie darf erwarten, daß, wenn wirklich eine Aenderiing des jezigen Auslandes stattfinden und Savoyen abgetreten werden soll , ihr durch Zutheilung der neutralisirten Provinzen die Möglichkeit gegeben werde, ihre Neutralität und Unabhängigkeit mit Aussicht auf Erfolg zu vertheidigen. Jn diesem Vertrauen wird die Schweiz sich um so weniger getäuscht sehen dürfen, als es sich nicht bloß um partikularistifche Vortheile, fondern uni Jnteressen handelt, denen von den hohen Mächten selbst eine allgemeine europäische Bedeutung zuerkannt worden ist, und als Frenkreich ihr gegenüber noch in den jüngsten Tagen den Fortbestand feinem Geneigtheit bestätigt hat, diese Angelegenheit in einer Weise
zu regeln,.

welche unsere Rechte und Jnteressen sicher stelle.

Jn der Zuverficht, daß sein Anliegen eine gerechte und unparteiische Würdigung finden und daß kein endgültiger Entscheid ohne feine MitWirkung gefaßt werde, benuzt der schweizerische Bundesrath auch dieser Anlaß u. s. w.

440 B. Note des schweizerischen Gesandten in Paris au den kaiserlich Französischen Minister der answartige.I Angelegenheiten.

P a r i s , den 1!5. März 1860.

Herrn Minister!

Jn Folge einer Depesche von Bern soll ich Euer Exzellenz kundthun, daß der Bundesrath der Regierung Seiner Majestät des Königs von Sardinien, betreffend die Frage einer Annexion Savons an Frankreich, eine Note zugeschikt hat, in welcher er die Beobachtung der Stipulationen des Vertrags zwischen Sardinien und der Schweiz von 1564, bestätigt durch denjenigen von 1816, verlangt, in so weit dieselben die Zession des gegenwärtigen Savoyergebiets an eine andere Macht betreffen.

Jch soll beifügen, daß meine Regierung ganz besonders jede Annexion der nentralistrten Provinzen. Ehablais, Faueigny und Genevois, an eine andere Macht als im Widerspruch betrachtet mit den Bestimmungen der Fünfzehner Verträge, welche diese Provinzen im Jnteressen der Nentralität gewährleisten. als wenn dieselben ein integrirender Theil der Eidgenossenschaft wären und dieses durch die bestimmte Erklärung, daß ,,sie der schweizerischen Neutralität in gleicher W e i s e t h e i l h a f t i g s e i n s o l l e n , als w e n n sie zu der Schweiz gehörten."

Jn Erwartung der Dinge legen mir meine Jnstruktionen die Pflicht auf, mit Bezugnahme auf die Vorstellungen. die ich Jhnen bereits in der

mir am 13. März gefälligst ertheilten Audienz mündlich zu machen die Ehre hatte, feierlich gegen jede Maßregel zu protestiren, welche die Absicht hätte, diese Provinzen an Frankreich zu anneriren, bevor sich die .europäifchen Mächte, welchen die kaiserliche Regierung die Frage unterbreiten zu wollen selbst erklärt hat, ausgesprochen haben werden.

Jch benuze die Gelegenheit, um Jhnen, Herr Minister, die Verscherungen meiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.

(Gez.) Kern.

(Uebersezung.)

.(... Note des schweizerischen Gesandten in Turin alt den königlich Gardinischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten.

Tit.!

Der schweizerische Bundesrath hat seit Abgang der Note, die ich Jhnen so eben vorgelesen habe. in Erfahrung gebracht, daß die Jnten..

kanten Savoyens in Chambery und Annech Proklamationen veröffentlicht

441 haben , worin sie .den Bürgern eine baldige Abstimmung bezüglich des Anschlusses ihres Landes an Frankreich ankündigen.

