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Bundesversammlung.

Nach Einberufung durch den Bundesrat haben sich die eidgenössischen Kammern am 24. Februar 1930, um 15 Uhr, zu einer ausserordentlichen Tagung versammelt, die am 25. Februar geschlossen worden ist.

Die Übersicht der Verhandlungen wird nächstens dem Bundesblatt beigelegt werden.

Im S t ä n d e r a t widmete der Präsident, Herr Messmer, bei der Sessionseröffaung dem verstorbenen Ratsmitgliede Herrn Dr. Friedrieh B r ü g g e r folgenden Nachruf: 43 Mitglieder des Eates haben beim Namensaufruf geantwortet oder ihre Abwesenheit entschuldigt. Nur ein Kollega, der in der letzten Dezembersession noch in körperlicher und geistiger Frische unter uns weilte und uns am Schlüsse derselben in gewohnter freundlicher und zuvorkommender Weise seine Hand zum Abschied reichte, ist nicht mehr erschienen. Der damalige Abschiedsgruss sollte sein letzter sein, den er uns geboten hat. Wer hätte dies geahnt!

Am 29. Januar d. J, verbreitete sich die erschütternde Trauerkunde, Ständerat Dr. Fr, Brügger in Chur sei verschieden. Sie hatte in den weitesten Kreisen unseres Vaterlandes Bestürzung und echte, tiefgefühlte Trauer ausgelöst. Man konnte es fast nicht fassen, dass Herr Ständerat Brügger nicht mehr unter den Lebenden weile, und dennoch, es war bittere, herbe "Wahrheit!

Bin langes Krankenlager mit körperlichem oder geistigem Kräftezerfall blieb dem Verewigten erspart. Sein ganzes Leben lang hatte er die Bitterkeit des Krankseins nicht gekannt. Gesunde Natur und sorgfältige, in allem Maas und Grenzen beobachtende Lebensweise hielten ihn bis zu den letzten Lebenstagen, trotz des hohen Alters, in geistiger Frische und körperlicher Elastizität. Noch kurz vor seinem Tode beschäftigte er sich in ernstem und gründlichem Studium mit der Flugzeugvorlage und mit der Bildung eines Agitationskomitees für die Annahme der Alkohol vorläge. Am 22. Januar d. J.

fühlte er sich unwohl; es traten Fieber ein, und wenige Tage später musste der Arzt eine heftige Lungenentzündung konstatieren, die den Tod herbeiführte. Wohl vorbereitet und gestärkt mit den Gnadenmitteln seiner Beligion, die ihm zeitlebens ein Herzensbedürfnis war, schlummerte Ständerat Dr. Brügger um die neunte Stunde des 29. Januars in die Ewigkeit hinüber.

Die gewaltige Lebensarbeit des Dahingeschiedenen als Parlamentarier, Militär und Politiker dürfte später von berufener Seite ausführlicher geschildert

148 werden. In diesem Nachruf kann das Lebensbild des Verstorbenen nur in gedrängter Kürze gezeichnet werden.

Friedrich Brügger wurde am 21, März 1854 in seinem Heimatort Churwalden als Sohn des päpstlichen Hauptmanns Friedrich Brügger geboren.

Die Gymnasialstudien absolvierte er an der Stiftsschule zu Einsiedeln. In Löwen Und München studierte er Jurisprudenz und promovierte schon im Alter von 28 Jahren in München. Seine praktische Tätigkeit begann er im Jahre 1877 als Bechtsanwalt in Chur. Aber schon nach zwei Jahren wandte er sich dem öffentlichen Dienste zu und wurde nacheinander Regierung«Sekretär, Gerichtsschreiber beim Bezirksgericht Plessur und Staatsanwalt.

Das Bündnervolk wählte ihn im Jahre 1909 in die kantonale Begierung.

wo er das Bau- und Forstdepartement übernahm, und acht Jahre später erstmals, als Nachfolger des verstorbenen Franz Peterelh, in den Ständerat.

Dies hatte seinen Bücktritt aus dem Begierungsrat zur Folge, weil das einzige Mandat, das der Begierung in der Bundesversammlung gegebenenfalls zusteht, damals bereits vergeben war.

Eine gediegene juristische Bildung, gepaart mit einem scharfen, geraden, selbständig sich äussernden Verstand boten Dr. Brügger die soliden Grundlagen zu einer raschen politischen und parlamentarischen Laufbahn. Die Wahl zum Ständerat rief ihn auf das weitere eidgenössische Aktionsfeld.

Im Ständerat war der Verstorbene ein angesehenes, eifriges und .führendes Mitglied und ein liebenswürdiger, treuer Kollega.

Dr. Brügger war nicht nur fleissig und gewissenhaft in der Präsenz der Sitzungen, sondern ebensosehr im Lesen der bundesrätlichen Botschafton und im Studieren der zu behandelnden Traktanden. Er hatte für alle Fragen, ein offenes Auge, ein reges Interesse und beurteilte sie mit seinem klaren Menschenverstand. Dazu gesellte sich eine vorzügliche Bednergabe, darum konnte er auch oft das Wort ergreifen und sich an der Diskussion beteiligen.

Er bekleidete im Jahre 1918/19 das Präsidium des Bates. gehörte vielen wichtigen Kommissionen als Mitglied oder Vorsitzender und Berichterstatter an. Noch in der letzten Dezembersession hat er mit ausserordentlicher Klarheit und Sachlichkeit als Präsident der Bundesbahnkommission über den Voranschlag der SBB für das Jahr 1930 referiert. Wie sein Geist, so waren auch seine Voten immer klar und bestimmt,
einfach und originell in der Sprache, ohne überflüssige Zier und dennoch höchst eindrucksvoll, zuweilen getragen von einem sonnigen Humor, gewürzt mit schalkhaften, jedoch niemand : verletzenden Bemerkungen.

Dr. Brügger bewegte sich nicht nur in einer grossen politischen Laufbahn; er machte auch eine glänzende militärische Karriere. Das Soldatenblut seines Vaters floss auch in den Adern des Sohnes. In Zivil wie in Uniform zeichnete er sich aus durch eine energische Disziplin, immer korrekt, ritterlich und pünktlich wie eine Uhr. Als 29jähriger Hauptmann wurde Brügger schon in den Generalstab versetzt. Später erhielt er das Kommando eines

149Bündnerbataillons (1889), dasjenige des Iiifanterie-Begiments 80 (1894), das nach der alten Ordnung Bündner-, Glarner- und Oberwallisertruppen vereinigte, und sodann dasjenige der Brigade 15 (1902). Im Jahre 1909 avancierte Oberst Brügger zum Divisionar und erhielt das wichtige Kommando der Gotthardbefestigungen. Bei Ausbruch des "Weltkrieges (1914) erfolgte seine Berufung als Generaladjutant der Armee in den Armeestab. Der Pflichtenkreis eines Generaladjutanton war sehr weitgezogen. Er hatte die gesamte administrative Tätigkeit im Hauptquartier zu besorgen daher wurde der Generaladjutant eine bekannte und hochgeschätzte Persönlichkeit, die ungemein viel Gutes für das geistige und körperliche Wohl unserer Soldaten zu erreichen suchte. Lu Jahre 1918 ernannte der Bundesrat Dr. Brügger zum Oberstkorpskommandanten. Mit der Auflösung des Armeestabes fand seine glänzende militärische Karriere ihren Abschluss.

Dr. Brügger hat sich auch wiederholt schriftstellerisch mit Heeresfragen beschäftigt. Seine Schrift «Volk und Heer» ist heute noch das beste Abwehrmittel gegen die antimilitaristische Propaganda.

Und nun ist mit dem Ableben Brüggers auch der Generaladjutaut dem General und dem Generalstabschcf im Tode gefolgt, doch die Namen Wille, Sprecher und Brügger bleiben, wie der Vertreter des Bundesrates am Grabo Brüggers gesprochen, mit ehernen Griffeln in den Tafeln der Geschichte eingegraben.

Ständerat Dr. Brügger gehörte der katholisch-konservativen Partei an..

Er war nicht nur jahrelang der rührige Präsident der konservativ-demokratischen Partei des Kantons Graubünden, sondern auch Vorsitzender der katholisch-konservativen Gruppe des Ständerates. Immer bildete die christliche Einstellung das Fundament und die Bichtschnur seines politischen Handelns. Er war ein achtsamer Wahrer der konservativen Weltanschauung, ein Föderalist durch und durch, ein Gegner des Zentralismus und des etatistischen Staatssozialismus.

Der Verewigte war ein geborener Politiker. Alle erforderlichen Eigenschaften dafür besass er im vollen Masse: Vornehmen, tadellosen Charakter, tiefgründige wissenschaftliche Bildung, vorsichtiges Urteil, grosse Menschenkenntnis, geraden offenen Sinn, gepaart mit Loyalität und tolerantem Wesen.

Unerschütterlich war er in seinen Grundsätzen, aber stets milde in" der Form,, deswegen zollte
ihm auch der politische Gegner hohe Achtung.

Er war ein wahrer Volksmann, der, wenn er das Volk' nicht mit seineu Worten erreichen konnte, zur Feder griff, um mit ihm Fühlung zu bekommen.

Seine originellen und volkstümlichen, geist- und gemütvollen Artikel in der Presse über wirtschaftliche und soziale, politische und religiöse Zeitprobleme wurden stets gerne von Leuten aller Stände und Bildungsgrade gelesen.

Ungeachtet des aristokratischen Zuges, der an ihm unverkennbar zum Ausdrucke kam, war er gegenüber jedermann, der mit ihm in Verbindung stand, ein ungewöhnlich leutseliger und dienstbereiter Mann. Er konnte sich des-.

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halb insbesondere beim Bündnervolk einer grossen Popularität erfreuen, und darum hat sich auch seine Beerdigung zu einer imposanten Sympathie- und Trauerkundgebung gestaltet.

Und nun liegt der Leib desjenigen, dessen Wirken dem Gesamtwohl des Volkes gewidmet war und dessen Herz in unerschütterlicher Liebe für sein Vaterland schlug, im Grabe. Mit Ständerat Dr. Brügger ist ein edler, goldlauterer Mensch, ein praktischer, zielbewusster Politiker, ein begabter willensstarker Offizier ins Eeich der Toten gegangen. Das Schweizervolk hat einen seiner besten Söhne verloren. Gott lohne sein Lebenswerk mit ewigem Frieden.

Der Nachruf des Präsidenten des N a t i o n a l r a t s , Herrn Graber, zu Ehren des verstorbenen Herrn Ständerats Dr. Friedrich Brügger ißt in der französischen Ausgabe des Bundesblattes (1930, Bd. I, S. 151) veröffentlicht worden.

An Stelle des zum Bundesrat gewählten Herrn Dr. Meyer ist als Mitglied des N a t i o n a l r a t s getreten: Herr Dr. Hermann H ä b e r l i n , Stadtrat, von Bissegg (Thurgau) und Zürich, in Zürich.

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26.02.1930

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