Angesichts diefer offiziellen Kundgebung über die Absichten der fax.dänischen Regierung und ohne grundsätzlich sich Gränzberichtungen wider..

sezen zu wollen, welche im Jnteresse Frankreichs und Sardiniens liegen .und den Wünschen. eines Theiles der savoyifchen Bevölkerung entsprechend sein können, Verlangt der Unterzeichnete. im Vertrauen aus die Loyalität Seiner Majestät des Königs Viktor Emmanuel I1.. dessen Voreltern die Verwäge beschworen haben. welche die Schweiz anruft und stets gewissenhast beobachtet hat, von der sardinischen Regierung. daß ste in der Rich.tung. welche die in Ehainberr) und Annee., angeschlagenen Proklamationen bezeichnen. nicht weiter vorgehe. ohne daß Unterhandlungen mit der.

.Schweiz eröffnet werden. zum Zweke eine solche Lösung der hängenden Frage herbeizuführen , durch welche die Rechte geachtet und die wohlverstandenen Jnteressen der angränzenden Länder wahrgenommen werden.

So lange eine Verständigung Init der Schweiz nicht stattgefunden.

hat zur Regelung dessen, wozu sie nach den Bestimmungen der Verträge auf den Fall einer .Abtretung Savo..ens an eine andere Macht mitzusprechen hat, verwahrt sich der Unterzeichnete im Namen und aus Auftrag des Bundesrathes gegen jede Abstimmung oder jed.e andere Handiung, deren Resultat eine Veränderung der gegenwärtigen Lage der Dinge in Savoyen herbeiführen könnte.

Jn der Hoffnung, daß die gerechten Einsprüche der Schweiz von Eurer Exzellenz mit demjenigen Wohlwollen werden aufgenommen werden, .welches immer die Beziehungen zwischen der königlichen Regierung und .der Eidgenossenschaft kennzeichnete. erfucht der Unterzeichnete Hochdieselbeu ^ie Versicherung feiner vollkommensten Hochachtung zu genehmigen.

Turin, den 14. März 1860.

(Gez.) ...l. Courte.

442

(Vom 21. März 1860.)

^

Aus das Gesuch der Franco-Suisse Eisenbahngesellschast in Neuenhurg und in Vollziehung des Bundesbeschluß vom 20. Juli 1853 (amtliche Gesezsammlung 1ll, 547) hat der Bundesrath auch diejenigen ihrer Angestellten vom Militärdienste befreit, welchen die Fürforge für die Sicherheit des Bahnbetriebes in polizeilicher und technischer Beziehung

obliegt.

(Vom 23. März 1860.)

Der Bundesrath hat sich bewogen gesehen, nachstehendes Schreiber...

au die Mitglieder der Bundesversammlung zu erlassen :

Bern, den 23. März 1860.

,,Tit. !

,,Die ernste Wendung. welche die bekannte Savoyer-Frage genom,,men, veranlaßt uns, die Bundesversammlung sofort einzuberufen.

,,Sie werden daher eingeladen, Donnerstags, den 29. dieß Vor,,mittags 10 Uhr, zu einer außerordentlichen Sefsion in der Bundesstadt ,,sich einzufinden.

,,Genehmigen Sie ie.

Wahlen des B u n d e s r a t h e s .

(Vom 17. März 1860.)

Zum Posthalter und Briefträger in Oensingen wurde gewählt: Herr Peter Joseph Studer, Postpferdhalter daselbst.

Zum Postkvmmis des Passagierbüeau in Zürich : Herr Joh. Heinrich Schmid, von Jllnau.

(Vom 19. März 1860.)

Zum Posthalter und Briefträger in Hochdorf: Herr Adam Rast, bisher Postablagehaiter.

Zum Zoilkontroleur in Vivis: Herr August Tabord, bisher Zolleinnehmer in Rolle.

443

Handelvertrag, abschlössen zwischen Frankreich und Gross Britannien.

Art. 1. Seine Majestät der Kaiser der Franzosen verpflichtet sich, die nachbenannten Gegenstände, welche englischen Ursprungs sind und aus englischen Fabriken herkommen , und die aus dem Vereinigten Königreiche in Frankreich eingeführt werden , zu einer Zollgebühr zuzulassen , die in deinem Falle 30 % des Werthes , rnit Errechnung der zwei nachträglichen Zehenten (les deux décimes additionnels compris) , überfeigen soll.

Die Gegenstände und Waaren sind folgende : Rafsinirter Zuker; Gelbwurzenpulver (curcuma en poudre) ; .Bearbeiteter Bergkristal ; geschmiedetes Eifen in Masseln oder Stäben ; Weessingdräthe (mit Zink vermischtes Kupfer), polirt oder unvolirt, von jeder Art ; Chemische Produkte , benannt oder unbenannt ; Farbhoiz-Extrakte (Extraits de lIois de teinture) ; Krappextrakt (Garancine) ; Gewöhnliche Seife aller Art und Parfümerie-Seife ; Feine oder gemeine Töpferwaare von Sandstein (degrès) oder vou Pseifenerde ; Poreeiangefchirr ;

Gläser , Kristalle , Spiegel (Spiegelglas , glaces) ;

Bauniwollengarn ; Wollengarn jeder Art ; Hanf- und Flachsgarn ; Haargarn (fils de poils) , besonders benannt oder nicht ; Baumwollengewebe ; Roßhaargewebe , befonders benannt oder nicht ; Wollengewebe, benannt oder unbenannt; Tüchene Sahlbänder (lisières en draps) ; Thierhaargewebe (tnssus de poils) ; Seidengewebe ; Gewebe aus Flok- oder Floretfeide ; Gewebe ans Baumrinden und allen faserigen Pflanzengewächsen, benannt oder unbenaünt ; Hanf- und Flachsgewebe ; Melirte Gewebe aller Art ;

444 Strumpfwirkereien ; Posamenteriewaaren .

Kramwaaren ; Steine oder melirte Eaoutchoiie., und Guttaperea Gewebe ; Verfertigte Kleider; Zubereitete Häute (Felle) ; Häute- und Lederarbeiten , begriffen r..der nicht unter der Benennung ,,Kramwaaren, gemeine oder feine" ;

Plattirte Artikel aller Art ;

Messerschmiedwaaren ; Metall-Arbeiten , benannt oder .nbenannt ; Gußwaaren jeder Art, ohne Unterschied des Gewichts; Eisen, mit der iin nachstehenden Art. 17 vorgesehenen Ausnahme;

^

Stahl ; Maschinen, Werkzeuge und mechanische Jnstrumente aller A r t ; Kutschen , hängende , garnirt oder bernalt ; Kunstschreinerwaaren und Arbeiten in Elfenbein und Holz ; .Branntwein , selbst andere als von Wein , Kirschen , Melasse oder Reis ; Schiffe und Gondeln (bâtiments de Iner et embarcations).

Beim raffinirten Zuker und den von Salz herkommenden chemischen Produkten fügt man zum oben sestgesezten Zoll noch den Betrag der Abgaben hinzu , die auf diesen Produkten im Jnnern lasten.

Art. 2. Seine Majestät der Kaiser verpflichtet sich, den Eingangszoll auf Steinkohle und Eoke aus Großbritannien auf 15 Centimen per 100 Kilogramm herabzusezen , wozu aber noch die zwei Zehenten (décimes) kommen.

Seine Majestät der Kaiser verpflichtet sieh ebenfalls . im Zeitraum von 4 Jahren . vom Tage der Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages an gerechnet., für die über die Land- und Meergränzen eingebrachte Steinkohle und Eoke einen Einheitszoll einzuführen , der den im vorstehenden Paragraph sestgesezten nicht übersteigen darf.

Art. 3. Es versteht sich , daß die in den vorhergehenden Artikeln festgesezten Zollansäze von den zu Gunsten der französischen Schiffe ein-

geführten Differentialzöllen unabhängig sind.

Art. 4. Die irn gegenwärtigen Vertrage stipulirten Zollansäze ad

valorem werden berechnet nach dem Werthe anI Ursprungs. oder Fabrikationsorte des iniportnten Gegenstandes. Zu diesem Werthe kommen noch die Transportkosten , die Assekuranz- und Kommissionsgebühren, welche für die Einsuhr in Frankreich bis zum Ausschiffungshafen nöthi.g stnd.

Zum Behus des Bezugs dieser Zölle muß der Jniportateur dem Zollbureau eine schriftliche Erklärung über den Werth und die Oualität der eingeführten Waaren ausstellen. Falls die Zollverwaltung den deklarirten

445 Werth zu niedrig finden sollte . so hat sie das Recht , die Waareu einzubehalten , indem sie dem importateur den von ihm deklarirten Werth.

ausbezahlt , und dazu noch 5 %.

Diese Zahlung hat in 15 Tagen nach der Deklaration zu geschehen,

mit Zurükgabe des allfällig bezahlten Zolles.

Art. 5. Jhre großbritannifche Majestät verpflichtet sich. bei Jhren...

Parlamente die Ermächtigung nachzusuchen , den Eingangszoll auf den nachstehenden Artikeln aufheben zu dürfen : Schwefelsäure und andere Mineralfäuren ; Zugerichtete Agathe und Earneolen (cornolines) ;

Ehemische Zündhölzchen aller Art ;

Zündkapseln (aniorces ou capsules de poudre fulminante) ; Waffen aller A r t ; Bijouteriewaaren ;

Kinderspielzeug .

Stöpsel (Zapfen) ; Goldene und silberne Brokate; Stikereien oder Nadelarbeiten aller Art ; Arbeiten in Bronze oder in bronzirtem oder sirnissirtem Metall ; Stöke zu Sonnenschirmen, Regenschirmen oder andern, zugerichtet, beniait oder ans andere Weise verziert ; Hüte, von welchem Stoffe sie sein mögen; Handschuhe , Strü.nvfe , Unterstrürnpfe (Halbstrünipfe) und andere ,.

ganz oder theilweise verfertigte .Artikel, baumwollene oder seinene Verarbeitetes Leder ; Spizen von Baumwolle, Wolle, Seide oder Flaehs ; Verarbeitetes Eisen und Stahl ; Maschinen und mechanische JnstrunIente (mécaniques) ; Werkzeuge und Jnstruinente ; Messerschiniedwaaren und andere Artikel von Stahl , Eiseu oder geformte Gußarbeit ; Zier.. oder Phantaste-Artikel vou Stahl oder Eisen ; Arbeiten durch galvanisches Verfahren , mit Kupfer bedekt ; Modensachen und künstliche Blumen ; Frische Früchte ; Handschuhe und andere Kleidnngsstüke von Leder ; Verarbeitete Eaontchone und Guttaperea ;

Oele ;

Musikalische Jnstrumente ;

Wollene Shwals , bedrukt oder glatt ;

Deken , Handschuhe und andere nicht benannte wollene Gewebe; Saktücher nnd andere, nicht benannte Hans- und Flachsgewebe; Parfümeriewaaren ; Kunstschreinerarbeiten ; Wanduhren ; Sakuhren ; Lorgnetten ;

446 Verarbeitetes Blei , benannt oder nicht benannt ; Federn , zubereitet (apprêtées) oder nicht ; Ziegenhaargewebe oder andere ; Porzelan ; Töpferwaaren ; Frische Trauben; Ouinquina-Schwefelsäure (Sulfate de quinquine) ;

Morphiumsalze ;

Seidengewebe , reine oder gemischte , von welcher Art sie sein mögen.

Artikel , im Tarif unbenannt, auf denen gegenwärtig ein Zoll von 10 % ad valorem lastet , unbeschadet der Vorsichtsmaßregeln, welche der Schuz des öffentlichen Einkommens (revenu puhlic) gegen die Einfuhr von Stoffen . welche den Zoll- oder Rreisen-Gebühren unterworfen sind , erfordern könnten , und die in die Composition der Artikel gehören würden, welche kraft des gegenwärtigen Paragraphen zollfrei zugelassen werden.

Art. 6. J...re brittische Majestät verpflichtet sich auch, dem ParlaInente die sofortige Ermäßigung des Zolls für die Einfuhr französischer Weine in der W^.ife einzuführen, daß bis zum 1 . April 1861 per Gallon nicht mehr als drei Shillings zu bezahlen sein wird. Von leztgedachter Zeit an werden die Eingangszölle auf sollende Weise geregelt : 1) Für Weine. die weniger als 1..^ Grad Geist enthalten. engl.

T...pe , mit S.^es H^drome^r verifizirt , soll der Zoll nicht einen

Shilling per Gallon übersteigen ;

2) für Weine, welche l 5 bis 26 Grad enthalten, soll der Zoll per Gallon nicht über 1 Shilling 6 Peni.e gehen ; 3) für Weine , die von 26-^40 Grad halten , wird der Zoll nicht 2 Shillings per Gallon übersteigen ., 4) für Weine in Flaschen soll der Zoll per Gallon nicht mehr als

2 Shillings betragen ;

5) die Weineinsiihr darf nur in denjenigen Häfen stattfinden, die hie..

für vor der Vollziehung des gegenwärtigen Vertrags bezeichnet werden. Jedo.h behält sich Jhre großbritannische Majestät vor , andere Häfen an die Stelle der anfänglich bezeichneten zu sezen. oder deren Zahl zu vermehren.

Der Einfuhrzoll bei nicht bezeichneten Häfen wird zwei Shillings

per Gallon sein.

6) Jhre brittifehe Majestät behält sich Bestimmungen des gegenwärtigen Geistes zu bestimmen . der in dem halten sein kann , ohne daß jedoch sein darf.

das Recht vor . ungeachtet der Artikels , das Maximum des als Wein erklärten Liqueur^entdieses Maximum unter 37 Grad

Art. 7. Jhre bittifche Majestät verspricht , dem Parlamente zu empfehlen , d..ß im Vereinigten Königreiche französische Waaren mit einem ^en Aeeisen gleichkommenden Zolle , der auf ähnlichen Waaren im Ver-

447 Einigten Königreiche lastet oder lasten könnte , zugelassen werden. Jedoch .kann der Eingangszoll um den Betrag der Kosten vermehrt werden , die .^dem brittischen Produzenten durch das Aeeisens.,.stem erwachsen..

Art. 8. Jn Folge des vorhergehenden Artikels verpflichtet sich Jhre brittische Majestät. dem Parlamente zu empfehlen, daß der aus Frankreich kommende Brantwein und Spiritus, zu einem .Zolle, der demjenigen vollkommen gleich ist. den im^ Vereinigten Königreiche die inländifehe Fabrikation vom Spiritus bezahlt. mit ..!lusnah^e einer Zutaxe von ^wei Penee per Gallon , was aus dem jezt vom französischen Brantwein ^und Spiritus zu erhebenden Zoll 8 Shillings 2 Penee auf de.n Gallon beträgt , im Vereinigten Königreiche zugelassen werde. Jhre brittische Majestät verpflichtet sich ebenfalls . dein Parlamente zu empfehlen . daß der .aus den französischen Kolonien kommende Ruin und Tasia (Zukerbrant^vein) zu demjenigen Zolle zugelassen werde, der gegenwärtig ans diesen Produkten, wenn sie aus b r i t t i s c h e n Kolonien kommen, lastet oder lasten . könnte.

Jhre briitische Majestät verpflichtet sich . dem Parlamente zu em.pfehlen , daß Tapetenpapier , welches aus Frankreich kommt , und aus den.

.ein den Aeeisengebühren entsprechender Zoll lastet, nämlich 14 Shillings .per Zentner . zugelassen werde , fo wie Pappendekel gleichen Urfprungs zu einem Zolle, der 15 Shillings per Zentner nicht übersteigen soll.

Jhre brittische Majestät verpflichtet sieh auch , dem Parlamente zu empfehlen , daß Goldschmiedarbeiten , die aus Frankreich kommen , und einem mit den Aeeisengebühren . die auf brittischen Goldschmiedarbeiten lasten , identischen Zolle unterworfen sind , zugelassen werden.

Art. 9. Die höhen kontrahirende Mächte haben sich verständigt, daß , wenn eine von ihnen es nothwendig findet . eine Ae.eifengebühr oder eine Taxe auf einen nationalen Produktions- oder Fabrikationsartikel, der in den vorstehenden EnunIerationen enthalten wäre, einzuführen , so könne der ähnliche sremde Artikel sosort bei der Einsuhr mit einem gleichen Zolle belegt werden.

Ebenso haben die hohen kontrahirenden Mächte darüber steh geeinigt, daß . falls die brittische Regierung es für nöthig erachten würde , die Aeeisengebühren , welche auf dem inländischen Spiritus lasten. zu erhöhen, der Eingangszoll vom Wein in folgender Weife modifizirt werden könne : Jede Vermehrung der Aeeisengebüh^ nin einen Shilling per Gallon.

Spiritus, kann zur Folge haben, daß bei dem Weine. welcher 1^

Shilling zahlt , eine Zollerhöhung eintritt , die jedoch 1 .^ Penn^ nieht

übersteigen darf; bei dem ..^eine , der 2 Shillings bezahlt, kann eine Zollerhöhung bis höchstens auf 2 Penee und 1,...... Penn^ stattfinden.

Art. 10. Die beiden kontrahirenden Theile behalten sich die Freiheit vor , auf allen im gegenwärtigen Vertrage erwähnten^ Artikeln . oder auf jedein andern . Ein- oder Ausladnngsgebühren, welche zur Bestreitung

.....unde.^lat.t. Jahr.... .^II. ^d. t.

40

448 ^er Auslagen für die im Ein- oder Ausfuhrhasen nöthigen Gebäulich.^i.e^ bestimmt sind , aufzulegen.

Jn Allem aber , was die lokale Behandlung anbetrifft, die Gebühren und Unkosten in den Häfen , Bassins , Docks . Rheden , Seehäfen und.

Flüssen der beiden Länder , sollen die Vorrechte , Begünstigungen oder Vortheile , welche den nationalen Schiffen ohne Ausnahme , oder den.

Waaren , die sie einführen , bewilligt find oder bewilligt werden , gleichfalls den Schiffen des andern Landes und den Waaren, die fie ein- oder ausführen , gestattet werden.

Art. 1 1 . Die hohen kontrahirenden Mächte verpflichten sich , die^ Ausfuhr der Steinkohle nicht zu untersagen, und auf dieser Ausfuhr keinerlei Zoll zu legen.

Art. 12. Die llnterthanen ten genießen in den Staaten der die ^andesangehörigen in Allem .

und die Fabrikzeichen jeder Art

der einen von den kontrahirenden Mächandern Macht den gleichen Sehuz wie was das Eigenthnm der Handelszeichen anbetrifft.

Art. 13. Die in den vorstehenden Artikeln festgefezten Zölle ^d .^lore^ werden in spezifische Gebühren umgewandelt durch eine nachträgliehe .Uebereinkunft , die vor dem 1. Juli 1860 in ....raft treten wird.

Als Grundlage zu dieser Umwandlung sollen die Durchschnittspreise von den sechs Monaten , die deni gegenwärtigen Vertrage vorangegangen find,.

genommen werden.

Jedoch soll der Zollbezug nach den oben ausgestellten Grundlagen stattfinden: 1) Falls diese nachträgliche Uebereintunft vor .Ablauf der zux Vollziehung des gegenwärtigen Vertrages Seitens Frankreich feftgesezteu

Fristen nicht in Wirksamkeit gebracht würde; 2^ für diejenigen Artikel, ^eren spezifische Gebühren nicht hätten geregelt werden können.

nach einem gemeinschaftlichen Vergleich.

Art. 14. Der gegenwärtige Vertrag wird für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Jrland vollziehbar, sobald die nöthige gefezliche Sanktion vom Parlamente ertheilt worden sein wird, unter dem in Bezug auf die Weine im Art. 6 gemachten Vorbehalte.

Jhre brittische Majestät behält stch ferner die Befugniß (faculté) vor . aus speziellen Gründen und ausnahmsweise, während längstens zwei Jahren. voni 1. April 1860 an gerechnet, die Hälfte der Zölle, die derzeit auf den Artikeln lasten , deren freie Zulassung durch den gegenwärtigen Vertrag stipulirt ist , zu beziehen. Dieser Vorbehalt ist jedoch.

nicht auf Seidenwaaren anwendbar.

Art. I5. Die von Seiner Majestät dem Kaiser der Franzosen eingegangenen Verbindlichkeiten werden vollziehbar und die oben bei der Ein^

44..)

suhr der Waaren von brittischer Herkunft und aus brittischen Fabriken angegebenen Tarife werden anwendbar in folgenden Zeitsrist^n : 1) für. Steinkohle und Eoke , vorn f. Juli 1860 an; 2) für Eifen, Gußwaaren^ (fontes,.. Stahl, deren Einfuhr nicht verboten war, vom l. Oktober 1860 an; 3) für Arbeiten in Metall, Maschinen. Werkzeuge und mechanische Jnstxiimente (mécaniques^ jeder Art . in einem Zeitraume , der über den 31. Dezember 1860 nicht hinausgehen soll; ..^ 4) für Garn und Gewebe ans Flachs und Hanf, vom I. Juni

1861 an;

5) für alle andern Artikel, vom 1. Oktober 1861 an.

Art. I6. Seine Majestät der Kaiser der Franzosen verpflichtet sich, daß die bei der Einfuhr der Waaren ^on brittischem Ursprung und brittischen Manufakturen sestgesezten Gebühren .^ ..^lore.^ 25 .^ zum Maximum haben , vom l . Oktober 1864 an.

Art. 17. Die hohen kontrahirenden Mächte sind einverstanden, daß, als Basis zur Umwandlung der Gebühren ad valorem in spezifische Gebühren , für das gegenwärtig bei der Einfuhr in Frankreich mit einein Zolle von i0 Franken, der doppelte Zehenten (décime) nicht Inbegriffen, belastete Eisen neir ein Zoll von 7 Franken für 100 Kilogramm bis zum 1. Oktober 1864 bezahlt werden soll, und 6 Franken von jener Zeit an, in beiden Fällen die zwei nachträglichen Deeimen eingerechnet.

Art. 18. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Handelsvertrages find ans .Algerien anwendbar , sowol für die .Ausfuhr seiner Produkte^ als für die Einsuhr brittifcher Waaren.

Art. 19. Jede .der beiden hohen kontrahirenden Mächte verpflichtet sich , der andern Macht jede Begünstigung , jedes Vorrecht oder jede Ermäßigung der Eingangszölle auf den im gegenwärtigen Vertrage angeführten Artikel , die eine von ihnen einer dritten Macht gewähren könnte, zu gut kommen zu lassen. Sie verpflichten sich ferner , gegen einander kein Ein^ oder Ausfuhrverbot auszusprechen , das nicht zugleich auf die andern Nationen Anwendung fände.

Art. 20.

Der gegenwärtige Vertrag erhält erst ^dann Gültigkeit,

ro..nn Jhre brittische Majestät von Jhrem Parlamente die Ermächtigung erhalten haben w.rd , die von Jhr in den vorstehenden Artikeln eingegangegangenen Verbindlichkeiten auszuführen.

Art. 2l. Der gegenwärtige Vertrag bleibt zehn Jahre in Kraft, vom Ta^e der Auswechslung der Ratifikationen an gerechnet ; und falls keine von den beiden hohen lontrahirenden Mächten zwö!f Monate vor Ab-

450 lauf der gedachten Periode von zehn Jahren ihre Absicht , vom Vertrage zurüktreten zu wollen, anzeigt, so verbleibt der Vertrag noch ein Jahr in Kraft , uud so fort von Jahr zu Jahr . bis zum Ablauf desjenigen Jahres, in welchem die eine oder die andere der hohen kontrahirenden Mächte ihn gekündigt haben wird.

.

Die hohen kontrahirenden Mächte behalten sich das Recht vor . auf gemeinschaftliches Einverständniß hin im Vertrage alle Abänderungen einzuführen , die mit seinem Geiste oder seinen Grundsäzen nicht im Widerspruch stehen , und deren Nützlichkeit diirch die Erfahrung sich darthun

sollte.

^lrt. 22. Der gegenwärtige Vertrag soll ratifi.irt und die Ratifia Nationen in Zeit von 15 Tagen, oder wo möglich früher noch, zu Pari.....

ausgewechselt werden.

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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

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Bundesblatt

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Feuille fédérale

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Jahr

1860

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

14

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.03.1860

Date Data Seite

431-450

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10 003 022

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